Entscheidungsdatum
18.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W207 2167049-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX1998, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2017, Zahl 1089096407-151448177 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 28.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der am 29.09.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am 17.08.2000 in der Provinz Uruzgan in Afghanistan geboren zu sein, ledig zu sein, Dari als Muttersprache zu sprechen und der Volksgruppe der Hazara sowie dem moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe zwei Jahre eine Grundschule besucht, beruflich er sei als Schuhmacher tätig gewesen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter und eine Schwester würde in einem näher genannten Ort in Pakistan leben. Seine Mutter habe gearbeitet, davon habe die Familie gelebt. Vor drei Jahren sei der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seiner Schwester von seinem Heimatort in Afghanistan nach Pakistan gereist. Dort sei er ein Jahr lang geblieben und habe als Schuhmacher gearbeitet. Vor zwei Jahren sei er schließlich alleine illegal in den Iran gereist, wo er zwei Jahre gelebt habe und als Bauarbeiter tätig gewesen sei. Vor zwei Monaten sei er dann illegal und schlepperunterstützt in die Türkei und weiter nach Griechenland gereist. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, sie seien aus Afghanistan geflüchtet, weil sie ein Grundstück besessen hätten und ein Nachbar seine Herde immer auf diesem Grundstück weiden habe lassen. Deshalb sei es zum Streit gekommen. Der Nachbar habe den Vater des Beschwerdeführers erschossen und sich das Grundstück angeeignet. Da es ihnen finanziell sehr schlecht gegangen sei, sei der Beschwerdeführer schließlich von Pakistan in den Iran geflüchtet. Vom Iran sei er geflüchtet, weil es hier in Österreich besser sei. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat Afghanistan habe er Angst, getötet zu werden.
Aufgrund des optischen Eindruckes sowie des Auftretens des Beschwerdeführers traten Zweifel am vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdatum und damit - ausgehend von diesem Geburtsdatum - an dem damaligen Alter von 15 Jahren auf. Ein durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten vom 08.01.2016 ergab, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers an 10.12.2015 sowie auf verschiedenen altersdiagnostisch einzusetzenden Methoden, zum Untersuchungszeitpunkt am 10.12.2015 ein Mindestalter von 17,5 Jahren (17,3 Jahre zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz) und damit als spätestmögliches Geburtsdatum den XXXX1998. Als wahrscheinliches Alter zum Untersuchungsdatum wurden 18,6 Jahre ermittelt. Die belangte Behörde ging in der Folge zum Vorteil des Beschwerdeführers allerdings vom festgestellten Mindestalter zum Asylantragsdatum von 17,3 Jahren (sohin von Minderjährigkeit zu diesem Zeitpunkt) und somit von einem spätest möglichen Geburtsdatum vom XXXX1998 aus.
Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 10.05.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:
"[...]
LA: Sind Sie heute körperlich und geistig gesund und können Sie sich auf das Geschehen, welches zu Ihrer Ausreise führte, konzentrieren?
VP: Ja.
LA: Wie verstehen Sie den/die anwesende/n Dolmetscher/in?
VP: Sehr gut.
LA: Haben sie im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt, wurde alles richtig protokolliert und wurde Ihnen die Erstbefragung rückübersetzt?
VP: Es wurde mir nicht rückübersetzt. Das alter meiner jüngsten Schwester wurde falsch protokolliert und auch das Todesdatum meines Vaters. Mein Vater ist vor 4 Jahren verstorben und meine jüngste Schwester ist 6 Jahre alt.
Befragt, ansonsten wurde alles richtig protokolliert und ich habe die Wahrheit gesagt.
.....
LA: Wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Werden Sie vom Staat versorgt, erhalten sie sich selbst, oder werden Sie von irgendjemandem finanziell unterstützt?
VP: Ich bekomme Unterstützung vom Staat.
LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation?
VP: Nein.
LA: Gehen Sie in Österreich in die Moschee?
VP: Ja, in X. gibt es eine türkische Moschee, die ich besuche.
LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?
VP: Nein.
LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche soziale Bindungen? (Freunde/Bekannte, die Österreicher sind, oder hier über einen dauerhaften Aufenthalt verfügen)
VP: Ich habe österreichische Freunde mit denen ich Fußball spiele.
LA: Machen Sie hier in Österreich Kurse oder Ausbildungen, oder haben Sie solche gemacht?
VP: Ich habe letzte Woche einen Deutschkurs abgeschlossen.
