TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/24 405-4/2247/1/5-2019

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Index

93 Eisenbahn

Norm

EisbG §45

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Ing. Mag. Dionysius Viehhauser über die Beschwerden von Herrn AR AM und Frau AS AM, AQ-Straße 5, AP, sowie Herrn CC AM, AQ-Straße 3, AP, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 30.06.2016, Zahl XXX/8-2016, nach Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes vom 19.2.2018, Zahl 405-4/1508/1/5-2018, durch den Verwaltungsgerichtshof (2018/YYY-5)

 

zu Recht e r k a n n t :

 

I.        Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird den Beschwerden mit der Maßgabe Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Bescheides nach den Worten "… in Form“ wie folgt zu lauten hat: "der Fällung des Baum- und Strauchbestandes in einem Gefährdungsbereich von 35 m jeweils ab dem Böschungsansatz entlang der Eisenbahntrasse hinsichtlich jener Bäume und Sträucher deren tatsächlichen Wuchshöhe, die Entfernung Standort (des Pflanzenindividuums) - Böschungsansatz entlang der Bahntrasse erreicht hat, aufgetragen" (siehe kartographische Darstellung auf Seite 16).

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Mit Schreiben vom 09.05.2016 wurde von der AA EE AG gemäß § 45 Eisenbahngesetz die Duldung der Beseitigung der durch Naturereignisse eintretenden Gefährdung der Eisenbahn in Form eines Kahlhiebes von ca einer Baumlänge links und rechts der Bahnstrecke auf Grundstücken der nunmehrigen Beschwerdeführer beantragt.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung wurde den Beschwerdeführern bezüglich der jeweils in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke gemäß § 45 Eisenbahngesetz 1957, BGBl Nr 60/1957 idgF die Duldung der Beseitigung der durch Pflanzenbewuchs eingetretenen Gefährdung der Eisenbahn im Bereich von Bahn-km ZZZ bis QQQ, in Form eines Kahlhiebes von ca einer Baumlänge entlang der Eisenbahnlinie aufgetragen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde von den betroffenen Grundeigentümern das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und unter Verweis auf einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes damit begründet, dass der angefochtene Bescheid unter Außerachtlassung der entsprechenden Grundsätze zur Führung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens ergangen sei, insbesondere keine entsprechende Sachverständigenexpertise in Bezug auf die Festlegung des Gefährdungsbereiches stattgefunden habe. Darüber hinaus sei die Spruchformulierung unter dem Aspekt der mangelnden Bestimmtheit unzulänglich.

Letztlich wurde moniert, dass die vorliegend normierte Eigentumsbeschränkung ohne Festsetzung einer Entschädigung vorgenommen werde und dazu auch ein diesbezügliches Normprüfungsverfahren angeregt.

 

Zu dieser Beschwerde wurde seitens der Antragstellerin eine Gegenäußerung erstattet, in der darauf verwiesen wurde, dass es sich in Bezug auf die entschädigungslose Duldungsverpflichtung um eine diesbezügliche gesetzliche Vorgabe handle, die nicht als entsprechende Gesetzeslücke im Sinne des Beschwerdevorbringens erkannt und auch nicht im Zusammenhang mit § 91 StVO gesehen werden könne. Auch habe es im gegenständlichen Zusammenhang im Hinblick auf die konkret beschriebenen „Vorschadensereignisse“ keiner näheren Definition des Gefährdungsbereiches auf Sachverständigenbasis bedurft.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde ein forsttechnischer Amtssachverständiger zur Ermittlung des konkreten Gefährdungsbereiches, ausgehend von der konkreten Standort- und Bestandesstruktur beauftragt und hat dieser die nachfolgende gutachterliche Beurteilung abgegeben (Gutachten vom 29.11.2016):

 

1. Fragestellung

Mit Schreiben vom 9.11.2016 wurde der Unterfertiger vom Landesverwaltungsgericht Salzburg als forstlicher Sachverständiger zum gegenständlichen Verfahren beigezogen.

In der Begutachtung wurde durch die verfahrensführenden Richter Mag. Walter Oberascher und Ing. Mag. Dionysius Viehhauser ersucht die konkrete Gefährdung der Eisenbahnanlage durch den jeweils verfahrensgegenständlichen Waldbestand und die daraus resultierende Notwendigkeit der Bewuchsentfernung zu beurteilen.

 

2. Methodik

Der Gutachter hat sich die Frage zu stellen, in wie weit von einem an die Eisenbahnanlage angrenzenden Waldbestand eine Gefährdung für den Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, ausgeht.

Die angeführten Beispiele, vor allem das Windwurfereignis vom 13.4.2016, lassen davon ausgehen, dass die oben angesprochenen Gefährdungslagen durch auf den Bahnkörper samt Nebenanlagen gelangende Bäume oder Teile derselben zu Stande kommen. Die Bestandesstabilität ist daher zu beurteilen, wobei besonderes Augenmerk auf atmosphärische Einwirkungen und die Widerstandkraft gegenüber diesen Einwirkungen Gegenstand dieser Begutachtung ist.

Die Parameter für die Bestandesstabilität sind Bodenaufbau, Standortseignung der Baumarten, H/D-Werte der Baumindividuen, biotische Schäden, horizontale und vertikale Struktur der Bestände.

