Entscheidungsdatum
27.09.2018Norm
BBG §40Spruch
W207 2189090-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 01.02.2018, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte erstmals im Jahr 2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, der mit Bescheid des Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 05.04.2016 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 14.03.2016, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Richtsatzverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat; Oberer Rahmensatz, da eine mäßiggradige Funktionsminderung ohne Wurzelreizzustand, ohne Reflexdifferenzen und ohne motorische Defizite vorliegt, aber therapieresistente Fersenspornbeschwerden berücksichtigt werden", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 2. "Autoimmunthyreoiditis; Unterer Rahmensatz, da problemlose Substitutionstherapie etabliert", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 09.01.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Festgestellt wurde damals ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.
Mit Schreiben vom 30.11.2017, bei der Behörde eingelangt am 13.12.2017, stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag "auf neuerliche Einschätzung des Behinderungsgrades", der von der belangten Behörde - da die Beschwerdeführerin nicht im Besitz eines Behindertenpasses war - zutreffend als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet wurde. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 31.01.2018 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.01.2018 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:
"...
Anamnese:
Voranamnese siehe Vorgutachten vom 14.03.2016 (40 v.H.)
Die AW gibt an weiterhin unter den Schmerzen in beider Kniegelenke vor allem re., der WS, der li. Schulter und dem li. Ellbogen zu leiden.
Es werden regelmäßig Physiotherapien und Infiltrationsbehandlungen durchgeführt.
Autoimmunthyreoiditis, Hypertonie
Derzeitige Beschwerden:
Li. Ellbogen: Starke Schmerzen humeroradial, Tragen und heben von Lasten ist kaum möglich.
Li. Schulter - Impingementsyndrom
WS: Schmerzen in der HWS mit Ausstrahlung in den Schulterbereich li. DB oB. LWS Schmerzen mit Ausstrahlung in beide Flanken
Beide Knie: Schmerzen bds. vor allem re. regelmäßige Infiltrationsbehandlungen
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
TASS, Pregabalin, Thyrex, Bisocor, Atorvastatin, Seractil
Pysiotherapie laufend, Infiltrationen laufend
Sozialanamnese:
derzeit arbeitslos
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): siehe Akt
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 162,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck: n.e.
Klinischer Status - Fachstatus: Caput: unauffällig
HWS: Hartspann der Nackenmuskulatur; Rotation der HWS endlagig gering eingeschränkt , KJA 3cm, Schmerzprojektion in den Trapezius und die Schulter li.
Rechte obere Extremität:
Schulter-, Ellbogen- Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei, Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.
Linke obere Extremität:
Schulter: Impingementtest pos. Beweglichkeit frei.
Ellbogen: Schmerzen über dem rad. Humerusepicondyl
Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei,
Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.
Gebrauchshand: rechts
BWS: achsengerade, nicht klopfdolent
Abdomen: weich, adipös, indolent
LWS: Klopfschmerz im unteren Lendenwirbelsäulendrittel, Schmerzausstrahlung in beide Flanken. Dzt. keine Schmerzausstrahlung in die unteren Extremitäten, Lasegue neg.
Becken: stabil
Rechte untere Extremität:
Hüfte: S 0-0-110, R10-0-20, kein Rotation- oder Stauchungsschmerz
Knie: S 0-0-120, bandstabil, blande AS Narben. Meniskuszeichen neg, Kreiseltest schwach pos.
Sprunggelenk: S 10-0-35
Zehenspitzen- und Fersenstand möglich
Linke untere Extremität:
Hüfte: S 0-0-110, R10-0-20, kein Rotation- oder Stauchungsschmerz
Knie: S 0-0-120, bandstabil. Meniskuszeichen neg. Sprunggelenk: S 10-0-35
Zehenspitzen- und Fersenstand möglich
Beinlängen seitengleich,
Muskulatur der oberen und unteren Extremität seitengleich ausgebildet .
Gesamtmobilität - Gangbild:
Re. hinkendes Gangbild. Lagewechsel, An- und Auskleiden problemlos
Status Psychicus:
unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Wahl dieser Position im unteren Rahmensatz da eine deutliche Funktionseinschränkung verbunden mit Schmerzen gegeben ist.
02.01.02
30
2
Arthrose beider Kniegelenke. Zustand nach Arthroskopie des rechten Kniegelenkes 2014 Wahl dieser Position im oberen Rahmensatz da eine deutliche Funktionseinschränkung und trotz wiederholter Infiltrationsbehandlungen Schmerzen gegeben sind.
02.05.19
30
3
Tennisellbogen links fixer Rahmensatz
02.06.13
30
4
Engpasssyyndrom linke Schulter fixer Rahmensatz
02.06.03
20
5
Hypertonie fixer Rahmensatz
05.01.01
10
6
Autoimmunthyreoiditis Wahl dieser Position im unteren Rahmensatz da unter Substitution kompensiert
09.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2,3 und 4 um 1 Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Leiden 5 und 6 erhöhen nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
-
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: im Vergleich zum Vorgutachten ergeben sich folgende Änderungen:
Die in einer Position erfassten Leiden des Bewegungsapparates werden nun aufgeschlüsselt. Wirbelsäule, Ellbogen, Kniegelenke, Schultergelenk.
Die Hypertonie wird neu gelistet.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung bleibt mit 40 v.H. unverändert
X Dauerzustand
....."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 31.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.02.1018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht folgenden Inhaltes:
"...
Aufgrund meiner gesundheitlichen Probleme mit dem Ellenbogen ist es mir nicht möglich Gegenstände zu tragen. Selbst das Tragen einer Handtasche ist für mich kaum mehr möglich und mit Schmerzen verbunden. Außerdem kann ich seit der Meniskusoperation vor vier Jahren mit meinen Knien nur mehr mit größter Anstrengung und Hilfe Stiegen steigen. Ich bekomme für beide Knie jährlich Spritzen. Diese sehr schmerzhaften Einschränkungen beeinträchtigen mein tägliches Leben sehr. Außerdem habe ich auch wieder starke Schmerzen wegen Fersensporns auf beiden Seiten. Auch mit dem Rücken habe ich große Probleme und bekomme Spritzen in die linke Seite, die allerdings nicht helfen. Ich möchte daher gegen den erhaltenen Bescheid Beschwerde einlegen.
...."
Der Beschwerde wurden keine medizinischen Unterlagen beigelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin brachte am 13.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; deutliche Funktionseinschränkung verbunden mit Schmerzen vorliegend
2. Arthrose beider Kniegelenke. Zustand nach Arthroskopie des rechten Kniegelenkes 2014; deutliche Funktionseinschränkung und trotz wiederholter Infiltrationsbehandlungen Schmerzen vorliegend
3. Tennisellbogen links
4. Engpasssyyndrom linke Schulter
5. Hypertonie
6. Autoimmunthyreoiditis; unter Substitution kompensiert
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 31.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 31.01.2018.
In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
Die in der Beschwerde vorgebrachten Probleme mit dem Ellenbogen wurden berücksichtigt und unter der Positionsnummer 02.06.13 der Anlage der Einschätzungsverordnung mit dem fixen Rahmensatz von 30 v. H. zutreffend eingestuft; eine Versteifung in ungünstiger Stellung, in Streckstellung oder unter 80°, wie für eine höhere Einstufung unter der Positionsnummer 02.06.15 (Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk schweren Grades einseitig, 50 % ) erforderlich, kann weder der Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 22.01.2018 noch den vorgelegten medizinischen Unterlagen entnommen werden. Was die in der Beschwerde vorgebrachten Kniebeschwerden betrifft, so wurden diese berücksichtigt und zutreffend unter der Positionsnummer 02.05.19 oberer Rahmensatz der Anlage der Einschätzungsverordnung eingestuft; bei einer im Rahmen der Statuserhebung beidseitig festgestellten Streckung/Beugung von 0-0-120° konnte allerdings das Vorliegen einer Funktionseinschränkung im in der Beschwerde dargestellten Ausmaß nicht objektiviert werden. Selbiges gilt im Hinblick auf die in der Beschwerde vorgebrachten Rückenprobleme, die unter der Leidensposition 1 (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit der Feststellung einer deutlichen Funktionseinschränkung mit Schmerzen) berücksichtigt wurden. Was letztlich das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Vorliegens starker Schmerzen wegen Fersensporns auf beiden Seiten betrifft, so wurde dieses in der Beschwerde erstmals vorgebrachten Leiden von der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer persönlichen Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen am 22.01.2018 nicht thematisiert und ergibt sich ein solches Leiden auch nicht aus den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen; auch der Beschwerde wurden keine entsprechenden medizinischen Unterlagen beigelegt. Das Vorliegen einer diesbezüglichen Funktionseinschränkung in einstufungsrelevantem und daher entscheidungserheblichem Ausmaß wegen des Vorliegens von Fersenspornen auf beiden Seiten ist daher nicht objektiviert.
Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder die diesen entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 31.01.2018. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 31.01.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall durch die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe gegeben sieht.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2189090.1.00Zuletzt aktualisiert am
31.01.2019