TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/17 W226 2182566-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W226 2182559-1/13E

W226 2182566-1/10E

W226 2182560-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX ; 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX ; 3.) XXXX (BF3), geb. XXXX ; alle StA:

Ukraine, vertreten durch RA XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017, Zlen. 1.) 1052660302/151210081, 2.) 1052660204/151210022 und 3.) 1101098102/160027901, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.04.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1

AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Absatz 9 FPG § 46 FPG, § 55 Absatz 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) sind Ehegatten, die Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden BF3) ist deren gemeinsame minderjährige Tochter. Das Vorbringen der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die BF auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war.

Die BF sind Staatsangehörige der Ukraine, gehören der russischen Volksgruppe an und bekennen sich zum christlich-orthodoxen Glauben.

Der BF1 und die BF2 reisten legal mittels eines österreichischen Visums in das Bundesgebiet ein und stellten am 28.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.08.2015 gab der BF1 zum Grund für das Verlassen des Herkunftslandes an, dass ihr Leben wegen des Bürgerkrieges in der Ukraine in Gefahr gewesen sei. Er sei zweimal von Angehörigen einer sozialen Organisation des rechten Flügels verprügelt worden. Dies seien die Nationalisten, welche dem jetzigen Präsidenten zur Macht verholfen hätten. Zudem sei er von der Wehrdienstbehörde erpresst worden, dass sie ihn als Soldat einziehen hätten wollen, obwohl er untauglich sei. Aus diesem Grund habe er mit seiner schwangeren Frau das Land verlassen. Bei einer Rückkehr sei ihr Leben in Gefahr und könne er eingesperrt werden.

Weiters gab der BF1 an, dass er traditionell und standesamtlich verheiratet sei. Er habe von XXXX bis XXXX die Grundschule und von 2006 bis 2012 die Universität in XXXX besucht. Zuletzt sei er Geschäftsmann gewesen. In der Ukraine würden noch seine Eltern und sein Bruder leben. Er habe in der Ukraine in XXXX gelebt. Sie hätten ihren Herkunftsstaat am 11.03.2015 mit dem Flugzeug verlassen.

Beim BF1 wurden ein ukrainischer Führerschein, ein "Traveldocument Luxembourg" und ein ukrainischer Studiennachweis sichergestellt.

Die BF2 erklärte im Zuge ihrer Erstbefragung am selben Tag, zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates, dass unweit ihrer Wohnadresse Krieg herrsche. Ihr Leben sei dort in Gefahr gewesen. Sie sei mehrmals von Beamten der Wehrdienstbehörde zu Hause aufgesucht und bedroht worden. Solle sich ihr Mann nicht zum Wehrdienst einziehen lassen, würden ihnen schwere und ernsthafte Konsequenzen drohen. Ihr Mann sei auch verprügelt worden. Von wem habe er nicht erzählt. Zudem sei er erpresst worden. Er hätte Geld zahlen sollen um nicht eingezogen zu werden. Auch seien im Kopf ihres ungeborenen Kindes zwei Geschwüre festgestellt worden. Sie sei im fünften Monat schwanger und wolle ihr Kind unter sicheren Verhältnissen zur Welt bringen. Bei einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben. Die Angehörigen des rechten Sektors würden bewaffnet durch die Gegen laufen und es komme immer wieder zu Zwischenfällen.

Weiters gab die BF2 an, dass sie standesamtlich verheiratet sei. Sie habe von XXXX bis XXXX eine Volksschule, von XXXX bis XXXX ein College und von XXXX bis XXXX eine Universität in XXXX besucht. Zuletzt sei sie Managerin im Handel gewesen. Sie habe in XXXX gelebt und ihre Eltern würden noch dort leben.

Bei der BF1 wurden ein "Traveldocument Luxembourg" und ein ukrainischer Studiennachweis sichergestellt.

Am XXXX wurde die BF3 im österreichischen Bundesgebiet geboren. Für sie wurde am 07.01.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz (Familienverfahren) gestellt.

In der Folge legte die BF2 einen Arztbrief (Geburtshilfe) vor, wonach sie sich von 31.12.2015 bis 04.01.2016 zur Entbindung in stationärer Behandlung befunden hat.

Nach Zulassung zum Verfahren wurden der BF1 und die BF2 am 22.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 gab an, dass er sich körperlich und geistig dazu in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. In der Erstbefragung sei festgehalten worden, dass er als Taxifahrer gearbeitet habe. Dies habe er aber nicht, sondern habe er die Autos an ein Taxiunternehmen vermietet. Zudem sei ein anderer Fluchtgrund aufgeschrieben worden. Seine Reisepässe würden sich in der Schweiz befinden. Bei der Passausstellung oder Verlängerung der Gültigkeit habe es keine Probleme gegeben. Er habe für mehrere europäische Staaten um Visa angesucht und sei als Tourist in ganz Europa gewesen. Die Grenzpolizei habe sie bei der Ausreise kontrolliert und es habe bei der Ausreise bzw. bei der Ausreisekontrolle keine Probleme gegeben.

Der BF1 gab zu seinen persönlichen Verhältnissen ergänzend an, dass er als Unternehmer gearbeitet habe. Er habe mit seiner Ehefrau und seinen Eltern gelebt. Er habe zwei Autos, zwei Möbelshops und eine Autoservicestation gehabt. Er habe die XXXX (internationale Wirtschaftsbeziehungen) abgeschlossen. Er habe ein Unternehmen in Litauen und vier PKW's als Taxi zur Vermietung gehabt. Seine Eltern, sein Bruder, seine Schwiegereltern und seine Großmutter würden in der Ukraine leben.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF1 aus, dass man ihn gesetzeswidrig dazu zwingen habe wollen im Krieg zu dienen. Ein ukrainischer Sicherheitsdienst habe ihn aufgrund seiner politischen Überzeugung verfolgt. Zudem gebe es eine Organisation namens "Rechter Sektor" und eine ungesetzliche Militäreinheit " XXXX ". Die Sicherheitskräfte hätten im Juli 2015 seinen minderjährigen Bruder in eine öffentliche Liste für Rauschgiftsüchtige eingetragen. Ein Polizeiinspektor sei bei seiner Mutter gewesen, habe Kontaktdaten hinterlassen und gewollt, dass er ihn anrufe. Er habe nicht angerufen. Daraufhin habe er mehrere Briefe an verschiedene öffentliche Vertretungen der ukrainischen Regierung (ukrainische Botschaft in Luxemburg und Berlin, UNO-Vertretung in Luxemburg und Genf) gesendet. Er habe mit einer Protestaktion in der Nähe der ukrainischen Botschaft in Luxemburg gedroht. Die Mutter habe einige Anrufe von öffentlichen Stellen bekommen, welche sich bei ihrer entschuldigt hätten. Die Schulleiterin der Schule des Bruders habe gefragt, wo sich der BF1 aufhalte und sich entschuldigt.

Anfang Dezember 2014 hätten Vertreter der Militärberufungsstelle ihm "an seine Arbeitsstelle (gepachtete Autowerkstatt) (angemerkt: etwas) gesendet". Er sei aber vom Wehrdienst befreit. Im Februar 2015 seien die Vertreter der ukrainischen Militärbehörde erneut aufgetaucht und hätten 1.000 EUR als Unterstützung in der Bürgerkriegszone verlangt. Ihm sei gedroht worden, dass er, wenn er nicht zahle, selbst dorthin gebracht bzw. verschleppt werden würde um zu kämpfen.

