TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/3 W139 2189502-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.10.2018
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Entscheidungsdatum

03.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2189502-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara, reiste illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In ihrer Erstbefragung am 07.06.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie stamme aus XXXX , habe aber in XXXX , Iran gelebt. Sie sei verwitwet. Zum Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin an, nach ihrer Hochzeit habe sie mit ihrem Mann bei ihren Schwiegereltern gewohnt. Ihr Mann sei von den iranischen Behörden festgenommen und nach Afghanistan zurückgeschoben worden. Er sei wieder in den Iran zurückgekommen und einige Monate später erneut nach Afghanistan zurückgeschoben worden. Danach habe ihr Mann entschieden, nicht mehr in den Iran zurückzukommen und nach Pakistan und weiter nach Australien zu reisen. Die Beschwerdeführerin habe nichts mehr von ihrem Mann gehört und Bekannte hätten ihr gesagt, dass er bei der Überfahrt gestorben sei. Ein paar Jahre später habe die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin gewollt, dass die Beschwerdeführerin ihren ältesten Schwager, den älteren Bruder ihres verstorbenen Mannes, heiraten sollte. Das habe die Beschwerdeführerin nicht gewollt und dadurch sei es zu Problemen mit der Familie ihres Mannes gekommen. Die Beschwerdeführerin habe bei ihren Eltern Hilfe gesucht, aber keine bekommen, da ihr Vater spielsüchtig sei. Dieser habe sie zur Heirat gezwungen, da er dadurch Geld bekommen hätte. Der Schwager der Beschwerdeführerin sei sehr aufdringlich geworden und sie sei zu ihrer Freundin gegangen. Dann habe sie erfahren, dass die Familie ihres Mannes sie suche und umbringen wolle. Sie habe Angst um ihr Leben bekommen und sei geflüchtet.

3. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 02.11.2017 gab die Beschwerdeführerin erneut an, sie sei in Afghanistan in XXXX geboren. Als sie etwa drei Jahre alt gewesen sei, sei ihre Familie mit ihr in den Iran, nach XXXX , gezogen, wo sie aufgewachsen sei. Sie habe zwölf Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Im Jahr 2010 habe sie geheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes sei sie immer wieder von dessen Bruder, ihrem Schwager, belästigt worden. Der Schwager habe sie auch misshandelt, einmal habe er sie die Treppe hinuntergestoßen. Er habe verlangt, dass die Beschwerdeführerin ihn heiraten sollte. Das habe sie nicht gewollt. Eines Tages habe der Schwager die Beschwerdeführerin vergewaltigt und bedroht. Aus Angst habe sie niemandem davon erzählt. Danach habe sie psychische Probleme bekommen und versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Auch die Verwandten der Beschwerdeführerin hätten gesagt, dass sie den Schwager heiraten sollte. Sie habe gehofft, dass ihre Situation sich bessern würde, aber das sei nicht der Fall gewesen, es sei Tag für Tag schlechter geworden. Ihr Schwager habe dann gesagt, dass sie das Haus nicht mehr verlassen dürfte. Die Beschwerdeführerin habe beschlossen, zu flüchten. Unter dem Vorwand einer Pilgerfahrt habe sie das Haus der Familie ihres Mannes verlassen und sich drei Monate bei ihrer Freundin versteckt. Die Beschwerdeführerin habe ihre Freundin geschickt, um die Lage bei der Familie des Mannes zu erkunden. Die Freundin habe der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Familie des Mannes nach ihr suche und das Foto der Beschwerdeführerin den Leuten zeige und ihnen sage, wenn sie sie erwischen würden, sollten sie sie töten oder ihnen lebendig übergeben. Daher habe die Beschwerdeführerin Angst bekommen und dann Ende Dezember 2016 den Iran verlassen.

In Österreich besuche die Beschwerdeführerin seit einiger Zeit die Kirche. Sie sei alleine gewesen und es sei ihr nicht gut gegangen, dann habe sie "Schwester" XXXX kennen gelernt, die ihr Hilfe angeboten habe. Die Beschwerdeführerin wolle Leute kennen lernen und Freunde gewinnen und sich auch mit der österreichischen Kultur und Religion vertraut machen. Sie wolle auch Christin werden. Sie nehme Religionsunterricht in der Kirche und habe den christlichen Glauben im Herzen angenommen. Bereits nach ihrer Hochzeit habe sie nicht mehr wie eine Muslimin gebetet. Im Islam gehe man mit Frauen sehr streng um und sie habe im Islam viel Schlechtes erlebt. In Österreich seien Frauen und Männer gleichberechtigt. Die Beschwerdeführerin wolle in Freiheit leben und für sich Entscheidungen treffen, was ihr in Afghanistan nicht möglich wäre. In ihrem Leben im Iran sei sie wie eine Gefangene gewesen. Da die Familie ihres Mannes streng gewesen sei, habe sie nach ihrer Hochzeit einen Hijab tragen müssen, obwohl sie dagegen eingestellt sei. In Österreich wolle sie Deutsch lernen und dann als Schneiderin arbeiten.

Die Beschwerdeführerin legte Dokumente vor, u.a. eine Bestätigung der XXXX , dass die Beschwerdeführerin seit drei Monaten an den Sonntagsgottesdiensten der Gemeinde teilnehme. Seit dieser Zeit nehme sie auch regelmäßig an einem Glaubenskurs in persischer Sprache teil, der von einer Mitarbeiterin der Gemeinde geleitet werde. Weiters legte die Beschwerdeführerin Empfehlungsschreiben und Arztbefunde vor.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde führte begründend im Wesentlichen aus, die von der Beschwerdeführerin angegebenen Fluchtgründe seien nicht glaubhaft. Sie habe eine bevorstehende Zwangsheirat mit ihrem Schwager vorgebracht. Da sie jedoch nach dem Tod ihres Gatten und nach der Ablehnung der Zwangsheirat jahrelang bei der Schwiegerfamilie gewohnt habe und auch finanziell unterstützt worden sei, sei eine konkrete Absicht, die Zwangsheirat durchzusetzen, und auch eine Verfolgung durch den Schwager und dessen Familie nicht glaubhaft. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht überzeugend vorbringen können, in ihrer Wertehaltung an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert zu sein bzw einen "westlichen Lebensstil" angenommen zu haben. Schließlich seien ihre Angaben, Christin werden zu wollen, nicht glaubhaft nachvollziehbar. Sie habe ausgeführt, die Kirche aufgesucht zu haben, da sie alleine gewesen sei und sich mit der österreichischen Kultur und Religion vertraut habe machen wollen. Dies sei jedoch im Unterschied zu einer Konversion zu sehen und die Beschwerdeführerin habe sich offensichtlich mit der christlichen Lehre nicht grundlegend auseinandergesetzt und verfüge nicht über ausreichende diesbezügliche Kenntnisse. Insgesamt sei ein ernsthafter und innerer Glaubenswechsel nicht anzunehmen und es handle sich um eine Scheinkonversion. Die Beschwerdeführerin sei jedoch eine alleinstehende Frau und verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine Unterstützungsmöglichkeiten in Afghanistan. Die Sicherheitslage in Nangarhar sei derzeit nicht stabil und eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung.

