TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W207 2178740-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2178740 -1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 20.11.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 13.09.2013 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, der mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien (nunmehr: Sozialministeriumservice, in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 11.12.2013 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 14.11.2013, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Abnützungserscheinungen beider Kniegelenke", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v. H. nach der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage der Einschätzungsverordnung und 2. "Bluthochdruck", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Festgestellt wurde damals ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H.

Am 25.08.2017 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen mit 21.08.2017 datierten Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.09.2013, einen Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 03.04.2016, einen ärztlichen Entlassungsbericht eines näher genannten Kurzentrums vom 13.07.2016, einen Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 16.02.2017, einen Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 15.03.2017 und einen Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 11.08.2017 bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 20.11.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.11.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

AE mit 17 J., CHE 1998, seither Gallendiät

Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 14.10.2013, Gesamtgrad der Behinderung 20 % (Abnützungserscheinungen beider Kniegelenke 20 %, Bluthochdruck 10 %)

Zwischenanamnese seit 2013:

keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.

Kuraufenthalt 2013 und 2016 in W., 12/2017 Kuraufenthalt in B. bewilligt Derzeitige Beschwerden:

"Beschwerden habe ich vor allem in den Kniegelenken und derzeit vor allem in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein rückseitig bis zum Kniegelenk, Knieschmerzen habe ich seit etwa 3 Jahren, links mehr als rechts. Man möchte eigentlich eine Prothese implantieren, ich bin aber noch zu jung dazu. Immer wieder Schwellung und Schmerzen, kein Erguss, belastungsabhängig zunehmenden Beschwerden. Kann nicht länger gehen und nicht länger sitzen. Vor allem bei Kälte habe ich Schmerzen mit dem Ischias. Schmerzen auch im Bereich des linken Daumensattelgelenks und Cervikalsyndrom mit Kopfschmerzen und immer wieder Schwindel."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Sirdalud 4 mg, Concor plus, Mexalen 500 mg, Voltaren rapid 50 mg, Ibuprofen 400 mg, Diclostad Gel

Allergie: Penicillin

Nikotin:0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. F. Sozialanamnese:

ledig, keine Kinder, lebt in Wohnung im Erdgeschoss.

Berufsanamnese: Vertragsbedienstete X.amt

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Röntgen rechtes Knie vom 11. 8. 2017 (Ausgeprägte Retropatellararthrose. Deutliche mediale Femorotibialarthrose)

Röntgen beide Kniegelenke vom 15. 3. 2017 (Massive Gonarthrose links mit hochgradig lateral verschmälertem Gelenkspalt und ausgeprägten Randanbauten an den Gelenkrändern. Eminentia intercondylaris ist abgeflacht. Mäßige Tibiofibulararthrose. Massive Retropatellararthrose. Eine Lateralisation der Patella liegt nicht vor. Gonarthrose auch rechts jedoch weniger ausgeprägt als links. Der Gelenksspalt ist nur mäßig verschmälert. Es finden sich ebenfalls Anbauten an den Gelenkrändern vor allem femoralseits. Retropatellararthrose rechts. Hier ist der laterale Gelenksspalt deutlich verschmälert. Eine Lateralisation der Patella liegt nicht vor.)

MRT der LWS vom 16. 2. 2017 (Absolute Vertebrostenose bei L4/L5 durch deutliche Intervertebralarthrosen und Hypertrophie der Ligamenta flava, verstärkt durch eine geringe Diskusprotrusion und insbesonders Eindellung des Duralsackes von links lateral durch ein kleines Intervertebralgelenksganglion. Geringe Chondrose bei L4/L5. Nervenwurzelcyste bei S2)

Entlassungsbericht W. vom 13. 7. 2016 (Cervicolumbalgie Gonarthrose, bds., Adipositas, Tonsillektomie, Gallen-OP, Arthrose und Gonarthrose im Knie, Rhizarthrose Ii. Hand, Bluthochdruck)

MRT des linken Kniegelenkes 03.04.2016 (Ruptur des lateralen Meniskus, vorderes Kreuzband wie bei nicht rezenter Partialruptur. Laterale femorotibiale Chondropathie bis Grad IV, mediale femorotibiale Chondropathie Grad III, Deutliche lateral noch betontere Femorotibial- aber auch Retropatellararthrose)

Bericht Dr. F. vom 11.09.2013 (wegen Cholecystolithiasis und Hyperlipidämie Diät und wegen arterieller Hypertonie, spast.Bronchitis und Gonarthrose bds. regelmäßig Medikamente)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut, 52 a

Ernährungszustand:

sehr gut

Größe: 173,00 cm Gewicht: 93,00 kg Blutdruck: 140/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Daumensattelgelenk links: geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, keine Entzündungszeichen.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenke bds.: mäßige Umfangsvermehrung und Strukturvergröberung, keine Überwärmung, kein Erguss, deutliche Bewegungsschmerzen bei der Beugung, rechts achsengerecht, links deutliche Valgusstellung mit Innenknöchelabstand von 10 cm, bandstabil

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie rechts 0/0/120, links 0/5/105, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann im Bereich der Schulter-und Nackenmuskulatur und paralumbal. Mäßig Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich

BWS/LWS: FBA: 5 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig, etwas unelastisch.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Cervicolumbalgie Oberer Rahmensatz, da berichtete episodische Schwindel- und Schmerzsymptomatik bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

02.01.01

20

2

Kniegelenksarthrose beidseits Unterer Rahmensatz, da rechts gute Beweglichkeit, links mäßig eingeschränkte Beweglichkeit bei Valgusgonarthrose.

02.05.19

20

3

Daumensattelgelenkarthrose links Unterer Rahmensatz, da leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung.

02.02.01

10

4

Bluthochdruck

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Antragsleiden großteils unleserlich.

Zustand nach Gallenblasenoperation - Diät wird eingehalten - ohne Nachweis einer Funktionseinschränkung und bei gutem Ernährungszustand erreicht nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Hinzukommen von Leiden 1 und 4 des aktuellen Gutachtens, da objektivierbar.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung, da keine maßgebliche Verschlimmerung feststellbar.

[X] Dauerzustand

Frau S. kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:

[X]JA

..."

Mit Bescheid vom 20.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 25.08.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 20 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 20.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 30.11.2017, bei der Behörde eingelangt am 01.12.2017, erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 20.11.2017 fristgerecht Beschwerde, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes ausgeführt wird:

"...

Aufgrund der Begründung Ihres Bescheides vom 20.11.2017 gehe ich davon aus, daß Sie verabsäumt haben, die Tatsache der Gallenblasenentfernung zu berücksichtigen. Da meine Leber - aufgrund nicht mehr vorhandener Gallenblase- vermehrt belastet ist, muß ich nicht nur eine fettarme Diät einhalten, sondern muß - da ich viele Lebensmitteln nicht vertrage teure Reformhausprodukte erwerben.

Wenn ich nämlich "normal" esse, leide ich unter Übelkeit, Aufstoßen und Blähungen.

Auch aus der Apotheke brauche ich laufend unterstützende Produkte (u.Medikamente), damit ich arbeitsfähig bleibe.

Ich beantrage, einen neuen Bescheid zu erlassen, mit dem diesem Umstand Rechnung getragen wird bzw. mein Grad der Erwerbsminderung wesentlich höher eingestuft wird.

..."

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 25.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Cervicolumbalgie; episodische Schwindel- und Schmerzsymptomatik bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

2. Kniegelenksarthrose beidseits; rechts gute Beweglichkeit, links mäßig eingeschränkte Beweglichkeit bei Valgusgonarthrose.

3. Daumensattelgelenkarthrose links; leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung.

4. Bluthochdruck

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 20.11.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin gründet sich auf das Ergebnis einer ZMR-Abfrage vom 27.12.2017 und ist im Übrigen unbestritten.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 20.11.2017.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 20.11.2017 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.

Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ausschließlich darauf abzielt, dass die Gutachterin es verabsäumt habe, die Tatsache der Gallenblasenentfernung zu berücksichtigen, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen nicht zutrifft. Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie, welche das Gutachten vom 20.11.2017 erstellt hat, hat im Gutachten unter dem Punkt "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung" Folgendes ausgeführt: "Zustand nach Gallenblasenoperation - Diät wird eingehalten - ohne Nachweis einer Funktionseinschränkung und bei gutem Ernährungszustand erreicht nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens."

Abgesehen davon nun, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren keine Befunde vorgelegt hat, mit denen eine aktuell bestehende Funktionseinschränkung einschätzungsrelevanter Intensität bezüglich der Gallenblasenentfernung dargelegt werden hätte können -diesbezüglich ergibt sich lediglich aus dem von ihr vorgelegten Bericht einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.09.2013 ("Meine Patientin Frau S. muß wegen Cholecystolithiasis und Hyperlipidämie Diät halten und wegen arterieller Hypertonie, spast.Bronchitis und Gonarthrose bds. regelmäßig Medikamente einnehmen.") u.a. das Vorliegen eines Gallenblasensteines -, hat die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 16.11.2017 gegenüber der medizinischen Sachverständigen nicht angegeben, dass sie diesbezüglich aktuell maßgebliche Beschwerden habe. Auch im Vorgutachten vom 14.11.2013 war im Übrigen bereits ausgeführt worden, dass der Zustand nach Gallenblasenentfernung 2/97 bei gutem Ernährungszustand und operativ saniert keinen Grad der Behinderung erreicht und dass eine Fettstoffwechselstörung zum einen nicht befundmäßig belegt und zum anderen nicht medikamentös therapiert ist und ohne Endorganschädigung keinen Grad der Behinderung erreicht. Das Vorliegen einer diesbezüglichen Funktionseinschränkung maßgeblicher und damit einschätzungsrelevanter Intensität konnte auch im gegenständlichen Verfahren nicht objektiviert werden.

Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 20.11.2017. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 20.11.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zum Entscheidungszeitpunkt 20 v.H. beträgt.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, nicht gegeben sieht. Auch in der Beschwerde werden diesbezüglich keine Ausführungen getroffen.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen - insbesondere betreffend Auswirkungen einer im Jahr 1997 erfolgten Gallenblasenentfernung - zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und auf der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2178740.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten