TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/12 B20/96

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Veröffentlicht am 12.06.1997
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz Durchschnittsbetrachtung
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz Härtefall
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ZPO §35 Abs1
Wr SozialhilfeG §3
Wr SozialhilfeG §15
Wr SozialhilfeG §31

Leitsatz

Keine willkürliche bzw gleichheitswidrige Gesetzesauslegung durch Abweisung eines Antrags auf Ersatz der Pflegekosten für die Unterbringung des Vaters des Zweitbeschwerdeführers in einem privaten Pflegeheim mit Zimmern für Ehegatten; keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sicherstellung der gemeinsamen Pflege von Ehepartnern im Rahmen der Sozialhilfe im Sinne einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung und aufgrund der Inkaufnahme von Härtefällen

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie namens des Erstbeschwerdeführers eingebracht wurde, zurückgewiesen.

Der Zweitbeschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Zweitbeschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer wurde aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes am 10. August 1994 in einem Pflegeheim der Caritas untergebracht. Am 10. Oktober 1994 wechselte er auf eigenen Wunsch gemeinsam mit seiner ebenfalls pflegebedürftigen Ehefrau in das Heim des Vereines "Pro Parente", das damals als einziges Heim ein für Ehepaare eingerichtetes Zimmer anbieten konnte. Am 13. Oktober 1994 beantragte er einen Zuschuß für den Pflegeaufenthalt im genannten Pflegeheim. Am 14. November 1994 beantragte der Zweitbeschwerdeführer - er ist der Sohn des Erstbeschwerdeführers - den Ersatz der von ihm für den Pflegeheimaufenthalt seines Vaters getragenen Kosten.

Mit Mandatsbescheid vom 16. März 1995 wurden diese Anträge abgewiesen.

Mit Bescheid der Magistratsabteilung 47 vom 3. Mai 1995 - der Bescheid vom 16. März 1995 trat, da gegen ihn fristgerecht Vorstellung erhoben wurde, gemäß §57 Abs3 AVG mangels Einleitung des Ermittlungsverfahrens binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung außer Kraft - wurden die Anträge neuerlich abgewiesen, wogegen von den Beschwerdeführern Berufung erhoben wurde.

1.2. Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. November 1995 wurde unter Berufung auf die §§7, 11, 15, 31 und 37a des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/1973 idF der Kundmachung LGBl. Nr. 4/1994 (im folgenden: WSHG), dem Erstbeschwerdeführer "von dem Tag der Aufnahme in ein Pflegeheim Sozialhilfe durch Pflege in einem solchen Pflegeheim gewährt, mittels welchem das Land Wien als Träger von Privatrechten die Verpflichtung einer Vorsorge für die Errichtung und Führung von Pflegeheimen im Sinne des §36 Abs1 erfüllt."

Die Anträge des Erstbeschwerdeführers auf Gewährung von Kostenzuschuß bei Aufnahme in das Pflegeheim des Vereines "Pro Parente" und der Antrag des Zweitbeschwerdeführers, ihm für die seit 10. August 1994 aufgewendeten Kosten für den Erstbeschwerdeführer Ersatz zu gewähren, wurden abgewiesen.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Infolge Pflegebedürftigkeit ... hat der Hilfesuchende Rechtsanspruch auf Hilfe im Sinn des §15 WSHG. Infolge der Art seiner Pflegebedürftigkeit kann sein Pflegebedarf durch stationäre Aufnahme in ein Pflegeheim abgedeckt werden.

Gemäß §36 Abs1 WSHG obliegt dem Land Wien als Träger von Privatrechten die Vorsorge für die Errichtung und Führung von Pflegeheimen. Zur Erfüllung dieser Obliegenheiten und Aufnahme von Pflegebedürftigen im Sinne des §15 WSHG bedient sich das Land Wien der städtischen Pflegeheime und einer Reihe von Heimen privater Rechtsträger.

Wie die Berufungswerber richtig ausführen ist gemäß §37 Abs1 WSHG der Magistrat der Stadt Wien als Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, bescheidmäßig die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob der Hilfesuchende die Voraussetzung erfüllt, um einen Rechtsanspruch auf Pflege im Sinne des §15 WSHG zu haben, und auf welche Art und Weise diese Hilfeleistung zu erfolgen hat. ...

Der Antrag auf Pflegekostenzuschuß muß abgewiesen werden, weil ein solcher in der Sozialhilfegesetzgebung nicht vorgesehen ist und auch in der Verwaltungspraxis nicht gewährt wird.