Er habe einen Artikel geschrieben und überall verbreitet. Darin habe er behauptet, dass der ukrainische Präsident am 25.05.2014 rechtswidrig gewählt worden sei. Der ukrainische Sicherheitsdienst habe ihn deshalb verklagen wollen. Im März 2015 sei er für zwei Tage festgenommen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er mit den russischen Agenten arbeite. Der ukrainische Sicherheitsdienst (Geheimdienst) habe ihn vor die Wahl gestellt, entweder würde er in den Krieg ziehen oder ins Gefängnis gehen. Aufgrund der Bemühungen eines Freundes, welcher beim Geheimdienst arbeite, sei er dann freigelassen worden. Er habe offen gegen Nationalismus in der Ukraine gekämpft, da der nicht legitim gewählte Präsident den Nationalismus in der Ukraine unterstütze. Aufgrund dessen sei er vom "Rechten Sektor" verfolgt worden. Er sei für die Integration des ukrainischen Staates in die EU und halte den russischen Präsidenten für nicht legitim. Die Wahlen seien es auch nicht gewesen. Der Leiter der Organisation des "Rechten Sektors" habe die bewaffnete Besetzung der legitimen Regierungsgebäude geleitet und organisiert. Diese Tätigkeit sei rechtswidrig. Er sehe es als seine bürgerliche Pflicht dagegen zu kämpfen und die Organisation "Rechter Sektor" zu stoppen. Diese seien illegal bewaffnet und würden die Aufgaben der Polizei übernehmen. Im September 2014 habe ein Treffen zwischen ihm und XXXX stattgefunden. Er sei ohne es zu wollen zu ihm gebracht und dann wieder freigelassen worden. Von diesem Zeitpunkt an sei er regelmäßig von Vertretern des "Rechten Sektors" geschlagen worden. Die Polizei habe sich geweigert Anzeigen aufzunehmen. Sein Vater sei Russe und seine Mutter polnische Jüdin und er sei aufgrund seiner Nationalität vom "Rechten Sektor" verfolgt worden. Er habe die Partei der Regionen unterstützt und es existiere - soweit er weiß - ein Haftbefehl gegen ihn. Bei einer Rückkehr würde man ihn foltern, inhaftieren oder einfach umbringen.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich gab er an, dass er mit seiner Frau und seiner Tochter zusammenlebe. Er habe diverse Deutschkurse besucht, studiere und habe für die Gemeinde gearbeitet.

Der BF1 legte im Zuge der Einvernahme folgende Unterlagen vor:

-

Schreiben betreffend ukrainische Militärdienstbefreiung.

-

diverse ukrainische Zeugnisse.

-

diverse Schreiben in russischer Sprache.

-

Studienblatt und Studienzeitbestätigung einer österreichischen Universität für das Wintersemester 2017/2018, wonach der BF1 für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften und für diverse Lehrveranstaltungen gemeldet sei.

-

Studienerfolgsbestätigung, wonach der BF1 diverse Deutsch-Lehrveranstaltungen absolviert hat.

-

Schreiben, wonach der BF1 für das Studienjahr 2017/2018 ein Einstiegsstipendium in der Höhe von 110 EUR pro Monat bekomme.

-

diverse Fotos mit dem österreichischen Bundeskanzler.

