Entscheidungsdatum
14.09.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L511 2193591-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde vonXXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, XXXX vom 29.11.2017, XXXX betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Antrag des Beschwerdeführers vom 13.07.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) iVm § 1 Abs. 4 Z3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen Folge gegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.07.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpasses sowie für den Fall, dass die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen, insbesondere "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel", rechtfertige, die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.5). Dem Antrag waren medizinische Befunde beigelegt (AZ 2.7-2.9).
1.2. Ebenfalls am 13.07.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf (Wieder)Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 [StVO] (AZ 2.6).
1.3. Das SMS holte in der Folge ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin ein. Dieses Gutachten vom 03.10.2017 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.09.2017 unter Berücksichtigung von Befunden aus dem Jahr 2016 und 2017 erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den folgenden Leidenspositionen zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung [GdB] von 60 v.H. festgestellt (AZ 2.16).
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Vorfußamputation rechts 9/2016 wegen chronischem Ulcus Vorfußamputation rechts, ca. vordere 2/3, versorgt mit Vorfußprothese und Schiene bis Unterschenkel, bland verheilte Wunden
02.05.46
40
2
Polyneuropathie diabetisch wie im Vorgutachten, weiterhin chronische Schmerzen, Brennen und Stechen beider Fußsohlen
04.06.01
40
3
Einschränkung Kniegelenk nachgewiesener Meniskusschaden und Arthrose im rechten Knie, höhergradiger Knorpelschaden, Beugeeinschränkung, wiederholt Schmerzen
02.05.20
30
4
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), Schlafapnoe mit Schlafmaske gut therapiert
06.11.02
30
5
Diabetes mellitus jetzt mit Tablette gute Einstellung, Tagesblutzucker ca. 105, HbA1c 6,2 %
09.02.01
20
6
Hypertonie, Bluthochdruck, Z.n. Vorhofflimmern ausgeprägte Adipositas, ausreichend gut eingestellter Blutdruck, durchschnittlich ca. 130/75, nach Cardioversion 2012 derzeit kein Vorhofflimmern mehr
05.01.02
20
7
Hörminderung wie im Vorgutachten, keine Hörgeräte
12.02.01
20
Begründend wurde für den Gesamtgrad der Behinderung ausgeführt, das neue Hauptleiden unter Pos. 02.05.46 sei im Zusammenwirken durch die Polyneuropathie und das Knieleiden um je 1 Stufe gesteigert worden. Bei fehlendem Zusammenhang erfolge aber keine Steigerung durch die übrigen Leiden. Folgende weitere diagnostizierte Gesundheitsschädigungen erreichten keinen Grad der Behinderung: Osteopenie Schenkelhals.
Im Vergleich zum Vorgutachten sei die Vorfußamputation rechts, sowie die Meniskus- und Knorpelschädigung im rechten Knie neu. Es handle sich um einen Dauerzustand.
1.4. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Sachverständige wie folgt aus:
"trägt Vorfußschiene bzw. - prothese bei Z.n. Vorfußamputation; bei Z.n. Vorfußamputation rechts 9/2016 jetzt nach längerem Heilungsverlauf blande Wunde, Prothesenversorgung seit mehreren Monaten möglich, Gehen ohne Gehstock oder Krücken möglich, langsam, hinkend rechts, mit Krücke mittelschneller ausreichender sicherer Gang - auch mit langsamerem Gehtempo, Verwendung einer Krücke und Vorfußprothese ist eine Gehstrecke von etwa 300 - 400 m möglich, auch Ein- und Aussteigen über einige Stufen, Anhalten an Haltegriffen, der ausreichend sichere Stand und Transport sind möglich"
1.5. Am 10.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt (AZ 2.18).
1.6. Mit Bescheid des SMS vom 29.11.2017, XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13.07.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen (AZ 2.19).
Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 03.10.2017, welches als schlüssig erkannt wurde. Das Gutachten wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.