Anm.: AW legt zwei Deutschkursbestätigungen vor, diese werden dem Akt in Kopie beigelegt.
LA: Sprechen sie Deutsch?
VP: Ein bisschen (AW antwortet zögernd auf Deutsch)
LA: Sind Sie gesund, oder leiden Sie an irgendwelchen Erkrankungen?
VP: Ich bin gesund.
LA: Nennen Sie bitte nochmals Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Staatsangehörigkeit.
VP: Ich heiße A. und bin im Jahr 1377 (=1998) geboren. Ich werde dieses Jahr 19 Jahre alt. Ich bin afghanischer Staatsangehöriger.
LA: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder haben Sie jemals irgendwelche Dokumente gehabt?
VP: Nein.
LA: Welcher Volksgruppe und Glaubensgruppe gehören Sie an?
VP: Ich bin Hazara und schiitischer Moslem.
LA: Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?
VP: Nein, weder noch.
LA: Gingen Sie in die Schule?
VP: Ja, zwei Jahre.
LA: Wann waren Sie das letzte Mal in Afghanistan?
VP: Vor 4 Jahren. Befragt, ich glaube es war im Anfang Herbst vor 4 Jahren.
LA: An welcher Adresse haben Sie sich vor Ihrer Ausreise aus Afghanistan zuletzt regelmäßig aufgehalten?
VP: In der Provinz Uruzgan, Distrikt Y., den Namen der Ortschaft habe ich vergessen.
LA: Wie lange haben Sie dort gewohnt?
VP: Bis zu meinem 15. Lebensjahr.
LA: Wie kann es sein, dass Sie 15 Jahre lang im Distrikt Y. gelebt haben, jedoch nicht wissen, in welcher Ortschaft Sie gelebt haben?
VP: Man vergisst halt doch Sachen.
LA: Wie groß war die Ortschaft in der Sie gelebt haben?
VP: Es war eine kleine Ortschaft. Befragt, ca. 50 Haushalte.
LA: Wie weit war Ihr Heimatdorf von der Provinzhauptstadt entfernt?
VP: 4 Stunden mit dem Auto.
LA: Wie heißt die Provinzhauptstadt von Uruzgan?
VP: Otqol.
LA: Wo liegt der Bezirk Y. in der Provinz Uruzgan?
VP: Nördlich.
LA: Wie heißen die anderen Distrikte in der Provinz Uruzgan?
VP: Ich habe nur in meiner Heimatregion gelebt. Ich kenne die Namen nicht.
LA: Welche Provinzen grenzen an die Provinz Uruzgan?
VP: Das weiß ich nicht. In Afghanistan gib es 24 Provinzen.
LA: Wo in Afghanistan liegt die Provinz Uruzgan?
VP: Ich habe nicht so viel Bildung.
LA: Wo gingen Sie in die Schule?
VP: In meinem Heimatdorf wurden wir, so wie hier von einem Mann unterrichtet.
LA: Haben Sie in diesen 15 Jahren Ihre Heimatdorf nie verlassen?
VP: Ich war immer dort.
LA: Mit wem haben Sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?
VP: Mit meiner Mutter, meinem Vater und meiner jüngsten Schwester.
LA: Wie haben Sie und Ihre Familie den Lebensunterhalt bestritten?
VP: Wir hatten ein kleines Grundstück und davon haben wir gelebt.
LA: Wie groß war das Grundstück?
VP: Ca. so groß wie 3 Einvernahmeräume.
LA: Wie haben Sie diese Grundstücke bewirtschaftet?
VP: Wir haben Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln angebaut.
LA: Wie haben Sie Ihr Grundstück bewässert?
VP: Wir hatten vor unserem Haus einen Brunnen.
LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche Situation in Afghanistan beschreiben?
VP: Es war nicht gut.
LA: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, Afghanistan zu verlassen? Schildern Sie die Gründe für Ihre Ausreise so konkret, detailliert und chronologisch wie möglich, sodass diese auch für eine außenstehende Person nachvollziehbar sind.
VP: Wir hatten ein kleines Grundstück, welches wir bewirtschaftet haben. Der Hirte hat immer seine Schafe in unsere Region gebracht und sie dort weiden lassen. Diese Schafe haben unsere Ernte zerstört. Mein Vater hat einige Male den Hirten darauf angesprochen. Dieser hat jedoch nicht auf ihn gehört. Dadurch entstand ein Streit. Mein Vater sagte, dass die Schafe seine gesamte Ernte zerstören würden.