Die BF2 gab im Zuge ihrer Befragung am selben Tag an, dass sie sich psychisch und physisch dazu in der Lage fühle die Einvernahme durchzuführen. Bei der Passausstellung oder Verlängerung der Gültigkeit habe es keine Probleme gegeben. Sie sei bei der Ausreise nicht kontrolliert worden. Problem bei der Ausreise bzw. Ausreisekontrolle habe es nicht gegeben. Sie seien ganz normal mit dem Visum ausgereist. Sie hätten auch ohne Probleme das Visum bekommen.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie ergänzend an, dass sie gemeinsam mit den Schwiegereltern und ihrem Ehemann in einem Haus gewohnt habe. Ihr Mann habe an verschiedenen Stellen Geld verdient. Sie habe in einer PR-Agentur als Managerin gearbeitet. Sie habe eine Hochschulbildung in Betriebswirtschaft. Sie habe mehrmals wöchentlich Kontakt zu ihrer Mutter. Ihre Mutter, Großmutter und Cousinen würden noch in der Ukraine leben.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich gab sie an, dass sie mit anderen Müttern auf dem Spielplatz kommuniziere. Ihre Tochter sei gesund. Sie lerne selbstständig zu Hause mit der Hilfe ihres Mannes Deutsch.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die BF2 aus, dass ihr Mann ihr Anfang Februar 2015 mitgeteilt habe, dass sie das Land verlassen werden. Sie unterstütze ihren Mann völlig was seine politischen Ansichten und Tätigkeiten betreffe. Ihr Mann sei politisch sehr aktiv gewesen, habe sich mit vielen Leuten getroffen und kommuniziert. Er sei oft von einflussreichen Menschen besucht worden. Sie sei ethnische Russin und würden Menschen, welche sich für russisch halten und russisch als Muttersprache haben würden, verfolgt werden. Zudem sei ihr Mann ein polnischer Jude, somit sei die Situation noch schlimmer. In der Schule sei sie von Mitschülern gemobbt worden. Sie akzeptiere die Gesellschaft in der Ukraine nicht. Sie fühle sich dort unwohl und sei oft beleidigt worden. Über die Fluchtgründe ihres Mannes habe sie nichts gewusst und könne sie auch über seine geschäftlichen Tätigkeiten nichts sagen. Eines Tages im Februar seien Personen von der Militärbehörde bei ihnen aufgetaucht und hätten nach dem BF1 gefragt. Sie hätten gesagt, dass er einberufen werde und sich bei der Militärbehörde melden müsse. Sie habe gesagt, dass er nicht da sei. Kurz vor dem 28.02. seien sie das zweite Mal aufgetaucht und hätten wieder nach ihrem Mann gefragt. Er sei wieder nicht da gewesen. Sie hätten gesagt, wenn er sich nicht schnell melde, werde er in den Krieg geschickt. Sie hätten auch gesagt, wenn ihnen nicht bringen würde, was er ihnen schulde, werde er ganz bestimmt in den Krieg müssen.

Am 04.12.2017 langte die Übersetzung der in der Einvernahme vorgelegten russischen Schreiben ein. Die Dolmetscherin gab dazu an, dass sie den Eindruck habe, dass nahezu ausschließlich Internet-Berichte zusammengeschrieben worden seien und der BF1 nirgendwo persönlich Bezug nehme. Es werde auch nicht ausgeführt, wie er durch die zusammengestellten und ausschnittsweise widergegebenen Medienberichte betroffen sei.