5. Am 13.03.2018 brachte die Beschwerdeführerin - fristgerecht - Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des obgenannten Bescheides ein. Sie beantragte die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, in eventu die Zurückverweisung, sowie eine mündliche Verhandlung. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin lebe nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition, sondern sie kleide, frisiere und schminke sich nach westlicher Mode. Sie genieße ihre Freiheit, alleine Kurse zu besuchen und einkaufen zu gehen. Künftig wolle sie als Schneiderin oder Kosmetikerin arbeiten. Sie habe einen Hijab tragen müssen, sei jedoch damit nicht einverstanden gewesen. Sie habe sich im Iran wie eine Gefangene gefühlt und mit dem Islam als Frau keine guten Erfahrungen gemacht. Aufgrund dieser Umstände und ihrer Diskriminierung als Frau habe sie sich dem Christentum zugewandt. Bei der Beschwerdeführerin liege ein Verfolgungsrisiko aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen vor. Zudem gehe sie regelmäßig in die Kirche und besuche einen Taufvorbereitungskurs.

6. Mit Schreiben vom 29.06.2018 wurde die Taufurkunde der Beschwerdeführerin übermittelt, datiert mit 24.06.2018 und ausgestellt von der XXXX .

7. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 06.09.2018 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

8. Am 06.09.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, bei welcher die Beschwerdeführerin einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurden Unterstützungsschreiben, Kursbestätigungen und Fotos vorgelegt.

Im Rahmen der Befragung bestätigte die Beschwerdeführerin zunächst die bisherigen Angaben zu ihrer Person und bekräftigte, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Die Beschwerdeführerin gab an, die Dolmetscher bei ihren bisherigen Einvernahmen gut verstanden zu haben und die Niederschriften seien ihr rückübersetzt worden.

Weiters gab die Beschwerdeführerin (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (RI = erkennende Richterin, RV = Rechtsvertreter):

"[...]

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem BFA zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht?

BF: Ja, ich erinnere mich und halte die Angaben aufrecht.

RI: Haben Sie das Gefühl, dass Sie bei den Einvernahmen alles sagen konnten?

BF: Ja, ungefähr.

RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert? BF: Die Gründe, die ich im Iran hatte, sind immer noch aufrecht. Hier werde ich im Heim sehr diskriminiert. Die anderen Afghanen, die im Heim leben, wollen mit mir keinen Kontakt haben und schließen mich aus. Deshalb verlasse ich nicht oft mein Zimmer, ich besuche nur meinen Deutschkurs, der Weg zu meinem Deutschkurs ist sehr weit. In den Ferienmonaten fährt vom Bahnhof zu mir nach Hause kein Bus, deswegen war ich ca. 1,5 Stunden zu Fuß unterwegs. Deswegen komme ich müde zu Hause an, mache meine Hausaufgaben und ruhe mich aus für den nächsten Tag.

RI: Gibt es einen anderen Grund als den bisher geschilderten betreffend die Ereignisse im Iran, weshalb Sie eine Rückkehr nach Afghanistan fürchten?

BF: Ja, mein Schwager. Ich habe über eine Freundin im Iran erfahren, dass mein Schwager mich des Ehebruchs beschuldigt und dass ich nun auch Christin geworden bin und deshalb im Heim Probleme habe. Sie mögen mich dort nicht.

RI: Stimmt es, dass sich die Ereignisse, die Sie ursprünglich zur Flucht veranlasst haben, im Iran zugetragen haben?

BF: Ja, das ist richtig.

RI: Sie waren ein Mal verheiratet? Haben Sie freiwillig geheiratet?

BF: Meine Familie hat ihn ausgesucht.

RI. Nach dem Tod Ihres Ehemannes sollten Sie Ihren Schilderungen nach den Bruder des verstorbenen Bruders heiraten. Stimmt das?

BF: Ja.

RI: Ist es zu der Heirat gekommen?

BF: Nein.

RI: Was ist geschehen, warum ist es nicht dazu gekommen?

BF: Mein Schwager ist älter und war bereits verheiratet und hatte zwei Kinder. Seine Frau war sehr unzufrieden in ihrer Ehe, da sie meinte, er sei ein Frauenheld und sei nie zu Hause und spricht fremde Frauen dauernd auf der Straße an. Es ging ihm finanziell gut und diesbezüglich hatte er keine Probleme. Als mein Mann verstorben ist und ich alleine war und jung, hat er mir immer wieder nachgestellt. Seine Familie war der Meinung, dass eine Braut in weiß heiratet und im weißen Totentuch auch das Haus des Mannes verlässt. Deshalb wollten sie nicht, dass ich einen Fremden heirate. Am Anfang habe ich ihr Gerede nicht ernst genommen. Mein Schwager sagte mir immer wieder, du musst mich heiraten. Das sagte er auch zu seiner Mutter und seiner Schwester, dass sie mich überreden sollen, ihn zu heiraten. Ich habe nach dem Tod meines Mannes mit meiner Schwiegermutter zusammengelebt. Der Schwager hatte den Schlüssel und kam immer wieder unangekündigt zu uns. Ich habe immer wieder meine Eltern um Hilfe gebeten und mein Vater sagte mir dann, du bist deren Braut und du musst dich ihrem Willen beugen. Meine Schwiegermutter war eine sehr religiöse Frau. Sie ist oft zur Moschee gegangen. Eines Tages war ich alleine zu Hause, habe geduscht, als ich vom Badezimmer kam, habe ich den Schwager im Haus vorgefunden, habe

geschrien und wollte dass er geht...... (BF beginnt zu weinen)

RI: Sie haben ihn nicht geheiratet, wie haben Sie das geschafft?