Am nächsten Tag ging ich auf den Berg, ich wollte Holz sammeln, meine Mutter hat mich dorthin geschickt. Zwei Stunden später, als ich nachhause zurückgekommen bin, war es sehr laut bei uns. Ich sah, dass man meinen Vater getötet hatte. Ich fragte meine Mutter, was passiert ist. Sie weinte und konnte mir nicht sagen, was passiert ist. Sie sagte mir, dass es wegen dem Grundstück und den Schafen einen Streit gab. Sie sagte mir, du weißt ja wie die Afghanen sind. Diese Leute hätten meinen Vater getötet, da sie ihn schon zuvor bedroht haben. Wie sie meinen Vater getötet haben, weiß ich nicht, da ich Holz sammeln war.
Meine Mutter hatte Angst, dass die Leute mich töten. Meine Mutter war nur am Weinen. Ich weiß auch nicht, wie es dazu gekommen ist. Meine Mutter sagte es mir auch nicht, wie mein Vater getötet wurde.
Der Hirte hat auch mich bedroht, es wurde gesagt, dass man mich töten wird. Der Hirte hatte Kontakte zur Regierung, wir waren jedoch nicht einflussreich. Ich konnte keine Anzeige erstatten. Ich hatte Angst, dass dieser Hirte, weil er Kontakte zur Regierung hatte, uns noch mehr belästigen würde.
Wir wurden bedroht und eingeschüchtert. Es wurde gesagt, wenn wir eine Anzeige erstatten, würde man mich töten. Meine Mutter hatte Angst um mich. Sie meinte, meinen Vater haben sie getötet, auch mich könnten sie töten. Ich konnte nicht in eine andere Stadt in Afghanistan ziehen, da diese Leute mächtig waren und sie würden wissen, wo ich mich aufhalte. Meine Mutter hatte Angst um mich, deswegen schickte sie mich nach Pakistan.
LA: Zu welcher Jahreszeit wurde Ihr Vater getötet?
VP: Es war noch hell.
Frage wird wiederholt.
Es war zu Beginn des Sommers.
LA: Wie lange blieben Sie, nach der Ermordung Ihres Vaters, in Ihren Heimatdorf?
VP: 1 Monat.
LA: Was machten Sie in diesen einem Monat?
VP: Wir haben unseren Vater bestattet und ich habe gewartet, bis die 40 Tage nach seinem Tod vergangen waren.
LA: Wurden Sie in dieser Zeit bedroht?
VP: Ja, täglich. Befragt, ich wurde von dem Hirten bedroht.
LA: Auf welche Art und Weise wurden Sie von dem Hirten bedroht?
VP: Der Hirte hat mich bedroht.
Frage wird wiederholt.
Der Hirte kam zu uns und bedrohte mich mit einer Sense. Er sagte, ich darf keine Anzeige erstatten.
LA: Sie gaben vorhin an, dass Sie Anfang Herbst Afghanistan verlassen haben. Wie kommen Sie dazu, dass von Anfang Sommer bis Anfang Herbst lediglich nur ein Monat vergangen wäre?
VP: Ja, 3 oder 4 Monate sind dazwischen.
LA: Wie kommen Sie zu der Aussage, dass Sie ein Monat, nachdem Ihr Vater getötet wurde, Ihr Heimatdorf verlassen haben?
VP: Ich wurde bedroht, deswegen bin ich weggegangen.
Frage wird wiederholt.
Es ist schon sehr lange her, es kann sein, dass ich mich nicht mehr daran erinnere.
LA: Sie gaben in der Erstbefragung an, dass Ihr Vater erschossen wurde. Wie kommen Sie nun zu der Aussage, dass Sie nicht wissen würden, wie Ihr Vater getötet wurde?
VP: Bei der Erstbefragung hatte ich einen Dolmetscher, der Paschtune war und er hat mich nicht richtig verstanden. Viele meiner Ausdrücke konnte er nicht verstehen.
LA: War der Hirte dieser Herde Ihr Nachbar?
VP: Nein, er ist von einer anderen Region gekommen.
LA: Sie gaben in der Erstbefragung an, dass der Nachbar immer seine Herde auf dem Grundstück Ihres Vaters weiden ließ und dass Ihr Nachbar Ihren Vater erschossen hätte. Wie kommen Sie heute zu völlig anderen Angaben?
VP: Ich erzähle heute dasselbe, wie bei der Erstbefragung.
LA: Wie wurde Ihr Vater getötet?
