TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/7 99/09/0019

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Veröffentlicht am 07.07.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §52;
KOVG 1957 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des TE in St. Jakob/Ros., vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in 9170 Ferlach, Hauptplatz 8/II, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 29. September 1998, Zl. 710-031927-004, betreffend Beschädigtenrente nach dem KOVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Kärnten hat mit Bescheid vom 5. September 1997 den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. April 1996 (ergänzt durch Schriftsatz vom 24. Juni 1996) auf Zuerkennung der Beschädigtenrente mit der Begründung abgewiesen, dass die verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit weniger als 25 v.H. beurteilt worden sei. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung ließ die belangte Behörde weitere Ermittlungen, unter anderem in Ergänzung zu den bereits der Behörde erster Instanz vorliegenden ärztlichen Befundaufnahmen und Gutachten die Untersuchung und Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. H., Facharzt für Neurologie, am 6. Mai 1998 durchführen. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht. Mit Stellungnahme vom 25. Juni 1998 brachte der Beschwerdeführer dagegen bloß vor, er sei mit dem Gutachten "absolut nicht einverstanden". Er fühle sich von den Kärntner Ärzten des Invalidenamtes - einzig ausgenommen sei Dr. O. - seit Jahren ungerecht beurteilt. Er "habe das Gefühl, ein Arzt in Kärnten beeinflusst den anderen". Er ersuche um eine "Überbegutachtung durch einen ärztlichen Sachverständigen in Wien" oder Dr. O..

In der Folge wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie gab die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. H. im angefochtenen Bescheid wieder, erkannte dieses Gutachten als schlüssig an und legte es in freier Beweiswürdigung ihrer Entscheidung zugrunde. Die Dienstbeschädigung sei dem Schweregrad entsprechend eingeschätzt worden, ein weiteres Gutachten sei nicht zielführend. Da die Gesamt-MdE 25 v.H. nicht übersteige, sei auch weiterhin ein Anspruch auf Beschädigtenrente nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufgebaut ist, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, das Gutachten im engeren Sinn. Der Sachverständige muss aber im Bereich der Tatsachen bleiben; Rechtsfragen zu lösen, ist der Behörde vorbehalten (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 311 wiedergegebene hg. Rechtsprechung)

Im gegenständlichen Fall befasste sich der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. H. sowohl mit vor dem gegenständlichen Antrag liegenden ärztlichen Befundaufnahmen als auch mit den Ausführungen des Dr. O., welche vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Antrages im weiteren Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden. Ebenfalls berücksichtigt das Gutachten die im Verfahren erster Instanz aufgenommenen Befunde und stützt sich letztendlich auf eine ergänzende selbständige Befundaufnahme. Der Gutachter tritt in der Beurteilung der Befunde ausdrücklich und näher ausgeführt den Ausführungen des Dr. O. entgegen. In nachvollziehbarer Weise gelangt der Sachverständige letztendlich zum zusammengefassten Ergebnis, dass die in Zusammenwirkung der von ihm angeführten kausalen Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung nach wie vor 10 v.H. betrage.

Die belangte Behörde hat sich in erkennbarer Weise auf Grund des inneren Wahrheitswertes und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, zur Grundlage für die Entscheidung der Rechtsfrage auf dieses Gutachten gestützt. Der Verwaltungsgerichtshof kann in dieser Vorgangsweise keine Rechtswidrigkeit erkennen, zumal sich der Sachverständige Dr. H. mit allen Vorbefunden und Vorgutachten inhaltlich auseinandergesetzt hat und das von ihm erstattete Gutachten letztendlich vom Beschwerdeführer mit bloßen Behauptungen im Verwaltungsverfahren bekämpft wurde. Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es an ihr gelegen, auf gleichem fachlichem Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 375 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im Einzelnen ist den Argumenten des Beschwerdeführers in der Beschwerde entgegenzuhalten:

Breiten Raum widmet der Beschwerdeführer der Behauptung, dass die belangte Behörde dem Vorschlag von Dris. T. (dem von der Behörde erster Instanz beigezogenen Sachverständigen) auf Durchführung eines "EMG beider unterer Extremitäten" nicht nachgekommen sei. Die belangte Behörde weist in der Gegenschrift zu Recht darauf hin, dass dieses Vorbringen der Aktenlage widerspricht, zumal eine elektromyografische Untersuchung (EMG) und eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) des gegenständlichen Körperbereiches des Beschwerdeführers am 3. März 1997 stattgefunden hat. Auf diese Untersuchungen weist der Sachverständige Dr. H. als Grundlage für sein Gutachten ausdrücklich hin (diese Gutachtensstelle gibt der Beschwerdeführer in der Beschwerde sogar selbst wieder). Auch die von ihm vermisste Einschätzung der "Verwachsungen im Narbenbereich" sind Inhalt des Gutachtens Dris. H.

