TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W207 2155845-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
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Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2155845-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.04.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Im vorgelegten Verwaltungssakt befindet sich ein Sachverständigengutachten bezüglich eines Verfahrens nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) betreffend die Beschwerdeführerin vom 13.07.2016, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung die Gesundheitsschädigungen

1. "Rezidivierende Neurofibrome linker Daumen", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 04.05.04 der Anlage der Einschätzungsverordnung und 2. "Arthrose linkes Handgelenk, Zustand nach mehrfacher Arthroplastik", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 02.06.22 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden.

Am 10.01.2017, bei der Behörde eingelangt am 11.01.2017, stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin neben einem Patientenbrief eines näher genannten Spitals bezüglich einer Operation an der Hand vom 31.10.2016, einen Meldezettel und eine Kopie ihres Pensionistinnenausweises bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 10.04.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.03.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

Vorgutachten 4.7.2016 Diagnose:

Rezidivierende Neurofirbrome linker Daumen 30 v.H.

Arthrose linkes Handgelenk, Z.n.mehrfacher Arthroplastik 20 v.H.

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Zwischenanamnese:

7-2016 Schmerzstimulator neu positioniert. Operiert in XXXX.

11-2016 Rhizarthrose OP rechts in XXXX.

Aktuell Gehörsturz mit Tinnitus in Behandlung.

Derzeitige Beschwerden:

Bin aktuell mit beiden Händen eingeschränkt. Das Hauptproblem ist die Feinmotorik links. Fallweise ein Blockierungsgefühl in den Fingern und rasche Ermüdungserscheinungen in den Fingern (Schreiben auf der Tastatur).

Dauerschmerzen in den Handgelenken. Elastische Bandagen werden verwendet. Das Stimulationsgerät ist wegen der Neurofibromatose und den daraus resultierenden Beschwerden implantiert. Die Sonde ist verrutscht, musste neu positioniert werden. Diesmal mit Fixierung im Unterhautbindegewebe. Schmerzen in der HWS mit Ausstrahlung in den Kopf und in die rechte Schulter. Kann nicht gut durchschlafen, Bauchschläferin.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Phys. Therapie für die rechte Schulter laufend.

Schmerzstillend: Neurontin 300mg 2-3x täglich, fallweise Tramaltropfen 1x20gtt.

Als Hilfsmittel werden elastische Handgelenksbandagen abwechselnd mit Handgelenksbandagen und mit Metalleinlagen verwendet.

Sozialanamnese:

in Pension, Wohnung 1.Stock mit Lift.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Bei der Untersuchung vorgelegte Befunde:

• 15.11.2016, Kontrolle nach CMC I Bandplastik, Orthopädisches Spital XXXX. Gipsabnahme, Versorgung mit einer Rhizarthrosenschiene, lokal geringe Schwellung bei blanden Wundverhältnissen.

Im Akt vorhandener Befund:

• 31.10.2016, Patientenbrief Orthopädisches SpitalXXXX:

Diagnose: habituelle Instabilität des CMC I Gelenkes rechts - schmerzhaft.

Durchgeführte Maßnahme: 31.10.2016 OP CMC 1 Bandplastik rechts Plexusanästhesie. Unauffälliger postoperativer Verlauf.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Kommt alleine, aufrecht gehend, normale Straßenkleidung, normaler Konfektionsschuh.

Zwei elastische Handgelenksbandagen.

An- und Auskleiden rasch, selbstständig, ohne Fremdhilfe.

Guter AZ und EZ, Rechtshänderin.

Caput, Thorax, Abdomen unauffällig.

Haut ist rosig, normal durchblutet. Reizlose OP-Narbe im Bereich der linken oberen Brusthälfte und im Bereich des linken Unterbauches, strichförmig, reizfrei. Zahlreiche OP- Narben kaum sichtbar im Bereich beider Hände und beider Handgelenke und der Langfinger.

Ernährungszustand:

gut

Größe: 170,00 cm Gewicht: 67,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule gesamt

Im Lot, Becken- Schultergeradstand, symmetrische Taillendreiecke, symmetrische mittelkräftige Muskulatur, keine Atrophien.

HWS:

S 30/0/20, R je 70, F je 30.

BWS:

R je 30, Ott 30/33.

LWS:

FBA +20, Reklination 10 Grad, Seitneigen je 20.

Peripher neurol.:

Hirnnerven frei, Hypästhesie mit dissozierter Sensibilität im Bereich beider Hände.

Keine Dermatom- oder Wurzelzuordnung.

UE: mittellebhafte Muskeleigenreflexe, Sensibilität, grobe Kraft, Koordination symmetrisch und seitengleich.

Obere Extremität

Allgemein

Rechtshänder. Normale Achse, normale Gelenkkonturen, mittelkräftig seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien.

Schulter rechts:

Frei beweglich.

Schulter links:

S 40/0/120, R 120/0/10, Rotation frei. Bei Überkopfbewegungen ziehender Schmerz entlang der Pectoralismuskulatur im Gebiet der Sonde.

Ellbogen-, Handgelenksbeweglichkeit:

Beidseits frei.

Langfingerbeweglichkeit:

Seitengleich, abgeschwächte intrinsische Muskulatur beidseits.

Schürzen- Nackengriff:

Beidseits gut möglich. Kraft beidseits mittelgradig herabgesetzt.

Faustschluss:

Seitengleich möglich. Oppositionsgriff, Spitzgriff, Flaschengriff auf beiden Seiten möglich aber Kraft abgeschwächt.

Untere Extremität

Allgemein:

Normale Achse, normale Gelenkkonturen, mittelkräftig seitengleiche Muskulatur. Keine Atrophien. Fußpulse sind gut tastbar, seitengleiche Gebrauchspuren.

Hüft-, Knie- und Sprunggelenke:

Frei beweglich.

Füße:

Unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Flüssig, normalschrittig. Zehen- Fersentand, Einbeinstand und Hocke gut möglich.

Transfer auf die Untersuchungsliege gelingt selbstständig, Wendebewegungen auf der Untersuchungsliege werden rasch und selbstständig durchgeführt.

Status Psychicus:

St. psychicus: orientiert, freundlich, kooperativ.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Rezidivierende Neurofibrome im Bereich des linken Daumens. Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer, da chronische Schmerzhaftigkeit und Kraftabschwächung im Bereich des linken Daumens.

04.05.04

30

2

Handgelenksabnützung beidseits. Fixer Richtsatz berücksichtigt die Kraftabschwächung und die Belastungsschmerzen bei jedoch guter Beweglichkeit.

02.06.23

30

3

Bewegungseinschränkung der rechten Schulter durch Narbenzug im Bereich des Pectoralis major.

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Es besteht mit Leiden 1 und 2 eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung welche die Gesamtfunktion einschränkt. Leiden 3 hat keine erhöhende Wirkung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Der Hörsturz welcher derzeit in Behandlung ist, erreicht keinen Grad der Behinderung, da mit hoher Wahrscheinlichkeit keine maßgebliche Einschränkung die über sechs Monate andauern vorliegend ist.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Durch den neuerlichen operativen Eingriff im Bereich des rechten Handgelenkes (Rhizarthrosen- OP) ist nun auch eine Funktionsänderung im Bereich des rechten Handgelenkes vorliegend.

Neu aufgenommen wurde, die Bewegungseinschränkung im Bereich der linken Schulter durch den Narbenzug im Bereich des großen Brustmuskels (Pectoralis major).

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Im Vergleich zum Vorgutachten ist somit eine Verschlimmerung gegeben, die entsprechend berücksichtigt werden muss.

Durch die Erhöhung des Leiden 2 ergibt sich in der Gesamtbeurteilung eine Veränderung.

[X] Dauerzustand

..."

Mit Bescheid vom 12.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 10.04.2017, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 01.05.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid vom 12.04.2017 fristgerecht eine Beschwerde, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes ausgeführt wird:

"...

Der erste Antrag wurde am 14.10.2005 mit 20% ausgestellt.

Seit 31.10.2007 wurden mir 30% zugewiesen. Seither hatte ich weitere neun Operationen, d.heisst insgesamt 14 Operationen. Mein Zustand wird sich nicht bessern, sondern verschlechtern. Auch meine rechte Hand ist jetzt betroffen.

Benötigte Unterstützung im Haushalt, beim Einkauf,....... Meinen

Beruf als Casemanagerin im Gesundheits.- und Krankenpflegedienst kann ich auch nicht mehr ausüben, wurde mit 1.10.2016 in den unbefristeten Ruhestand geschickt.

..."

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 11.01.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Rezidivierende Neurofibrome im Bereich des linken Daumens; chronische Schmerzhaftigkeit und Kraftabschwächung im Bereich des linken Daumens.

2. Handgelenksabnützung beidseits; die Kraftabschwächung und die Belastungsschmerzen bei jedoch guter Beweglichkeit wurden berücksichtigt.

3. Bewegungseinschränkung der rechten Schulter durch Narbenzug im Bereich des Pectoralis major.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 10.04.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin gründet sich auf den dem verfahrensgegenständlichen Antrag beigelegten Meldezettel der Beschwerdeführerin und das Ergebnis einer ZMR-Abfrage vom 08.05.2017 und ist im Übrigen unbestritten.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie vom 10.04.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.03.2017.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 10.04.2017 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, bei der Beschwerdeführerin vorliegen. Die in der Beschwerde behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber vorangegangenen Einstufungen wurde berücksichtigt.

Es sind im Vergleich zum Vorgutachten vom 13.07.2016 folgende Änderungen eingetreten: Nach dem neuerlichen operativen Eingriff im Bereich des rechten Handgelenkes (Rhizarthrosen-OP) ist nun auch eine Funktionsänderung im Bereich des rechten Handgelenkes vorliegend. Im Vergleich zum Vorgutachten ist somit eine Verschlimmerung gegeben, die entsprechend - den Grad der Behinderung erhöhend - berücksichtigt wurde. Das Leiden 2 wurde daher nunmehr - auch entsprechend dem Ergebnis der Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung vom 03.03.2017, welche eine mittelgradige Herabsetzung der Kraft mit Belastungsschmerzen bei guter Beweglichkeit ergab - unter der Pos.Nr. 02.06.23 "Funktionseinschränkung im Handgelenk mittleren Grades beidseitig" der Anlage der Einschätzungsverordnung mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von nunmehr 30 v.H. - also entsprechend dem diesbezüglich fixen Rahmensatz - eingestuft. Durch die Erhöhung des Leiden 2 - im Vorgutachten vom 13.07.2016 wurde das Leiden 2 noch unter der Pos.Nr. 02.06.22 "Funktionseinschränkung im Handgelenk mittleren Grades einseitig" der Anlage der Einschätzungsverordnung mit einem (Gesamt)Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft - ergibt sich in der Folge auch in der Gesamtbeurteilung daher eine Veränderung. Das führende Leiden 1 wurde wie im Vorgutachten unter der Pos.Nr. 04.05.04 der Anlage der Einschätzungsverordnung mit einem (Gesamt)Grad der Behinderung von 30 v.H. eingestuft. Das führende Leiden 1 wurde unverändert zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer eingestuft, da chronische Schmerzhaftigkeit und Kraftabschwächung im Bereich des linken Daumens vorliegen. Neu aufgenommen als Leiden 3 unter der Pos.Nr. 02.06.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung mit einem (Gesamt)Grad der Behinderung von 10 v.H. wurde die Bewegungseinschränkung im Bereich der linken Schulter durch den Narbenzug im Bereich des großen Brustmuskels (Pectoralis major). Es besteht bei den Leiden 1 und 2 eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung, welche die Gesamtfunktion einschränkt, es wurde daher insgesamt ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt. Leiden 3 hat keine erhöhende Wirkung.

Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder dieser entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 10.04.2017. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 10.04.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und auf den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Der in der Beschwerde ins Treffen geführten Prognose, der Gesundheitszustand werde sich nicht bessern, sondern verschlechtern, kommt insofern aktuell keine Entscheidungsrelevanz zu, als für die Einschätzung des Grades der Behinderung der aktuelle Gesundheitszustand heranzuziehen ist, nicht aber ein künftiger potentieller Gesundheitszustand. Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2155845.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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