VP: Ich war Holzsammeln als er getötet wurde.
LA: Haben Sie die Leiche Ihres Vaters gesehen?
VP: Ja, ich habe ich bestattet.
LA: Haben Sie keine Verletzungen an Ihrem Vater gesehen?
VP: Nein. Ich habe meinen Vater nur bei der Bestattung gesehen, meine Mutter erlaubte mir nicht, meinen Vater zu sehen. Bei der Bestattung war mein Vater in einem weißen Leinentuch eingewickelt.
LA: Haben Sie alles angeben, das Ihnen wichtig erscheint, oder haben Sie noch irgendwelche Ergänzungen zu machen?
VP: Ich habe alles gesagt.
LA: Wie lange blieben Sie, nach dem Tod Ihres Vaters in Ihrem Heimatdorf?
VP: Ein Monat.
LA: Warum haben Sie erst nach einem Monat Afghanistan verlassen?
VP: Ich musste die Trauerzeremonie abwarten und konnte erst 40 Tage nach seinem Tod die Region verlassen.
LA: Warum haben Sie schlussendlich Afghanistan verlassen?
VP: Ich wurde jeden Tag bedroht.
LA: Wurden Sie persönlich in Afghanistan von den dort agierenden Behörden gesucht, waren Sie je in Haft?
VP: Nein, weder noch.
LA: Wie hoch waren die Kosten für Ihre Flucht aus Afghanistan nach Pakistan?
VP: 10.000 Afghani.
LA: Wie finanzierten Sie Ihre Flucht?
VP: Das Geld stammte von unseren Ersparnissen.
LA: Wo lebt Ihre Familie jetzt?
VP: In Quetta in Pakistan.
LA: Wie lange waren Sie in Pakistan?
VP: 2 Jahre.
LA: Wie lange waren Sie im Iran?
VP: Etwas mehr als ein Jahr.
LA: Wie heißt der Hirte, der Sie täglich bedroht hat?
VP: Ich kenne seinen Namen nicht. Er sagte mir seinen Namen nicht.
LA: Woher wissen Sie, dass dieser Hirte sehr einflussreich ist?
VP: Er hat mich bedroht und mir gesagt, falls ich eine Anzeige erstatten sollte, hätte es für mich Nachteile.
LA: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrer Familie?
VP: Einmal im Monat telefoniere ich mit meiner Familie. Zuletzt vor einem Monat.
LA: Was fürchten Sie bei einer eventuellen Rückkehr nach Afghanistan?
VP: Ich werde bedroht. Befragt, ich werde so wie schon zuvor bedroht. Der Hirte würde jeden Tag zu uns kommen und uns bedrohen. Vielleicht wird er mich töten.
LA: Wurden Sie von dem Hirten mit dem Tod bedroht?
VP: Ja.
LA: Wurden Sie täglich, nach dem Tod Ihres Vaters, von dem Hirten mit dem Tod bedroht?
VP: Ja.
LA: Warum haben Sie sich nicht in einer anderen Region in Afghanistan niedergelassen?
VP: Er hat Kontakte zur Regierung. Er hätte mich überall finden können.
LA: Woher wissen Sie, dass dieser Hirte Kontakte zur Regierung hat?
VP: Er hat es selbst gesagt, dass es für mich Nachteile hätte, wenn ich gegen ihn etwas unternehmen würde.
LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her? Haben Sie den/die Dolmetscher/in einwandfrei verstanden?
VP: Ja. Ja.
LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anm.: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach der Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?
VP: Nein, keine.
[...]"
Der Beschwerdeführer verzichtete in dieser Einvernahme sam 10.05.2017 auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Berichte zur Situation in Afghanistan sowie auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans handle, welcher der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Hazara angehöre. Der Beschwerdeführer sei am XXXX1998 in Afghanistan in der Provinz Uruzgan geboren und habe dort bis zu seinem 15. Lebensjahr gelebt. Die Identität des Beschwerdeführers könne hingegen nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan zwei Jahre eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung, vielmehr sei er gesund, stehe nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein. Nach seiner Ausreise aus Afghanistan habe der Beschwerdeführer zwei Jahre in Pakistan und ein Jahr im Iran gelebt.
Was die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates betrifft, so führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Vater sei durch einen Hirten, der Schafe auf dem Grundstück der Familie des Beschwerdeführers weiden habe lassen und der Kontakte zur Regierung gehabt habe, getötet worden, sei nicht glaubwürdig, weshalb der Beschwerdeführer nicht glaubhaft habe machen können, dass er künftig in seinem Herkunftsstaat Afghanistan eine Verfolgung zu befürchten habe. Der Beschwerdeführer, der als Hazara zwar zu einer ethnischen und als Schiite auch einer religiösen Minderheit angehöre, habe eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht ins Treffen geführt und sei eine solche auch nicht ersichtlich.
Ebensowenig sei in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan landesweit eine Artikel 2, 3 EMRK entsprechende Notlage zu erwarten hätte. Zwar sei es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, in seine Heimatsprovinz Uruzgan zurückzukehren, jedoch sei es dem Beschwerdeführer möglich, speziell in Kabul, in Herat oder in Mazar-e-Sharif Aufenthalt zu nehmen. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass speziell in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder dass eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich infrage gestellt wäre. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Kabul, in Herat oder in Mazar-e-Sharif als arbeitsfähiger und gesunder Mann Fuß fassen könne. Zudem könne der Beschwerdeführer entsprechende Unterstützung, die notwendig sei, seine Grundbedürfnisse an Unterkunft, Verpflegung etc. zu decken, durch die zahlreichen in Afghanistan tätigen NGO's erwarten. Auch könne er finanzielle Rückkehrhilfe gemäß § 67 AsylG 2005 als Startkapital in Anspruch nehmen und bestünde eine Netzwerk von Hilfsorganisationen für rückkehrende Menschen. Trotz der als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sei eine Ansiedelung in Afghanistan, insbesondere in Kabul, in Herat oder in Mazar-e-Sharif, die zu den relativ sicheren Städten zählen würden, im Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage möglich, dem Beschwerdeführer sei aufgrund seiner individuellen Situation eine Aufenthaltnahme in der Hauptstadt Kabul oder in einer anderen Großstadt Afghanistans zumutbar. Seitens der afghanischen Regierung sei man sich des Problems möglicherweise fehlenden familiären Rückhalts afghanischer Staatsbürger bewusst und bestrebt, diesbezüglich Unterstützung zu leisten. Zudem würden Rückkehrer aus Europa besser versorgt werden als jene aus dem Iran und Pakistan, da die meisten europäischen Staaten eigene Programme haben, um die Rückkehrer zu unterstützen. Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat seien aus dem Ausland per Flug erreichbar, somit sei der Beschwerdeführer nicht gezwungen, Gebiete mit erhöhtem Gefahrenpotenzial zu durchqueren.
Der in Österreich strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer verfüge über keinen familiären Anknüpfungspunkt in Österreich. Der Lebensunterhalt in Österreich werde aus der Grundversorgung bestritten. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, wo er sich seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum aufhalte, soziale Kontakte, die eine enge Bindung zur Österreich darstellen würden, könnten nicht festgestellt werden.
Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 31.07.2017, brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 02.08.2017 fristgerecht Beschwerde ein, die dem Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2017 vorgelegt wurde.
Der Beschwerde wurde in der Folge eine Beschuldigtenvernehmung der Bundespolizeidirektion München vom 04.08.2018 wegen des Vorwurfes der unerlaubten Einreise des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Deutschland ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nachgereicht, wonach der Beschwerdeführer am 03.08.2018 in Fahrtrichtung München von Beamten der deutschen Bundespolizei als Mitfahrer in einem Pkw kontrolliert worden sei und angegeben habe, er sei auf dem Weg nach Innsbruck, weil er Innsbruck anschauen wolle.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Er ist 1998 geboren; seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan geboren und dort in einer afghanischen Familie bis zu seinem 15. Lebensjahr aufgewachsen. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers halten sich in Pakistan auf, wo die Mutter arbeitet und für den Lebensunterhalt der Familie sorgt. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan zwei Jahre eine Schule besucht. Er hat Berufserfahrung:
er hat in Pakistan als Schuhmacher und im Iran als Bauarbeiter gearbeitet. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen. Er spricht Dari.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er ist nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet seit seiner Antragstellung am 28.09.2015 auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache; er hat in Österreich Deutschkurse besucht und im Zeitraum vom 17.01.2017 bis 26.04.2017 an Kurs "Basisbildung für junge Flüchtlinge" teilgenommen. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers gibt es keine Anhaltspunkte.
Nicht festgestellt werden können die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe. Nicht festgestellt werden kann sohin, dass der Vater des Beschwerdeführers von einem Schafhirten, der Kontakte zur Regierung habe und der seine Schafe auf dem Grundstück der Familie des Beschwerdeführers weiden habe lassen, getötet und in der Folge auch der Beschwerdeführer mit dem Tod bedroht wurde.
Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:
...
Sicherheitslage in Afghanistan
Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:
improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).
Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).
High-profile Angriffe:
Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).
Hauptstadt Kabul
Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:
al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).
Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).
Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).
Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).
Herat
Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).
Mazar-e Sharif
Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).
Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).
Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).
Taliban
Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).
Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:
BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).
Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).
Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).
Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:
sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).
Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:
NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).
Quellen:
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al-Jazeera (11.6.2017): US troops killed in 'insider attack' in Nangarhar,
http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017
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al-Jazeera (31.5.2017): Kabul bombing: Huge explosion rocks diplomatic district,
http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-170531040318591.html, Zugriff 20.6.2017
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BBC (10.6.2017): Afghanistan: US soldiers 'killed by commando' in Achin district, http://www.bbc.com/news/world-asia-40232491, Zugriff 21.6.2017
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BBC (31.5.2017): Kabul bomb: Diplomatic zone attack kills dozens, http://www.bbc.com/news/world-asia-40102903, Zugriff 20.6.2017
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Dawn (16.7.2017): IS captures Tora Bora, Bin Laden's former hideout, https://www.dawn.com/news/1339807, Zugriff 21.6.2017
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Dawn (7.5.2017): IS chief in Afghanistan killed, claims President Ashraf Ghani, https://www.dawn.com/news/1331700, Zugriff 8.5.2017
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DW - Deutsche Welle (31.5.2017): Afghanistan: "Sicherheitslage hat sich verschlechtert",
http://www.dw.com/de/afghanistan-sicherheitslage-hat-sich-verschlechtert/a-39058179, Zugriff 20.6.2017
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DZ - Die Zeit (14.6.2017): IS erobert strategisch wichtige Stellung von Taliban,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-islamischer-staat-kaempfe-taliban, Zugriff 21.6.2017
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DZ - Die Zeit (11.6.2017): Taliban-Kämpfer infiltriert Armee und tötet US-Soldaten,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-taliban-insider-attacke-soldaten-usa-tote, Zugriff 21.6.2017
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Fars News (7.6.2017): Kabul Blast Death Toll Rises to 150 as Deadly Attacks Continue,
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.6.2017): Zahl der Todesopfer steigt auf über 150, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-zahl-der-opfer-in-kabul-steigt-auf-ueber-150-15048658.html, Zugriff 20.6.2017
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.6.2017): Viele Tote bei Explosion auf Trauerfeier,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/neuer-anschlag-in-kabul-viele-tote-bei-explosion-auf-trauerfeier-15045768.html, Zugriff 21.6.2017
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IBT - International Business Times (14.6.2017): Isis captures Osama Bin Laden's Tora Bora fortress in Afghanistan, http://www.ibtimes.co.uk/isis-captures-osama-bin-ladens-tora-bora-fortress-afghanistan-1626265, Zugriff 21.6.2017
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LWJ - The Long War Journal (11.6.2017): Taliban 'infiltrator' kills 3 US soldiers in Nangarhar, http://www.longwarjournal.org/archives/2017/06/taliban-infiltrator-kills-3-us-soldiers-in-nangarhar.php, Zugriff 21.6.2017
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NYT - The New York Times (14.6.2017): ISIS Captures Tora Bora, Once Bin Laden's Afghan Fortress, https://www.nytimes.com/2017/06/14/world/asia/isis-captures-tora-bora-afghanistan.html?hp=&action=click&pgtype=Homepage&clickSource=story-heading&module=first-column-region®ion=top-news&WT.nav=top-news&_r=0, Zugriff 21.6.2017
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Pajhwok (11.5.2017): Afghan forces wrest back Badakhshan's Zebak district,
http://www.pajhwok.com/en/2017/05/11/afghan-forces-wrest-back-badakhshan%E2%80%99s-zebak-district, Zugriff 20.6.2017
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Reuters (6.6.2017): Suspected bomb kills seven outside historic mosque in Afghanistan's Herat,
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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (17.6.2017): Afghan Commando Reportedly Wounds Seven U.S. Troops In Mazar-e Sharif, https://www.rferl.org/a/afghanistan-soldier-killed-possible-insider-attack/28560504.html, Zugriff 21.6.2017
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Tagesschau (6.6.2017): Friedenskonferenz nach Terrorangriff, https://www.tagesschau.de/ausland/afghanistan-konferenz-105.html, Zugriff 21.6.2017