1.2. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 30.11.2017 wurde jeweils unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Ukraine abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und in Spruchteil VI. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die Identität der BF habe aufgrund der Übermittelung der Kopie ihrer Reisepässe durch die Schweizerischen Behörden festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF in der Ukraine einer konkreten asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt gewesen seien oder ihnen eine solche Verfolgung im Falle einer Rückkehr drohe. Aus den Länderfeststellungen sei zu entnehmen, dass sogar in den Teilen der Ostukraine die Bürger weitgehend ihren normalen Alltagsgeschäften nachgehen würden, die Kampfhandlungen bereits schon vor Monaten beendet worden seien und der Waffenstillstand im Wesentlichen eingehalten werde. Zudem würden die BF nicht aus der Ostukraine, sondern aus der Millionenstadt XXXX im Nordosten stammen und sei eine individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konfliktes oder innerstaatlichen Konfliktes nicht anzunehmen. Auch die Behauptung, er müsse im Krieg dienen, habe nicht bekräftigt werden können. Es sei nicht realistisch, dass Personen des rechten Sektors den BF1 wegen seiner Nationalität verfolgt hätten. Präsident Poroschenko verfolge seit den Maidan-Protesten im Winter 2013/2014 eine europafreundliche Reformpolitik. Indem der BF1 offen gegen Nationalismus kämpfe und für die Integration des Staates in die EU sei, teile er dieselben politischen Ansichten wie die neue Regierung der Ukraine. Auch sei die Polizei seit ihrer Ausreise reformiert worden, weshalb eine Nicht-Entgegennahme einer Anzeige nicht mehr möglich sei. Auch sei die Ausreise problemlos erfolgt, obwohl der BF1 und die BF2 von Grenzbeamten kontrolliert worden seien. Sie hätten die Ukraine legal mit einem Visum verlassen. Daraus sei zu schließen, dass gegen den BF1 kein Haftbefehl bestehe. Auch sei aus dem Reisepass ersichtlich, dass der BF1 im Zeitraum von 2012 bis 2015 mit mehreren Schengen-Visa unzählige Male problemlos das Land verlassen und ohne Probleme wieder eingereist sei. Auch die BF2 habe im Zeitraum von 2013 bis 2015 mit mehreren Schengen-Visa das Land problemlos verlassen und sei ohne Probleme wieder eingereist. Die Visa hätten sei problemlos erhalten. All diese Gründe würden darauf hinweisen, dass die BF in der Ukraine keiner asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher ausgesetzt gewesen seien. Auch die Stellungnahme vom 28.11.2017 habe dem nicht entgegenwirken können. Diese beinhalte Medienberichte fraglicher Quellen, aus dem Kontext gerissene Aussagen, welche allgemeiner Natur seien und sich nicht auf den BF1 konkret beziehen würden.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass die BF bei der Rückkehr in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären. Ebenso habe nicht festgesellt werden können, dass die BF bei einer Rückkehr in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden oder ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die BF seien gesund. Sie würden in der Ukraine einen familiären Anschluss haben und über Hochschulabschlüsse und Berufserfahrung verfügen. Sie könnten sich nach ihrer Rückkehr in einem anderen Landesteil der Ukraine niederlassen und gehe aus den Länderfeststellungen klar hervor, dass sich die Konfliktzonen auf die Ost-Ukraine und die Halbinsel Krim beschränken würden und würde trotz instabiler Lage ein Waffenstillstand herrschen.