1.7. Über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO wurde nicht abgesprochen, sondern (lediglich) in Form einer Anmerkung am Ende des angefochtenen Bescheides festgehalten, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, da dies die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung im Behindertenpass voraussetzt, welche jedoch nicht gegeben sei.
1.8. Mit Schreiben vom 02.01.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den oben bezeichneten Bescheid des SMS (AZ 1.2).
Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die Annahme im Gutachten, er könne eine Strecke von 300 bis 400 m ohne Probleme zurücklegen entspreche nicht den Tatsachen. Er habe am 10.01.2018 einen Termin beim Orthopäden und werde den Befund nachreichen.
Am 06.02.2018 legte der Beschwerdeführer den orthopädischer Befund vom 29.01.2018 vor (AZ 1.4).
1.9. Im Zuge des vom SMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie ein. Dieses Gutachten vom 12.04.2018 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.03.2018 unter Berücksichtigung des Vorgutachtens vom 13.12.2017 sowie des aktuellen orthopädischen Befundes vom 29.01.2018 erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde in Bezug auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Feststellungen getroffen (AZ 2.17):
"Der Antragsteller ist in seiner Gehleistung höhergradig eingeschränkt, eine Wegstrecke von 300- 400m kann nicht frei zurückgelegt werden, Stützkrücken zur Mobilisierung notwendig. Durch die notwendigen Stützkrücken ist Festhalten an Haltegriffen nicht möglich und ein sicherer Transport nicht gewährleistet."
Im Vergleich zum Vorgutachten sei eine glaubhafte zunehmende Einschränkung der Gehleistung durch Wirbelsäulen, Knie- und Fußleiden gegeben. Eine Nachuntersuchung sei für 2021 vorzusehen, da eine Besserungsmöglichkeit nach bereits empfohlener operativer Sanierung möglich sei.
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 25.04.2018 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.5, 2.1 -2.19]).
2.1. Das BVwG übermittelte dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 12.04.2018 und gab dem Beschwerdeführer und dem SMS die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen (OZ 2).
2.2. Der Beschwerdeführer behob die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 09.08.2018. Eine Stellungnahme erfolgte bis dato weder seitens des SMS noch seitens des Beschwerdeführers.
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und stellte am 13.07.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer darüber hinaus auch einen Antrag auf (Wieder)Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO.
1.1.1. Am 10.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt.
1.2. Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird.
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Vorfußamputation rechts 9/2016 wegen chronischem Ulcus Vorfußamputation rechts, ca. vordere 2/3, versorgt mit Vorfußprothese und Schiene bis Unterschenkel, bland verheilte Wunden
02.05.46
40
2
Polyneuropathie diabetisch wie im Vorgutachten, weiterhin chronische Schmerzen, Brennen und Stechen beider Fußsohlen
04.06.01
40
3
Einschränkung Kniegelenk nachgewiesener Meniskusschaden und Arthrose im rechten Knie, höhergradiger Knorpelschaden, Beugeeinschränkung, wiederholt Schmerzen
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4
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), Schlafapnoe mit Schlafmaske gut therapiert
06.11.02
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Diabetes mellitus jetzt mit Tablette gute Einstellung, Tagesblutzucker ca. 105, HbA1c 6,2 %
09.02.01
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6
Hypertonie, Bluthochdruck, Z.n. Vorhofflimmern ausgeprägte Adipositas, ausreichend gut eingestellter Blutdruck, durchschnittlich ca. 130/75, nach Cardioversion 2012 derzeit kein Vorhofflimmern mehr
05.01.02
20
7
Hörminderung wie im Vorgutachten, keine Hörgeräte
12.02.01
20
1.3. Der Antragsteller ist in seiner Gehleistung höhergradig eingeschränkt. Eine Wegstrecke von 300 bis 400m kann nicht frei zurückgelegt werde zumal zur Mobilisierung Stützkrücken notwendig sind. Durch die notwendigen Stützkrücken ist Festhalten an Haltegriffen nicht möglich und ein sicherer Transport nicht gewährleistet.