Zur Beurteilung dieser Parameter wurde neben einem Lokalaugenschein auf das Differenzmodel der Laserscanaufnahme von 2008 sowie die Orthophotoauswertung des BFW auf Basis des Orthophotos 2014 herangezogen. Die Angaben zum Bodenaufbau und zum Bestandesalter beziehen sich auf Aussagen des zuständigen Bezirksförster Ing. GG HH und wurden über die Hilfstafeln für die Forsteinrichtung (Marschall, Österreichischer Agrarverlag 1992) verifiziert. Die Bestandesstruktur und allfällige biotische Schäden wurden okular angesprochen.

 

 

Abbildung 1: die Bestockung ragt über die Grundfläche GP UUU KG VV hinaus

 

3. Befund

Bei den betroffenen Waldflächen handelt es sich um bestockte Grundflächen als Teile der GP WW, GP UUU und GP SSS je KG VV sowie die GP KK KG ÜÜ nordwestlich der Bahnstrecke zwischen den Ortschaften ÖÖ und NG sowie der GP III und GP JJJ je KG VV südöstlich der Bahnstrecke zwischen den Ortschaften ÖÖ und NG. Zudem befinden sich einzelne Baumindividuen auf GP TTT/1 KG VV, welche sich im Eigentum der AA EE AG befindet (sh.Abbildung 1). Im nordwestlichen Bereich erstreckt sich der Waldbestand über eine Länge von 583 m (aus dem Luftbild gemessen) im südöstlichen Bereich ist eine Bestandeslänge von 260 m entlang der Bahntrasse maßgeblich.

 

Die Waldbestände auf der nordwestlichen Bahnseite stocken auf tiefgründigen Braunerdeböden. Vernässungsstellen wurden nicht angetroffen. An der südöstlichen Seite ist das Gelände zum NG-Moor hin flacher, jedoch höher als das eigentliche Moorniveau situiert. Auch hier sind keine stauwasserbeeinflussten Böden erkennbar.

 

Die unmittelbar an die Bahntrasse angrenzenden Baumreihen sind tief beastet. Die Grünäste ragen in den die Bahntrasse begleitenden Wiesenstreifen hinein (sh.Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Baumbestand nordwestlich entlang der Bahntrasse

 

3.1. Waldbestand GP WW KG VV

 

Der Waldbestand ist im südlichen Teil durch Laub-Nadel-Mischwald im beginnenden bis mittleren Baumholzstadium auf den ersten 100 lfm gekennzeichnet. Die Baumarten Fichte, Eiche und Buche dominieren das Bestandesbild. In diesem Bereich findet sich auch ein Windwurfloch, welches durch das Umfallen eines Starkholzbaumes (Tanne) generiert wurde (sh. Fotos AA, Ereignis 13.4.2016). Die Baumhöhen dieses Bestandes erreichen bis zu 30 m. Die seitens der AA festgelegte Gefährdungsgrenze ist in etwa 25 m im Bestandesinneren gekennzeichnet. Der Waldbestand weist unterschiedliches stadiales Alter auf und ist vertikal gut strukturiert (sh. Abbildung 3)

 

Abbildung 3: Waldbestand am Rand des ersten Windwurfloches

 

Weiter der Bahnlinie folgend ändert sich das Bestandesbild grundlegend. Auf der Länge von ca. 170 lfm herrscht ein reiner Fichtenbestand im Stangenholz bis schwachem Baumholzstadium vor. Die Bestockung ist sehr hoch, die stärksten Durchmesser erreichen 25 cm BHD nicht. Die Baumkronen der Fichten sind daher entsprechend kurz entwickelt, während die Baumhöhen bereits über 22 m betragen. Dies ergibt einen H/D Wert von mindestens 88.

Im Verlauf entlang der Bahntrasse steigt das Grundstück anfangs kontinuierlich an. Der Niveauunterschied von 11 m zum Niveau der Bahntrasse wird an der Grenze zur GP UUU KG VV erreicht. Die Böschungen zur Eisenbahn sind unbestockt.

 

3.2 Waldbestand GP UUU und SSS KG VV

Auch dieser Bestand, im Eigentum von AR und AS AM, präsentiert sich als Fichtenstangenholz, teilweise beginnendes Baumholzstadium. Auch hier wurden keine Pflegeeingriffe gesetzt. Baumhöhen und Brusthöhendurchmesser sowie die HD Werte sind mit dem Fichtenbestand auf GP WW KG VV vergleichbar (Abbildung 4).

 

Erst im letzten Teil des Grundstücks wird der Bestand deutlich jünger. Waren bislang ca. 45 Jahre alte Baumindividuen vorherrschend, so muss das Bestandesalter nunmehr mit 35 Jahren festgestellt werden. Auch im Bereich der an die Bahntrasse angrenzenden Waldflächen der GP SSS KG VV ändert sich das Bestandesbild nicht.

 

3.3. Waldbestand GP III KG VV

Die Waldbestände sind hier weiter von der Bahnlinie abgerückt als an der nordwestlichen Seite. Die Fläche ist mit 100 % Fichte im Stangenholzstadium bestockt und weist ein Alter von ca. 35 Jahren auf. Die Höhen in diesem Bereich sind ca. 20 m. Windwürfe waren nicht erkennbar. Der Bestockungsgrad liegt über 1,0. Die Brusthöhendurchmesser überschreiten kaum 20 cm. Die H/D Werte der Baumindividuen liegen zwischen 80 und 100.

 

3.4. Waldbestand GP JJJ KG VV

Auch auf der GP JJJ KG VV stockt ein homogenes Fichtenstangenholz. Größe und Struktur dieses Bestandes ist mit jenem auf GP III KG VV vergleichbar.

