TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/12 B1477/96

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Veröffentlicht am 12.06.1997
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ParteienG 1975 §1
RundfunkG §2
RundfunkG §27
RundfunkG §28

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Senatsbildung in sowie die Zusammensetzung der Rundfunkkommission; keine willkürliche Abweisung einer Beschwerde der Freiheitlichen Partei Österreichs (Oberösterreich) wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes durch ein Interview

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei ist schuldig, den beteiligten Parteien Prof. Dr. H L und Dr. F R zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 19.800,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Freiheitliche Partei Österreichs - Landesgruppe Oberösterreich (im folgenden: FPÖ), wandte sich mit einer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG), die am 15. Jänner 1996 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) einlangte, gegen die Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks (im folgenden: ORF), und zwar mit dem Antrag, festzustellen:

"Der ORF hat dadurch, daß er in dem am 0.2 Dezember 1995 im Radioprogramm Österreich 2 auf der Frequenz Oberösterreich um

12.50 Uhr mit dem Freiheitlichen Abgeordneten zum OÖ. Landtag Bürgermeister (es folgt der Name) ausgestrahlten Interview in der Fragestellung der FPÖ mehrfach eine braune Farbe und damit nationalsozialistisches Gedankengut unterstellte, den Grundsatz der objektiven und unparteilichen Berichterstattung gemäß §2 Abs1 Z1 lita), b) und c) RFG verletzt.

Dem Antragsgegner wird aufgetragen, die Entscheidung der Kommission im Anschluß an eine zur vollen Stunde erscheinenden Nachrichtensendung samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mit dem Hinweis, daß durch die inkriminierte Fragestellung das Rundfunkgesetz in seinem §2 Abs1 Z1 lita), b) und c) verletzt wurde, binnen 14 Tagen zu veröffentlichen."

2. Die RFK gab dieser Beschwerde mit Bescheid vom 6. Februar 1996 nicht Folge. In der Begründung dieses Bescheides wurden einleitend folgende Feststellungen getroffen:

"Der ORF strahlte am 2. Dezember 1995 im Rahmen seiner Hörfunksendung 'Interview der Woche' im Regionalprogramm Oberösterreich ein Interview mit dem freiheitlichen Abgeordneten zum oberösterreichischen Landtag und Bürgermeister der Gemeinde (es folgen Name der Gemeinde und des Bürgermeisters) aus. Nach einleitenden Fragen des ORF-Redakteurs darüber, warum der Vorort (es folgt Name der Gemeinde) derart viele freiheitliche Wähler habe und ob dies mit der Person des Bürgermeisters zusammenhänge, entwickelte sich unter anderem folgendes Gespräch:

Reporter Dr. B.B. (B): 'In W., Herr Bürgermeister, fühlen sich etliche ehemalige Freiheitliche recht wohl. Man denke nur an die berüchtigten braunen Flecken. Ich frage mich, bietet denen und solchen Leuten auch die Gemeinde (es folgt der Name der Gemeinde) Unterschlupf, weil Sie halt so eine starke FPÖ-Gemeinde mit Zweidrittelmehrheit sind?'

Ing. H.(H): 'Überhaupt nicht. Diese Frage hat mir schon einmal ein Journalist gestellt, ob ich ein Brauner bin. Ich habe überhaupt keine Ahnung. Ich bin 41 geboren.'

B: 'Die braunen Nuancen der FPÖ mögen Sie weniger. Sie sind eher für das helle Blaue.'

H: 'Ich bin ein echter Blauer.'

B: 'Ein Liberaler eigentlich.'

H: 'Na ja, ein Mann der Mitte bis rechts. Aber ich will auch mit der Bezeichnung 'liberal' nichts zu tun haben.'

B: 'Weil die mit der FPÖ gebrochen haben?'

H: 'Ja, erstens gebrochen, und dann das ganze Programm von diesen Leuten ist mir sehr unangenehm, muß ich sagen. Weil wenn ich das höre, daß man heute die Kreuze herausgeben muß aus den Schulen usw., so da kann ich nur sagen: das hat mit der Politik nichts zu tun.'

B: 'Wenn Sie aber sagen blau bis rechts, das klingt ja doch ein bißchen nach braun.'

H: 'Nein, braun bin ich sicherlich nicht, und auch meine Kollegen und Gemeinderäte, da gibt es keinen Braunen darunter.'

B: 'Wie wohl fühlen Sie sich in der FPÖ? Die hat ja, wenn wir bei diesem Thema bleiben, die hat ja schon viele Farbennuancen gehabt. Bis zur Ära (Anmerkung der Kommission: Die Richtigkeit der Textstelle wurde bei der Anhörung der inkriminierten Sendung in dieser Form verfiziert) eines Friedrich PETER war sie eher sehr braun, unter Norbert STEGER und Norbert GUGGERBAUER war sie hellblau. Jetzt sehen sie viele wieder immer ein bißchen dunkler werden. Und Sie waren bei diesen Farbenspielen immer dabei.'

H: 'Ich war bei den Farbspielen nicht dabei, sondern ich war immer bei den Gewinnern dabei, weil ich habe z.B. schon die absolute Mehrheit als Bürgermeister gehabt zur Zeit STEGER, dort wo die Freiheitliche Partei bei 2,7 % gelegen ist."

Ihre Entscheidung begründete die RFK wie folgt:

"Auszugehen ist davon, daß der ORF im Sinn seines Programmauftrags vor allem für die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen durch objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen sowie durch Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen zu sorgen hat. Vorliegend geht es nun nicht um einen Fall der bloßen 'Berichterstattung' in engerer Bedeutung, sondern um ein Interview, also um eine - wiewohl in der Bestimmung des §2 Abs1 Z1 Rundfunkgesetz (RFG) nicht 'expressis verbis' angeführte, so doch nach herrschender Judikatur (VfSlg. 10948/1986) grundsätzlich dem Objektivitätsgebot unterworfene - Sendeform, die aus kontroversieller Rede und Gegenrede besteht. Dabei muß sich die Aufgabe des Interviewers im allgemeinen nicht in der Beisteuerung neutraler Stichworte für Statements des Interviewten erschöpfen, vielmehr können in alle gewählten Fragen - aus berechtigtem Interesse an offener Wechselrede - durchaus auch scharf ausgeprägte Standpunkte und provokantkritische Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen im Sinn des §2 RFG (mit-)einfließen, weil der Befragte dazu sogleich in freier Antwort selbst Stellung nehmen, mit anderen Worten ausgedrückt:

seine eigene Auffassung (Meinung) der Öffentlichkeit ungesäumt und ungehindert zur Kenntnis bringen kann. Der 'Meinungsvielfalt', dann der 'Ausgewogenheit' der Sendung als Ganzes und so auch dem Objektivitätsgebot wird auf solche Weise vollauf Rechnung getragen. In der Gesamtschau bietet eine - noch dazu, wie in diesem Fall, völlig ungekürzt gelassene - Interviewsendung kein einseitig verzeichnetes Bild, vielmehr kommen Pro- und Contra-Standpunkte regelmäßig voll zur Geltung. Die Regelung des §2 RFG beläßt also dem Gesprächspartner einer Interviewsendung zur Darlegung seines subjektiven Standpunkts im allgemeinen mehr Freiraum als etwa Journalisten für bloße Kommentare, deren Betroffene nicht spontan und unmittelbar erwidern können. Denn 'die Rechten anderer' dienende Schutzfunktion tritt zurück, soweit der Gesprächspartner, der ein Interview gewährt, ausreichende (und tatsächlich) umfassend genützte Möglichkeiten zur sofortigen Darlegung seiner persönlichen Sicht der Dinge hat. Dem Objektivitätsgebot des §2 RFG ist in solchen Fällen regelmäßig schon dadurch Genüge getan, daß eine Ausbreitung divergierender Standpunkte ermöglicht wird, nicht aber vom Interviewten abgelehnte Meinungen notwendig ungesagt bleiben. Es liegt in der Natur der Sache eines derartigen Interviews, daß der Interviewer in seine Fragen und Aussagen in erster Linie bisher laut gewordene kritische Stimmen und Äußerungen miteinbezieht, weil die Vertretung des Gegenstandpunkts naturgemäß vor allem vom Befragten zu erwarten ist, dem diese Meinungen gelten. Hinzu tritt hier noch, daß die Grenzen akzeptabler kritisch-provokativer Fragestellung im Verlauf eines Interviews in bezug auf einen im öffentlichen Leben stehenden Politiker grundsätzlich weiter gezogen sind als in bezug auf eine Privatperson.

