TE Bvwg Beschluss 2018/5/22 W175 2143611-1

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Veröffentlicht am 22.05.2018
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Entscheidungsdatum

22.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W175 2143611-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Kuwait vom 04.12.2016, Zl. Kuwait-OB/KONS/302/2016, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 25.10.2016, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehöriger Syriens, stellte am 12.07.2016 unter Anschluss diverser Unterlagen bei der Österreichischen Botschaft Kuwait (im Folgenden: "ÖB Kuwait") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend führte sie aus, dass sie die Ehefrau des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, sei. Diesem wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.04.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

2. In einer Mitteilung vom 30.09.2016 führte das BFA aus, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten an die BF nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die BF keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei.

3. Mit Schreiben vom 03.10.2016, übernommen am 04.10.2016, wurde der BF die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, wobei auf die Begründung der Mitteilung des BFA vom 30.09.2016 verwiesen wurde. Es wurde ihr die Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

4. In einer Stellungnahme vom 11.10.2016 wurde zusammengefasst festgehalten, dass in Hinblick auf die BF die Absicht bestehe, den Einreiseantrag abzulehnen, wohingegen den Einreiseanträgen ihrer beiden Kinder stattgegeben worden sei. Die negative Wahrscheinlichkeitsprognose verletze die BF in ihrem Recht auf Familienleben als auch im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden, da ihren Kindern eine Einreise und Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson zugesprochen worden sei. Eine Interpretation der rechtlichen Bestimmungen würde im vorliegenden Fall jedenfalls zu einem Widerspruch zur Familienzusammenführungsrichtlinie führen. Im gegenständlichen Fall sei lediglich darauf abzustellen, ob die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson bereits vor der Einreise bestanden habe. Im Verfahren seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen bzw. wurden auch nicht seitens des BFA benannt, die dem widersprochen hätten. Im Übrigen habe es die belangte Behörde gegenständlich unterlassen, sich ernsthaft mit dem Vorbringen der BF und ihres Ehemannes auseinanderzusetzen. So sei weder eine Einvernahme des Ehemannes in Österreich durchgeführt noch dargelegt worden, worauf sich die Gründe der beabsichtigten Ablehnung beziehen würden. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren entspreche also nicht den Anforderungen der Familienzusammenführungsrichtlinie sowie der gängigen Judikatur des EuGH. Allen vorgelegten Dokumenten sei zu entnehmen, dass die BF die Ehefrau der Bezugsperson sei. Deshalb sei sie gem. der Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG berechtigt, mit ihrem Ehemann zusammengeführt zu werden. Der Stellungnahme ist ein Schreiben der BF beigefügt, wonach ihre Kinder die Erlaubnis bekommen hätten, zu ihrem Vater zu fahren; sie jedoch könne nicht zu ihrem Ehemann. Ihre Kinder seien 4 und 3 Jahre alt und könnten nicht ohne sie wegfahren.

5. In einer hiezu ergangenen Stellungnahme des BFA vom 24.10.2016 wurde die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA aufrecht erhalten und weiters begründend vorgebracht, dass sich derart gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergeben hätten, weil die Ehe zwischen der BF1 und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe bzw. eine Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens nicht habe nachgewiesenen werden können, sodass eine Statusgewährung an die BF nicht wahrscheinlich sei. Aus der Heiratsurkunde ergebe sich, dass die Ehe am 16.02.2011 in Kuwait geschlossen worden sei; in der Zeugeneinvernahme habe die Bezugsperson bestätigt, dass sie und die BF nach der Hochzeit nie gemeinsam in Syrien gelebt hätten. Nachdem die beiden nie miteinander im Herkunftsstaat gelebt hätten, könne nicht von einem Eheleben im Herkunftsstaat gesprochen werden, sodass es an entsprechenden Voraussetzungen mangle. Dies bedeute jedoch nicht, dass keine gültige Eheschließung vorliege. Zur Behauptung der BF, wonach in ihrem Fall das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden verletzt worden wäre, da den gemeinsamen Kindern eine Einreise gewährt worden sei, sei anzumerken, dass § 35 AsylG auch auf in anderen als dem Herkunftsstaat (nach-) geborene minderjährige, ledige Kinder anzuwenden sei, weshalb den gemeinsamen Kindern die Einreise zu gestatten sei.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.10.2016, übernommen am 27.10.2016, verweigerte die ÖB Kuwait die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG 2005 iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe der BF und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die BF keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei.

7. Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 24.11.2016, die sich im Wesentlichen inhaltlich mit der Stellungnahme vom 11.10.2016 deckt.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.12.2016 wies die ÖB Kuwait die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Begründend führte die Botschaft aus, dass die BF einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG gestellt habe, und hiezu eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Die Stellungnahme der BF sei dem BFA ordnungsgemäß zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und sei erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der BF gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG 2005 sei somit nur in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten eines Antrages der BF auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Darüber hinaus vertrete auch die belangte Behörde die Ansicht, dass im vorliegenden Fall eine Familienangehörigeneigenschaft iSd § 35 AsylG nicht gegeben sei, weil die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe.

9. Am 20.12.2016 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht und zur Begründung im Wesentlichen auf die Beschwerde vom 24.11.2016 verwiesen.

10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 28.12.2016, am 30.12.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

11. Am 03.11.2017 langte eine Stellungnahme der bevollmächtigten Vertretung der BF beim Bundesverwaltungsgericht zur Gesetzesänderung durch das FRÄG 2017 und zu den damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das gegenständliche Verfahren ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Rechtsgrundlagen:

1.1. § 11a Fremdenpolizeigesetz betreffend Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten lautet:

"§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

1.2. § 35 Abs. 5 AsylG lautet:

"§ 35 (5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."

1.3. § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

2. Der VwGH führt in seinen Erkenntnissen vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, aus, dass für das geltende Recht, das Anträge auf internationalen Schutz aus dem Ausland sachlich begründbar nicht mehr kennt, entsprechend den Vorgaben des VfGH sicherzustellen ist, dass über den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels eines Familienangehörigen des in Österreich befindlichen Schutzberechtigten in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren entschieden wird und insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK berücksichtigt werden. Diesen Erfordernissen kann im geltenden Recht aber auch ohne Zulassung eines Antrags auf internationalen Schutz aus dem Ausland entsprochen werden.

Dazu hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das BFA zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des BFA schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegen gehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

3. Anwendungen der Rechtsgrundlagen auf den gegenständlichen Fall:

3.1. Im vorliegenden Fall fällt auf, dass das BFA in seiner Mitteilung vom 30.09.2016 zunächst davon spricht, dass die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die BF auch keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei. In einer späteren Stellungnahme des BFA vom 24.10.2016 wird jedoch ausführt, dass zwar eine gültige Eheschließung zwischen den beiden Genannten vorliege, aber dennoch eine Familienangehörigeneigenschaft der BF im Sinne des Asylgesetzes zu verneinen sei, weil sie und die Bezugsperson nie ein Eheleben im Herkunftsstaat geführt hätten, sodass die Behörde erneut zu einer negativen Prognose komme.

Sodann wurde der angefochtene Bescheid erlassen, in dem wiederum die Familienangehörigeneigenschaft der BF in Hinblick auf den Umstand, dass die Ehe nicht im Herkunftsstaat bestanden habe, vereint wird. Diesbezüglich ist bereits anzumerken, dass nicht nachvollzogen werden kann, weshalb vom BFA eine Ehe im Herkunftsstaat zunächst verneint und sodann eine gültige Eheschließung angenommen wurde, und letztlich ein negativer Bescheid durch die ÖB ergangen ist, dessen Begründung sich lediglich in der Ausführung erschöpft, dass keine Ehe zwischen den betroffenen Personen im Herkunftsstaat bestanden habe.

Darüber hinaus wurde mit dem FRÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017 die angewandte Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 dahingehend novelliert, dass die Familieneigenschaft nicht bereits im Herkunftsstaat, sondern lediglich vor der Einreise der Bezugsperson bestanden haben muss. Aufgrund der fehlenden Übergangsbestimmung zu § 35 Abs. 5 AsylG ist die aktuelle Rechtslage auf alle laufenden Verfahren, demnach auch auf das gegenständliche Verfahren, anzuwenden. Nachdem die Voraussetzungen der genannten Bestimmung gegenständlich erfüllt sind und dies auch von der Behörde letztlich nicht bestritten wurde, ist die Begründung der belangten Behörde nunmehr nicht ausreichend für eine Ablehnung des Antrages.

Abgesehen davon weist das Bundesverwaltungsgericht noch darauf hin, dass - laut den im Akt aufliegenden Informationen - den Anträgen der beiden Kinder der BF auf Erteilung eines Einreisetitels offenbar stattgegeben wurde. Dieser Umstand wurde jedoch im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht entsprechend berücksichtigt.

In Hinblick auf die Familieneigenschaft zwischen der BF und ihren Kindern ist darauf zu verweisen, dass der VfGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15). Demnach kann es also Art. 8 EMRK auch im gegenständlichen Fall erfordern, dass der BF zur Fortsetzung ihres Familienlebens mit der Bezugsperson und ihren beiden Kindern auch dann ein Einreisetitel zu erteilen ist, wenn das gemeinsame Familienleben nicht im Herkunftsstaat geführt wurde.

Aus den obigen Erwägungen und der Judikatur des VfGH ergibt sich zumindest, dass eine konkrete und individuelle Prüfung der beteiligten Interessen nach den Kriterien des Art. 8 EMRK stattzufinden hat, und eine eventuelle Ablehnung eines Einreisetitels entsprechend begründet werden muss. Im gegenständlichen Fall wurde eine solche Prüfung nicht vorgenommen bzw. zumindest nicht begründet dokumentiert. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht weist auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die notwendigen Ermittlungen zur Art. 8 EMRK-Relevanz nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

3.2. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienbegriff,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W175.2143611.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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