 

Abbildung 4: Fichten-Stangenholz ohne Pflegemaßnahmen, Auffällig sind die kurzen Baumkronen

 

4. Gutachten

Im anschließenden Gutachten wird auf die Gefährdungslage hinsichtlich unterschiedlicher atmosphärischer Störungen eingegangen. Dabei wird zwischen Windwurf und Schneedruck differenziert. Zudem werden die für den Bestand und Betrieb der Eisenbahn relevanten Reichweiten dargestellt:

 

4.1. Windwurfgefährdung

Das die Waldbestände durch Windwurf beeinträchtigt werden können ist bekannt. Neben den in der Methodik beschriebenen Bestandesparametern haben vor allem die Windgeschwindigkeit und die Art des Windes einen großen Einfluss auf die Auswirkungen. Die vorhandenen Windwurflöcher mit eher kleiner Flächengröße lassen den Schluss zu, dass hier böige Winde mit lokalen Verwirbelungen und hohen Geschwindigkeiten die Bäume zu Fall brachten. Die weitgehende Homogenität der Waldbestände, vor allem der Fichtenhölzer hätte bei gleichbleibenden Windverhältnissen zu einem Flächenereignis führen müssen.

Gleichbleibend starke Winde gibt es in dieser Region vor allem aus der Hauptwindrichtung West/Nordwest und diese prallen somit auf der bahnabgewandten Seite auf den gegenständlichen Waldkomplex der GP SSS, UUU und WW je KG VV. Die südöstlich der Bahntrasse gelegenen Waldbestände der GP III und GP JJJ KG VV bilden eine frontale Angriffslinie für diese Hauptwinde. Das Aufwachsen der Bäume entlang der durch die Bahn erzeugten Schneise hat jedoch zur Ausbildung eines tiefbeasteten Baumgürtels geführt. Die Windkräfte verteilen sich hier anders als bei unbeasteten, hohen Bäumen mit kurzer grüner Krone. Die Hebelwirkung der Angriffsfläche auf den gesamten Baum ist deutlich geringer.

Böige Winde mit Verwirbelungen sind hier auf jeden Fall gefährlicher. Vor allem bei orkanartigen Windgeschwindigkeiten werden Bäume leichter entwurzelt. Die Häufigkeit des Auftretens derartige Windereignisse im gegenständlichen Gebiet ist dem Verfasser dieses Gutachtens nicht bekannt.

Die erhobenen Bestandesparameter führen zu dem Schluss, dass der Waldbestand an sich nicht durch Windwurf in höherem Ausmaß gefährdet ist. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadens durch Windwurf ist anderen Waldbeständen gleich zu setzen. Eine konkretere Gefährdung, zum Beispiel durch bereits hängende Bäume oder windoffene Bestandeslinien, ist nicht erkennbar.

 

4.2. Schneedruck

Unter Schneedruck versteht die Forstfachwelt das Abknicken von Baumindividuen unterhalb der grünen Krone, welches durch die Auflast von Schnee auf Grund einer geringen mechanischen Stabilität des Stammes zu Schäden führt. Die mechanische Stabilität ist von der Dicke des Stammes und von der Höhe (Knicklänge) abhängig. In der Literatur (sh. Zusammenhang von Stabilität, Standraum und HD-Wert; Rössler G. 2013; http://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/achstum/bfwstandraum/indexDE) gelten Waldbestände mit einem HD-Wert bis 80 als stabil, zwischen 81 und 95 als labil und ab 95 als instabil. Die hohe Bestockung ist darauf zurück zu führen, dass seit der Bestandesbegründung keine Pflegeeingriffe durch die Grundeigentümer vorgenommen wurden. Weder im Dickungsstadium, noch im Stangeholz wurden Maßnahmen zur Stabilisierung der Waldbestände gesetzt. Dies hat zu den im Befund dargestellten hohen H/D-Werten geführt. Die Waldbestände an beiden Seiten der Bahnlinie wurden aus forstfachlicher Sicht mangelhaft bewirtschaftet. Auch ohne Gefährdungspotentiale für den Bahnbetrieb ist bei den gegenständlichen Waldbeständen von einem erhöhten Produktionsrisiko bei Nassschneeereignissen auszugehen.

Die vorgefunden HD Werte lassen darauf schließen, dass die Waldbestände zumindest einen labilen Zustand aufweisen. Das Risiko des Abrechens von Stämmen unterhalb der grünen Krone ist daher bereits erhöht. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines derartigen Schadens ist damit deutlich höher, als bei vergleichbaren Waldbeständen mit stabilen HD-Werten.

Die Bäume fallen dabei im Gegensatz zur Entwurzelung durch Windwurf nicht zur Gänze um. Das vorhandene konkrete Gefährdungspotential hat daher eine geringere Reichweite.

 

Im Rahmen des ersten Beschwerdeganges wurde seitens des Landesverwaltungsgerichtes auf Basis der vorstehenden gutachtlichen Ausführungen ein einschlägiger Gefährdungsbereich von 10 m beidseits der Bahntrasse, gemessen vom Böschungsansatz, angenommen und diesbezüglich die Duldungsverpflichtung gegenüber den Grundeigentümern festgesetzt.

Seitens des Verwaltungsgerichtshofes wurde mit Erkenntnis vom 01.09.2017, Ra 2017/ 03/0030, ausgesprochen, dass damit durch das Verwaltungsgericht die Rechtslage nicht hinreichend beachtet wurde, sondern im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes der Gefährdungsbereich auch unter Berücksichtigung von Windwurfereignissen anzunehmen sei.

