Entscheidungsdatum
17.08.2018Norm
AsylG 2005 §57 Abs1Spruch
L521 1415329-2/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zl. 506470610-171401167, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AslyG 2005 richtet, als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner Einreise in das Bundesgebiet am 02.11.2009 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Erstaufnahmestelle-West des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Zu seinen Ausreisegründen befragt, brachte der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung vor, diese nicht darlegen zu wollen. Er werde in der Türkei gesucht und sei deshalb nach Österreich gekommen. Ferner gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er bei der nächsten Einvernahme nur aussagen bzw. Angaben machen würde, wenn ein kurdischer Dolmetscher anwesend sei.
3. Im Gefolge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11.02.2010 legte der Beschwerdeführer dar, dass er - wie die meisten Kurden - an den Feierlichkeiten zum Nevruz-Fest des Jahres 2009 teilgenommen hätte. In XXXX sei deshalb verstärkt Militär präsent gewesen. Man habe laut gefeiert, gesungen und sei auch mit Autoreifen Feuer gemacht worden. In seinem Viertel sei schon einen Tag zuvor gefeiert worden. Dabei habe die Polizei zehn Personen willkürlich mitgenommen, darunter auch ihn. Nachdem er drei Tage am Polizeirevier XXXX festgehalten worden sei, habe er wieder gehen dürfen. Man habe ihm aber gesagt, dass er weiter unter Beobachtung stehen würde. Ein paar Tage später wären in der Türkei Wahlen abgehalten worden und hätte er sich bei der DTP als Wahlhelfer engagiert. Er sei auch schon lange Zeit Mitglied dieser Partei. Deshalb habe er schon immer Probleme mit der Polizei gehabt.
Etwa einen Monat nach den Wahlen sei es an der Zeit gewesen, die Felder intensiver zu bearbeiten. Zu diesem Zweck seien sie öfter zu den Feldern gefahren. Es sei eine sehr unwegsame Gegend und hätten sie dabei öfter Guerillakämpfer der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) getroffen, die sie um kleine Hilfsdienste oder auch um Nahrung ersuchten. Ab und zu hätten sie diesen von den Feldfrüchten gegeben oder die Guerillas ein Stück mit dem Auto mitgenommen. Ein Freund namens XXXX, der dies auch getan habe, sitze jetzt im Gefängnis. Zwei dieser PKK-Kämpfer, einer davon sei XXXX, seien dann festgenommen worden. XXXX habe die Namen von fünfzig Personen, die der PKK geholfen hätten, genannt. Darunter sei auch der Name des Beschwerdeführers gewesen. Nachdem XXXX abgeholt worden sei, sei er geflüchtet, um einer Verhaftung zu entgehen. Zwei bis drei Tage nach der Mitnahme von XXXX und den anderen Personen - er sei zu dem Zeitpunkt bereits in Istanbul gewesen - habe sich die Polizei bei ihm zu Hause nach seiner Person erkundigt und mitgeteilt, dass er zu einer Befragung auf das Polizeirevier kommen solle.
Befragt, welche konkreten behördlichen oder gerichtlichen Schritte gegen ihn vor März 2009 gesetzt worden seien, erläuterte der Beschwerdeführer, dass sich so etwas nicht ergeben habe. Er sei aber über all die Jahre aufgrund seiner HADEP/DEHAP/DTP-Mitgliedschaft immer wieder kurzfristig - aber nie länger als im Ausmaß von 2 bis drei Tagen - mitgenommen worden. Diese Mitnahmen hätten aber nie zu irgendeiner Anklage oder Verurteilung oder einer sonstigen konkreten Sanktion geführt. Seine Mutter habe ihm während seines Aufenthalts in Österreich nun mitgeteilt, dass gegen ihn ein Gerichtsurteil ergangen sein soll. Genaueres habe sie nicht gesagt, er würde aber vermuten, dass dies mit seiner Unterstützung für die DTP während der Wahlen im April 2009 zu tun habe. Dieses Urteil habe ihm seine Mutter jetzt geschickt und er werde es vorlegen, sobald er es habe.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer von ihm als Urteil bezeichnete Schriftstücke und medizinische Unterlagen des LKH Vöcklabruck vom 30.01.2010 in Vorlage.