1.4. Eine Nachuntersuchung ist für das Jahr 2021 vorgesehen.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-14]; OZ 2).
2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
* Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie vom 19.04.2018 (AZ 2.11)
* Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin vom 13.12.2017 (AZ 2.10)
* Beschwerde vom 06.02.2018 (AZ 1.2)
* Einsicht in das Zentrale Melderegister ZMR (OZ 2)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im Inland hat, ergibt sich aus einem Auszug aus dem ZMR (AZ 2.10; OZ 2), die Antragstellung aus dem Akt (AZ 2.5; 2.6).
2.2.2. Die Feststellungen zum Vorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie vom 12.04.2018 (2.17). Dieses ist nicht nur das zeitlich jüngere Gutachten, welches den aktuellen Befund aus 2018 bereits berücksichtigt, sondern auch eines aus dem Fachgebiet der Orthopädie, dem die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers zuzuordnen sind.
2.2.2.1. Die Feststellungen im Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Das Gutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und berücksichtigt sowohl das Vorgutachten vom 13.12.2017, als auch den vom Beschwerdeführer vorgelegten jüngsten Arztbrief (AZ 1.4) und steht mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004). Weder der Beschwerdeführer noch das SMS sind den Feststellungen im Gutachten im Verfahren entgegengetreten (OZ 2, AZ 1.1).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.1. Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art. 6 EMRK zu beurteilen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR] sieht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung etwa dann für gerechtfertigt an, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry, Appl 28394/95 Rz 37). Art. 47 Abs. 2 GRC gewährleistet ein Art6 Abs1 EMRK vergleichbares Recht auf eine mündliche Verhandlung (VfGH 29.11.2014, B413/2013; EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09 Rz 31, 35). Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten des BVwG somit dann nicht entgegen, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und erkennbar ist, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlage nicht erwarten lässt (VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 26.01.2017, Ra 2016/07/0061 RS2 mwN).
3.1.1. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6 und 7 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwGG) iVm § 45 Abs. 3 und Abs. 4 BBG.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).
4.1.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes [BBG] lauten auszugsweise:
§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen [...].
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) [...] Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn [...] ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt (Z3).
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird. [...]
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat [...] den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
4.1.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert [VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen]. § 1 lautet auszugsweise:
§ 1 (4) Z 3: Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...] die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten (Teilstrich 1) oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit (Teilstrich 2) oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen (Teilstrich 3) oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems (Teilstrich 4) oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d (Teilstrich 5) vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
4.1.4. In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:
[...] Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend. Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
4.2. Stattgabe der Beschwerde
4.2.1. Der Beschwerdeführer verfügt seit 10.11.2017 (wieder) über einen Behindertenpass, und erfüllt daher die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme einer Zusatzeintragung gemäß § 42
BBG.
4.2.2. Die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß der § 1 Abs. 5 VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen. In diesem Sachverständigengutachten sind die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise darzustellen, um beurteilen zu können, ob die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist. Auf andere Umstände, etwa die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel, kommt es hingegen nicht an (VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
4.2.2.1. Das vom SMS eingeholte Sachverständigengutachten vom 12.04.2018 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig und aus dem Fachgebiet der Orthopädie. Darin wurde klar dargelegt, dass dem Beschwerdeführer unter einer erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten leidet, welche eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung darstellen und aufgrund derer ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
4.2.3. Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" spruchgemäß Folge zu leisten.
4.2.4. Da das SMS gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG an die Rechtsansicht des BVwG gebunden ist, hat das SMS die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass des Beschwerdeführers vorzunehmen.
4.3. Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es zwar zutrifft, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides angemerkt wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich - eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zu den Voraussetzungen zur Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN. Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2193591.1.00Zuletzt aktualisiert am
31.01.2019