 

Die Frage der Festlegung des Gefährdungsbereiches unter Berücksichtigung von Windwurfereignissen erbrachte seitens des forsttechnischen Sachverständigen die nachfolgende gutachtliche Beurteilung (1. Ergänzungsgutachten vom 11.1.2018:

 

1.    Allgemeines

Nach Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes beweist die Tatsache, dass im Jahr 2014 drei Bäume aus gegenständlichen Waldflächen vom Wind geworfen und den Bahnkörper, respektive den Bahnbetrieb beeinträchtigt haben hinlänglich, das durch Windwurf eine Gefährdung für die AA Bahnstrecke gegeben ist. Es fehlt daher die Aussage in wie weit ein Gefährdungsbereich bei Windwurfbeeinträchtigung der Waldbestände in Bezugnahme auf den Betrieb der AA Strecke abzugrenzen sei!

 

2.    Methodik

Um den potentiellen Gefährdungsbereich bei Windwurf festzulegen bedarf es einer Einschätzung der Baumhöhenentwicklung in der Zukunft. Die Annahme, dass die momentane Baumhöhe zugleich den Gefährdungsbereich darstellt greift im gegenständlichen Fall zu kurz, da auf Grund des Bestandesalters das Höhenwachstum noch nicht abgeschlossen ist.

Die Basis für die zu erwartende Höhenentwicklung der Baumindividuen entlang der Bahnstrecke ist in der sogenannten Ertragshöhenkurve zu finden. Diese Kurven dienen prinzipiell zur Feststellung der Ertragsklasse mit den Eingangsgrößen Oberhöhe und Alter. Allerdings ist es möglich mit den genannten Parametern die Ertragsklasse zu bestimmen und die Oberhöhenentwicklung in der Zukunft abzulesen.

Die Waldflächen sind im Wuchsgebiet 7.1 nördliches Alpenvorland West (BFW, Wien) gelegen, womit für diese Standort die Fichte Bayern die maßgebliche Ertragstafel darstellt. Diese Ertragstafel wird daher auch für die Höhenkurveneinstufung herangezogen (sh. Abbildung 5).

 

Mittels Spiegelrelaskop nach Bitterlich und Bushnell Laserdistanzmesser wurden die Oberhöhen von 6 starken Stämmen gemessen. Zudem wurde mittels Bohrkern das Alter der Baumindividuen bestimmt. Die Bohrung erfolgte in Höhe des Brusthöhendurchmessers (130 cm vom Stammfuss) und wurde um 4 Jahre ergänzt. Dies ist jener Zeitraum, den eine Pflanze an diesem Standort erfahrungsgemäß benötigen würde um vom Keimstadium bis in die Höhe von 130 cm zu wachsen

 

Mit Einstufung in der Höhenkurve kann die Höhenentwicklung im Alter 120 Jahre vorausberechnet werden. Da die Höhenentwicklung in diesem Alter einer Kumulation zustrebt, kann dies als Indiz für den maximalen Gefährdungsbereich des Bahnkörpers der AA Strecke dienen.

 

Abbildung 5: Ertragshöhenkurve Fichte Bayern (Quelle: Marschall, Hilfstafeln für die Forsteinrichtung, Österreichischer Agrarverlag, Wien 1992

Auf Grund des „jugendlichen“ Bestandesalters ist in der Beurteilung der potentiellen Gefährdungsbereiche, abgestimmt auf die potentielle Baumhöhe, aber Vorsicht geboten. Die Einstufung in die Ertragsklasse ist in den ersten Jahrzehnten eines Bestandesalters mit einem systematischen Fehler behaftet, der dazu führt, dass die Ertragsniveaus überschätzt werden. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, verläuft die Höhenkurve in den ersten Jahrzehnten des Wachstums sehr steil und verflacht dann kontinuierlich. Eine lineare Hochrechnung auf Basis der Kurvensteigung im Verlauf zwischen dem Alter 20 und dem Alter 80 führt daher unweigerlich zu überhöhten Werten. Daher werden im gegenständlichen Gutachten Werte einer dynamischen Bonitierung herangezogen. Dazu werden Fichtenbestände in den Tallagen der Seegemeinden hinsichtlich der Höhenentwicklung auf Basis der modellierten Oberhöhen gescannt und zur Verifizierung bzw. Korrektur der maximal zu erwartenden Höhen herangezogen.

 

3.    Befund

 

Die Waldbestände wurden bereits im Gutachten vom 29.11.2016 befundet. Diese Befundung ist lediglich dahingehend zu ergänzen, als in den Waldbeständen zwei größere Nutzungen erkennbar waren. Nach Angaben des Bezirksförsters handelt es sich hierbei um vom Borkenkäfer befallenes Holz welches durch die Grundeigentümer der GP WW und UUU, je KG VV entfernt werden musste. Vor allem auf GP UUU KG VV präsentierte sich diese Fläche als Kahlhieb mit einem Flächenausmaß von ca. 80m x 40m (3200 m², sh. Abbildung 6). Deutlich erkennbar waren auch 2 Bäume am neu entstandenen Bestandesrand, welche von der im November 2017 gegebenen Schneelast fast geknickt worden wären.

 

Abbildung 6: Borkenkäfernutzungsfläche auf GP UUU, KG VV

Generell konnte festgestellt werden, dass das im Flach- und Tennengau eingetretene Sturmereignis „Tief Herwart“ zu keinerlei Schäden in den gegenständlichen Waldbeständen geführt hat. Sehr wohl musste aber vereinzelt Schneebruch auf GP WW, KG VV festgestellt werden (sh. Abbildung 7).