BF: Mein Schwager hat mich sehr unter Druck gesetzt, aber ich sagte ihm, wie kannst du so etwas sagen. Ich bin die Frau deines Bruders und selbst wenn du jünger wärst und nicht verheiratet, vielleicht, aber du willst nur mit Frauen spielen. Aber er sagte, eines Tages werde ich dich schon überreden. ER hat mir immer wieder Geschenke nach Hause gebracht und wollte mich so umstimmen. Als er gesehen hat, dass ich nicht damit einverstanden bin, hat er mich vergewaltigt. Als ich mich dagegen gewehrt habe, hat er mich geschubst und ich bin die Treppe heruntergefallen, danach habe ich Rückenprobleme bekommen, so daß ich nicht sitzen oder gehen konnte. Gottseidank ist das jetzt besser. Ich fand eine Ausrede, dass ich einen heiligen Schrein ( XXXX ) mit einer Freundin besuchen möchte. Ich habe meine persönlichen Sachen wie Goldschmuck genommen und bin gegangen. Ich war ein oder zwei Monate bei meiner Freundin und hoffte, dass sie mich in Ruhe lassen. Ich habe meine Freundin, bei der ich war, gebeten, Nachforschungen in meiner Familie und in der Familie meines Mannes anzustellen, wie die Situation sei, seitdem ich weg bin. Sie sagte mir dann, du bist von zu Hause geflohen und seit deiner Flucht ist die Situation viel schlimmer als früher. Dein Schwager sucht dich überall. Sie sagte mir auch, dass er bei meinen Eltern war und sie mit einem Messer bedroht hat. Überall wo deine Freunde waren, war er, und hat sich nach dir erkundigt. Ich fürchtete mich und dachte, so kann ich hier nicht mehr länger leben und fragte meine Freundin, was soll ich machen? Ich habe nächtelang geweint und konnte nicht einschlafen. Sie sagte mir, dein Schwager wird dich nicht in Ruhe lassen. Deine Familie kann dich nicht unterstützen und ansonsten hast du hier niemanden, es ist besser, wenn du hier weggehst. Das habe ich dann auch gemacht.

RI: Sie haben auf meine Frage nach der Religion geantwortet, dass Sie Christin sind. Wann haben Sie erstmals begonnen, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen?

BF: In Österreich habe ich das Christentum kennengelernt. Ich wusste früher, dass es Christentum gibt aber kennengelernt habe ich es erst in Österreich.

Ri: Können Sie mir es genauer schildern, wie es genau dazu gekommen ist?

BF: Als ich nach Ö gekommen bin und nach XXXX geschickt wurde, wo ich heute auch noch bin, ich war alleine, kannte niemanden und wollte mich mit der ö Kultur und Menschen näher befassen. Es gibt eine Schwester XXXX , die jeden Mittwoch ins Heim kommt und Sachen für Flüchtlinge bringt, Essen oder Bekleidung. So bin ich mit ihr ins Gespräch gekommen. Das war am ersten Tag, wo ich dort war. Ich habe ihr über mein Leben berichtet und ich fragte sie, ob sie eine Kirche kennt, wo ich hingehen kann und wo ich andere Ö kennenlerne. Sie sagte mir, dass wir jeden Sonntag in die Kirche gehen und wenn sie in ihrem Auto Platz hätte, würde sie mich mitnehmen. Schwester XXXX ist keine Klosterschwester, sie hilft den Flüchtlingen und hilft auch in der Kirche. Ich sage zu ihr Schwester XXXX , sie wird so gerufen.

RI: Warum wollten Sie in eine Kirche gehen, um Ö kennenzulernen?

BF: Weil ich mehr über die Kirche erfahren wollte, denn ich als geborene Moslem hatte in meinem früheren Leben als Frau nur Leid erfahren. Bei uns wird man als Moslem geboren und ich hatte mit meiner Religion bereits abgeschlossen, ich habe, seitdem mich mein Schwager unter Druck setzte, nicht mehr gebetet. Auch meine eigene Familie hat mir nicht geholfen. Warum kann im Islam ein Mann zwei Frauen haben? So haben sie mit mir immer wieder argumentiert, damit ich ihn heirate. Meine erste Ehe war zwar eine Zwangsheirat, aber ich hatte Glück, mein verstorbener Mann war in Ordnung. Aber mein Schwager wollte mich so lange ich jung bin ausnutzen und mich wie einen Fetzen wegschmeißen.

RI: Hat Ihnen Schwester XXXX vom Christentum erzählt?

BF: Ja, ich habe mit ihr darüber geredet. Freitags fand im Haus im Zimmer eines anderen Flüchtlings eine religiöse Sitzung immer statt, wo sie über Christentum einen Vortrag hielt. Sie erzählte über Christentum, aber betete auch.

RI: Haben Sie an diesen Sitzungen teilgenommen und seit wann?

BF: Ich habe von Anfang an daran teilgenommen und ein oder zwei Wochen später habe ich auch an den Kursen teilgenommen, denn diese haben bereits begonnen. Man sagt Alpha-Kurs dazu. Diese Alpha-Kurse finden immer sonntags anschließend nach dem Gottesdienst für Flüchtlinge statt. Diese Kurse finden in der Kirche statt.

RI: Sie haben erwähnt, dass Schwester XXXX Sie in die Kirche mitnehmen wollte. Können Sie mir sagen, um welche Kirche es sich dabei handelt?

BF: Das ist eine Kirche in XXXX . Ich kann mich an den Namen nicht mehr erinnern.

RI: Gehen Sie noch weiter in diese Kirche?

BF: Ja, ich gehe noch in diese Kirche. Ich kann mir aber Namen grundsätzlich nicht merken, ich nehme Tabletten. Der Pfarrer heißt

XXXX .

RI: Um welche Kirche handelt es sich, der sie angehören?

BF: Es handelt sich um eine Freikirche. Das ist ein Zweig der protestantischen Kirche.

RI: Kennen Sie den Namen der (Pfarr)Gemeinde, in der Sie getauft wurden?

BF: Der Pfarrer XXXX hat mich getauft. Ich weiß nicht, was Sie meinen.

Frage wird wiederholt.

BF: Ich kann mich nicht an den Namen genau erinnern. Aber XXXX sagte mir, dass es sich hierbei um einen Zweig der protestantischen Kirche handelt.

RI: Was hat Sie veranlasst, sich taufen zu lassen? Bitte schildern Sie mir das näher.

BF: Als ich zum ersten Mal in der Kirche war, hat mich XXXX dem Pfarrer vorgestellt. Ich erzählte ihnen, woher ich komme, was ich gemacht habe. Ich sagte, dass ich zwar als Moslemin geboren wurde, aber das ich mit meiner Religion abgeschlossen hätte, dass ich seit langer Zeit nicht mehr bete und hier möchte ich mich näher mit dem Christentum befassen und dieses mehr kennenlernen. In der Kirche wurde gebetet, verschiedene Lieder wurden gesungen und XXXX erklärte mir diese. Bei jedem Sonntagsbesuch lernte ich mehr darüber. Schließlich sagte ich dem Pfarrer, dass ich Gefallen daran gefunden habe. Je mehr ich die Kirche besuchte, desto mehr gefiel mir die Religion, die Art und Weise wie Menschen miteinander umgehen. Damals war ich unter ärztlicher Untersuchung, da ich Probleme mit dem Rücken hatte und hatte Spritzen gegen die Schmerzen bekommen. Da die Schmerzen nicht besser wurden, wollte der Arzt mich operieren lassen, aber ich fürchtete mich vor der OP und willigte nicht ein. Die Dinge, die ich im Islam erlebt habe, waren frauenfeindlich und ich habe sehr darunter gelitten. Im Islam werden die Männer bevorzugt und die Frau kann dem Mann nicht widersprechen oder frei entscheiden, kann nicht mal ihren eigenen Mann selbst aussuchen. Aber in der Kirche habe ich erfahren, dass die Rechte der Männer und Frauen hier gleich sind, und dass die Frauen hier selbst entscheiden können. Es wird gesagt, dass die Frauen heilig sind und selbst Jesus Christus wertschätzt die Frau. All das hat verursacht, dass ich mich immer mehr für das Christentum interessierte. Ich habe gesehen, dass die Menschen in der Kirche vom Herzen aus beten. In der Kirche wird nicht gelogen, das was dort gebetet wird, wird auch gelebt. Wenn sie für jemanden dort gebetet haben, geschah dies aus tiefstem Herzen. Ich habe selbst gesehen, dass der Pfarrer die Kranken gerufen hat und alle Anwesenden haben für sie gebetet. An dem Tag, als ich dem Pfarrer sagte, dass ich an Rückenschmerzen leide, haben auch alle für mich gebetet. Als er seine Hand auf mich legte und für mich betete, fühlte ich mich sehr erleichtert. Grundsätzlich fühlte ich mich sehr beruhigt, wenn ich die Kirche besuchte und allmählich wurden meine Schmerzen auch weniger. Später bestätigte mir auch der Arzt, dass ich keine Probleme mehr hätte. Schließlich sagte ich dem Pfarrer, dass ich seitdem ich hier bin, großes Gefallen am Christentum gefunden habe und daran von ganzem Herzen glaube. Später wurde ich dann getauft.

RI: Sie sagen, Sie gehen in die Kirche. In welcher Form üben Sie die Religion aus, wie macht sich das erkennbar?

BF: Seitdem ich daran glaube, erkenne ich die Existenz Gottes. Es ist eine reine Religion, es ist rein und jeder hat seine Rechte. Die Menschen respektieren sich gegenseitig, die Gesetze diskriminieren nicht die Menschen, für mich ist es eine vollkommende Religion. Ich fühle mich wirklich gut, wenn ich die Kirche besuche. Wenn ich die anderen Menschen beobachte, sehe ich keinen Unterschied zwischen ihnen und mir, obwohl ich ein Flüchtling bin. Sie gehen sehr höflich und zuvorkommend mit den Flüchtlingen dort um. Deshalb hat es mir sehr gut gefallen und ich glaube daran.

RI: Woran kann man es erkennen, dass Sie nach dem christlichen Glauben leben?

BF: Durch diesen Glauben bin ich von meinen früheren Sünden befreit und bin von meinen früheren Sünden reingewaschen worden. Ich glaube wirklich an Jesus Christus, denn Jesus Christus ist von Gott geschickt worden, um uns zu retten. Er ist Sohn der heiligen Maria und ist wegen unserer Sünden gekreuzigt worden. Gott liebt uns so sehr, so dass er uns seinen Sohn geschickt hat, um uns zu führen und uns zu helfen und unsere Sünden reinzuwaschen. Früher litt ich an Depressionen und war sehr traurig, ich war sehr unter Druck und bin als Frau immer wieder unterdrückt worden. Ich konnte kein freies Leben leben. Ich konnte nicht einmal das Haus verlassen und fürchtete mich. Ich kann mich erinnern, als ich noch bei der Familie meines Mannes lebte, wollte ich meine Heiratsurkunde offiziell amtlich bestätigen lassen. Als ich bei der Behörde war, um zu vermerken, dass ich nun Witwe sei, sagten mir die dortigen Beamten, die selbst teilweise Mullahs waren, dass dies nicht geht und schlugen mir vor, mit ihnen Sex zu haben. Aber seitdem ich hier bin, ist mein Stress viel weniger geworden, der physische Druck ist weg und durch diesen neuen Glauben fühle ich mich wie neu geboren. Ich fühle mich wie eine neue Person, die früher in Dunkelheit lebte und nun das Licht gefunden hat. Ich bin viel ruhiger und diese Wut, die ich im Herzen hatte, die ist verschwunden. Ich habe ein reines Herz. Ich betrachte mich als einen neuen Menschen und versuche, meine Vergangenheit zu vergessen. Ich fühle mich wie in einer neuen Welt. Ich möchte diesen Weg weiterverfolgen, damit alles so bleibt.

RI: Wie äußerst sich ihr Glaubenswechsel in Ihrem Alltag?

BF: Ich sehe hier, dass die Frauen genauso wie die Männer arbeiten. Ich kann hier alles das, was ich früher nicht machen konnte, verfolgen. Ich möchte nicht hier wie eine ungebildete Frau zu Hause sitzen und nichts tun. Ich möchte wie die Österreicherinnen hier leben. Zuerst möchte ich die Sprache lernen, damit ich mit anderen mehr Kontakt habe. Derzeit besuche ich einen Deutschkurs und in Zukunft möchte ich das, was ich im Iran vorhatte zu machen, nämlich als Schneiderin oder als Visagistin arbeiten. In Zukunft möchte ich ein eigenes Geschäft haben oder in einem anderen Betrieb arbeiten. Ich möchte wie die anderen arbeiten. Ich hasse es zu Hause zu sitzen und nichts zu tun. Wenn ich vom Deutschkurs zurückkomme besuche ich auch die Kurse im Heim. Ich möchte nicht wie die anderen, die zu Hause sitzen und Sozialhilfe beziehen, leben. Ich möchte draußen sein und etwas dazu beitragen. Ich möchte als Frau stark sein wie die anderen und arbeiten. Ich bin der österreichischen Regierung als Flüchtling dankbar und möchte das zurückgeben. Ich möchte wie die Menschen hier stark sein und arbeiten.

RI: Es ist wohl richtig, dass Ihnen das geschilderte in einer christlich geprägten Gesellschaft leichter möglich ist, ein Glaubenswechsel wäre dazu allerdings nicht notwendig gewesen. Sagen Sie mir bitte noch einmal prägnant, warum haben Sie den Glauben gewechselt?

BF: Kein Mensch kann ohne Religion leben. Jeder Mensch hat seine eigene Religion. Da ich von Islam so enttäuscht wurde und diesem den Rücken kehrte und als ich herkam und in der Kirche mich näher befasste, stelle ich fest, das dies die vollkommenste aller Religion sei und die richtige Entscheidung für mich. Niemand kann einem zu etwas zwingen, denn Religion soll aus freiem Willen geschehen. Eine Religion, in der kein Blut fließt, kein Zwang herrscht, kein Unterschied zwischen Mann und Frau besteht. Das ist eine vollkommende Religion. Wenn man erwachsen ist kann man besser zwischen gut und böse unterscheiden. Ich war in einer Gesellschaft wo Frauen permanent unterdrückt waren. Die Frauen durften keine Entscheidungen treffen, niemand hat mich dazu gezwungen, diesen Glauben anzunehmen. Ich habe aus tiefsten Herzen diese Entscheidung getroffen. Als ich die Bücher gelesen habe, die Menschen dort gesehen habe, habe ich selbst entschieden. Ich glaube daran aus tiefstem Herzen und das wird auch bis zum Ende meines Lebens der Fall sein. Ich bete regelmäßig. Wenn ich sterbe und noch einmal leben sollte, so würde ich mich wieder für diese Religion entscheiden.

[...]

RI: Sagt Ihnen der Name XXXX etwas?

BF: Ja, aber ich nehme Tabletten und leide unter Vergesslichkeit. Es sind starke Tabletten. Ich kann diese Tabletten auch nicht sofort absetzen. Es sind Tabletten gegen Stress und für die Nerven. Wenn ich einen starken Migräneanfall habe kann ich teilweise nichts sehen. Ich leider so sehr unter Vergesslichkeit, dass ich meine eigene Rufnummer nicht kenn. Auch zu Hause in XXXX verlaufe ich mich oft und finde nicht sofort nach Hause. Auch in Wien kenne ich mich nicht aus.

RI: Wir möchten aber noch die " XXXX " weiter hinterfragen. Sie wissen, dass Sie in einer Freikirche getauft wurden?

BF: Ja.

RI: XXXX ist der griechische Name für Fisch.

BF: Ja, das stimmt.

BF: Wissen Sie, was der Fisch als Symbol in der Christenheit bedeutet?

BF: Soweit ich weiß, ist es ein Symbol für Freiheit. Soweit mir das erzählt wurde. Ich habe einmal XXXX gefragt, was dieser Fisch bedeutet. Sie sagte, das wäre das Zeichen der Kirche. Die Bedeutung hat sie mir nicht erzählt. Ich habe auch nicht gefragt. Das bedeutet, dass ein Fischer Christ wurde.

RI: Feiern Sie die christlichen Feiertage?

BF: Ja, XXXX hat mich mitgenommen, ich kenne sie. Manchmal konnte sie nicht kommen oder manchmal war ich krank.

RI: Wie regelmäßig gehen Sie zum Gottesdienst?

BF: Ich gehe jeden Sonntag in den Gottesdienst.

RI: Betätigen Sie sich in irgendeiner Weise in der Pfarre?

BF: Wenn irgendwelche Veranstaltungen stattfinden, helfe ich mit. Ansonsten kann ich nicht sehr behilflich sein, weil ich die Sprache nicht sehr gut kann. Da ich aber sehr gerne male, hat XXXX mir gesagt, ich kann für die Kirche Zeichnungen machen und wenn irgendwelche Ausstellungen sind, diese ausstellen. Es ist ausgemacht, dass ich für die Kirche eine Zeichnung anfertige für Weihnachten.

RI: Welche anderen Feiertage kennen Sie noch außer Weihnachten?

BF: Die Geburt Jesus Christus, die Auferstehung und Pfingsten.

RI: Wissen Sie, wie das Fest der Auferstehung heißt? Oder wann es stattfindet?

BF: Das Datum weiß ich nicht. Ich habe bei Pfingstfeierlichkeiten beobachtet, dass der Pfarrer ein ungegorenes Brot und Wein verteilt hat. Das Fest findet am Sonntag nach Wiederauferstehung Jesus statt. Der Name Ostern sagt mir jetzt nichts. Die Wiederauferstehung bedeutet, das Jesus Christus ist am Freitag gekreuzigt worden und am Sonntag darauf auferstanden ist. Es ist für mich sehr viel alles zu merken. Je mehr ich hingehe, umso mehr lerne ich darüber.

RI: Haben Sie einen Taufvorbereitungskurs gemacht?

BF: Ja, ich habe ein Buch erhalten worin Erklärungen über Jesus, Gott und den Heiligen Geist enthalten sind. Wir stellen in der Gruppe diesbezüglich Fragen. Das Buch habe ich seit ca. 3 bis 4 Monaten. Uns wird das Buch jetzt immer näher erklärt.

RI: Dabei handelt es sich aber nicht um die Bibel.

BF: Nein, wir reden aber auch über die Bibel. Letztendlich reden wir hauptsächlich nur über die Bibel. Aber es ist nicht die Bibel. Es sind Erklärungen über die Bibel, über Menschen, die früher eine andere Religion hatten und jetzt Christen sind. Meistens sind es Erklärungen über den neuen Glauben an das Christentum. Darin ist die Biographie von Jesus und die Grundzüge der Kirche erklärt und wie sich das Leben eines Konvertiten ändert. Wenn nicht alle anwesend sind, kommen diese Kurse allerdings nicht zustande. Es kommt manchmal vor, dass XXXX nicht für uns übersetzen kann und wir sitzen nur herum und reden. Letzten Sonntag z.B. war die 70. Jubiläum der Gründung des Staates Israel und wir waren alle in einem Hotel geladen in XXXX . Die verschiedenen Pfarrer haben dort eine Rede gehalten. Es fand auch ein kleines Theaterstück statt. Das Ganze fand natürlich auf deutsch statt. Ich habe mich dann später zu Hause in meinem Buch erkundigt. Diese Kurse finden immer noch statt.

RI: Haben Sie eine Bibel?

BF: Ja, ich habe eine Bibel und ich lese darin.

RI: Haben Sie auch einen christlichen Namen erhalten bei der Taufe?

BF: Nein, das ist in unserer Kirche nicht üblich.

RI: Sagen Ihnen die 10 Gebote etwas?

BF: Meinen Sie die christlichen 10 Gebote?

RI: Ja.

BF: Glaube, Beichte.

RI: Das sind die Sakramente.

BF: Wenn jemand dir Böses tut, dann sollst du nichts Böses zurückgeben, Böses nicht mit Bösem vergelten.

RI: Sagt Ihnen das Gebot "Du sollst nicht töten" etwas?

BF: Ich kenne es. Auch z.B. "Du sollst nicht stehlen", "du sollte nicht lügen".

RI: Würden Sie Ihrer Familie davon erzählen, dass Sie jetzt Christin sind, wenn Sie mit ihr Kontakt hätten?

BF: Das kann ich ihnen niemals sagen.

RI: Was würde passieren?

BF: Meine Familie ist eine sehr muslimische Familie. Sie suchen grundsätzlich den Ehemann für die Tochter aus und in meiner Familie kann eine Frau nicht frei entscheiden. Wenn ich meinem Vater davon erzähle, wird er selbst mich umbringen. In meiner Familie hat mein Vater mich nie nach meiner Meinung gefragt. Sobald ich meine Meinung kundtun wollte, sagte er mir, ich solle den Mund halten.

RI: Sie haben gesagt, es würde Ihnen nicht in der Unterkunft gutgehen. Weshalb?

BF: Die Frauen, die dort leben, sind alle Muslime. Einmal wollten sie eine Einladung geben und eine sagte, wir sollten auch die XXXX einladen und sie sagten aber nein, sie ist ungläubig und finden mich als unrein, sobald ich ihre Räume betrete. Als ich eines Sonntag Nachmittags nach der Kirche nach Hause kam und sie begrüßte, lachten sie mich aus und sagten, die Ungläubige ist wieder da. Ich habe lediglich nur mit einer dort Kontakt und sie sagte mir, sie beschuldigen mich, ungläubig, ein Heide, zu sein. Ich kann die Tür meines Zimmers nicht offen lassen. Es ist schon einmal passiert, dass meine Kleidung verschwunden war oder mein Handy weg war. Sie sind nach einiger Zeit wieder aufgetaucht, aber als ich sie gefragt habe, haben sie gesagt, sie waren es nicht.

RI: Sagen Sie mir zwei Beispiele wie Sie Ihren Glauben leben und die Bibel im Alltag umsetzen. (siehe Schreiben der Pastoralassistentin vom 04.09.2018)

BF: Ich habe in der Bibel gelesen, dass die Gläubigen (Christen) sehr viel gelitten haben und sehr viel erdulden mussten. Dass diese nicht Böses mit Bösem vergelten und andere respektvoll behandeln und Gott darum bitten, für sie zu beten, damit auch Gott uns läutert. Wenn wir Probleme haben, geduldig zu sein, wenn ich hineinsehe, wie die anderen mit mir umgehen, leide ich zwar sehr, aber trotzdem begegne ich ihnen mit einem Lächeln. Niemals fange ich an, mit Ihnen zu streiten. Aber ich lasse auch nicht zu, dass sie mich beleidigen. Ich rede mit ihnen, ich zitiere die Bibel, dass ich nichts Unrechtes getan habe und zitiere aus der Bibel. Manche verstehen das und beruhigen sich, aber andere sind nicht zu bekehren. Wenn irgendwelche Feierlichkeiten stattfinden, helfe ich ihnen. Ich koche, weil ich besser kochen kann oder bewirte die Gäste dort. Wenn sie irgendwas brauchen, versuche ich, von der Kirche aus, ihnen behilflich zu sein. Ich bringe Essen und Kleidung. Ich begegne ihnen mit einem Lächeln und Freundlichkeit.

RI: Sie haben sich gegen eine neuerliche Zwangsverheiratung gewehrt.

Angenommen Sie hätten Kinder: Beschreiben Sie mir bitte, wie würde es mit der Wahl des Lebenspartners aussehen und ganz allgemein, wie würden Sie diese erziehen? Was wäre Ihnen ein besonderes Anliegen?

BF: Das Wichtigste ist für mich die Freiheit, körperliche und geistige Freiheit. Wenn ich Kinder haben sollte, möchte ich, dass meine Kinder ihren eigenen Willen leben, egal ob Bub oder Mädchen, und den künftigen Partner selbst aussuchen. Ich versuche ihnen soviel Liebe zu geben und Glaube zu geben, damit sie selbst den richtigen Weg finden können. Wenn sie den falschen Weg gehen sollten, werde ich sie bekehren und führen. Ich möchte nicht, dass sie, wie ich, ohne Ausbildung sind. Ich möchte, dass sie eine gute Ausbildung haben und etwas erreichen, damit ich auf sie stolz sein kann. Ich meine mit dem falschen Weg z.B., dass ich nicht möchte, dass meine Kinder stehlen oder lügen. Ich möchte sie nicht unter Druck setzen, ich möchte lieber eine Freundin für sie als eine Mutter für sie sein.

RI: Was würde Ihrer Meinung nach passieren, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren würden?

BF: In Afghanistan wird eine Frau wie eine Gefangene behandelt. Ich bin Hazara und die Hazara haben dort keinen Platz zum Leben. Die A kennen zuerst den Gott und dann die Männer. Eine Frau hat dort keinen Platz. Ich kann nicht leugnen, dass ich eine Christin bin. Ich möchte dort frei beten, ich möchte frei leben und dieses Leben so weiter leben. Ich möchte mich auf keinen Fall verschleiern und zu Hause sitzen. Falls ich in Zukunft wieder heiraten sollte und Kinder bekäme, möchte ich diese Freiheit auch für meine Kinder. Die Hälfte meines Lebens ist bereits vergeudet, ich habe sehr viel gelitten und ertragen. Ich bin vergewaltigt und geschlagen worden, beleidigt worden. Ich möchte nicht, dass das in Zukunft meinen Kindern passiert. Auf keinen Fall möchte ich mein altes Leben wiederhaben.

RI gibt RV die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Anmerkungen zu machen.

RV: Haben Sie weitere Verwandte in Afghanistan?

BF: Entfernte Verwandte, meinen Onkel mütterlicherseits und meine Großmutter mütterlicherseits. Als meine Eltern damals in den Iran ausgewandert sind, gab es keine Telefone oder so etwas. Meine Mutter hat lediglich ein altes Foto ihres Bruders und ihrer Mutter. Ansonsten besteht kein Kontakt mehr zu der Familie in Afghanistan.

RV: Tragen Sie christliche Symbole?

BF: Ja, ich trage ein Kreuz, aber ich verstecke es meistens in meiner Kleidung. Einmal war ich in XXXX auf einem türkischen Markt, als ein anderer Afghane das gesehen hat, hat er mit der Faust in meinen Bauch geschlagen. Ich habe ihn nicht genau sehen können, weil der Markt sehr voll war. Aber ich hörte, wie er zu mir Ungläubige sagte. Das war damals 2 Monate nach meiner Operation. Mir war so schlecht, dass ich wieder zum Arzt musste. Deswegen verstecke ich es, da wo sich Muslime aufhalten."

XXXX , geb. XXXX , Leitung Sozialdienst Flüchtlingsarbeit in der XXXX , wurde als Zeugin einvernommen und gab Folgendes an (Z = Zeugin):

"RI: Wo und wann haben Sie Frau XXXX kennengelernt?

Z: ich weiß es nicht ganz genau, es war im Sommer 2017 in der Kirche der XXXX Gemeinde.

RI: Wie hat sich der Weg der BF zum Glauben entwickelt?

Z: Die persischsprachige Mitarbeiterin (Schwester XXXX ) hat mir erzählt, sie will einfach in eine Kirche mitkommen, weil sie wissen möchte, wie der christliche Glaube wirklich ist. Kurze Zeit später hat sie gefragt, ob sie mehr lernen kann. Es gab einen Alpha-Kurs (Bibel-Kurs) im Zimmer einer iranischen Familie, den Schwester XXXX abhält. Dort ist die BF regelmäßig hingegangen und auch in den Gottesdienst in die Kirche gekommen. Wir haben ab Februar 2018 auch begonnen, am Sonntag nach dem Gottesdienst einen Bibelkurs bzw. Taufvorbereitungskurs zu machen, an dem sie auch teilgenommen hat. Sie hatte auch schon viel gewusst.

RI: Finden diese Kurse heute noch statt?

Z: Ja und Frau XXXX besucht diese Kurse auch weiterhin noch.

RI: Wer entscheidet darüber, ob ein Interessent schließlich auch getauft wird?

Z: Das entscheidet der Pastor. Es liegt eine Liste auf in der Kirche, in der sich die Taufinteressenten selbst eintragen und der Pastor führt schließlich noch ein abschließendes Gespräch mit den Interessenten. Bei dem Gespräch mit Frau XXXX war ich aber nicht dabei.

RI: Hatten Sie jemals Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Frau XXXX , den Glauben wechseln zu wollen?

Z: Nein, weil sie sich von Anfang an, als sie begonnen hat, sich mit der Bibel zu beschäftigen und sich ernsthaft entschieden hat, Jesus nachzufolgen, sich auch ganz offen vor ihren Bekannten zu dieser Entscheidung bekannt hat.

RI: Sie führen in Ihrem Schreiben aus, die Teilnehmer der Kurse würden davon profitieren, wie die BF die Bibel im Alltag umsetzt. Geben Sie mir bitte ein Beispiel.

Z: Ich weiß nicht über welches Thema wir gesprochen haben. Ich habe den Brief an die Epheser Kap 6 erwähnt. Da gibt es einen Abschnitt, der heißt, die Waffenrüstung Gottes. Dann ist die Übersetzerin kurz hinausgegangen und die BF hat von sich aus geantwortet und auch auf Fragen von anderen geantwortet, z. B. dass sie, wenn sie depressiv ist, einen Psalm nimmt und das betet. Im Alltag sieht man z.B. dass sie wenn sie von den Mitbewohnern beschimpft wird, nicht ärgerlich und aggressiv wird."

Das erkennende Gericht brachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin in das Verfahren ein (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11.09.2018) und verwies auf den Country Report on Human Rights Practices 2016 des US Department of State, auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.07.2018 sowie auf die Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern Dezember 2016, und auf den Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, 22. Februar 2018 und schließlich auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihren Fluchtgründen:

Aufgrund des Asylantrags vom 07.06.2017, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch die belangte Behörde, der Beschwerde vom 13.03.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX . Sie ist Staatsangehörige von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Vor ihrer Konversion zum Christentum bekannte sich die Beschwerdeführerin zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari, sie spricht auch Farsi und Deutsch.

Die Beschwerdeführerin wurde in XXXX in der Provinz Nangarhar geboren. Im Alter von drei Jahren verließ die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie Afghanistan und lebte ab diesem Zeitpunkt in XXXX , Iran. Sie hat im Iran elf Jahre die Schule besucht und diese auch abgeschlossen. Die Beschwerdeführerin war nicht berufstätig, hat jedoch einige Zeit unentgeltlich in einer Schneiderei gearbeitet und auch den Beruf der Visagistin gelernt. Im Jahr 2010 hat sie geheiratet, ihr Mann ist jedoch verstorben. Die Familie der Beschwerdeführerin sowie die Familie ihres verstorbenen Mannes halten sich nach wie vor im Iran auf. Die Beschwerdeführerin hat zu ihrer Familie derzeit keinen Kontakt.

Die Familie der Beschwerdeführerin ist sehr konservativ-religiös, vor allem ihr Vater. Ihre Familie hat auch ihren Ehemann ausgewählt. Einige Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes sollte die Beschwerdeführerin ihren Schwager, den älteren Bruder ihres verstorbenen Mannes, heiraten. Dies ging vor allem vom Schwager selbst und dessen Familie aus. Die Beschwerdeführerin hat sich gegen diese neuerliche Zwangsverheiratung gewehrt. Von ihrer eigenen Familie erhielt sie aufgrund deren konservativer Einstellung keine Hilfe. Der Schwager hat die Beschwerdeführerin sehr unter Druck gesetzt und wollte sie umstimmen. Schließlich hat der Schwager die Beschwerdeführerin vergewaltigt und, als sie sich wehrte, die Treppe heruntergestoßen. Aufgrund der unerträglichen Situation flüchtete die Beschwerdeführerin unter dem Vorwand des Besuches eines heiligen Schreines zu ihrer Freundin, wo sie einige Monate verbrachte. Von dieser Freundin hat die Beschwerdeführerin erfahren, dass ihr Schwager sie suchen würde und auch ihre Eltern bedroht habe. Schließlich hat die Beschwerdeführerin den Iran verlassen. Inzwischen hat sie erfahren, dass ihr Schwager sie des Ehebruchs beschuldigt.

In Österreich nützt die Beschwerdeführerin die Freiheit, die ihr bisher verwehrt war. Sie besucht Kurse, derzeit einen Deutschkurs Niveau A1, und geht - den Möglichkeiten ihrer derzeitigen Unterbringung entsprechend - alleine einkaufen. Sie kleidet sich modisch, trägt keinen Schleier oder Hijab (den sie im Iran tragen musste) und schminkt sich. Die Beschwerdeführerin legt sehr großen Wert auf ihre Eigenständigkeit und hat sich auch aus freiem Willen zu einer Konversion zum Christentum entschieden. Sie beabsichtigt, künftig jedenfalls berufstätig zu sein. Sie hat Interesse daran, als Schneiderin oder Visagistin zu arbeiten. Falls die Beschwerdeführerin einmal Kinder haben sollte, ist es ihr ein wesentliches Anliegen, dass diese in Freiheit und ohne Druck aufwachsen und eine gute Ausbildung erhalten. Die Partnerwahl soll den Kindern überlassen sein. Sie sieht sich als Freundin ihrer Kinder, denen sie unterstützend zur Seite stehen will.

Aufgrund ihrer negativen Erfahrungen vor ihrer Flucht hat sich die Beschwerdeführerin vom Islam abgewandt. In Österreich hat die Beschwerdeführerin das Christentum näher kennengelernt. Sie wollte sich mit der österreichischen Kultur und mit der christlichen Religion intensiver befassen. Sie ist mit XXXX , einer Flüchtlingsbetreuerin, die "Schwester XXXX " genannt wird, ins Gespräch gekommen und wurde von dieser auf eigenen Wunsch in eine Kirche in XXXX mitgenommen und auch dem dortigen Pfarrer vorgestellt. Die Beschwerdeführerin hat sich mehr und mehr für das Christentum interessiert und Gefallen an dieser Religion gefunden. Seit Sommer 2017 nimmt sie regelmäßig freitags an einem Glaubenskurs teil und besucht jeden Sonntag den Gottesdienst. Seit Februar 2018 besucht die Beschwerdeführerin am Sonntag nach dem Gottesdienst einen Bibelkurs bzw Taufvorbereitungskurs. Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin schließlich in der XXXX getauft. Auch nach ihrer Taufe besucht die Beschwerdeführerin nach wie vor die Heilige Messe und den Glaubens- sowie den Bibelkurs und betet auch regelmäßig. Sie besitzt eine Bibel und liest auch darin. Die Beschwerdeführerin hilft ehrenamtlich in der Pfarre mit, etwa bei Veranstaltungen. Die Beschwerdeführerin praktiziert ihren Glauben offen und hat aufgrund ihrer Konversion Probleme mit ihren afghanischen Mitbewohnern im Heim, so wird sie etwa als "Ungläubige" bezeichnet. Sie trägt ein Kreuz, versteckt dieses jedoch in Gegenwart von Muslimen, da sie einmal von einem anderen Afghanen aufgrund des Kreuzes geschlagen und beschimpft wurde. Die Beschwerdeführerin möchte ihrer Familie keinesfalls von ihrer Konversion erzählen, da sie negative Konsequenzen befürchtet.

Die persönliche Haltung der Beschwerdeführerin über die Lebensverhältnisse und die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zugang zu Erwerbstätigkeit mehrheitlich unterworfen sind. Die Lebensweise der Beschwerdeführerin in Österreich ist als "westlich", sohin an einem auf ein selbstbestimmtes Leben ausgerichteten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert, zu bezeichnen. Dies zeigt sich auch an ihrer Entscheidung, vom islamischen Glauben zum Christentum zu konvertieren, welche sie aus freier und persönlicher Überzeugung getroffen hat. Die von der konservativ-afghanischen Tradition geprägten Lebensumstände, welchen die Beschwerdeführerin im hypothetischen Fall eines Lebens in Afghanistan unterworfen wäre, stehen mit jenen, welche sie sich aus freiem Willen zu gestalten wünscht bzw bereits gestaltet hat, ganz offensichtlich in unüberwindbarem Gegensatz.

Abgesehen davon kann davon ausgegangen werden, dass der Glaubensübertritt der Beschwerdeführerin von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen ist. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin ihren christlichen Glauben ablegen oder verleugnen würde.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Gründe, nach denen ein Ausschluss der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

a. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018; Auszüge)

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Quellen:

-

AFP - Agence France-Presse (11.9.2018): Student killed in twin bomb attack near Afghan girls' school, https://www.afp.com/en/news/23/student-killed-twin-bomb-attack-near-afghan-girls-schooldoc-1904hc1, Zugriff 11.9.2018

-

AJ - Al Jazeera (10.9.2018): Afghanistan: Bomb attack hits Ahmed Shah Massoud supporters,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-bomb-attack-hits-ahmed-shah-massoudsupporters-180909112746171.html, Zugriff 11.9.2018

-

AJ - Al Jazeera (6.9.2018): Afghanistan: Two journalists among 20 killed in Kabul blasts,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-deadly-suicide-attack-kabul-sports-club- 180905142909428.html, Zugriff 11.9.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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