Am 21.05.2010 und am 15.07.2010 übermittelte der Beschwerdeführer jeweils einen psychiatrischen Befund von OMEGA, womit eine posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Bewusstlosigkeitsanfälle und Stressinkontinenz diagnostiziert wurden.
4. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 27.08.2010, Zl. 09 13.582-BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).
5. Die gegen den vorstehend zitierten Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 28.05.2014, L513 1415329-1/27E, als unbegründet abgewiesen, jedoch wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Gegen diese, dem seinerzeitigen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 06.06.2014 zugestellte Entscheidung wurde seitens des Beschwerdeführers keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2014, Zl. 506470610-1223229, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG 2005 in die Türkei zulässig sei und dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Dieser, dem seinerzeitigen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellte Bescheid vom 04.11.2014 blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.
7. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zl. 506470610-171401167, wurde dem Beschwerdeführer neuerlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III). Es wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 1 iVm Absatz 3 Z. 1 FPG 2005 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV).
8. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen, seinem rechtsfreundlichen Vertreter am 13.02.2018 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begehrte ferner die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Beschwerdevorlage langte am 13.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Folge (zunächst) der Gerichtsabteilung L513 des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung zugewiesen.
Mit (als Erkenntnis anzusehendem) Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L513 1415329-2/6Z, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt. Gegen diese, der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers auf elektronischem Weg am 16.03.2018 zugestellten Entscheidung wurde seitens des Beschwerdeführers keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
9. Am 14.02.2018 gab der in Strafhaft in der Justizanstalt Favoriten angehaltene Beschwerdeführer schriftlich gegenüber der Strafanstalt bekannt, einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Hiezu wurde er am 16.02.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien niederschriftlich erstbefragt und legte dabei dar, dass die seinerzeit vorgebrachten Asylgründe nach wie vor aufrechterhalten würden. Darüber hinaus habe er in seiner Zeit in der Türkei gemeinsam mit seinem Cousin eine verletzte Guerillakämpferin aufgenommen und gepflegt. Viele Jahre später, nach seiner Einreise in Österreich, hätte eine dritte Person ihn und seinen Cousin verraten, sodass sein Cousin bereits zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt worden sei. Von diesem Sachverhalt habe er vor etwa sechs Jahren erfahren.
10. Mit Verfahrensanordnung vom 22.02.2018 wurde der Beschwerdeführer über die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache in Kenntnis gesetzt und unter einem die Absicht mitgeteilt, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Die Verfahrensanordnung vom 22.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer am 23.02.2018 zugestellt.
11. Am 08.03.2018 und am 26.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Rechtsberaters und eines geeigneten Dolmetschers in türkischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.
Dabei führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, in der Stadt XXXX habe sich vor sechs oder sieben Jahren ein Bombenanschlag ereignet. Der Attentäterin sei dabei verletzt worden. Sein Cousin und er selbst hätten die Attentäterin im Anschluss daran plötzlich im Garten gesehen, aufgenommen und gepflegt. Davon habe niemand außer ihm, seinem Cousin und seinem Freund XXXX gewusst. Vor einigen Jahren soll XXXX jedoch seinen Freunden von diesem Vorfall erzählt haben. Die Behörden hätten davon Kenntnis erlangt und XXXX in der Folge festgehalten. XXXX habe in der Folge der Polizei gegenüber angegeben, dass der Cousin des Beschwerdeführers und dieser selbst die Kämpfer betreut hätte. Die Polizei habe daraufhin XXXX freigelassen und es wäre sein Cousin zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt werden. In selbst habe die Polizei nicht festnehmen können, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich befunden habe. Dennoch werde er seither von der türkischen Polizei gesucht und befürchte, im Fall einer Rückkehr in die Türkei zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und als politischer Häftling gefoltert zu werden.
Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, der Bombenanschlag habe sich vor 15 oder 16 Jahren ereignet. Er sei bereits sechs oder sieben Jahre in Österreich gewesen, als die Polizei davon Kenntnis erlangt habe. Von dem Vorfall wisse er von seinem Vater. Er könne zu seinem Vorbringen Urkunden in Vorlage bringen und dieses damit unter Beweis stellen. Im ersten Asylverfahren habe er den Vorfall nicht erwähnt, Angst verspürt habe, dass er selbst mit dem Bombenanschlag in Verbindung gebracht werde.
In der Einvernahme im sechsten 26.04.2018 legte der Beschwerdeführer ergänzend zu seinem Gesundheitszustand dar, Schlaflosigkeit und Albträumen zuleide. Er nehme daher Tabletten, die seine Laune verbessern würden. Eine Entzugstherapie absolviere er seit nunmehr drei Jahren und habe dabei gute Fortschritte gemacht. Während der letzten eineinhalb Jahre habe er als Freigänger für die Gemeinde gearbeitet. Hinsichtlich der in Aussicht gestellten Beweismittel habe er Angehörige ersucht, die Staatsanwaltschaft in Winkel aufzusuchen. Sein Cousin sei derzeit noch in Haft. Die Staatsanwaltschaft habe sich allerdings geweigert, Schriftstücke betreffend den Beschwerdeführer auszufolgen. Hinsichtlich der ihm am 08.03.2018 ausgefolgten Informationen zur Lage in der Türkei gab der Beschwerdeführer an, nicht in die Türkei zurückkehren zu wollen, da das derzeitige Regime inakzeptabel sei und Türkei kein sicheres Land. Sein Heimatdorf the niedergebrannt worden und er selbst fürchte, gefoltert zu werden.
12. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hob mit dem im Zuge der Einvernahme am 26.04.2018 nach der Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe des Verfahrensgangs aus, die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Der nunmehrige Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe und seinem Vorbringen darüber hinaus kein glaubhafter Kern zukommen würde. Gegen den Beschwerdeführer legen eine aufrechte Rückkehrentscheidung vor, die am 20.11.2014 in Rechtskraft erwachsen sei. Eine Gefahr im Sinne des § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG 2005 sei nicht ersichtlich sei.
12. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.05.2018 über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im gegenständlichen Verfahren und übermittelte gleichzeitig dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt der Behörde. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der Gerichtsabteilung L521 des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2018, L521 1415329-3/6E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 als rechtmäßig erkannt.
14. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2018 wurde das zunächst der Gerichtsabteilung L513 zugewiesene Beschwerdeverfahren L513 1415329-2 (Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zl. 506470610-171401167) mit Wirksamkeit 13.08.2018 der Gerichtsabteilung L521 des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der geschiedene Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX geboren. Vor seiner Ausreise aus der Türkei war der Beschwerdeführer als Fliesenleger und Maurer bzw. Masseur beruflich tätig. In der Türkei leben noch seine Eltern und mehrere Geschwister.
Im Gefolge seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 02.11.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither in Österreich auf.
Der Verfahrensgang vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestaltete sich wie unter Punkt I. dieser Erledigung dargestellt. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2014, L513 1415329-1/27E, im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Eine ihm im Jahr 2010 diagnostizierte Posttraumatischer Belastungsstörung wurde medikamentös behandelt (AS 89). In Strafhaft unterzieht sich der Beschwerdeführer seit dem 07.08.2015 therapeutischen Maßnahmen im Hinblick auf seine Abhängigkeit von Suchtmitteln, wobei ihm ein positiver Abschluss dieser Therapie attestiert wird. Davon abgesehen leidet der Beschwerdeführer an Schlaflosigkeit und Albträumen und nimmt dagegen Medikamente ein.
1.2. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 04.11.2014, Zl. 506470610-1223229, erlassene aufrechte Rückkehrentscheidung, welche am 20.11.2014 in Rechtskraft erwuchs. Dessen ungeachtet leistete der Beschwerdeführer dem Auftrag zum Verlassen des Bundesgebiets keine Folge.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 07.06.2011 zu 4 Hv 53/11w des Verbrechens des Suchtgifthandels schuldig erkannt und gemäß §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 27 Abs. 1 Z. 1 und § 27 Abs. 1 Z. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei der nach Vorhaftanrechnung verbleibende Rest der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23.11.2012 zu 5 Hv 104/12d, wurde der Beschwerdeführer abermals des Verbrechens des Suchtgifthandels schuldig erkannt und gemäß §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 2 Z. 1, 28a Abs. 3 2. Fall sowie den §§ 27 Abs. 1 Z. 1 und 27 Abs. 5 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25.06.2013 wurde der Beschwerdeführer bedingt entlassen.
Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.12.2014 zu 15 Hv 97/14a der Bestimmung zum Verbrechens des Suchtgifthandels schuldig erkannt und gemäß § 12 2. Fall StGB sowie den §§ 28a Abs. 1 2. und 3. Fall und 28a Abs. 2 Z. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Unter einem wurde die mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25.06.2013 gewährte bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe widerrufen.
Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit die verhängte Strafe in der Justizanstalt Favoriten.
1.4. Der Beschwerdeführer stellte am 16.02.2018 in Strafhaft neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte begründend vor, er habe gemeinsam mit seinem Cousin vor etwa 15 oder 16 Jahren eine Guerillakämpferin aufgenommen und gepflegt, die zuvor einen Bombenanschlag in der Stadt XXXX verübt habe. Vor etwa sechs oder sieben Jahren habe ein Mitwisser, sein Freund XXXX, den Beschwerdeführer und seinen Cousin unter Folter der Polizei verraten. Sein Cousin sei daraufhin festgenommen und zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er selbst werde in der Türkei polizeilich gesucht und befürchte im Fall einer Rückkehr in die Türkei ebenfalls eine Verurteilung zu 15 Jahren Haft wegen Unterstützung der PKK sowie von Sicherheitskräften gefoltert zu werden.
Über diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch nicht entschieden.
1.5. Am 10.01.2018 wurde der Beschwerdeführer der türkischen Botschaft vorgeführt und von dieser am 09.02.2018 ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Der Beschwerdeführer verfügt ferner über ein türkisches Identitätsdokument im Original (Nüfus).
1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner ersten Antragstellung in Österreich auf und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb eines Asylverfahrens. Sein Aufenthalt war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben wurde durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt, Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Urkunden sowie des Inhaltes seiner schriftlichen Eingaben, durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister den Beschwerdeführer betreffend und schließlich durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Beschwerdeverfahren L513 1415329-1 und L521 1415329-3.
2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts der belangten Behörde.
Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie dessen persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat und in Österreich ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in den Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem erkennenden Gericht, sie sind im Beschwerdeverfahren nicht strittig. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Anbetracht seines im Original vorliegenden türkischen Nüfus fest.
Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder dieser Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO geworden wäre, wurde nicht vorgebracht.
Die neuerliche Asylantragstellung scheint einerseits im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister auf und wurde bereits im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2018, L521 1415329-3/6E, festgestellt. Dass das Asylverfahren nach wie vor unerledigt ist, ergibt sich ebenfalls aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.
Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers gründen sich schließlich auf den Inhalt des amtswegig eingeholten Strafregisterauszugs.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Ausweislich der getroffenen Feststellungen liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vor. In der Beschwerde wird diesbezüglich nichts vorgebracht, sodass diese insoweit als unbegründet abzuweisen ist.
3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung während eines anhängigen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz festgehalten, dass gemäß der seit 01.11.2017 geltenden Fassung des § 52 Abs. 9 FPG mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen ist, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Diese Norm ist sowohl vom belangte Bundesamt im behördlichen Verfahren, als auch vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren anzuwenden.
Demzufolge habe der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 01.01.2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht komme. Vor diesem rechtlichen Hintergrund habe der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, mit näherer Begründung dargelegt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) nicht zulässig sei, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, dürfe die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung sei nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz sei daher grundsätzlich nicht zulässig
3.3. Der Beschwerdeführer hat am 16.02.2018 - sohin wenige Tage nach Erlassung des angefochtenen Bescheides einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Über diesen Antrag wurde bislang seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl noch nicht abgesprochen.
Schon deshalb ist die Bestätigung der wider den Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren der vorstehend zitierten Rechtsprechung zufolge nicht zulässig, zumal damit die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung zu verbinden wäre. Dies würde aber im Sinn der vorstehend zitierten Rechtsprechung bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären sein wird, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen.
Vielmehr ist die mit dem angefochtenen Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung und die weiteren damit verbundenen Nebenaussprüche wie das erlassenen Einreiseverbot - welches gemäß § 53 Abs. 1 FPG 2005 die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt - ersatzlos zu beheben. Über die allfällige Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes wird im anhängigen Verfahren über den am 16.02.2018 vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden sein.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdebehauptungen und ist spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG abgesehen werden, zumal bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im Umfang der Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Nebenaussprüche aufzuheben ist. Im Übrigen konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG und § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache im Hinblick auf die Nichtzuerkennung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht erwarten lässt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - insbesondere dessen Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor und wird eine solche auch in der Beschwerde nicht dargetan.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besondererEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L521.1415329.2.00Zuletzt aktualisiert am
30.01.2019