 

Abbildung 7:Schneedruckschaden auf GP UUU, KG VV, im Hintergrund die Bahntrasse

Die im Kapitel 2. genannten Messungen wurden am 14.12.2017 durchgeführt und führten zu folgendem Ergebnis:

 

Lfd. Nr.

Baumart

Höhe [m]

Alter [a]

1

Fi

21

31

2

Fi

20

29

3

Fi

19,5

30

4

Fi

29

48

5

Fi

31

48

6

Fi

26,5

41

7

Fi

24,5

33

Tabelle 1: Höhenmessung und Altersbestimmung der Oberhöhenstämme auf GP UUU und WW, je KG VV

Die Messergebnisse bestätigen die Differenzierung des Bestandes. Während der südliche Bereich der GP WW, KG VV eine durchschnittliche Oberhöhe von 20,2 m bei einem Alter von 30 Jahren aufweist, ist der Baumbestand auf GP UUU, KG VV um mehr als 10 Jahre älter und auch dementsprechend höher gewachsen (durchschn. 28,8 m). Erst im Randbereich zur GP SSS, KG VV, wird der Baumbestand mit 33 Jahren wieder jünger und weist eine Oberhöhe von 24,5 m auf. Die Brusthöhendurchmesser wurden nicht gemessen, bewegen sich jedoch zwischen ca.20 und ca. 35 cm in der optischen Einstufung.

 

Die im Rahmen einer Modellierung durch das BFW vorgenommene Auswertung brachte folgende ertragskundliche Ergebnisse:

 

Abbildung 8: Modellierte Höhenberechnung auf Basis Ortofoto 2014

Die größeren Höhen am Südrand der GP WW KG VV sind dem dort stockenden Laubholzbestand zuzuordnen. Der Nadelholzbestand mit Oberhöhen bis zu 27 m ist jener Bereich der der Kalamitätsnutzung zum Opfer fiel. Die durchschnittliche Oberhöhe ist mit 20,2 m etwas niedriger anzusetzen, als der Modellierung angegeben.

Die Messungen auf GP UUU, KG VV korrelieren perfekt mit der modellierten Auswertung. Demnach ist die Höhenentwicklung des Baumbestandes innerhalb von 2 Jahren um ca. 2 m fortgeschritten.

 

4.    Gutachten

 

Ertragskundliche Extrapolation:

Die Abweichung in der Höhenentwicklung der GP WW KG VV ist dadurch erklärbar, dass die Durchschnittswerte der Wabenflächen Mischbestände aus Laub-und Nadelholz umfassen und somit höhere Werte aufweisen, als die Messung der Fichten.

 

Die höchste berechnete Ertragstafel der Fichte Bayern mit der Ertragsklasse 17 weist im Alter 30 eine Oberhöhe von 15,7m, im Alter 46 eine Oberhöhe von 24,06 m und im Alter 33 eine Oberhöhe von 17,38 m auf.

Die gemessenen Werte liegen deutlich darüber, sodass die Ertragstafel zur Ergebnisberechnung entsprechend extrapoliert werden muss. Dies bedeutet, dass auf Basis der Höhenentwicklung der 17. Absolutbonität der Fichte Bayern bis zum Alter 120 Jahre von der Ausgangsbasis der gemessenen Oberhöhen die Höhenentwicklung hochgerechnet werden muss.

 

Basis Alter 30:

Bonität 17:

42,0 – 15,7= 26,3 für 90 Jahre => durchschn. jährliches Wachstum von 0,29m

Bonität 16:

40,8 – 15,1= 25,7 für 90 Jahre => durchschn. Jährliches Wachstum von 0,28m

 

Basis Alter 33:

Bonität17:

42 – 17,38= 24,62 für 87 Jahre => durchschn. jährliches Wachstum von 0,28m

Bonität 16:

0,27m

Basis Alter 46:

42 – 24,06= 17,94 für 74 Jahre => durchschn. jährliches Wachstum von 0,24m

 

Im Durchschnitt ergibt sich daher ein jährliches Höhenwachstum von 0,27m! Pro Bonitätsstufe steigt das Wachstum um 1cm pro Jahr.

 

Der Unterschied in der Oberhöhe zwischen den einzelnen Ertragsklassen beträgt jeweils 0,6 m, im Alter 30 (15., 16., 17. Absolutbonität). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine Oberhöhe von 20,2m im Alter 30 einer Bonität von 24,5 entsprechen würde.

Die Oberhöhe von 24,5 m im Alter 33 entspricht einer extrapolierten Bonität von 28,9 und die Oberhöhe von 24,06 im Alter 46 lässt eine Bonität von 24,2 errechnen.

 

Eine mittlere Bonität von 25,87 würde bedeuten, dass die Oberhöhe im Alter 120 sich wie folgt errechnet:

 

42 +8,87*0,01=42,1 m

 

Auch bei großzügister Rechnung ist kein höherer Wert als 42 m zu erzielen.

 

Dynamische Bonitierung

Die dynamische Betrachtung (sh. Beilage, Lageplan mit Oberhöhen) bringt zu Tage, dass im angesprochenen Raum Fichten mit einer Oberhöhe über 42 m nicht gemessen werden konnten. Im Raum Neumarkt wurde im Rahmen eines anderen Verwaltungsverfahrens im Jahr 2015 ein Fichtenbestand im Alter 90 Jahre erhoben. Bei Brusthöhendurchmessern von 65 cm waren die Bäume 41 m hoch.

Der potentielle Gefährdungsbereich lässt sich daher nachvollziehbar mit 42 m festzulegen.

 

Im Rahmen der weiteren durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.1.2018 vor dem Landesverwaltungsgericht wurde dieses Gutachten dahingehend ergänzt, dass unter Berücksichtigung der aus forstwirtschaftlicher wie betriebswirtschaftlicher Betrachtung im gegenständlichen Gebiet gegebenen Umtriebszeit von rund 80 Jahren sich daraus ein konkreter Gefährdungsbereich unter Berücksichtigung von Windwurfereignissen von 35 m ergebe. Unter weiterer Berücksichtigung der Hauptwindrichtung (Nordwest) sowie der konkreten topographischen Verhältnisse sei davon auszugehen, dass in Bezug auf die Grundstücke III und JJJ Windwurfereignisse in Richtung Bahnstrecke höchst unwahrscheinlich anzunehmen seien. Auch die verfahrensauslösenden Schadereignisse hätten sich auf die Grundstücke SSS bis WW bezogen und diese eben aus der konkreten Situation aus Hauptwindrichtung, Bestandsstruktur und topographischen Verhältnissen zu erklären seien.

 

Davon ausgehend wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 19.02.2018, Zahl 405-4/1508/1/5-2018, der Gefährdungsbereich bezogen auf die Grundstücke UUU und WW, KG VV, für eine Breite von 35 m und bezogen auf das Grundstück III, KG VV, auf eine Breite von 10 m jeweils ab dem Böschungsansatz festgesetzt und diesbezüglich die Duldungsverpflichtung ausgesprochen.

 

Durch den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 5. September 2018, 2018/YYY-5, diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und begründend in diesem Zusammenhang einerseits die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Festlegung des Gefährdungsbereiches mit 35 m sowie die Festsetzung des Gefährdungsbereiches betreffend das Grundstück III mit 10 m in Ansehung der nicht gänzlichen Ausschließbarkeit von Windverwirbelungen und damit in Zusammenhang zu bringenden Windwürfen begründet.

 

Dazu wurde durch den forsttechnischen Sachverständigen die nachfolgende Ergänzung seiner bisherigen gutachtlichen Ausführungen abgegeben (Ergänzungsgutachten vom 5.12.2018):

 

1.    Sachverhalt

In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5.9.2018, Zahl 2018/YYY-5, wurden hinsichtlich der gutachtlichen Qualität bezüglich der rechtlichen Würdigung zwei Kritikpunkte als entscheidungsrelevant herangezogen.

 

Zum einen ist nicht erklärbar, warum nach Maßgabe der gutachtlichen Aussagen dahingehend, dass Windverwirbelungen auf den GP III und JJJ KG VV nicht (gänzlich) ausgeschlossen werden können, die Gefährdungsbereiche auf ein geringeres Ausmaß als auf den GP UUU und WW, je KG VV, eingestuft wurden.

Zum zweiten erscheint die Extrapolation des Gutachters hinsichtlich des Alters von 80 Jahren ebenfalls nicht nachvollziehbar. Bei Hochrechnung aus den eigenen Werten ergibt sich eine potentielle Höhe im Alter 80 von 39 m.

Für die vom Landesverwaltungsgericht mit Auftrag vom 12.11.2018 (Anberaumung der mündlichen Verhandlung) notwendigen Ergänzungen gilt es folgende Fragestellungen abzuarbeiten:

 

a) Können Windverwirbelungen, welche eine von einer klassischen Nordwestwetterlage abweichende, Gefährdungssituation für die Eisenbahnanlage und deren Betrieb darstellen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden?

b) Kann die gutachtliche Aussage anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 17.1.2018, welche bezogen auf eine realistische Umtriebszeit von 80 Jahren, eine Baumhöhenentwicklung von 35 m ergeben hat, nachvollziehbar dargestellt werden?

 

2. Gutachten

 

Zu a) Wie bereits in der mündlichen Verhandlung angemerkt, kann der forstliche Gutachter auf Grund seines Fachwissens keine detaillierteren Aussagen bzgl. der Wahrscheinlichkeiten des Auftretens von Windverwirbelungen betreffend die GP III und JJJ, je KG VV, treffen. Die bisherigen Aussagen sind lediglich relative Einschätzungen, auf Grund der Tatsache, dass offensichtliche Luftverwirbelungen im Jahr 2014 an den GP UUU und WW, je KG VV, zu Gefährdungen geführt haben, während die südöstlich des Gleiskörpers gelegenen Waldflächen von den im Abstand von ca. 41 m (gemessen aus Orthofoto, SAGIS) vollkommen unberührt geblieben sind. Offensichtlich ist hier das Gefährdungspotential geringer als auf den nordwestlich situierten Waldflächen. Ein Ausschluss einer Gefährdung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übersteigt jedoch die Fachkenntnisse des forsttechnischen Sachverständigen, sodass die Fragestellung in der offensichtlich notwendigen Genauigkeit nicht beantwortet werden kann!

 

Zu b) Die Frage nach der Höhenentwicklung in Relation zur in dieser Region üblichen forstlichen Bewirtschaftung wurde in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebracht. Gemeinsam mit einem forstfachlichen Vertreter der Landwirtschaftskammer Salzburg, DI BL konnte als forstliche Praxis im Raum SW für die Waldstandorte mit hohem Ertragsniveau eine Umtriebszeit von 80 Jahren festgelegt werden. Daraufhin wurden die Berechnungen an Ort und Stelle auf dieses Alter hin wie folgt korrigiert:

 

Ursprüngliche Berechnung für das Alter 120 Jahre:

42+ 8,87*0,01= 42,1m

 

Die Eingangsgrößen für diese Berechnung waren die Ertragstafeloberhöhe für die Bonität 17 im Alter 120 Jahre (42 m), der Differenzwert zur mittleren Ertragsklasse des Bestandes am Ort berechnet durch Extrapolation (25,87-17=8,87) und durchschnittlicher Zuwachs pro Bonitätsstufe und Jahr 0,01m (Altersunabhängig).

 

Die im Ergänzungsgutachten angeführten durchschnittlichen jährlichen Höhenzuwächse von 0,27 m beziehen sich auf ein lineares Höhenwachstum. Da es sich bei der Höhenkurve um keine lineare, sondern um ein Polynom 3. Grades handelt (1 Wendepunkt) ist eine lineare Hochrechnung mit größeren Unsicherheiten behaftet, als eine das Polynom berücksichtigende Berechnung. Die Berechnungen der durchschnittlichen Höhenzuwächse dienten lediglich dem Nachweis, dass hier je nach Bezugspunkt des Bestandesalters größere Abweichungen zu Tage treten, als im unterschiedlichen Höhenzuwachs in Abhängigkeit von der Bonitätsstufe (sh. unten). Für die Ermittlung der Oberhöhe der Bäume einer extrapolierten Ertragsklasse kann der durchschnittliche Gesamtjährliche Höhenzuwachs einer um 8 bis 10 Stufen niedrigeren Ertragsklasse nicht herangezogen werden. Auch der ermittelte durchschnittliche Höhenzuwachs von Ertragsniveau zu Ertragsniveau mit 0,6 m schwankt sehr stark und gilt hier nur für das Bezugsalter 30. Im Bezugsalter 33 Jahre liegt dieser Wert bei 0,66 m, im Bezugsalter 46 Jahre bei 0,74 m.

Auffällig ist aber die Konstanz, des jährlichen Zuwachssprunges pro Ertragsklasse:

 

Berechnet für 120 Jahre: ?H/a=Ohöhe (Alter 120)-Ohöhe (Bezugsalter)/(120-Bezugsalter)

Bezugsalter 30:  Bonität 17 ?H/a=0,29m

Bonität 16 ?H/a=0,28m

Bezugsalter 33:  Bonität 17 ?H/a=0,28m

Bonität 16 ?H/a=0,27m

Bezugsalter 46:  Bonität 17 ?H/a=0,24m

Bonität 16 ?H/a=0,236m

 

Berechnet für 80 Jahre: ?H/a=Ohöhe (Alter 80)-Ohöhe (Bezugsalter)/(80-Bezugsalter)

Bezugsalter 30:  Bonität 17 ?H/a=0,40m

Bonität 16 ?H/a=0,39m

Bezugsalter 33:  Bonität 17 ?H/a=0,39m

Bonität 16 ?H/a=0,38m

Bezugsalter 46:  Bonität 17 ?H/a=0,34m

Bonität 16 ?H/a=0,33m

 

Aus den unterschiedlichen Berechnungen wird deutlich, dass zwischen den Bonitätsstufen ein jährlicher Zuwachssprung von konstant 0,01m unabhängig vom betrachteten Alter zu erwarten ist! Daher kann auf dieser Basis ausgehend von der Ertragstafel der 17. Bonität Höhe vom jeweiligen Bestandesalter auf die Oberhöhe der vor Ort bestimmten Bonität hochgerechnet werden!

 

Für die ermittelte Ertragsklasse von 25,87 bedeutet dies im Bestandesalter 80 Jahre, hochgerechnet von der Oberhöhe EKL 17 Alter 80:

35,7+8,87*0,01= 35,8 m

 

Daher wurde der Gefährdungsbereich mit 35 m als den Berechnungen entsprechend in der mündlichen Verhandlung am 18.1.2018 als Wert angegeben.

 

Desweiteren ergab die mündliche Recherche des Sachverständigen die Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, dass von dortiger Seite Windverwirbelungen bezogen auf die Grundstücke III und JJJ nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.

 

Durch die Beschwerdeführer wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass die bisherige Vorschreibung eines statischen Meterbereiches in Bezug auf die Entfernung des Baumbestandes nicht der aktuell gegebenen Gefährdungslage gegenüber der Eisenbahn entspricht.

 

Hiezu stellt das Landesverwaltungsgericht gemäß § 2 VwGVG in einer durch einen Einzelrichter zu treffenden Entscheidung fest:

 

Gemäß § 45 Eisenbahngesetz sind die innerhalb des Gefährdungsbereiches durch Naturereignisse (wie Lawinen, Erdrutsch, natürlicher Pflanzenwuchs) eingetretenen Gefährdungen der Eisenbahn (§ 43 Abs. 1) vom Eisenbahnunternehmen zu beseitigen. Wenn der Verfügungsberechtigte hiezu seine Zustimmung verweigert, so hat ihm die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Duldung der Beseitigung aufzutragen.

Der Gefährdungsbereich ist in § 43 Abs. 1 Eisenbahngesetz wie folgt definiert: In der Umgebung von Eisenbahnanlagen (Gefährdungsbereich) ist die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird.