Im Sinne des §15 gewährt die Stadt Wien den anspruchsberechtigten Personen Pflege als Sachleistung, die gemäß diversen Vereinbarungen auch von einer Anzahl von privaten Heimen im Auftrage, sowie im Namen und auf Rechnung der Stadt Wien erbracht wird. Demgegenüber hat der Sozialhilfeträger im Sinne des §324 ASVG Ersatzanspruch gegen den Hilfeempfänger. Gemäß der Vereinbarung erhält das Heim die von der Magistratsabteilung 47 anerkannten Pflegeentgelte und kassiert im Namen und auf Rechnung der Stadt Wien die gemäß WSHG festgesetzten Ersatzleistungen der Patienten.

Bei diesem Rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Patient findet ein Kostenzuschuß keinen Platz.

Der Ansicht der Beschwerdeführer, daß sich aus §11 Abs2 im gegenständlichen Fall ein Anspruch auf Geldleistung ableiten läßt, kann nicht gefolgt werden. Der §11 Abs2 WSHG beinhaltet Kannbestimmungen, auf Grund deren es im Ermessen der Behörde liegt, in welcher Art Hilfe geleistet wird. Außerdem wird im §12 WSHG von Geldleistung nur zur Sicherung des Lebensunterhaltes gesprochen. Im Unterschied hiezu wird im §15 bei der Pflege eine Geldleistung nicht ins Auge gefaßt.

Zum Antrag auf Kostenersatz für Kosten, die Herr Ing. A L für den pflegebedürftigen K L aufgewendet hat, wird festgestellt, daß nach §31 Abs3 WSHG nur Kosten mit jenem Betrag zu ersetzen sind, die aufgelaufen wären, wenn der Sozialhilfeträger die Hilfe selbst geleistet hätte. Wie oben ausgeführt, wird die Pflegebedürftigkeit vom Land Wien als Sozialhilfeträger durch Sachleistung abgedeckt, und der Sozialhilfeträger bedient sich hiezu eigener Einrichtungen oder privater Heime. Das Heim Pro Parente ist eine Einrichtung, in welcher kein Anspruch besteht, auf Kosten der Sozialhilfe untergebracht zu werden. Der Sozialhilfeträger ist nicht zur Zahlung verpflichtet. Eine solche Zahlungsverpflichtung stellt aber eine Grundvoraussetzung für das Bestehen eines Ersatzanspruches dar und es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

2.1. Die behauptete Verletzung im genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"... Ausgehend von der Bestimmung des §36 Abs1 WSHG, nach der dem Land Wien als Träger von Privatrechten die Vorsorge für die Errichtung und Führung von Pflegeheimen (§15 Abs2 WSHG) obliegt, geht die belangte Behörde in gleichheitswidriger Weise davon aus, daß anspruchsberechtigten Personen im Sinne des §7 WSHG Pflege als Sachleistung nur in Pflegeheimen der Stadt Wien oder in solchen Pflegeheimen gewährt werden kann, mit denen die Stadt Wien Vereinbarungen getroffen hat. Damit schafft die belangte Behörde aber ohne jegliche sachliche Rechtfertigung und Rechtsgrundlage zwei Kategorien von anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen gemäß dem WSHG:

1. Anspruchsberechtigte Pflegebedürftige, welche in einem gemeindeeigenen Pflegeheim oder in einem Pflegeheim mit einer Vereinbarung mit der Gemeinde Wien untergebracht sind und

2. anspruchsberechtigte Pflegebedürftige, welche in einem privaten Pflegeheim, ohne eine Vereinbarung (Leistungsvertrag) mit der Gemeinde Wien untergebracht sind.

... Für eine derartige Differenzierung zwischen anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen findet sich im gesamten WSHG keinerlei Rechtsgrundlage. Insbesondere ist aus §36 Abs1 WSHG lediglich die 'Obliegenheit' - also nicht einmal die Verpflichtung - des Landes Wien als Träger von Privatrechten zur Vorsorge hinsichtlich der Errichtung und Führung von Pflegeheimen im Sinne des §15 Abs2 WSHG zu entnehmen. Diese Bestimmung soll ganz offensichtlich das Land Wien als Träger von Privatrechten dazu anhalten, entweder selbst ausreichende Pflegeheimplätze zur Verfügung zu stellen oder Maßnahmen zu treffen, um private Träger zur Errichtung von Pflegeheimen quasi zu animieren. Aus dieser Bestimmung des WSHG leiten die bescheiderlassenden Behörden offenkundig ab, daß die Sozialhilfe durch Pflege in einem solchen Pflegeheim gewährt werden muß (vgl. Spruch des angefochtenen Bescheides), mittels welchem das Land Wien, als Träger von Privatrechten, die Verpflichtung einer Vorsorge für die Errichtung und Führung von Pflegeheimen im Sinne des §26 Abs1 WSHG erfüllt. Bei Beachtung des Kontextes, so vor allem vom §11 Abs2 WSHG, wonach der Lebensbedarf (also auch die Pflege) in Form von Geldleistungen gesichert werden kann, ergibt sich aber eindeutig, daß der Anspruch nach §15 WSHG nicht ausschließlich ein Naturalleistungsanspruch ist, sondern sehr wohl auch die Geldleistung wahlweise zur Verfügung steht. Damit läßt das Gesetz bewußt die Möglichkeit offen, daß anspruchsberechtigte Pflegebedürftige im Bedarfsfall auch bei privaten Trägern von Pflegeheimen, welche keine Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger haben, unterkommen können.

...

... Ebenso wie die belangte Behörde hinsichtlich der anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen ohne Rechtsgrundlage entscheidet, geschieht dies auch bei Dritten, welche den Pflegebedürftigen zur Sicherung des Lebensbedarfes dringende Hilfe gewähren, also beim Zweitbeschwerdeführer.

Die von der belangten Behörde vorgenommene gleichheitswidrige Interpretation des WSHG würde folgendes mit sich bringen:

-

ein Dritter, der einen anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen, welcher in einem Pflegeheim des Sozialhilfeträgers oder einem solchen Pflegeheim unterbringen kann, welches einen Leistungsvertrag mit dem Sozialhilfeträger hat, bekäme seine Kosten ersetzt, aber

-

ein anderer Dritter, der bei einem an sich völlig identen Sachverhalt (bestehender Rechtsanspruch!) einen anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim ohne Leistungsvertrag mit dem Sozialhilfeträger unterbringen muß, bekäme die Kosten nicht ersetzt.

... Der angefochtene Bescheid ist auch deswegen qualifiziert rechtswidrig und daher gleichheitswidrig (vgl. VfSlg 7101, 9147), weil die Behörde wesentliche Grundsätze des WSHG völlig ignoriert und somit gehäuft die Rechtslage verkannt hat.

Dazu:

              1.              Gemäß §3 Abs1 WSHG ist bei der Gewährung von Sozialhilfe unter anderem auf die persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden Rücksicht nehmen. Dies gilt insbesondere im gegenständlichen Fall dafür, daß es zu keiner Trennung zwischen der Ehegattin und dem Erstbeschwerdeführer kommt. Dies ergibt sich auch aus §3 Abs2 WSHG, nach dem die familiären Beziehungen zwischen dem Hilfesuchenden und seinen Angehörigen erhalten und gefestigt werden sollen; dies im Sinne der Förderung der Selbsthilfefähigkeit.

Gemäß §6 WSHG hat die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen und ist auch ohne Antrag des Hilfesuchenden zu gewähren, sobald Tatsachen bekannt werden, die eine Hilfeleistung erfordern.

Diese programmatischen Bestimmungen sind in der Systematik des Gesetzes nicht umsonst am Anfang im ersten Abschnitt 'allgemeine Bestimmungen' den folgenden Normen vorangestellt und bei jeder behördlichen Entscheidung, also auch bei Ermessensentscheidungen, zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat bei der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes aber eben diese entscheidenden Grundsätze des WSHG trotz dahingehenden Parteienvorbringens völlig unberücksichtigt gelassen und dadurch die Rechtslage gehäuft verkannt."

2.2. Die Wiener Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

3. Mit Schriftsatz vom 13. August 1996 gab der Zweitbeschwerdeführer bekannt, daß der Erstbeschwerdeführer verstorben ist, er seine Anträge laut Beschwerde jedoch aufrecht erhalte. Auf Anfrage des Verfassungsgerichtshofes teilte der Zweitbeschwerdeführer, dem mit Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 16. Februar 1996 der Nachlaß des Erstbeschwerdeführers an Zahlungs Statt überlassen wurde, mit, daß er das Verfahren auch im Namen des Erstbeschwerdeführers fortsetzen wolle.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

Wie aus den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Gerichtsakten hervorgeht, ist der Erstbeschwerdeführer am 17. Dezember 1995 verstorben. Die vorliegende Beschwerde wurde jedoch erst am 2. Jänner 1996 erhoben.

Mit dem Tod des Erstbeschwerdeführers endete auch dessen Parteifähigkeit; namens des Erstbeschwerdeführers konnte daher nach dessen Tod nicht mehr wirksam Beschwerde erhoben werden. Eine Richtigstellung der Parteibezeichnung auf die Verlassenschaft nach dem Erstbeschwerdeführer (bzw. in weiterer Folge auf den Erben) kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil die vom Erstbeschwerdeführer dem einschreitenden Rechtsanwalt zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde erteilte Vollmacht weder als nach §35 Abs1 ZPO weitergeltend angesehen werden kann, wenn das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im Zeitpunkt des Todes noch gar nicht eingeleitet wurde, noch ein Fall der Vollendung eines angefangenen Geschäftes iS des §1022 ABGB vorliegt (vgl. dazu ausführlich VfSlg. 4559/1963 und 6822/1972). Die Beschwerde war daher, soweit sie namens des Erstbeschwerdeführers eingebracht wurde, zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ist die Beschwerde offenkundig zulässig.

5. Im WSHG, LGBl. Nr. 11/1973, in der anzuwendenden Fassung der 5. Novelle, LGBl. Nr. 50/1993, wird auf die im vorliegenden Verfahren strittige Gewährung von Pflege in dafür vorgesehenen Einrichtungen (Heimen) in folgender Weise bezug genommen:

5.1. Im 2. Abschnitt des Gesetzes wird im Zusammenhang mit der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes normiert, daß die "Pflege" (§11 Abs1 Z2 WSHG) Teil des Lebensbedarfes im Sinne der Terminologie dieses Gesetzes ist sowie, daß Lebensbedarf in Form von "Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gesichert werden" kann (§11 Abs2 WSHG), wobei §7 WSHG dem Hilfesuchenden einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes einräumt und die Zuerkennung durch Bescheid anordnet.

Die Pflege wird im besonderen in §15 WSHG geregelt; diese Bestimmung lautet:

"§15. (1) Die Pflege umfaßt die körperliche und persönliche Betreuung von Personen, die auf Grund ihres körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes nicht imstande sind, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen. Die Pflege kann innerhalb oder außerhalb von Pflegeheimen gewährt werden.

(2) Pflegeheime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen für Personen mit einer Behinderung oder einer unheilbaren Krankheit, welche die Verrichtungen des täglichen Lebens nicht selbst vornehmen können und der stationären Pflege und sozialen Betreuung bedürfen."

5.2. Im 5. Abschnitt des Gesetzes ist (ua) die Aufsicht über Pflegeheime geregelt. Gemäß §23 Abs1 leg.cit. (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 38/1975) unterliegen ua "Pflegeheime (§15 Abs2)" der behördlichen Aufsicht dahin, ob sie nach Führung und Ausstattung den technischen, organisatorischen, personellen und hygienischen Erfordernissen einer fachgerechten Sozialhilfe entsprechen. Die Rechtsträger von Pflegeheimen haben die Aufnahme und verschiedene andere im Gesetz näher geregelte Veränderungen des Betriebes innerhalb einer Frist von 4 Wochen schriftlich anzuzeigen (§23 Abs2). §23 Abs3 leg.cit. sieht eine periodische Überprüfung der Heime und Maßnahmen bei festgestellten Mängeln vor und §23 Abs4 leg.cit. nennt Gründe für die bescheidmäßige Untersagung des Betriebes eines Pflegeheimes. §24 enthält Strafbestimmungen.

5.3. Schließlich obliegt gemäß §36 WSHG dem Land Wien "als Träger von Privatrechten die Vorsorge für die Errichtung und Führung von Pflegeheimen (§15 Abs2)". §36 Abs2 leg.cit. ermächtigt die Landesregierung, die Pflegeentgelte in den vom Land selbst geführten Heimen durch Verordung festzusetzen, §36 Abs3 sieht eine Regelung des inneren Betriebes durch eine Heimordnung vor und normiert deren Mindestinhalt.

5.4. Einen Ersatzanspruch in jenen Fällen, in denen die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (daher auch: der Pflege) in dringenden Fällen und ohne daß eine Benachrichtigung des Magistrates möglich gewesen wäre, durch Dritte gewährt wurde, regelt §31 WSHG: diese Bestimmung schränkt die Ersatzfähigkeit hinsichtlich des Zeitraums des Entstehens dieser Kosten auf eine Zeit von drei Monaten vor der Anzeige und danach bis zur Entscheidung des Magistrates über die Gewährung der Hilfe ein (Abs2), hinsichtlich der Höhe auf jene Kosten, die dem Sozialhilfeträger bei eigener Hilfeleistung selbst entstanden wären (Abs3). Über derartige Ansprüche ist gemäß §31 Abs4 leg.cit. mit Bescheid zu entscheiden.

6. Während der - vor Einbringung der Beschwerde verstorbene - Vater des Zweitbeschwerdeführers im Verfahren am 14. September 1994 einen "Antrag auf Gewährung von Pflege gemäß §15 Wiener Sozialhilfegesetz" und am 29. Oktober 1994 ein "Ansuchen um einen Zuschuss f.e.Pflegheimaufenthalt v. 13.10." gestellt hatte, macht der Zweitbeschwerdeführer einen Anspruch auf Kostenersatz gemäß §31 WSHG geltend.

6.1. Das Land Wien ist nach den oben erwähnten Bestimmungen des WSHG verpflichtet, die Sozialhilfeleistung "Pflege" zu erbringen. Zum Zwecke der Erbringung dieser Leistung (arg. Verweisung auf §15 Abs2) obliegt dem Land auch die Errichtung und Führung von Pflegeheimen (§36 WSHG). Dies bedeutet allerdings nicht, daß das Land diese Leistung nur in eigenen Heimen zur Verfügung zu stellen hat, da das WSHG eine solche Einschränkung nicht vorsieht. Soweit dies aufgrund des Pflegebedarfs erforderlich ist und die Pflege als Sachleistung nicht in eigenen Heimen angeboten werden kann, ist das Land daher wohl verpflichtet, für eine ausreichende anderweitige Bereitstellung dieser Sachleistung, insbesondere in Heimen anderer Träger vorzusorgen. Dazu bedarf es der Verfügungsberechtigung über solche Pflegeplätze, die - in Ermangelung anderer gesetzlicher Vorkehrungen, wie zB einer Aufnahmepflicht für private Heimbetreiber - offenkundig nur durch Abschluß entsprechender Verträge mit privaten (oder auch anderen öffentlichen) Heimbetreibern bewirkt werden kann.

6.2. Das Land Wien ist - nach der Auslegung des Gesetzes durch die belangte Behörde - nicht verpflichtet, einen Pflegebedarf, der in Heimen befriedigt wird, mit denen kein Vertrag besteht, gegenüber dem Pflegling als Geldleistung abzudecken.

Diese Auslegung hält die Beschwerde für gleichheitswidrig: Aus dem Grundsatz der Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden (§3 Abs1 WSHG) bzw. aus §3 Abs2 WSHG, wonach die familiären Beziehungen zwischen dem Hilfesuchenden und seinen Angehörigen erhalten und gefestigt werden sollen, ergebe sich die Unzulässigkeit der Trennung pflegebedürftiger Ehepartner und daraus wieder für das Land das Gebot, diese - falls in Vertragsheimen oder eigenen Heimen eine solche Möglichkeit nicht besteht - entweder gemeinsam in einem Heim unterzubringen, mit welchem kein Vertrag besteht, welches aber die gemeinsame Unterbringung ermöglicht, oder entsprechende Geldzuschüsse zu einer solchen Unterbringung zu leisten. Die Behörde habe dadurch, daß sie wesentliche Grundsätze des WSHG "völlig ignoriert" habe, die Rechtslage gehäuft verkannt.

7. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

7.1. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kann zunächst der Behörde der Vorwurf der Willkür durch "völliges Ignorieren" wesentlicher Rechtsgrundsätze des WSHG nicht gemacht werden. Es kann dem Gesetz nämlich keine Verpflichtung des Landes entnommen werden, über den zu erwartenden Pflegebedarf hinaus Verträge mit allen privaten Heimbetreibern zu schließen, um pflegebedürftigen Personen, die der Sozialhilfe bedürfen, ein uneingeschränktes Wahlrecht hinsichtlich ihres Pflegeplatzes einzuräumen. Auch aus §3 WSHG (Rücksichtnahme auf die persönlichen, insbesondere auch auf familiäre Verhältnisse) können derart weitreichende Folgerungen nicht abgeleitet werden. Diese Bestimmung regelt zwar Grundsätze, an denen die Leistungserbringung bei Bestehen mehrerer Möglichkeiten auszurichten ist, aus der sich aber konkrete Leistungsansprüche (hier: über §15 WSHG hinaus) jedenfalls nicht mit solcher Deutlichkeit ableiten lassen, daß deren Verkennung den Vorwurf der Willkür begründen würde. Im Hinblick auf §15 Abs2 WSHG kann es aber auch nicht als willkürlich angesehen werden, wenn die belangte Behörde unter Zugrundelegung des Sachleistungsprinzips bei der Pflege einen Anspruch auf Geldleistungen zu diesem Zweck (in Form von Zuschüssen zur Inanspruchnahme von Pflege auf einem Pflegeplatz, der mangels Vertrages nicht als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden kann) verneint hat.

7.2. Die Behörde hat dem Gesetz aber auch keinen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

7.2.1. Es ist zunächst nicht unsachlich, eine Verpflichtung des Landes Wien zum Abschluß von Verträgen mit privaten Betreibern von Pflegeheimen nur insoweit anzunehmen, als dies zur Deckung des Bedarfs unbedingt erforderlich ist. Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz, der den Gesetzgeber oder die Vollziehung dazu verpflichtet, im Rahmen der Sozialhilfe Einrichtungen zur Pflege in solcher Menge und Qualität bereitzustellen, daß entweder der gemeinsame Aufenthalt oder gar die gemeinsame Pflege von Ehepartnern unter allen Umständen jederzeit sichergestellt werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, daß Pflegebedürftigkeit auch nur eines Eheteils tiefgreifende Veränderungen für eine oft jahrzehntelange eheliche Partnerschaft und damit erhebliche psychische Probleme für beide Eheteile mit sich bringen kann. Die Möglichkeit, das gemeinsame Leben zB in der eigenen Wohnung uneingeschränkt weiterführen zu können, mag daher ein erstrebenswertes Ziel sein, wird aber in vielen Fällen mangels geeigneter Pflegepersonen oder bedingt durch die Schwere des Leidenszustandes, der die Unterbringung eines Ehepartners in einem Pflegeheim erfordert, scheitern. Dies gilt aber umsomehr in jenen Fällen, in denen - wie offenbar im Beschwerdefall - beide Ehepartner pflegebedürftig geworden sind.

7.2.2. Der Gesetzgeber kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wohl von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11469/1987, 11615/1988); daß dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984, 11615/1988).

Es ist Aufgabe der Sozialhilfe, jenen Personen, die dazu aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln nicht in der Lage sind, ein menschenwürdiges Leben unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten zu gewährleisten. Die Zulässigkeit einer nicht jeden Härtefall erfassenden Durchschnittsbetrachtung gilt aber auch hier: von Verfassungs wegen ist der Gesetzgeber daher nicht verpflichtet, im Rahmen der Sozialhilfe bei der Leistungserbringung die in jedem Einzelfall bestmögliche Lösung zu bieten und jedes möglichen Härtefalls zu gedenken.

Es ist daher auch die Gewährung der Pflege nur als Sachleistung mit der Konsequenz der Unzulässigkeit einer Geldleistung (und damit eines Zuschusses zur Inanspruchnahme anderweitiger Pflegeplätze) jedenfalls dann nicht unsachlich, wenn prinzipiell eine Unterbringungsmöglichkeit auf einem geeigneten Pflegeplatz innerhalb einer angemessenen Zeit (wenn auch getrennt von der Ehegattin) besteht. Eine Bereitschaft zu einer solchen Unterbringung wird in der Beschwerde in Ansehung des Erstbeschwerdeführers nicht bestritten und ist auch nach der Aktenlage nicht zu bezweifeln.

7.3. Kann daher die Auslegung der belangten Behörde, wonach die Gewährung von Geldzuschüssen zu Aufenthalten in Pflegeheimen im Gesetz nicht vorgesehen ist, weder als willkürlich noch sonst als gleichheitswidrig angesehen werden, so gilt dies auch für die daraus abgeleitete Konsequenz, daß dem Zweitbeschwerdeführer, der solche Geldleistungen an den Pflegeberechtigten (durch teilweise oder gänzliche Mitfinanzierung der Heimpflege in einem privaten Heim, mit welchem das Land Wien keinen Vertrag abgeschlossen hat) selbst erbracht hat, keine Ersatzleistung im Sinne des §31 WSHG gebührt.

8. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer sonst in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

9. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Sozialhilfe, Pflegekosten (Heimunterbringung), VfGH / Prozeßvollmacht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B20.1996

Dokumentnummer

JFT_10029388_96B00020_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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