Diese Grundsätze, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Juni 1989, B1701/88-13, B1847/88-10 (veröffentlicht in RfR 1989, 37 ff), entwickelt hat, müssen auch auf den vorliegenden Beschwerdegegenstand Anwendung finden. Denn die Gebote der Waffengleichheit, des beiderseitigen Gehörs und der Objektivität bleiben gewahrt, wenn auch wie hier im Rahmen eines Interviews der Interviewer dem Interviewten durchaus pointierte, ja provokante Fragen im Zusammenhang mit der von diesem repräsentierten Partei stellt, ihm aber danach jeweils Gelegenheit gibt, sofort und unmittelbar zu antworten und damit seinen Standpunkt darzutun und zu vertreten. Die Beschwerdeführerin war im inkriminierten Interview durch einen ihrer prominenten Politiker vertreten, der durchaus in der Lage war, den an ihn gerichteten Fragen zu begegnen. Es darf als allgemein bekannt angesehen werden, daß der Beschwerdeführerin und insbesondere der FPÖ als Bundespartei in den letzten Monaten, vor allem vor der Nationalratswahl 1995, in zahlreichen Medien - ob zu Recht oder zu Unrecht, mag dahingestellt bleiben - unterstellt worden war, sie habe 'braune Flecken', es seien bei ihr 'braune Nuancen' erkannt worden, sie sei ein 'bißchen braun'. In diesem Zusammenhang paßt auch die im Interview gemachte Äußerung im Rahmen einer der gestellten Fragen, die FPÖ sei bis zur 'Ära eines Friedrich PETER sehr braun' gewesen. Es darf also insgesamt nicht verwundern, daß Fragen in diese Richtung vor allem vor einer Nationalratswahl auf breiteres Interesse stießen; diesem Interesse der Öffentlichkeit wurde in dem Interview Rechnung getragen. Es kann keine Objektivitätsverletzung in Fragen liegen, die sich mit den erwähnten Zusammenhängen beschäftigen, wenn dem Betroffenen (hier einem Vertreter der Beschwerdeführerin) die Möglichkeit eingeräumt wurde, unmittelbar zu antworten (RFK 28. November 1990, RfR 1991, 19 u.a.). In einem solchen Fall muß es auch gestattet sein, polemische Formulierungen zu gebrauchen, vor allem dann, wenn dabei die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen Berücksichtigung findet (RfR 1994, 49). Der Grundsatz strenger Objektivität wird bei Interviews im Gegensatz etwa zu Berichten und Kommentaren doch insoweit relativiert, als dort eben dem Betroffenen keine Gelegenheit zur unmittelbaren Stellungnahme eingeräumt wird. Im Interview hatte die Beschwerdeführerin sehr wohl die Möglichkeit, durch einen ihrer prominenten Repräsentanten zu antworten; von dieser Möglichkeit hat (es folgt der Name des Bürgermeisters) in überaus klarer, eindeutiger und pointierter Form Gebrauch gemacht und die Unterstellung, braunes Gedankengut zu vertreten, für sich, seine Kollegen (in der Partei) und die Gemeinderäte (in (es folgt der Name der Gemeinde)) zurückgewiesen."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

5. Hingegen brachten die für die streitverfangene Sendung verantwortlichen Bediensteten des ORF, und zwar der Intendant des Landesstudios Oberösterreich, Prof. Dr. H L, und der leitende Redakteur Dr. F R als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine gemeinsame Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13509/1993, uvam.).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person (so auch eine politische Partei - Art1 §1 Abs4, letzter Satz, ParteienG, BGBl. 404/1975; s. VfSlg. 12795/1991, 13509/1993), die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, der hier präjudizielle §28 Abs1 RFG widerspreche "den Grundsätzen auf präzise Behördenzuständigkeit" und verstoße gegen Art18 und Art83 Abs2 B-VG. Sie führt dazu aus:

"Die Kommission besteht aus 17 Mitgliedern, von denen neun Mitglieder dem Richterstand angehören müssen. Die Beschwerdesenate bestehen aus fünf Mitgliedern, von denen drei dem Richterstand anzugehören haben. Parallel können daher drei Senate mit völlig unterschiedlicher Personalbesetzung eingerichtet werden. Mit vermischter Personalbesetzung können parallel wesentlich mehr Senate gebildet werden.

Das Gesetz schreibt nicht vor, wie viele Senate während einer bestimmten Periode zu bilden sind. Das Gesetz trifft auch keine Feststellung darüber, wieviel Senate mindestens einzurichten sind."

2.2. §28 Abs1 und 2 RFG lautet:

"(1) Zur Entscheidung über die während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden werden jeweils zu Jahresbeginn Senate, bestehend aus fünf Mitgliedern, gebildet. Drei Mitglieder der Senate werden aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder der Kommission und je ein weiteres Mitglied wird aus dem Kreis der vom Zentralbetriebsrat sowie von der Hörer- und Sehervertretung vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission vom Vorsitzenden der Kommission in Anwesenheit des Vorsitzenden-Stellvertreters sowie eines Beamten des Bundeskanzleramtes als Schriftführer durch das Los bestimmt. Für jedes Mitglied eines Senates ist nach dem gleichen Verfahren ein Ersatzmitglied zu bestellen, das im Falle der Verhinderung des Mitgliedes während des Verfahrens an dessen Stelle tritt.

(2) Den Vorsitz im Senat führt der Vorsitzende der Kommission, sofern er ihm angehört, ansonsten der Vorsitzende-Stellvertreter. Ist auch dieser nicht Mitglied des Senates, so ist der Senatsvorsitzende von dem Senat aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder zu wählen."

2.3. Art18 iVm. Art83 Abs2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden präzisen Regelung der Behördenzuständigkeiten (vgl. VfSlg. 3994/1961, 5698/1968, 10311/1984).

Das auf dieser Rechtsprechung aufbauende, sie jedoch verkennende und verschiedene Gesichtspunkte vermengende Beschwerdevorbringen ist jedoch insgesamt nicht geeignet, eine Verfassungswidrigkeit der präjudiziellen Regelungen darzutun:

2.3.1. Dem Beschwerdevorbringen, §28 RFG stehe mit Art83 Abs2 iVm. Art18 B-VG nicht in Einklang, weil diese Bestimmung zu unbestimmt sei, da weder die Anzahl der Spruchkörper im einzelnen noch ihre Mindestzahl festgelegt werde, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu folgen. Solche Erfordernisse wurden und werden nämlich aus den genannten Verfassungsvorschriften nie abgeleitet. Ebensowenig wie für die ordentliche Gerichtsbarkeit ist für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (s. §11 VwGG 1985) von Verfassungs wegen gefordert, schon im Gesetz die genaue Anzahl der Senate für jedes Gericht festzulegen (vgl. schon VfSlg. 7911/1976, 8696/1979); gleiches gilt für nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörden (wie hier die RFK) und für Tribunale im Sinne der EMRK. Der Verfassungsgerichtshof sieht deshalb keine Veranlassung, aus den in der Beschwerde dargelegten Gründen von seiner bisherigen Auffassung über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des §28 RFG (s. schon VfSlg. 13932/1994, VfGH 25.9.1995, B1601/94, 27.11.1995, B1682/95) abzugehen und in eine Gesetzesprüfung einzutreten.

2.3.2. Dem Vorwurf, es sei entgegen §28 Abs1 RFG nur ein Senat für die jeweils während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden gebildet worden, ist entgegenzuhalten, daß weder Wortlaut noch Sinn des §28 Abs1 RFG gebieten, für jeden Zeitraum mehrere Spruchkörper nebeneinander zu konstituieren; auch die Materialien legen eine solche Auslegung nicht nahe. Diese Bestimmung ordnet nur an, zu Jahresbeginn einen Senat oder mehrere Senate zur Entscheidung über die während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden zu bilden, wobei jeder Senat aus fünf Mitgliedern zu bestehen hat. Es besteht also insoferne eine Alternative, als je nach Umfang des zu erwartenden Geschäftsanfalles nur ein oder aber mehrere Spruchkörper pro Quartal eingerichtet werden können. Daß dem jedoch für den hier vorliegenden Fall nicht entsprochen worden wäre, ist im Verfahren weder behauptet worden noch hervorgekommen.

2.3.3. Da im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren auch nicht hervorgekommen ist, daß dem angefochtenen Bescheid sonstige Rechtsvorschriften zugrundeliegen, gegen welche Normbedenken bestehen, wurde die beschwerdeführende Partei nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3.1. Weiters erachtet sich die beschwerdeführende Partei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil die belangte Behörde nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt gewesen sei. Dies deshalb, weil ein Mitglied der belangten Behörde befangen gewesen sei; in einer zur Zeit des Verfahrens vor der RFK behängenden Privatanklagesache gegen den Bundesobmann der beschwerdeführenden Partei sei dieses Mitglied des Senates nämlich als Parteienvertreter tätig gewesen.

3.2. Darauf ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch die bloße Mitwirkung eines nach §7 AVG befangenen Organs an der Entscheidung ein Eingriff in das bezogene Grundrecht gar nicht erfolgt (vgl. VfSlg. 3408/1958, 6454/1971, 7738/1976, 7798/1976, VfGH 11.6.1983, B35/80).

3.3. Die beschwerdeführende Partei wurde deshalb nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4.1. Schließlich macht die beschwerdeführende Partei geltend, die belangte Behörde habe Willkür geübt, indem sie davon ausgegangen sei, bei einem Interview könne durch den damit ermöglichten Grundsatz "audiatur et altera pars" nie das Objektivitätsgebot verletzt werden. Tatsächlich aber habe der Reporter im inkriminierten Interview "braunes, also nationalsozialistisches, Gedankengut nicht in Frage gestellt, sondern als feststehend angenommen". Außerdem verstoße die Mitwirkung des befangenen Senatsmitgliedes gleichfalls gegen das Willkürverbot.

4.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

4.3.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf Bestimmungen des RFG, deren Verfassungsmäßigkeit die Beschwerde - vom schon erörterten und als verfassungsrechtlich unbedenklich erachteten §28 Abs1 RFG abgesehen (s. Pkt. II.2.) - selbst nicht in Zweifel zieht und gegen die auch der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken hegt. Überdies fehlt es an jeglichem Hinweis dafür, daß die belangte Behörde den in Rede stehenden Bestimmungen einen dem Gleichheitsgebot zuwiderlaufenden Inhalt beilegte, sodaß hier noch zu prüfen bleibt, ob der belangten Behörde ein Willkürakt anzulasten ist.

4.3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat schon mehrmals - etwa in den Erkenntnissen VfSlg. 12598/1991 und 13509/1993, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Art7 Abs1 B-VG - ausgesprochen, daß weisungsfreie Interessenvertreter nicht als persönliches Sprachrohr einer Verfahrenspartei fungieren (vgl. VfSlg. 11912/1988, 12074/1989, 12470/1990). Nicht einmal die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei und die Mitarbeit in einer solchen Gruppierung für sich allein vermögen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs einen Befangenheitsgrund herzustellen (vgl. VfSlg. 13338/1993, 13509/1993). Nichts anderes gilt aber für ein Senatsmitglied, das als Rechtsfreund in einer anderen Rechtssache einer einer Verfahrenspartei nahestehenden Person von Berufs wegen eingeschritten ist.

Abgesehen davon gilt folgendes:

Insoweit nicht hinlänglich konkretisierte besondere Umstände bestehen, die es zweifelhaft erscheinen ließen, daß ein Kommissionsmitglied zu der ihm gesetzlich aufgetragenen objektiven Entscheidung des Rechtsfalles der beschwerdeführenden Partei in der Lage sei, und die nach den Umständen des Falls tatsächlich den Anschein einer Befangenheit dieses Organwalters begründen könnten, ist das Vorliegen von Befangenheit im Sinne eines den Gleichheitssatz verletzenden Vollzugsfehlers nicht anzunehmen. Solches ist aber weder von der Beschwerde behauptet worden noch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hervorgekommen.

4.3.3. Schließlich geht die belangte Behörde (s. oben Pkt. I.2.) ersichtlich davon aus, daß die streitverfangene Sendung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfSlg. 12086/1989 und 13509/1993) angesichts der spezifischen Interviewsituation dem Objektivitätsgebot des §2 RFG unterworfen ist. Ihre Auffassung, daß sie diesem Gebot auch genüge, steht mit den Gesetzen logischen Denkens im Einklang und läßt auch keine Art7 Abs1 B-VG iVm. Art2 StGG verletzende, willkürliche Gesetzesanwendung erkennen.

Zunächst fehlt es nämlich an jeglichem Anhaltspunkt dafür, daß sich die RFK bei ihrer Willensbildung von unsachlichen Momenten leiten ließ. Aber auch mit objektiver Willkür ist der angefochtene Bescheid nicht belastet. Er gibt die von der Meinung der Beschwerdeführerin abweichenden Erwägungen tatsächlicher und rechtlicher Art, fern von jeder Leichtfertigkeit, ausführlich wieder. Er geht auf die den Umständen nach maßgebenden Einzelheiten der Rechtssache im einzelnen, wie (auch) der den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens zeigt, ein. Der Beschwerde ist auch nicht zu folgen, wenn sie davon ausgeht, daß sich der befragende Mitarbeiter des ORF auf die Beisteuerung neutraler Stichworte für Statements des Befragten hätte beschränken müssen; vielmehr durfte er auch pointierte Auffassungen vertreten, zumal der Interviewte - im Rahmen eines ungekürzt ausgestrahlten Interviews - sogleich Stellung nehmen konnte (vgl. dazu die ebenfalls ein nicht gekürztes Interview betreffenden Erkenntnisse VfSlg. 12086/1989 und 13509/1993). Auch kam dem Interviewten das letzte Wort zu und der Interviewer agierte nicht gleichsam rechtsmißbräuchlich-willkürlich.

4.4. Ob das in den hier präjudiziellen Bestimmungen auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehende RFG von der RFK richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie im vorliegenden Fall, gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10659/1985, 11065/1986, 13192/1992).

4.5. Die beschwerdeführende Partei wurde daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit nach Art7 Abs1 B-VG iVm. Art2 StGG verletzt.

5. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ergab aber auch nicht, daß die beschwerdeführende Partei in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

6. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung

zugunsten der als Streitgenossen auftretenden Beteiligten stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Streitgenossenzuschlag in der Höhe vom S 1.500,-- und Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.300,-- enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Partei politische, Rundfunk, Rundfunkkommission, Befangenheit, Beschwerdeverfahren (Rundfunk), Objektivitätsgebot (Rundfunk), Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1477.1996

Dokumentnummer

JFT_10029388_96B01477_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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