 

Den Beschwerdeausführungen ist so weit zu folgen, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Eigentumseingriff handelt, der im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu beurteilen war und in Folge dessen die konkrete Festlegung des Gefährdungsbereiches einer entsprechenden Sachverständigenbeurteilung bedurfte (vgl VwGH vom 09.09.2015, Ra 2015/03/0035; bzw der einschlägigen Literaturhinweise aus den Beschwerden). Diesem Erfordernis wurde seitens des Landesverwaltungsgerichtes mit der Zuziehung des forsttechnischen Amtssachverständigen entsprochen und wurde seinerseits anhand der konkreten Standort- und Bestandsparameter sowie der zum Vorverfahren ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abzuleitenden Vorgaben der Gefährdungsbereich aus forstfachlicher Sicht festgestellt.

 

In diesem Sinne wurde seitens des Amtssachverständigen unter Berücksichtigung der aus der fallspezifischen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnisse vom 1.9.2017, Ra 2017/03/0030 bzw 5.9.2018, 2018/YYY) der Gefährdungsbereich auch unter Berücksichtigung von Windwurfereignissen sowie des Umstandes, dass Windverwirbelungen beiderseits der Bahntrasse nicht ausgeschlossen werden können mit 35 Meter ab Böschungsansatz für die betroffenen Grundstücke entlang der Westbahnstrecke festgelegt.

Die nachstehende kartografische Darstellung gibt die Festlegung dieses Gefährdungsbereiches wieder:

 

 

Hinsichtlich des 35-Meter Abstandes wurde seitens des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 5.12.2018 nachvollziehbar ausgeführt, dass diese Gefährdungsbereichsfestlegung der konkreten Ausgangslage unter Zugrundelegung forstwirtschaftlicher Bewuchs- wie betriebswirtschaftlicher Nutzungsparameter entspricht. Demnach entspricht das Baumlängenwachstum, insbesondere im fortgeschritteneren Bestandsalter keiner linearen Entwicklung und ist daher gegen Erreichung des Nutzungsalters die Zugrundelegung eines Jahresdurchschnittszuwachses nicht zutreffend.

 

Hinsichtlich der Grundstücke III und JJJ ist im Sinne der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5.9.2018, 2018/YYY, auch der Umstand der nicht auszuschließenden Windverwirbelungen und der damit verbundenen Windwurfgefahr aus südlicher Richtung in das Gefährdungskalkül miteinzubeziehen und somit auch für diese Bereiche die 35 Meter Gefährdungsbereichsfestlegung anzunehmen.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wird davon ausgehend innerhalb dieses Gefährdungsbereiches die Duldungsverpflichtung zur Entfernung jener Bewuchsindividuen festgelegt, von denen eine Gefährdung der Eisenbahnanlage ausgehen kann. Dies unter Zugrundelegung der einerseits seitens des Verwaltungsgerichtshofes aufgetragenen, zu berücksichtigenden Gefährdung für die Eisenbahnanlage bei andererseits gleichzeitiger Wahrung des verfassungsmäßigen Eigentumsschutzes im Sinne der Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Diese Erforderlichkeit ist nur in Bezug auf jene Bewuchselemente zu erkennen, die tatsächlich eine potentielle Gefahr für das Schutzobjekt darstellen (vgl. VwGH vom 20.12.2017, Ra 2017/03/0069). In diesem Sinne kann beispielsweise ein Baum mit einer Wuchshöhe von 20 Metern am Standort 30 Meter von der Bahntrasse entfernt kein Gefahrenpotential für diese darstellen. Im Sinne der in Berücksichtigung zu ziehenden Grundsätze von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit war daher die Duldungsverpflichtung auf jene Bestandselemente zu beschränken, von denen tatsächlich ein Gefahrenpotential auszugehen vermag.

 

In Bezug auf die Monierung einer nicht vorgesehenen Entschädigung sind die Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass die einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes hiezu eine solche nicht vorsehen und in diesem Umstand vor allem unter Berücksichtigung der konkreten Situation eine Verfassungswidrigkeit und eine damit in Zusammenhang zu bringende Notwendigkeit einer diesbezüglichen Anfechtung nicht erkannt wird. Soweit seitens der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 91 StVO verwiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Bestimmung eine wesentlich andere sachverhaltsmäßige Ausgangslage zugrunde liegt und hiezu eine Entschädigung auch nur für speziell determinierte Situationen vorgesehen ist. Auch aus den in der Beschwerde zitierten erläuternden Bemerkungen (103 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VIII. GP.) ist nur eine sehr eingeschränkte Berechtigung zur Annahme eines Entschädigungsansatzes im gegenständlichen Zusammenhang abzuleiten, die im vorliegenden Fall vor allem im Hinblick auf die auch seitens des Sachverständigen aufgezeigten alternativen Nutzungsmöglichkeiten der von der gegenständlichen Duldungsverpflichtung betroffenen Grundstücksteile nicht zu erkennen ist. In diesem Zusammenhang kann auch der Umstand des Vorliegens anderweitiger Schutzinteressen (beispielsweise auf naturschutzrechtlicher Basis, wie sie auf Teile der betroffenen Flächen zutreffen mögen) keinen Entschädigungsanspruch im gegenständlichen Verfahren begründen. In der gegenständliche Duldungsverpflichtung bzw deren normativen Grundlage im Eisenbahngesetz wird daher im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von dementsprechenden Eigentumsbeschränkungen als einerseits den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums nicht berührend und andererseits im öffentlichen Interesse liegend und gleichzeitig – im Hinblick auf alternative Nutzungsmöglichkeiten der hauptbetroffenen Flächen – nicht unverhältnismäßig erkannt (vgl VfGH vom 10.10.2012, G58/12).

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Schlagworte

Verkehrsrecht, Eisenbahngesetz, Gefährdungsbereich, Duldungsverpflichtung, Bewuchsentfernung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2019:405.4.2247.1.5.2019

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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