Zu Spruchteil III. führte die belangte Behörde aus, dass der BF1 Deutschkurse besucht habe und sich für einige Lehrveranstaltungen an einer juridischen Fakultät angemeldet habe. Der BF1 gehe keiner Beschäftigung nach und würden die BF ihren Lebensunterhalt aus der Grundversorgung bestreiten.

1.3. Gegen diese Bescheide haben die BF fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 im Jahr 2014 zum ersten Mal einen Mobilisierungsbefehl erhalten habe. Er habe nun neuerlich einen Mobilisierungsbefehl (für den 08.09.2017), welcher seiner Mutter in der Ukraine zugestellt worden sei, erhalten. Die Mutter habe ihm diesen gestern weitergeleitet. Damit sei bewiesen, dass er trotz Untauglichkeit aus politischer Verfolgung zum Kriegsdienst eingezogen worden sei. Der BF1 sei mit Bescheid vom 07.09.2017 als ordentlicher Studierender des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften zugelassen und studiere er derzeit hauptberuflich, um seine Prüfungen ablegen zu können. Er würde gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter leben und werde die Miete bzw. die Lebenserhaltung von der Caritas bezahlt. Aufgrund von Sprachbarrieren seien Aussagen falsch aufgenommen worden. Er habe gemeint, dass ihn der ukrainische Sicherheitsdienst nicht verklagen, sondern schlagen habe wollen und ihn im März 2015 für zwei Tage festgenommen und geschlagen habe. Die Begründungen des BFA würden nicht dem Inhalt und Sinn seiner Aussage entsprechen. Der Bescheid sei daher rechtswidrig. Er habe einen Artikel mit folgendem Inhalt verfasst: "Gemäß der Gesetzgebung der Ukraine fand im Februar 2014 die bewaffnete Übernahme des Staates statt (Staatgewalt). Infolgedessen erfolgten nicht legitime Wahlen des Präsidenten. Im Juni 2014 gemäß der ukrainischen Gesetzgebung, schrieb ich ein Dokument "Juristische Begründung - nicht legitime Wahlen des Präsidenten vom 25. Mai 2014, in Bezug auf Verletzung der ukrainischen Verfassung und der europäischen Standards." Er habe das Dokument an diverse Redaktionen und Fernsehsender in der Ukraine verschickt, die hätten ihm aber mitgeteilt, dass sie Angst vor der Regierung hätten und daher die Informationen nicht publizieren würden. Ab September bis November 2014 habe er das Dokument an die ukrainische Polizei eingereicht, mit der Forderung für die Anerkennung der Illegalität des Präsidenten Poroschenko und der Legitimität des Präsidenten Janukuvic. Er habe dieses Dokument in russischer Sprache bei seinem Interview dem Referenten übergeben, dieses sei aber im Bescheid nicht erwähnt. Zudem habe er versucht, eine Beschwerde gegen die rechtsextreme, illegal bewaffnete Organisation "Rechter Sektor", welche ihn verfolgt, gefoltert und seine menschliche Würde erniedrigt habe, an die Polizei einzureichen. Diese habe die Beschwerde aber nicht annehmen wollen, sondern habe gedroht körperliche Gewalt gegen ihn anzuwenden. Dazu werde auf folgende Aussagen im Interview verwiesen, auf welche das BFA nicht eingegangen sei: Als er gekommen sei, sei er festgehalten und in den Keller gebracht worden, wo sie ihn gefoltert hätten, bis er ohnmächtig geworden sei. Er sei im Krankenhaus aufgewacht und neben ihm sei sein Freund gesessen, welcher auch im Sicherheitsdienst arbeite. Dieser habe gesagt, er habe Glück gehabt, dass er zufällig von ihm gehört habe, denn es sei ein Befehl aus XXXX erteilt worden, den BF1 als Agenten des Kremls darzustellen und zu inhaftieren. Der Grund sei, weil er das Dokument geschrieben und veröffentlichen habe wollen. Es solle eine Untersuchung des Falles durchgeführt werden. Der Freund habe gesagt, es sei noch nicht weitergeleitet worden, daher habe er noch die Chance die Ukraine zu verlassen. Wenn er bleibe, würden sie ihn überall in der Ukraine finden und foltern, solange er ihren Vorschlag nicht unterschreibe. Der Freund habe mit Kollegen ausgemacht, dass sie ihm eine Woche zur Flucht geben würden. Sollte er es in dieser Frist nicht schaffen würden ihm zwei Möglichkeiten bleiben. Entweder er werde zwangsläufig illegal festgenommen oder als Freiwilliger in der Anti-Terrorist Operation-Zone kämpfen, wo er dann von Angestellten des Militärdienstes getötet werde. Er werde vom ukrainischen Staat bzw. Sicherheitsdienst wegen seiner politischen Überzeugung und der Nutzung seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung verfolgt. Im Interview seien immer wieder Detailaussagen mit der Begründung, dass "nicht so viel Zeit wäre" nicht protokolliert oder berücksichtigt worden. Obwohl er zum Beweis auch auf seine Briefe, E-Mails (von Luxemburg aus an die UNO-Vertretung etc.) hingewiesen habe, seien diese Beweise nicht erhoben worden. Die Mutter erhalte immer noch durch die Polizei übermittelte Briefe mit Drohungen, die gegen den BF1 gerichtet seien. Am 22.12.2017 sei ein solcher Brief gekommen. Darin sei gestanden, dass er mit seinen Aussagen das Handeln der Regierung (unter Poroschenko) in Frage stelle. Sie würden verlangen, dass er zu einer Vernehmung komme, ansonsten er inhaftiert werde. Auch seien Fehler in der Übersetzung passiert. Seine Mutter sei mütterlicherseits polnische Jüdin und väterlicherseits Russin. Auch sein Vater sei Russe. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit der Beschwerde wurden folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

-

schwarz-weiß Kopie eines Handys, auf welchem ein Foto mit einem Schriftstück in ukrainischer Sprache zu sehen ist.

-

Zulassungsbescheid, wonach der BF1 im Wintersemester 2017/2018 zum Diplomstudium der Rechtswissenschaften als ordentlicher Studierender zugelassen wurde.