Wenn der Beschwerdeführer sich auf das von ihm vorgelegte "Gutachten" Dris. O. bezieht, so übersieht er letztendlich, dass diese ärztliche Aussage nur von einer Möglichkeit der Verschlechterung des für die Zuerkennung einer Beschädigtenrente relevanten Leidens spricht, wobei "die Verletzungen nicht eindeutig nachgewiesen, jedoch auch nicht widerlegt werden" könnten bzw. er eine Durchtrennung von Nerven und daraus resultierende Neurombildung "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ausschließen könne. Letztlich nimmt Dr. O. auch keine Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit vor.

Wenn sich der Beschwerdeführer unter Bezug auf die ergänzende Stellungnahme Dris. O. darauf bezieht, dass eine Nervenverletzung durch das "sogenannte Tinel-Hoffmann-Zeichen" bewiesen sei, dem das Gutachten Dris. H. unter Hinweis auf ein 17 Jahre altes Buch entgegentrete, so übersieht er, dass Dr. H. auch ausgeführt hat, dass sich Dr. O. im Wesentlichen auf Fachliteratur aus 1915 stütze, welche durch die Literatur aus 1982 relativiert worden sei. Dass sich aber seit 1982 ein neuerer medizinischer Erkenntnisstand ergeben habe, wird vom Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt. Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass sich "selbstverständlich in der Zwischenzeit die medizinischen Erkenntnisse wesentlich weiterentwickelt haben", kann der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der Fachliteratur aus 1982 nicht darlegen.

Wenn der Beschwerdeführer gestützt auf die Stellungnahme vom 25. Juni 1998 rügt, es habe keine "Überbegutachtung" stattgefunden, so ist er neuerlich daran zu erinnern, dass er bloß eine gegenteilige Behauptung gegen das Gutachten Dris. H. aufgestellt hat, jedoch diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Es bestand sohin keine Verpflichtung der belangten Behörde, ein "Übergutachten" einzuholen. Der Beschwerdeführer verkennt zudem, dass es kein Wahlrecht des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren auf die Beiziehung eines bestimmten, von ihm gewünschten Sachverständigen gibt (vgl. § 90 KOVG).

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, dass die belangte Behörde "§ 4 KOVG bei der Beurteilung des Rentenanspruches außer Betracht" gelassen habe. Der Beschwerdeführer übersieht, dass lediglich ein Teilaspekt seines Antrages, nämlich die "Polyneuropathie" als nicht kausal mit Kriegsverletzungen zusammenhängend angesehen wurde. Er bringt dagegen keine sachlich konkreten Einwände vor. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann eine Unrichtigkeit dieser medizinischen Aussage nicht erkennen. Überwiegend geht es im Gutachten Dris. H. um die medizinische Frage, ob im Zustand der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsbeschädigung "Folgezustand nach Granatsplitterverletzung des linken Unterschenkels mit Fissur des linken Wadenbeines" und über den dadurch bewirkten Grad der MdE (über welche letztmalig mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Kärnten mit Bescheid vom 23. September 1988 rechtskräftig abgesprochen wurde) gegenüber den dem letztmaligen Bescheid zugrundeliegenden Befunde eine kausale Verschlimmerung eingetreten sei. Die Beschwerdebehauptung, dass die belangte Behörde § 4 KOVG nicht angewendet habe, ist somit nicht nachvollziehbar.

Letztendlich rügt der Beschwerdeführer Aktenwidrigkeit, weil die belangte Behörde nicht der Meinung Dris. O. gefolgt sei. Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass eine Frage der Beweiswürdigung dann niemals eine Aktenwidrigkeit darstellen kann, wenn die Behörde den Inhalt eines Beweismittels ihrer Entscheidung zugrundelegt, den Inhalt eines anderen Beweismittels jedoch als unzutreffend ablehnt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999090019.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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