TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/27 W207 2188614-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2018
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Entscheidungsdatum

27.09.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2188614-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, OB:XXXX, vom 15.01.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

Der Grad der Behinderung beträgt 50 v.H.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 18.09.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), dem er ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beilegte.

Die belangte Behörde holte auf Grundlage der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 15.01.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.12.2017, ein. In diesen medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Phimoseoperation, Staroperationen, Augenoberlidoperation links, Diabetes mellitus seit 1996 bekannt - seit 1998 insulinpflichtig; Beinvenenthrombose links 1996 und rechts 2011, Morbus Parkinson ("Altersparkinson") wurde 2017 diagnostiziert. 1942 Masernencephalitis. Zeitweise epileptische fokale Anfälle.

Derzeitige Beschwerden:

Herr B. berichtet über sein leichteres Zittern beide OE - links mehr als rechts. Es fehlt ihm auch das Gefühl in den rechten Fingerspitzen und als Residuum der einstmals durchgemachten Masernencephalitis liegt auch eine leichtere Schwäche rechts vor - dadurch neigt zum "Einknicken" im rechten Bein - hat daher orthopädische Schuhe in Verwendung. Der linke Unterschenkel ist ein wenig dicker als der rechte. Er benötigt 5 Insulininjektionen/Tag. Herr B. ist mit dem Auto, mit den öffentlichen Verkehrsmittel und den letzten Rest zu Fuß zur Untersuchung gekommen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Humalog, lantus, Trulicity, Jardiance, Amlodipin, Durotiv, Lisinopril, Lisinopril HCT, Nebivolol, Oleovit, Simvastatin, Marcoumar, Gabapentin, Dominal forte, Madopar, Xanor.

Sozialanamnese:

Pensionist, verheiratet, ein Kind, wird vom Finanzamt zur Untersuchung geschickt.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Neuropsychiatrischer Befund Dr. S. vom 18.9.2017:

Masern-Encephalitis als Kind, IDDM, epilept. Krampfanfälle - latente cerebrale Erregungsbereitschaft, Absencen, astatische Attacken, Narben-Epilepsie, AE, Hypertonie, Hyperlipidämie, Thrombosen rezid., cerebr. Hemi-Atrophie Ii., ACI Stenose 70% links i. O.

Aktuelle Dg: M. Parkinson, vaskulär; Residualhemisyndrom re. u. Hemispastik re. Hemi- Atrophie Ii. ACl-Stenose 70 % links i. O., Narben-Epilepsie post Encephalitis, CTS Ii > re, Depression im Senium.

Kommentar: Pat. leidet aus neurolog. Sicht an insulinpflichtigem D. M. II, ist wegen Thrombosen mit Marcoumar OAK, es besteht seit Kindheit Hemispastik und Hemiparese re., es treten epileptische fokale Anfälle sporadisch auf, es besteht ein Alters-Parkinson. Zusätzlich bds. CTS, multisegmentale Diskopathien vor allem lumbal. Pat. ist aus diesen Ursachen multipel behindert, in seiner Motorik verlangsamt, in seiner Mobilität eingeschränkt.

Befund X.-KH vom 10.7.2017: Oszillometrischer Index links 1,70 und rechts 0,99 mit triphasischen Flussmuster über der A. tibialis posterior links und ansonsten biphasischem Flussmuster über den Fußarterien beidseits.

Diagnosen: Ausschluss einer PAVK. Unterschenkelschwellung links, vermutlich gemischter Genese.

EEG - Dr. Y. - vom 30.7.2015: Es finden sich einerseits leicht- bis mäßiggradig diffuse unspezifische Allgemeinveränderungen, teilweise regional betont über temporalen Arealen sowie auch ein nahezu kontinuierlicher Verlangsamungsherd als Zeichen einer regionalen Hirnfunktionsstörung links parietooccipital sowie temporooccipital.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal.

Ernährungszustand:

Sehr gut.

Größe: 176,00 cm Gewicht: 100,00 kg Blutdruck:135/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (nach Staroperationen) und Gehör unauffällig, unauffällige Halsorgane.

Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, keine Atemnot, Nichtraucher seit 1981.

Abdomen: über TN, unauffällige Organgrenzen.

Obere Extremitäten: geringe Endlageneinschränkungen beider Schultergelenke.

Untere Extremitäten: Gelenke frei beweglich, leichteres postthrombotisches Syndrom links. Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, HWS mäßig rotationseingeschränkt, FBA im Stehen: 20 cm.

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt mit orthopädischem Schuhwerk und ohne Hilfsmittel gehend ins Untersuchungszimmer. Weitgehend unauffälliges Gangbild.

Status Psychicus:

voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.

Neurologie: leichtere Hemispastik und Hemipaese rechts.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Vaskulärer Morbus Parkinson Oberer Rahmensatz, da medikamentös gut eingestellt - mit generell verlangsamter Mobilität; das rechtsseitige Residualhemisyndrom nach Masernencephalitis ist in dieser Beurteilung mitberücksichtigt.

04.09.01

40

2

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Oberer Rahmensatz, da milde Folgeerkrankungen (inzipiente Retinopathie und Nephropathie) mitberücksichtigt.

09.02.02

40

3

Zustand nach Beinvenenthrombose beiderseits Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da Dauerantikoagulatientherapie erforderlich und da linksseitig ein leichtergradiges postthrombotisches Syndrom vorliegt.

05.08.01

30

4

Aufbrauchserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan Oberer Rahmensatz, da polytope Beschwerden mit geringen Funktionseinschränkungen vorliegen; CTS Ii > re mitberücksichtigt.

02.02.01

20

5

Hypertonie

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das klinisch führende Leiden 1 (teilweise überlagert von den Leiden 3 und 4) wird durch Leiden 2 wegen funktioneller Zusatzrelevanz um eine weitere Stufe erhöht. Keine Erhöhung durch Leiden 5, da damit funktionell gesehen nur geringfügige Auswirkungen vorhanden sind.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

///

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Entfällt, da Erstuntersuchung.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Entfällt, da Erstuntersuchung.

X Dauerzustand

......."

Am 15.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein unbefristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Gegen diesen in Form eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid vom 15.01.2018 erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 20.01.2018, ergänzt durch E-Mail vom 22.02.2018, fristgerecht Beschwerde, in welcher er Folgendes (hier in anonymisierter Form wiedergegeben) ausführte:

"....

Habe zu meinem Ausweis eine Frage

Ich habe seit meinem 2.Geburtstag eine Masemecephalitis,rechts seit damals Lähmung keine Feinmotorik zeitweise Krämpfe wo die rechte Hand besonders beim Baden u auch wenn ich mich in der Nacht vom WC kommend wieder niederlege sitze ich mitunter eine 3/4 Stunde bis ich wieder ohne Schmerzen weiter schlafen kann,und das hat mich der Werte HR.Doktor keine Notiz genommen Bei den Arzt der für Allgemeinmedizin wo Ich war untersuchte mich wie ein Hausarzt, abhören aber keine neurologische Untersuchung was mein Neurologe in den Befund festgehalten hat.Außerdem bin ich Diabetiker muß

ich mich 5x Insulin spritzen,trage seit 2001 Orthopädische Schuhe.

Nochmals ich kann kein Auto fahren oder lenken habe keinen Führerschein u bin auf meine linke Hand angewiesen die mit 77jahren schon die Kraft aufgibt Deshalb lege Ich Beschwerde ein und bitte mich einen Neurologen vorzustellen damit auch dieser Facharzt meinen Zustand beurteilen kann,ich würde 1988 von der Gemeinde Wien frühzeitig krankheitsbedingt in die Pension geschickt Bitte um eine Neurol.Untersuchung Danke Bitte um eine kurze Bestätigung ob mein Anliegen eine Chance hat

Achtungsvoll B.

....

Habe am 21.1.18 eine Beschwerde Antrag gestellt weil ich nicht von einen Facharzt für Neurologie untersucht wurde den meine Erkrankung von der Erkrankung von Kindestagen (2jahre) herrührt würde 1988 deswegen in Pension geschickt wurde.Die Feinmotorik

und auch die Muskelkraft ist ebenfalls auf ein Minimum reduziert.

Das wurde bei meiner Untersuchung gar nicht geprüft.

Außerdem habe ich seit Jahren epileptische Anfälle die sich

öfters breitmachen,bin auch deswegen in Neurologischer Behandlung.Seit ca.zwei Jahren macht sich Parkinson bemerkbar habe schon wenn ich auswärts essen gehe,sind schon Kaffehäferln zu Bruch gegangen,ohne Strohhalm geht's auch Zuhause nicht mehr.

Außerdem habe ich seit 1996 links 2011 rechts eine schwere Tiefe Venenthrombose nehme seither Marcoumarko,Habe außerdem Diabetes u Spritze mich fünfmal amTag.Durch d Beinerkrankungen und meiner Hand bin ich auf ein Taxi bei Einkäufen angewiesen

Ich bitte außerdem meine Behinderung rückwirkend auf den Behindertenausweis auszustellen.Da ich ja seit 1988 in Pension bin.Von damaligen Amtsarzt der Polizei wurde ich

mit 80% eingestuft.Habe den Beleg noch bei mir.

Ich bitte den Senat um Überprüfung Besten Dank"

Weitere medizinische Unterlagen wurden der Beschwerde nicht beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 18.09.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Vaskulärer Morbus Parkinson; medikamentös gut eingestellt - mit generell verlangsamter Mobilität; das rechtsseitige Residualhemisyndrom nach Masernencephalitis ist in dieser Beurteilung mitberücksichtigt

2. nsulinpflichtiger Diabetes mellitus; milde Folgeerkrankungen (inzipiente Retinopathie und Nephropathie) mitberücksichtigt

3. Zustand nach Beinvenenthrombose beiderseits;

Dauerantikoagulatientherapie erforderlich und da linksseitig ein leichtergradiges postthrombotisches Syndrom vorliegt

4. Aufbrauchserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan; polytope Beschwerden mit geringen Funktionseinschränkungen vorliegen; CTS Ii > re mitberücksichtigt

5. Hypertonie

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 v.

H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister, der einen Hauptwohnsitz in Österreich belegt.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.01.2018.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen sowie auf Grundlage der Ergebnisse einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, bestätigt durch die Ergebnisse der (oben vollständig wiedergegebenen) Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung sowie durch die vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen insbesondere betreffend die neurologischen Defizite entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die beim Beschwerdeführer vorliegenden, in der Beschwerde angesprochenen neurologischen Defizite wie Krämpfe in der rechten Hand sowie Beeinträchtigungen der Feinmotorik und der Muskelkraft wurden entsprechend den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen im Rahmen der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen Einstufung u.a. unter der Positionsnummer 1 als "rechtsseitiges Residualsyndrom nach Masernenzephalitis" ausdrücklich mitberücksichtigt. Auch der in der Beschwerde angesprochene insulinpflichtige Diabetes mellitus wurde berücksichtigt. Insoweit der Beschwerdeführer aber zum Ausdruck bringt, nicht von einem Facharzt für Neurologie untersucht worden zu sein, so ist er darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf Beiziehung eines Facharztes einer bestimmten Fachrichtung besteht.

Die in der Beschwerde geschilderten und durchaus nachvollziehbaren Erschwernisse und Einschränkungen im alltäglichen Leben sind im Rahmen der sachverständigen Begutachtung und in weiterer Folge im angefochtenen Bescheid keineswegs unberücksichtigt geblieben, sondern spiegeln sich gerade in dem Umstand wieder, dass der Beschwerdeführer einen Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. erhalten hat. Das Beschwerdevorbringen steht nicht in Widerspruch zu den vorgenommenen Einschätzungen.

Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde keine weiteren medizinischen Befunde bei, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen.

Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.01.2018. Diese seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Mit dem angefochtenen, im Sinne der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid vom 15.01.2018 wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers gemäß §§ 42 und 45 BBG mit 50 v.H. festgesetzt. Der Beschwerdeführer bekämpft in seiner Beschwerde den in seinem Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. und zielt damit auf die Feststellung eines anderen - höheren - Grades der Behinderung ab.

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.01.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 50 v.H. beträgt.

Der Beschwerdeführer ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall im Sinne einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe auf 50 v.H. gegeben sieht.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. daher vor.

Die Beschwerde zielt allerdings auf einen anderen - höheren - Grad der Behinderung als 50 v.H. ab. Aktuell ist aber kein anderer Grad der Behinderung objektiviert. Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2188614.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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