Am 18.04.2018 brachten die BF folgende Unterlagen in Vorlage:

-

Studienerfolgsbestätigung des BF1 vom 28.03.2018, wonach dieser an LVA-Prüfungen "Privatrecht I - 1. Studienabschnitt" und "Öffentliches Recht I" mit Erfolg teilgenommen habe und er die Ergänzungsprüfung Deutsch B2+ mit der Note "genügend" bestanden habe.

-

Zulassungsbescheid vom 06.09.2017, wonach der BF1 zum Studium "Bachelorstudium Informatik" unter der Bedingung zugelassen werde, dass die Ergänzungsprüfungen aus "Mathematik" und "Physik" sowie die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache abgelegt werden.

-

Bestätigung des XXXX vom 05.04.2018, wonach der BF1 sich für eine Ausbildung zum Führen von Hubstaplern angemeldet habe.

-

Zeugnis der BF2 zur Integrationsüberprüfung vom 02.03.2018, wonach diese die Prüfung (Deutsch Niveau A2 und Werte- und Orientierungswissen) bestanden habe.

1.4. Der BF1 und die BF2 wurden im Zuge einer Beschwerdeverhandlung vom 19.04.2018 durch das erkennende Gericht nochmals ergänzend zu ihren Familienangehörigen und ihrem Leben in der Ukraine, ihrer Ausreise, der angeblichen Verfolgung durch den rechten Sektor, die ukrainische Militärbehörde und den ukrainischen Sicherheitsdienst sowie zu ihren sonstigen Fluchtgründen befragt.

Der Rechtsvertreter der BF stellte in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des erkennenden Richters einen Befangenheitsantrag.

1.5. Zudem beauftragte das Bundesverwaltungsgericht die Übersetzung der vom BF1 vorgelegten Schriftstücke: AS 67 und 69 (Wehrdienstbefreiung), AS 71 (bei der Mutter des BF1 hinterlassene Telefonnummer eines Polizisten), AS 73 (Bestätigung, wonach der Bruder des BF1 kein Drogenabhängiger gewesen sei), AS 75 und AS 469 (schriftliche Ladung) im Akt des BF1.

1.6. Am 23.05.2018 wurden den BF allgemeine Länderberichte zur Ukraine übermittelt, welche zusätzlich zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (wiedergegeben in den angefochtenen Bescheiden vom 30.11.2017) der gegenständlichen Entscheidung zu Grund gelegt werden und den BF eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt. Folgende allgemeine Länderberichte wurden übermittelt:

-

Einschätzung der Staatendokumentation vom 15.01.2018 zur Ukraine als möglicher sicherer Herkunftsstaat.

-

AA Berlin vom 12.03.2018, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine.

-

Accord vom 17.04.2018, Zusammenfassung über Wehrpflicht und Mobilisierung (vgl. auch die angeführten Quellen am Textende).

1.7. Am 15.06.2018 langte die Stellungnahme der BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in dem Bericht zur Einschätzung der Ukraine als sicherer Herkunftsstaat über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, illegal Haft und Folter berichtet werde. In der Ostukraine herrsche immer noch Kriegszustand, da noch kein Waffenstillstand zustande gekommen sei. In den Berichten werde auch von Verletzung des humanitären Völkerrechts und lokal agierenden Sicherheitsdiensten berichtet. Diese würden im rechtlichen Vakuum agieren. Es werde auch beschrieben, dass die Misshandlung Strafgefangener und Festgenommener weiterhin verbreitet sei. Die Ukraine gehöre zu den ärmsten Ländern, sodass besonders für die BF3 unzureichende Lebensbedingungen bestehen würden. Der BF1 sei einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt, da er bereits ohne Haftgrund in unmenschlichen Bedingungen des Rechten Sektors festgenommen worden sei und diesem Risiko weiterhin ständig ausgesetzt sei, sodass eine unmittelbare und anhaltende Bedrohung bestehe. Auch würden die BF § 55 AsylG und die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BFA-VG erfüllen und hätten diese die Integrationsprüfung allesamt abgelegt. Es bestehe ein aufrechtes und enges Familienleben. Sie würden in einer kleinen Wohnung leben und den Unterhalt bestreiten können. Der BF1 wolle unbedingt sein Studium in Österreich abschließen und als Jurist für die österreichische Rechtsordnung tätig sein. Zudem seien die BF unbescholten. Abschließend wurde der Antrag gestellt, eine konkrete Stellungnahme des Auswärtigen Amtes Berlin zu der vorgelegten Zusammenstellung/Dokumentation "Rechter Sektor" für den Einzelfall der BF im Rechtshilfeweg einzuholen, um die vom BF konkret dargelegte Verfolgung als asylrelevant prüfen zu können.

