TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/26 W197 2205021-1

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Veröffentlicht am 26.09.2018
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Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W197 2205021-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. SAMSINGER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 15-1050871700-180493273, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX marokkanischer Staatsangehöriger, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist marokkanischer Staatsbürger, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in Österreich ein und hielt sich hier unrechtmäßig auf. Der BF stellte am 12.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Der BF trat im Verfahren unter verschiedenen Identitäten auf.

1.3. Mit Bescheid der Behörde vom 10.08.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde ebenso nicht gewährt wie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot auf die Dauer von 7 Jahren erlassen, die Abschiebung nach Marokko für zulässig erklärt sowie einer allfälligen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.4. Der BF tauchte in der Folge unter und war unsteten Aufenthalts. Der BF ist suchtmittelabhängig, gegen ihn wird wegen Raufhandels, zahlreicher gewerbsmäßiger Diebstähle und Suchtgifthandels ermittelt

1.5. Die Behörde leitete 2017 ein HRZ-Verfahren mit Marokko ein, der BF wurde mit Schreiben vom 3.5.2018 als marokkanischer StA identifiziert. Am 28.06.2018 wurde der HRZ-Antrag an die marokkanische Botschaft übermittelt und inzwischen auch urgiert. Aufgrund der konstruktiven Zusammenarbeit mit der marokkanischen Botschaft ist mit der Erlangung eines HRZ innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist des BF in Schubhaft zu rechnen.

1.6. Mit Erkenntnis des BVwG vom 21.10.2016 wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen, die Entscheidung erwuchs mit 28.10.2016 in Rechtskraft.

1.7. Der BF wurde am 26.05.2018 aufgrund eines Raufhandels festgenommen und der Behörde vorgeführt. Ihm mussten wegen Fluchtgefahr Handfesseln angelegt werden.

1.8. Aufgrund seiner eigenen Angaben steht fest, dass der BF in Österreich unter verschiedenen Identitäten aufgetreten ist, dass er in keinem Bereich in Österreich integriert ist und die deutsche Sprache nicht beherrscht. Der BF ist mittellos und nicht in der Lage seinen Unterhalt auf legale Art sicherzustellen. Er ist obdachlos. Der BF hat Österreich nicht freiwillig verlassen und will unter keinen Umständen in den Herkunftsstaat zurückkehren. Er beabsichtigt im Falle seiner Freilassung illegal nach Italien weiterzureisen. Der BF ist nach eigenen Angaben suchtmittelabhängig.

1.9. Mit Mandatsbescheid der Behörde vom 26.05.2018 wurde über den BF gem. § 76 Abs. 2 Z.1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde dem BF am 26.05.2018 persönlich zugestellt, er befindet sich seither in Schubhaft.

1.10. Der BF stellte am 08.06.2018 einen Folgeantrag, der mit Bescheid der Behörde vom 25.06.2018 sowohl hinsichtlich des begehrten internationalen Schutzes als auch hinsichtlich subsidiären Schutzes wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der BF Beschwerde, der ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt. Eine solche wurde bislang vom BVwG auch nicht zuerkannt.

1.11. Die Behörde hat die Verhältnismäßigkeit der Beschwerde rechtskonform monatlich überprüft und den Akt zeitgerecht dem BVwG vorgelegt und beantragte den Ausspruch der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft. In ihrer Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts verwies die Behörde auf den Schubhaftbescheid, führte aus, dass sich die Gründe für die Schubhaft seither nicht geändert hätten. Die lange Schubhaftdauer liege im Verhalten des BF begründet. Die Behörde bemühe sich weiter um die Erlangung eines HRZ und die Erlangung desselben sei im Hinblick auf die gute Zusammenarbeit zeitgerecht möglich.

1.12. Der BF ist haftfähig, er wird in Schubhaft medizinisch betreut.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die zitierten Feststellungen der Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben.

1.2. Der BF ist im Bundesgebiet nicht integriert, er ist obdach- und vermögenslos. Er ist untergetaucht und war für die Behörden nur aufgrund einer Zufallskontrolle greifbar. Der BF ist nicht freiwillig ausgereist und will unter keinen Umständen in den Herkunftsstaat zurückkehren. Vielmehr beabsichtigt er illegal nach Italien auszureisen. Der BF hat zudem seine wahre Identität im Verfahren zu verschleiern versucht. Der BF ist im Hinblick auf sein Verhalten selbst verantwortlich für die Dauer der Schubhaft. Er ist nicht vertrauenswürdig, es besteht höchste Fluchtgefahr.

1.3. Die Behörde hat rechtzeitig und zielführend Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den BF eingeleitet und fortgeführt.

1.4. Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre. Der BF hat solches auch, etwa in einer weiteren Schubhaftbeschwerde, nicht vorgebracht. Der BF hat insbesondere keine Umstände vorgebracht, dass die Dauer der Haft für ihn ein besonderes Unbill darstellen würde, solche können auch nicht festgestellt werden.

1.5. Festgestellt wird, dass ein dringendes öffentliches Interesse besteht, rechtsgrundlos im Bundesgebiet aufhältige Fremde außer Landes zu bringen.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Aufgrund des vorgelegten Aktes, des Verfahrensganges und der Beschwerde konnte von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts abgesehen werden.

2.2. Aufgrund der falschen Identität und seines bisherigen Verhaltens trägt der BF die alleinige Verantwortung für die Dauer der Schubhaft.

2.3. Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass der BF in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen. Die Behörde ist daher zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem, erheblichem Sicherungsbedarf hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft rechtfertigt.

2.4. Der BF ist haftfähig, die Schubhaft ist im Hinblick auf die Aussagen des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

3.4. Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Der Beschwerdeführer hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

3.5. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität, Mittellosigkeit,
öffentliche Interessen, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Überprüfung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W197.2205021.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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