TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W207 2157563-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2157563-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 08.05.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 13.12.2016 beim Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), bei der belangten Behörde eingelangt am 21.12.2016, den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer einen Entlassungsbericht bezüglich einer Operation eines näher genannten Krankenhauses vom 18.12.2015 bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 03.05.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.04.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

Antragsleiden: St.p. Nierenteilresektion (1976), Chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Knietotalendoprothese links, Zustand nach Bandscheiben-Op 1995

Derzeitige Beschwerden:

Laut Auskunft des Patienten: Ich war schon vor vielen Jahren hier, da habe ich wegen meiner Nierenteilresektion links 40% bekommen. Jetzt habe ich ein neues Knie bekommen. Im Jänner war ich im XXXX, weil mein Blutzucker entgleist ist. Das haben wir soweit hinbekommen. Schmerzen von der Wirbelsäule nach der Bandscheibenoperation habe ich keine mehr. Ich hatte nur eine Hufeisenniere, von dieser wurden mir 1976 zwei Drittel entfernt. Mein letztes Kreatinin vom 21.02.2017 war 1,7, mein HbA1c 14,4%. Ich war auch zwischenzeitlich in Wolfsberg in einer Klinik wegen einem Lymphödem, welches sie dort recht gut hinbekommen haben. Seither trage ich Kompressionsstümpfe.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Simvastatin, Jardiance, Trulicity, Valsartan

Sozialanamnese:

ledig, keine Kinder, in Pension

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

EV 18 vom 18.12.2015: Implantation eines zementierten Gleitflächenersatzes linkes Kniegelenk am 30.11.2015

Chronische Niereninsuffizienz Arterielle Hypertonie Diabetes mellitus II Schlafapnoesyndrom St.p. lumbaler Bandscheibenoperation (1995) St.p. Nierenteilresektion (1976)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

zufriedenstellend

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 175,00 cm Gewicht: 123,00 kg Blutdruck: 160/90

Klinischer Status - Fachstatus:

70 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput: Visus: unauffällig Zähne: saniert, Rachen bland, Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:

nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei. Reaktionslose

Narbe linke Flanke Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken und rechtes Kniegelenk, linkes Knie Rom in S 0-0-90° reaktionslose Narbe, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds., trägt Kompressionsstrümpfe, beginne trophische Störungen der Haut

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 20 cm, Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen endlagig eingeschränkt, reaktionslose Narbe im Bereich der LWS

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig

Status Psychicus:

klar, Orientiert, Psychopathologisch unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Diabetes mellitus mittlerer Rahmensatz, da mittels oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden können

09.02.01

20

2

Knietotalendoprothese links Wahl der Position mit dem oberen Rahmensatz, da Beugung bis 90 Grad möglich ist

02.05.18

20

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Wahl der Position mit dem oberen Rahmensatz, da eine endlagige Bewegungseinschränkung gegeben ist

02.01.01

20

4

Chronische Niereninsuffizienz Wahl der Position mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz, da bei Zustand nach Nierenteilresektion links mäßiggradig erhöhte Kreatininwerte

05.04.01

20

5

Lymphödeme beider unteren Extremitäten 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da das Tragen von Kniestützstrümpfen erforderlich ist

05.08.01

20

6

Hypertonie Fixer Richtsatz

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht wird, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

[X] Dauerzustand

..."

Mit Bescheid vom 08.05.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 21.12.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 20 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 03.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 11.05.2017, bei der Behörde eingelangt am 15.05.2017, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid vom 08.05.2017 fristgerecht eine Beschwerde, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes ausgeführt wird:

"...

Mit dem Bescheid vom 8.5.2017 wurde die Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und der Grad meiner Behinderung mit 20% festgestellt.

In einem früheren Bescheid vom Bundessozialamt für Wien, Nö und Burgenland vom 20.6.1996 wurde mir auf Grund einer Teilentfernung einer Hufeisenniere und einer Bandscheiben OP eine MdE von 40% zuerkannt.

Mittlerweile kamen zu diesen Beeinträchtigungen Diabetes Mellitus Typ ll, eine TEP am linken Knie und Beinlymphödeme rechts und links Stadium II dazu. Und jetzt wird mir eine MdE von 20% bescheinigt.

Ich stelle daher den Antrag mir weiterhin die schon einmal zugestandene MdE von 40% zuzuerkennen.

Hochachtungsvoll

Name des Beschwerdeführers"

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 21.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Diabetes mellitus; mittels oraler Medikation können zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden.

2. Knietotalendoprothese links; Beugung bis 90 Grad möglich.

3. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; es ist eine endlagige Bewegungseinschränkung gegeben.

4. Chronische Niereninsuffizienz; bei Zustand nach Nierenteilresektion links mäßiggradig erhöhte Kreatininwerte.

5. Lymphödeme beider unteren Extremitäten; das Tragen von Kniestützstrümpfen ist erforderlich.

6. Hypertonie

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.05.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers gründet sich auf das Ergebnis einer ZMR-Abfrage vom 17.05.2017 und ist im Übrigen unbestritten.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2017.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 03.05.2017 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.

Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, dass ihm in einem früheren Bescheid aus dem Jahr 1996 auf Grund einer Teilentfernung einer Hufeisenniere (im Jahr 1976) und einer Bandscheiben-OP eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. zuerkannt worden sei und mittlerweile zu diesen Beeinträchtigungen Diabetes Mellitus Typ ll, eine TEP am linken Knie und Beinlymphödeme rechts und links Stadium II dazugekommen seien und ihm jetzt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von nur noch 20 v.H. bescheinigt werde, ist darauf hinzuweisen, dass für das gegenständliche Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (BBG) der aktuelle Grad der Behinderung an Hand aktuell vorliegender Gesundheitsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen und somit das Vorliegen aktuell objektivierter Funktionseinschränkungen maßgeblich ist, nicht aber Leidenszustände entscheidungsrelevant sind, die vor mehreren Jahrzehnten bestanden haben und damals entsprechende Auswirkungen auf die körperlichen Funktionen gehabt haben mögen. Der aktuell objektivierte Grad der Behinderung beträgt beim Beschwerdeführer nach dem aktuellen und schlüssigen Gutachten vom 03.05.2017 20 v.H. und sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, die darlegen würden, dass der beim Beschwerdeführer vorliegende Grad der Behinderung nicht richtig eingeschätzt worden wäre. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass bei der letzten Begutachtung des Beschwerdeführers im Jahr 1996 die damals vorliegenden Funktionseinschränkungen nach den Bestimmungen der Richtsatzverordnung eingestuft wurden, dass nunmehr jedoch der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung und sohin nach einer anderen Rechtsgrundlage bewertet wird, wodurch es auch bei einem unveränderten Gesundheitszustand bzw. bei einem Hinzukommen von weiteren objektivierten Leiden zu anderen Einschätzungsergebnissen betreffend den Einzelgrad der Behinderung im Vergleich zu den Einschätzungsergebnissen nach der Richtsatzverordnung kommen kann.

Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden. Der Beschwerdeführer ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2017. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 20 v.H. beträgt.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, nicht gegeben sieht. Auch in der Beschwerde werden diesbezüglich keine Ausführungen getroffen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2157563.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten