TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W207 2150582-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
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Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2150582-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde vonXXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.01.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 17.10.2016 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin legte diesem Antrag ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 16.01.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.12.2016 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

Degenerative Abnützungen, Harninkontinenz, Hypertonie, COPD I-II°, Diabetes mellitus II, KHK mit Z.n. PCI, Veränderungen im Bereich der Carotiden, CVI.

Derzeitige Beschwerden:

"Die meiste Zeit kann ich schlecht gehen, dies seit ca. 1 Monat. Die Kniegelenke schmerzen Tag und Nacht, von der Wirbelsäule rede ich gar nicht, da werde ich alle 14 Tage infiltriert. Ich habe einen Führerschein und fahre noch selbst mit dem Auto, da bin ich nicht behindert. Ich bin auch schwindlig und habe einen Stent im Herz und in der Carotis bekommen".

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

ASS, Clopidogrel, Exforge, Concor, Janumet, Diabetex, Losec, Foradil, Inkontan, Berodual bei Bedarf.

Sozialanamnese:

Pensionistin.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

8.2.2016 Dr. XXXX: Gefäßveränderungen der Carotiden, eine rezente cerebrovasculäre Symptomatik ist nicht erhebbar.

15.2.2015 Dr. XXXX: Osteoporose, Hypertonie, Psoriasis, Asthma bronchiale / COPD I-II, CTS beidseits, DM II, Harninkontinenz, CVI, St.p. Magen-OP.

15.4.2016 Dr. XXXX: COPD, Hypertonie, DM II, Depressio, nicht-toxische Struma.

9.7.2015XXXX: degenerative Wirbelsäulenveränderungen.

9.8.2016 Dr. XXXX: KHK, Hypertonie, card. Dekomp. bei RR-Krise, CAVK (SPTA der ACI links 3/16).

Befundnachreichung:

19.12.2016 XXXX: Mischinkontinenz, Zystoskopie kein Restharn, bei Valsalva gering Harnverlust.

16.12.2016 Diagnosezentrum XXXX: deg. Abnützungen an den Kniegelenken, rechts über links.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal.

Ernährungszustand:

Adipös.

Größe: 156,00 cm Gewicht: 107,00 kg Blutdruck: 130/70

Klinischer Status - Fachstatus:

KOPF, HALS:

Keine Stauungszeichen, keine Atemnot, keine Lippencyanose.

THORAX / LUNGE / HERZ:

Sonorer Klopfschall, Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz. Reine, rhythmische Herzaktion, keine pathologischen Geräusche.

ABDOMEN:

Weich, adipös, kein Druckschmerz, Leber und Milz nicht tastbar, Peristaltik gut auskultierbar, Z.n. operativer Intervention im Bereich des Magens.

WIRBELSÄULE:

Endlagige Funktionseinschränkung im Bereich Lendenwirbelsäule. Erreicht im Sitzen mit beiden Händen den Boden, FBA im Stehen wegen Schmerzangabe nicht durchgeführt. Endlagige Einschränkung bei Drehbewegungen cervical und lumbal. Paravertebrale Muskelverspannungen im Schulterbereich, dort etwas druckschmerzhaft.

EXTREMITÄTEN:

Kreuz / Nacken / Pinzetten / Spitzgriff beidseits regelrecht, vollständiger Faustschluß beidseits, keine Muskelverschmächtigungen. Fingergelenke etwas arthrotisch verändert. Hüftgelenke frei beweglich, Kniegelenk links frei beweglich, rechts aktiv 0-0-10°, dann Schmerzangabe retropatellar. Sprunggelenke frei beweglich. Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich. Zehen / Fersengang beidseits nicht durchgeführt. Varizen im Unterschenkelbreich mit Pigmentstörung, keine Ödeme, Fußpulse tastbar.

GROB NEUROLOGISCH:

Keine neurologischen Ausfälle, keine pathologischen Reflexe.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt mit einer Stützkrücke, Gangbild etwas schleppend-breitbeinig, ausreichend sicher, selbstständiges Einnehmen der Sitzposition gut möglich.

Status Psychicus:

Voll orientiert, stabil, Ductus kohärent.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Intervention (PCI) Unterer Rahmensatz, da normale Pumpfunktion.

05.05.02

30

2

Hypertonie

05.01.02

20

3

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Osteoporose Oberer Rahmensatz, da nachgewiesene Abnützungen und funktionelle Einschränkung vor allem bei Drehbewegung.

02.01.01

20

4

Diabetes mellitus II Mittlerer Rahmensatz, da unter oraler Dauermedikation weitgehend stabil.

09.02.01

20

5

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Oberer Rahmensatz, da Dauermedikation erforderlich, bei klinisch unauffälligem Lungenbefund.

06.06.01

20

6

Chronisch-venöse Insuffizienz 1 Stufe über unterem Rahmensatz, da Varizenbildung mit Pigmentstörung.

05.08.01

20

7

Mischinkontinenz Unterer Rahmensatz, da kein Restharn in der Zystoskopie.

08.01.06

10

8

Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk Unterer Rahmensatz, da aktive Beweglichkeit 0-0-110°.

02.05.18

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch 2-8 nicht weiter erhöht, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem Hauptleiden.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Gefäßveränderungen in den Carotiden erreichen keinen GdB, da rezente cerebrovasculäre Symptomatik nicht erhebbar. Carpaltunnelsyndrom beidseits, Depressio, Psoriasis: durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde nicht ausreichend belegt. Z.n. Magenband erreicht bei sehr gutem Ernährungszustand keinen GdB.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstgutachten.

[X] Dauerzustand

Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine.

2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.01.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 16.01.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 05.03.2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht folgenden Inhaltes:

"...

Beim Sachverständigengutachten unter "derzeitige Beschwerden" ist zu korrigieren: Ich kann nicht erst seit 1 Monat schlecht gehen, sondern schon einige Jahre. Seit 1 Monat hat sich mein Zustand extrem verschlechtert, durch Schwindelanfälle und stechenden Schmerzen in den Knien, die zusätzlich extrem auftreten, habe ich Probleme alleine wegzugehen, ich brauche immer eine Begleitperson.

Zusammenfassung relevanter Befunde:

Bei der Befundnachreichung (diese wurden einige Tage später extra von meiner Tochter in die Babenbergerstraße gebracht) sind die Befunde der Herrn Dr. XXXX, Psychiater, bei der Zusammenfassung nicht angeführt bzw. berücksichtigt.

Es stimmt, dass ich noch selber Auto fahre, habe aber immer eine Begleitperson mit, die auch mittlerweile die meiste Zeit fährt, wobei ich als Beifahrerin danebensitze, um sicher zu sein, dass nichts passieren kann. Außerdem bringt mich mein Fahrer an für mich wichtige Plätze direkt vor die Haustüre, da ich eine weitere Strecke nicht mehr zu gehen schaffe.

Gefäßveränderungen (Carotis-Stenose eine Seite 100 %), zweite Seite mittels Stent etwas offen gehalten, ergibt keine Behinderung? Wenn Symptomatik nicht erkennbar, ist dies Sache der Ärzte, nicht meine. Welche aktuellen, aussagekräftigen Facharztbefunde werden von Ihnen benötigt? Von welchen Fachärzten?

Öffentliche Verkehrsmittel:

Ich kann seit Jahren mit keinem Öffentlichen Verkehrsmittel mehr fahren, da ich nicht ein- und aussteigen kann, von der Gehstrecke bis zu den Haltestellen, reden wir gar nicht, da ich nicht einmal diese schaffe. Wie ich schon oben angeführt habe, fahre ich nur mehr mit dem Auto, wenn ich jemanden habe der mich führt, ich kann ohne Begleitperson das Haus nicht verlassen.

Es ist mir nicht möglich, ohne Gehstock oder Rollmobil außer Haus zu gehen.

..."

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 17.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Intervention (PCI)

2. Hypertonie

3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Osteoporose

4. Diabetes mellitus II

5. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

6. Chronisch-venöse Insuffizienz

7. Mischinkontinenz

8. Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.01.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.01.2017.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, der Punkt "Derzeitige Beschwerden" sei zu korrigieren, da sie nicht erst - wie unter diesem Punkt vermerkt - seit einem Monat, sondern schon seit Jahren schlecht gehe, ist zunächst anzumerken, dass sich dem medizinischen Sachverständigengutachten keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass der medizinische Sachverständige pflichtwidrig nicht den Tatsachen entsprechende Untersuchungsergebnisse protokolliert hätte und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem nicht ausreichend substantiierten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Insbesondere aber tut die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen nicht dar, inwiefern sich der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht erst seit einem Monat, sondern seit einigen Jahren "schlecht gehe", aber seit einem Monat habe sich der Zustand verschlechtert, auf die rechtsrichtige Beurteilung des medizinischen Sachverständigen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 19.12.2016, auswirken sollte, da das Ausmaß und die Prognose der Funktionsbeeinträchtigung ausgehend vom Beurteilungszeitpunkt relevant ist.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 16.01.2017 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.

Insoweit aber in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die nachgereichten Befunde eines näher genannten Facharztes für Psychiatrie und Neurologie bei der Zusammenfassung im Gutachten nicht angeführt bzw. nicht berücksichtigt worden seien, ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen nicht zutreffend ist. Aus den nachgereichten Befunden des näher genannten Facharztes für Psychiatrie und Neurologie - insbesondere aus jenen vom 04.04.2016 und 24.06.2016 - geht hervor, dass bei der Beschwerdeführerin neben diversen anderen Leiden u.a. eine Depression bestehe. Es werden in diesen beiden Befunden jedoch keinerlei nähere aussagekräftige Ausführungen zu Ursachen und insbesondere zu Ausmaß, Dauer bzw. zu allfälligen dauerhaften Auswirkungen einer bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Depression getroffen, die nähere und konkretere Anhaltspunkte über das Vorliegen einer diesbezüglich im Sinne der Anlage der Einschätzungsverordnung einstufungsrelevanten Funktionseinschränkung, welche den Gesamtgrad der Behinderung erhöhen könnte, geben könnten; dem Befund vom 24.06.2016 ist im Gegenteil zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin mit ihren Medikamenten wohl fühle. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige in seinem Gutachten - im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer einstufungsrelevanten Funktionseinschränkung - bezüglich einer Depressio ausdrücklich ausführt, dass eine solche durch aktuelle aussagekräftige Facharztbefunde nicht ausreichend belegt ist. Es ist daher festzuhalten, dass die Befunde des näher genannten Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom medizinischen Sachverständigen - anders als in der Beschwerde vorgebracht - berücksichtigt wurden; es wäre der Beschwerdeführerin im Übrigen auch freigestanden, bereits bei ihrer Untersuchung am 19.12.2016 etwas zu einer bei ihr vorliegenden Depression vorzubringen oder aber der Beschwerde aussagekräftige Facharztbefunde beizulegen, von dieser Möglichkeit hat sie aber keinen Gebrauch gemacht.

Die Gefäßveränderungen in den Carotiden erreichen keinen Grad der Behinderung, da durch den Sachverständigen eine rezente cerebrovasculäre Symptomatik nicht erhebbar war. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass es Sache der Ärzte sei und nicht ihre, wenn eine Symptomatik nicht erkennbar sei, ist diesbezüglich festzuhalten, dass die oben genannte Symptomatik im Verfahren - insbesondere durch die Vorlage entsprechender Befunde - nicht objektiviert wurde; eingestuft werden können aber nur objektivierte Funktionseinschränkungen. Es wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht dargetan, wie die vorliegenden Gefäßveränderungen den Gesamtgrad der Behinderung erhöhen könnten.

Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde darum bittet, die belangte Behörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht mögen ihr bekannt geben, welche weiteren Facharztbefunde von ihr vorgelegt werden sollen, so ist sie darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Behörde bzw. des erkennenden Gerichts ist, der Beschwerdeführerin mitzuteilen, welche Leiden sie vorzubringen bzw. welche konkreten Befunde sie vorzulegen hat.

Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder dieser entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.01.2017. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.01.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 30 v.H. beträgt.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Was letztlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde nicht über den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht verfahrensgegenständlich ist; die Beschwerdeführerin ist nicht Inhaberin eines gültigen Behindertenpasses. Wie die Bestimmungen der §§ 42 und 45 BBG sowie der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen aber zeigen, ist die Inhaberschaft eines gültigen Behindertenpasses Grundvoraussetzung für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in diesen Behindertenpass. Diese Voraussetzung liegt im Fall der Beschwerdeführerin aber aktuell nicht vor.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2150582.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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