Mit der Stellungnahme wurden folgend Unterlagen in Vorlage gebracht:

-

Zeugnisse des ÖIF, wonach der BF1 und die BF2 die Prüfung (Deutsch A2 und Werte- und Orientierungswissen) am 02.03.2018 bestanden haben.

-

Bestätigung vom 19.05.2018, wonach der BF1 die Veranstaltung "Ausbildung zum Führen von Hubstaplern" besucht habe.

-

Staplerführerausweis des BF1, ausgestellt am 19.05.2018.

-

Bestätigung des Studienerfolges, wonach der BF1 die Ergänzungsprüfung "Geschichte" mit "gut" bestanden habe.

-

Schreiben in englischer Sprache des "Congress of the United States" vom 23.04.2018, mit welchem Kongressabgeordnete den Minister aufgefordert hätten, sich von rechtslastiger Politik der Ukraine (Antisemitismus) zu distanzieren.

-

Nachricht des Büros des österreichischen Bundespräsidenten.

-

Zusammenstellung /Dokumentation über den "Rechten Sektor".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die Beschwerden vom 08.01.2018, die Stellungnahmen vom 15.06.2018, durch Einsichtnahme bzw. Übersetzung der vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, Einsicht in Auszüge aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.

1. Feststellungen:

Feststellungen zu den BF:

Die BF sind Staatsangehörige der Ukraine, gehören der russischen Volksgruppe an und bekennen sich zum christlich-orthodoxen Glauben. Die Identität der BF steht infolge der Vorlage unbedenklicher Dokumente fest. Der BF1 und die BF2 reisten in Besitz eines österreichischen Visums ins Bundesgebiet ein und stellten am 28.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF3 wurde am 31.12.2015 im österreichischen Bundesgebiet geboren und für sie wurde am 07.01.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die BF konnten nicht glaubwürdig dartun, dass ihnen in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - gedroht hat oder ihnen aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF haben keine gesundheitlichen Beschwerden oder Krankheiten vorgebracht. Sie sind gesund.

Die BF waren in der Ukraine in der Lage, sich ihren Lebensunterhalt - zuletzt durch die berufliche Tätigkeit des BF1 als Unternehmer bzw. der beruflichen Tätigkeit der BF2 als Managerin- ihren Lebensunterhalt zu sichern. In der Ukraine halten sich zudem zahlreiche Verwandte der BF (u.a. Eltern, Bruder und Großmutter des BF1, Mutter, Großmutter sowie Cousinen der BF2) auf.

Die unbescholtenen BF1 und BF2 halten sich seit drei Jahren im Bundesgebiet auf. Die BF3 wurde im Dezember 2015 in Österreich geboren. Die BF leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF1 verfügt über Deutschkenntnisse auf B2+ Niveau, die BF2 auf A2 Niveau. Der BF1 wurde im Wintersemester 2017/2018 für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften zugelassen und hat ein Einstiegsstipendium iHv 110 EUR/Monat bezogen. Er hat diesbezüglich Ergänzungsprüfungen absolviert und an zwei Lehrveranstaltungen des ersten Studienabschnittes "mit Erfolg teilgenommen". Zudem hat der BF1 beim XXXX eine "Ausbildung zum Führen von Hubstaplern" absolviert. Die BF beziehen laufend Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die BF gehören keinem Verein, keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung an. In Österreich halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten der BF auf.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der BF:

1. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

2. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten