Entscheidungsdatum
27.09.2018Norm
BBG §40Spruch
W207 2180839-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX2013, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, OB: XXXX, vom 31.10.2017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.
Der Grad der Behinderung beträgt 60 v.H.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der minderjährige Beschwerdeführer war seit 28.07.2014 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H.
Im Akt des Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) befindet sich ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, welches im Rahmen eines Verfahrens nach dem Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) eingeholt wurde. In diesem so genannten FLAG-Sachverständigengutachten vom 17.03.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.03.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"...
Anamnese:
04/2014 GdB 60% bei Diagnose amniotisches Schnürfurchsyndrom der Hände (50%) und Füsse (30%).
Derzeitige Beschwerden:
Angeborene Anomalien der Finger und Zehen
Wahrnehmungsstörung
Sprachentwicklungsrückstand
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ergotherapie
Nacht-Schiene linke Hand
Sozialanamnese:
unauffällig, besucht Kindergarten
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2016-07-15 Ergotherapie: Neben Handfehlbildung besteht auch eine Störung der sensorischen Wahrnehmungsverarbeitung.
Therapiebestätigung.
2016-05-19 Orthopädie XXXX. Beide Hände im Alltag eingesetzt, Finger frei beweglich, Hyperextension DigIV links. St post operativer Korrektur aller 4 Extremitäten. An einer Zehe noch Weichteiltumor
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
eutroph
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Rechte Hand 2.+3.Finger sehr kurz, normal beweglich, aber funktionell nicht einsetzbar. Linke Hand: Dig 2-5 nur im ersten Glied vorhanden, Handgelenk hypermobil. Daumen bds gut funktionell eingesetzt. Zehen: Weichteiltumor rechter Fuss Dig 3, alle Zehen operativ korrigiert. Intern unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
geht frei, läuft, jedoch Sturzneigung.
Psycho(patho)logischer Status:
sehr ruhiges Kind, laut Mutter besteht ein sehr rigides Verhalten bzgl Abläufen, schreit oft. Eine psychologische Abklärung hinsichtlich Autismus ist geplant. In Untersuchungssituation guter Blickkontakt. Sprachentwicklung verzögert (beginnt erst jetzt, verständlich zu sprechen, 3 Wort Sätze)
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Hände - Obere Extremitäten, Verlust von drei Fingern - Finger II und III und IV (der linken Hand) gz, da nur minimale Anlage
02.06.34
40
2
Taktile, sensorische Integrationsstörung, Sprachentwicklungsrückstand Oberer Rahmensatz, da mässige Einschränkung in den Bereichen Kommunikation und taktile Wahrnehmung. Therapiebedarf
03.02.01
40
3
Hände - Obere Extremitäten, Verlust von zwei Fingern - Finger II und III oder II und IV (der rechten Hand) gz
02.06.31
30
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
L1 wird durch L2 und L3 gemeinsam um 1 Stufe erhöht, da ungünstiges Zusammenwirken.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Etwas niedrigerer GdB als im VGA, da postoperativ nun andere Positionen herangezogen. Neu eingestuft das Leiden Wahrnehmungsstörung, Sprachentwicklungsrückstand
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
[X] ja
GdB liegt vor seit: 03/2017
GdB 60 liegt vor seit: 10/2013
[X] Nachuntersuchung: in 5 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Befunddynamik bzgl Leiden 2 möglich
..."
Seit 27.04.2017 war der Beschwerdeführer - aufgrund des oben wiedergegebenen FLAG-Gutachtens - nunmehr Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.
Am 24.08.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 28.08.2017, stellte der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, bei der belangten Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Diesem Antrag wurde ein Klinisch-psychologischer Befund einer näher genannten Psychologin vom 19.07.2017 und eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom 18.04.2017 beigelegt.
Die belangte Behörde holte in der Folge auf Grundlage der vorgelegten medizinischen Unterlagen ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, welche das FLAG-Gutachten vom 17.03.2017 erstellt hat, auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 27.09.2017 ein. In diesem Aktengutachten wird - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
"...
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2017-07-19 Autistenhilfe, Dachverband. Diagnose "highfunctioning Autismus" gemäß standardisiertem Testverfahren. Beginn der Testung 03/2017.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
laut Befund empfohlen: TEACCH Training, Elternworkshops Ergotherapie Handschiene nachts
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
High functioning Autismus unterer Rahmensatz, da gute kognitive Fähigkeiten
03.02.02
50
2
Hände - Obere Extremitäten, St post amniotisches Schnürfurchensyndrom, funktionelles Fehlen von 3 Fingern der linken Hand
02.06.34
40
3
St post amniotisches Schnürfurchensyndrom, funktionelles Fehlen von 2 Fingern der rechten Hand
02.06.31
30
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führendes leiden wird durch Leiden 2 und Leiden 3 um 1 Stufe erhöht, da ungünstiges Zusammenwirken auf das Gesamtbild
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im FLAG Gutachten 03/2017 Gesamt GdB 50% bei den Leiden fehlen von 3 Fingern der linken Hand (40%), Fehlen von 2 Fingern der rechten Hand (30%) und Wahrnehmungsstörung (40%). Letzteres leiden wird durch die neue Diagnose Autismus ersetzt (50%), dadurch GesamtGA höher als FLAG 03/2017
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
s. o.
[X] Nachuntersuchung 09/2022 weil bei jungem Alter Diagnosemodifikation möglich
(Autismus)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine Leiden vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Begründung:
Die Zusatzeintragung "Begleitperson" wird nicht bestätigt, da im Alter des Kindes stets von einer Begleitung durch Erwachsene ausgegangen wird
..."
Am 31.20.2017 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein bis 31.12.2022 befristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Mit E-Mail vom 28.11.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, gegen diesen in Form eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid vom 31.10.2017 fristgerecht Beschwerde. Es werde Einspruch gegen den festgestellten Grad der Behinderung erhoben. Im Speziellen betreffe dies die Beeinträchtigungen aufgrund von frühkindlichem Autismus high functional. Da schon die einfache zuvor diagnostizierte Wahrnehmungsstörung 40% bedeutet habe, könne "nur" 50% für die komplexe Diagnose Autismus nicht nachvollzogen werden. Seine Intelligenz helfe dem Beschwerdeführer zwar außerhalb zu kompensieren, führe dann aber zum Overload oder Shutdown zu Hause. Der Beschwerdeführer schaffe die notwendigen Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit Hilfe eines Rehabuggys, dessen Verdeck herunterklappbar sei. Diese Notwendigkeit habe auch die Krankenkasse verstanden, da sie die Kosten für den Rehabuggy übernommen habe. Dies in Verbindung mit dem hohen Bewegungsdrang des Beschwerdeführers und dem fast vollständig fehlenden Gefahrenbewusstsein führe zu dem Einspruch gegen den festgestellten Grad der Behinderung von gesamt 60%. Alle vorhandenen Befunde würden bereits vorliegen.
Der Beschwerde wurden keine neuen Befunde beigelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, brachte am 28.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass beim Sozialministeriumservice ein.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. High functioning Autismus; gute kognitive Fähigkeiten
2. Hände - Obere Extremitäten, St post amniotisches Schnürfurchensyndrom, funktionelles Fehlen von 3 Fingern der linken Hand
3. St post amniotisches Schnürfurchensyndrom, funktionelles Fehlen von 2 Fingern der rechten Hand
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 60 v.H.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung und deren Ausmaß werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten vom 27.09.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vom 27.09.2017.
In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen (Klinisch-psychologischer Befund einer näher genannten Psychologin vom 19.07 2017) auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Insoweit in der Beschwerde zum Ausdruck gebracht wird, dass die erfolgte Einstufung des "High functioning Autismus" mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. zu gering erfolgt sei, ist Folgendes festzuhalten:
Die herangezogene Positionsnummer des Regelungskomplexes "03 Psychische Störungen; 03.02 Entwicklungseinschränkungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr" der Anlage der Einschätzungsverordnung lautet - hier gleichsam als Vorgriff auf die rechtliche Beurteilung wiedergegeben - wie folgt:
"03.02 Entwicklungseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
Erfasst werden umschriebene Entwicklungseinschränkungen des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung).
03.02.01 Entwicklungsstörung leichten Grades 10 - 40-%
10 - 20 %:
Ohne wesentliche soziale Beeinträchtigung,
(Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule)
Kein zusätzlicher Unterstützungsbedarf beim Lernen
30 - 40 %:
Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten
in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen
03.02.02 Entwicklungsstörung mittleren Grades 50 - 80 %
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen
Globaler Unterstützungsbedarf beim Lernen
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
50 -60%: alleinige kognitive Beeinträchtigung
70 -80%: Zusätzliche motorische Defizite
03.02.03 Entwicklungsstörung schweren Grades 90 - 100 %
Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung, schwer eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit, Tiefgreifende Entwicklungsstörung, desintegrative Störung"
Die beigezogene Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde stellte auf Grundlage der vorgelegten medizinischen Unterlagen das Vorliegen von Entwicklungsstörungen mittleren Grades fest. Von der Gutachterin wurde der untere Rahmensatz der Positionsnummer 03.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung herangezogen, da beim Beschwerdeführer durchaus gute kognitive Fähigkeiten bestehen. Zur Heranziehung eines höheren Rahmensatzes dieser Positionsnummer müssten neben erheblicheren kognitiven Beeinträchtigungen auch zusätzliche motorische Defizite gegeben sein. Das Vorliegen von motorischen Defiziten beim Beschwerdeführer konnte im Verfahren jedoch nicht objektiviert werden. Aus der Anamnese des vorgelegten Befundes einer näher genannten Psychologin vom 19.07.2017 ergibt sich zwar, dass das Vorliegen von motorischen Defiziten von der Mutter des Beschwerdeführers angegeben wurde, indem sie angab, der Beschwerdeführer scheine gewisse Fähigkeiten wieder zu verlernen, aus der Diagnose der Psychologin ergibt sich jedoch nicht, dass beim Beschwerdeführer, neben kognitiven Beeinträchtigungen, die aber nicht als erheblich anzusehen sind, auch relevante motorische Defizite vorliegen. Auch kam die beigezogene Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde im Rahmen der Gutachtenserstellung nicht zu dem Schluss, dass beim Beschwerdeführer motorische Defizite gegeben sind. Insofern kommt im gegenständlichen Fall eine Einstufung unter einen höheren Rahmensatz der Positionsnummer 03.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, die damit einen höheren Grad der Behinderung als 50 v.H. ergeben könnte, gegenwärtig nicht in Betracht.
Im Rahmen der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Befunde vorgelegt, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche entscheidungserhebliche und damit einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen. Insbesondere wurde nicht durch weitere medizinische Befunde belegt, dass beim Beschwerdeführer neben kognitiven Beeinträchtigungen auch motorische Defizite gegeben sind.
Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vom 27.09.2017. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpaß vorzulegen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Mit dem angefochtenen, im Sinne der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid vom 31.10.2017 wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers gemäß §§ 42 und 45 BBG mit 60 v.H. festgesetzt. Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, bekämpft in der Beschwerde den in seinem Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. und zielt damit auf die Feststellung eines anderen - höheren - Grades der Behinderung ab.
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das medizinischen Sachverständigengutachten vom 27.09.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 60 v.H. beträgt. Dies ist - wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt - nicht zu beanstanden, von der Gutachterin wurde betreffend den festgestellten "High functioning Autismus" zutreffend der untere Rahmensatz der Positionsnummer 03.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung herangezogen.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde im Ergebnis, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen gemäß § 40 Abs. 1, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. daher vor.
Die Beschwerde zielt allerdings auf einen anderen - höheren - Grad der Behinderung als 60 v.H. ab. Aktuell ist aber kein anderer Grad der Behinderung objektiviert. Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2180839.1.00Zuletzt aktualisiert am
31.01.2019