TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/24 G303 2169671-1

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Veröffentlicht am 24.07.2018
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Entscheidungsdatum

24.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2169671-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch XXXX, XXXX und XXXX vom Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark (KOBV), in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 13.06.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), vertreten durch XXXX, XXXX, XXXX vom Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark, brachte am 24.03.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass ein. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln und eine Vertretungsvollmacht beigelegt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 27.05.2017 wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 22.05.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Polyneuropathie-Syndrom Oberste Positionsnummer entspricht dem Befund und den sensomotorischen Ausfällen leichten Grades

04.06.01

40

2

Kniegelenksschädigungen beidseitig Obere Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen geringen Grades beidseitig, der Schmerzsymptomatik und dem zeitweisen Behandlungsbedarf

02.05.19

30

3

Teilverlust im Fußbereich, Großzehe mit Mittelfußknochen und 2. Zehe rechts, Großzehe links Untere Pos. Nr. entspricht dem Befund nach Verlust der Großzehen beidseitig mit Mittelfußknochen rechts

02.05.46

30

4

Hüftgelenksschädigung links Obere Pos. Nr. entspricht dem klinischen Befund, dem Beschwerdebild, den Funktionseinschränkungen geringen Grades ohne radiologischem Befund

02.05.07

20

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

60 v.H.

Der Behinderungsgrad der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1 - Polyneuropathie-Syndrom - werde durch den GdB der GS 2, 3 und 4 gemeinsam um zwei weitere Stufen angehoben, da die Schädigungen des Stütz- und Bewegungsapparates und die Amputationen der Großzehen, im Zusammenwirken, eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bewirken würden.

2.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass beim BF keine erheblichen Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten (Kniegelenke, Hüftgelenk links, Verlust mehrerer Zehen, Polyneuropathie), die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung, unter Verwendung von Hilfsmitteln unmöglich machen, vorliegen würden.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.06.2017 wurde der Antrag vom 24.03.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.

3.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das oben angeführte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Vertreter mit am 21.07.2017 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er durch das Polyneuropathie-Syndrom, die Kniegelenksschädigungen beidseits, den Teilverlust im Fußbereich (Großzehe mit Mittelfußknochen und 2. Zehe rechts, Großzehe links) und die Hüftgelenksschädigung links in der Mobilität stark eingeschränkt sei. Es bestehe vor allem aufgrund der Polyneuropathie mit den sensomotorischen Ausfällen eine Gangunsicherheit und daher sei dem BF die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich. Hinzu komme, dass der BF chronische Schmerzen in der Hüfte und in beiden Kniegelenken habe und durch den Teilverlust im Fußbereich beim Gehen stark eingeschränkt sei. Auch das Treppensteigen sei dem BF kaum möglich.

Es wurde zu Beweiszwecken die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und der Neurologie beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 04.09.2017 vorgelegt.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

6.1. Im ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 12.03.2018, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

 

Diagnosen

1

Polyneuropathie der unteren Extremitäten

2

Zustand nach Zehenamputation im Bereich beider Füße (rechts die I. und II. Zehe sowie Mittelfußknochen, links die I. Zehe)

3

Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD II)

4

Stattgehabte Knieendoprothesenimplantation links mit endlagiger Beugeeinschränkung

5

Beginnende Abnützung des rechten Kniegelenkes

6

Beginnende Abnützung beider Hüftgelenke ohne schwerwiegende Bewegungseinschränkung

7

Abnützung und Fehlhaltung der Wirbelsäule, altersentsprechend

Der Sachverständige führte hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus, dass aufgrund der Untersuchung und der Anamnese seitens des BF eine Wegstrecke von etwa fünf Minuten (diese entspreche auch laut den Angaben des BF einer Wegstrecke von 500 m) ohne fremde Hilfe oder Hilfsmittel umgesetzt werde könne, dies unter der Prämisse, dass orthopädisches Schuhwerk getragen werde. Zusätzlich würde ein Hilfsmittel (Stock oder Krücke) eine Erweiterung des Bewegungsumfanges und dadurch der Mobilität möglich machen. Von Seiten der COPD sei keine höhergradige Funktionseinschränkung gegeben, eine Sauerstoffversorgung nicht notwendig und eine symptomatische medikamentöse Therapie mit Inhalativern gegeben. Zusammenfassend sei keine schwerwiegende Funktionseinschränkung der unteren Extremität trotz Zehenamputation bei Thrombangitis obliterans sowie Polyneuropathie gegeben, auch keine höhergradige Funktionseinschränkung des Herzkreislaufsystems, so dass eine entsprechende Wegstrecke sowie auch der sichere Transport als auch das Überwinden von Niveauunterschieden als zumutbar anzusehen seien, wenn orthopädisches Schuhwerk getragen werden.

Beim BF liegen keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems und keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 16.03.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

7.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der belangten Behörde langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

7.2. Mit Schreiben vom 26.03.2018 verzichtete der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung ausdrücklich auf eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert.

Der BF leidet an folgenden Gesundheitsschädigungen:

-

Polyneuropathie der unteren Extremitäten

-

Zustand nach Zehenamputation im Bereich beider Füße (rechts die I. und II. Zehe sowie Mittelfußknochen, links die I. Zehe)

-

Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD II) ohne Sauerstoffversorgung

-

Stattgehabte Knieendoprothesenimplantation links mit endlagiger Beugeeinschränkung

-

Beginnende Abnützung des rechten Kniegelenkes

-

Beginnende Abnützung beider Hüftgelenke ohne schwerwiegende Bewegungseinschränkung

-

Abnützung und Fehlhaltung der Wirbelsäule, altersentsprechend

Die Funktionen der unteren Extremitäten des BF sind trotz Zehenamputation und Polyneuropathie nicht höhergradig eingeschränkt. Der BF leidet an keinen erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, insbesondere besteht keine höhergradige Funktionseinschränkung des Herzkreislaufsystems.

Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems beim BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Der BF ist in der Lage mit orthopädischem Schuhwerk eine kurze Wegstrecke von bis zu 500 m selbstständig zurückzulegen. Gehhilfsmittel wie Stock oder Krücke würden die Mobilität des BF noch zusätzlich erweitern.

Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Eine dauerhafte und erhebliche Mobilitätseinschränkung liegt beim BF nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum des BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 12.03.2018 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.

So konnte daraus zweifelsfrei festgestellt werden, dass beim BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, vorliegen.

Die Feststellung, dass der BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke (bis zu 500m) mit orthopädischem Schuhwerk zurückzulegen, ergibt sich daraus, dass der BF laut medizinischen Sachverständigengutachten im Rahmen der persönlichen Begutachtung angab - mit orthopädischem Schuhwerk - bis zu fünf Minuten am Stück gehen könne und auch eine Wegstrecke bis zu 500 m bewältigen könne.

Dass entsprechende Gehhilfen diese Mobilität des BF noch erweitern würden, ergibt sich aus der gutachterlichen Einschätzung des Sachverständigen XXXX.

Aus den Angaben des BF bei der Sachverständigenuntersuchung, dass es ihm möglich sei "in den ersten Stock zu kommen", und den gutachterlichen Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen ergibt sich, dass der BF in der Lage ist, Niveauunterschiede zu überwinden.

Es konnten auch keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass der sichere Transport des BF im öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich ist.

Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX vom 12.03.2018 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Seitens der beschwerdeführenden Partei wurde ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Auch seitens der belangten Behörde wurde keine Stellungnahme erstattet. Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Insgesamt konnte aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens festgestellt werden, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Diesbezüglich darf auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung II.3.2. verwiesen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht. Vielmehr wurde von der beschwerdeführenden Partei ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, bildet Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 12.03.2018, zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurden gegen die gutachterlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten keine Einwendungen seitens der Verfahrensparteien erhoben.

Es konnten beim BF danach keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.

Der BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für den BF mit orthopädischem Schuhwerk selbstständig möglich ist, zumal gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sämtliche Kompensationsmöglichkeiten - wie auch orthopädisches Schuhwerk - zu berücksichtigen sind. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Auch der sichere Transport des BF im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Die Voraussetzungen für diese beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass liegen daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2169671.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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