TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/9 L510 1255190-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2018
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Entscheidungsdatum

09.10.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L510 1255190-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2018, Zl: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die Dauer des befristeten Aufenthaltsverbotes in Spruchpunkt I. auf 2 Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Mit im Spruch angeführten Bescheid erließ das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen die beschwerdeführende Partei (bP), XXXX, gem. § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.). Gem. § 70 Abs. 3 FPG erteilte es keinen Durchsetzungsaufschub. Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gem. § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.).

2. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Am 05.10.2018 langte der Verfahrensakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die Identität der bP steht fest. Sie heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Staatsangehöriger der Türkei und begünstigter Drittstaatsangehöriger. Sie ist eine arbeitsfähige Person und ist gesund.

Sie ist der Ehegatte der XXXX, geb. am XXXX, StA. Rumänien und Vater des XXXX, geb. am XXXX, des XXXX, geb. am XXXX, sowie des XXXX, geb. am XXXX.

Die bP wohnt mit ihrer Ehegattin und den Kindern XXXX und XXXX in einer gemeinsamen Unterkunft. Ihr Sohn XXXX lebt nicht bei der bP.

Die bP war hauptsächlich geringfügig beschäftigt und ist sie derzeit neben einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis Bezieher von Notstandhilfe.

Die bP reiste erstmalig am 30.12.2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 27.12.2005 wurde sie wegen Körperverletzung gem. § 83 StGB und 3-mal schwerer Nötigung gem. § 106 StGB diversionell verurteilt.

Am 19.01.2008 erfolgte seitens der PI XXXX eine Anzeige gegen sie wegen § 84 StGB (schwere Körperverletzung).

Am 17.08.2011 erfolgte seitens der PI XXXX eine Anzeige gegen sie wegen § 107 StGB (gefährliche Drohung).

Das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz wurde mit 18.08.2011 in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Am 11.03.2013 erfolgte die Abschiebung in ihren Herkunftsstaat.

Spätestens am 23.12.2013 reiste sie erneut illegal in das Bundesgebiet ein und begründete mit gleichem Datum einen Hauptwohnsitz.

Am 15.01.2014 wurde sie seitens des LG XXXX zufolge der Straftat vom 17.08.2011 wegen gefährlicher Drohung gem. § 107/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

Am 16.04.2014 wurde ihr eine Ausreiseverpflichtung zufolge ihres negativ entschiedenen Antrages auf internationalen Schutz schriftlich zur Kenntnis gebracht.

Am 27.05.2014 erfolgte ihre Ausreise aus dem Bundesgebiet, wobei sie ihren zu dieser Zeit gemeldeten Hauptwohnsitz bis 03.07.2017 aufrecht hielt und auch seither unterbrechungsfrei bis dato gemeldet ist.

Am 12.05.2015 wurde sie seitens des BG XXXX zufolge der Straftat vom 15.05.2014 gem. § 198/1 StGB wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat verurteilt.

Am 11.10.2016 wurde ihr durch den Magistrat XXXX eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers (gültig bis 02.10.2021) erteilt.

Am 13.06.2018 wurden sie seitens des BG XXXX zufolge der Straftat vom 01.06.2017 wegen Diebstahl gem. § 127 StGB verurteilt.

Per 03.07.2018 wurde sie über die Einleitung des gegenständlichen Verfahrens und die bis dahin ergangene Beweisaufnahme informiert und ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 14 Tagen hierzu eingeräumt, welche sie jedoch nicht in Anspruch nahm.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.09.2018 wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

2. Beweiswürdigung

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und aktueller Anfragen im ZMR und Informationssystem Zentrales Fremdenregister und der eingebrachten Beschwerde.

Die Identität ergibt sich aus einer vorgelegten Personenstandsurkunde (Nüfus) vom 29.08.2003. Die Familienverhältnisse der bP ergeben sich aus den Erhebungen des BFA, Sozialversicherungsdatenauszügen, dem ZMR und den Angaben der bP in ihrer Beschwerde.

Die Beschäftigungsdaten ergeben sich aus den Sozialversicherungsauszügen und wurden im Verfahren nicht bestritten. Dass die bP gesund und arbeitsfähig ist wurde im Verfahren nicht bestritten.

Dass die bP begünstigter Drittstaatsangehöriger ist, ergibt sich aus ihrer Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen, belegt durch die entsprechenden Datenauszüge.

Die sonstigen Feststellungen ergeben sich aus den entsprechenden Unterlagen im Verwaltungsverfahrensakt und wurden diese verfahrensgegenständlich nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.

§ 67 FPG lautet wie folgt:

(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Gegenständlich ergibt sich folgendes:

Vorauszuschicken ist, dass sich die bP nicht in einem zehn Jahre übersteigenden Zeitraum durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten hat, weshalb der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nicht als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Während ihres Aufenthaltes wurde die bP wegen folgender Delikte verurteilt:

Per 27.12.2005 diversionell gem. § 83 StGB (Körperverletzung) und 3x § 106 StGB (schwere Nötigung) zufolge der Straftaten vom August 2005.

Per 15.01.2014 (rk. 21.01.2014) seitens des LG XXXX zufolge der Straftat vom 17.08.2011 gem. § 107/1 StGB (gefährliche Drohung) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten.

Per 12.05.2015 (rk. 15.05.2015) seitens des BG XXXX zufolge der Straftat vom 15.05.2014 gem. § 198/1 StGB (Verletzung der Unterhaltspflicht) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat.

Per 13.06.2018 (rk. 19.06.2018) seitens des BG XXXX zufolge der Straftat vom 01.06.2017 gem. § 127 StGB (Diebstahl) zu einer Geldstrafe.

Was das persönliche Verhalten der bP betrifft, so ist festzustellen, dass sich aus ihrem in Österreich geführten Asylverfahren (rechtskräftiges Erkenntnis des AsylGH v. 14.07.2011, Zl. E7 255.190-0/2008/28E) ergibt, dass sie im Jahr 2003 mit ihrer früheren Gattin und dem 2000 geborenen Sohn in das Bundesgebiet eingereist ist. 2008 erfolgte die Trennung vor dem Hintergrund dessen, dass die bP 2004 und 2008 polizeilichen Ermittlungen und anschließendem strafgerichtlichen Verfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung gegenüber ihrer Gattin unterworfen war. Während der Vorfall 2004 zu einem außergerichtlichen Tatausgleich zwischen der bP und ihrer Gattin führte, war diese im Jänner 2008 angesichts der schweren körperlichen Übergriffe auf sie nicht mehr gewillt, die Ehe fortzusetzen. Diese wurde 2009 aus alleinigem Verschulden der bP geschieden.

Die Verurteilung wegen gefährlicher Drohung erfolgte, da die bP den Geschädigten mit der Zufügung zumindest einer Körperverletzung bedrohte.

Für ihren Sohn leistete die bP in der Zeit von 01.10.2014 bis 12.05.2015 keinen Unterhalt, was letztlich zu dieser entsprechenden Verurteilung führte.

Bei ihrer Verurteilung gem. § 127 stellte das zuständige Gericht keinen Milderungsgrund fest, jedoch als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe (bei 2 Vorstrafen insgesamt).

Diese Straftaten der bP zeigen, dass ihr persönliches Verhalten eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal die letzte Tat noch nicht lange zurückliegt und somit der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung sprechen zu können. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund dessen, dass die bP wiederholt regelmäßig Straftaten beging und dabei auch vor Gewalt oder Androhung von Gewalt nicht zurückschreckte, was auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichischer Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hinweist. Die Verhinderung strafbarer Handlungen stellt jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Durch die wiederholt begangenen Straftaten der bP, greift das Argument in der Beschwerde, dass die bP einen längeren Zeitraum nicht straffällig geworden ist, weshalb eine Wiederholungsgefahr nicht wahrscheinlich sei, eben gerade nicht.

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (insbesondere körperliche Unversehrtheit, Schutz von Vermögen) als gegeben angenommen werden (VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).

Hinsichtlich der Beschwerdeangaben, dass die bP in Bezug auf das Ausmaß der verhängten Strafen stets in nur sehr geringem Maße verurteilt wurde, weist das erkennende Gericht darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs, betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgans (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Die bP hat nicht unerhebliche private- und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Das Aufenthaltsverbot bildet daher einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben, weshalb es diesbezüglich zu einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung bedarf, ob das Aufenthaltsgebot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

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die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene

Rechtsordnung zu subsumieren ist;

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zur Verhinderung von strafbaren Handlungen;

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zum Schutz der Gesundheit und der Moral;

Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z. 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:

-

Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Nach ihrer Abschiebung in die Türkei am 11.03.2013 infolge eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz reiste die bP spätestens Ende 2013 wieder illegal in Österreich ein. Am 27.05.2014 erfolgte die erneute Ausreise aus dem Bundesgebiet nach Rumänien (Ausreisebestätigung der ÖB Bukarest v. 28.05.2014). Am 11.10.2016 wurde ihr durch den Magistrat XXXX eine aufenthaltsberechtigungskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers (gültig bis 02.10.2021) erteilt. Ab diesem Zeitpunkt hält sich die bP rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

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das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

Die bP hat mit ihrer Gattin, einer rumänischen Staatsangehörigen, zwei gemeinsame Kinder. Sie lebt mit ihrer Gattin und den zwei Kindern an einer gemeinsamen Unterkunft. Zudem wohnt ein weiteres Kind der bP aus erster Ehe in Österreich, jedoch an einer anderen Adresse.

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Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren

Die maßgeblichen privaten- und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich sind zum Teil während des legalen Aufenthaltes und zum Teil während des illegalen Aufenthaltes der bP entstanden.

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Grad der Integration

Die bP lebte wie bereits dargestellt während der Dauer ihres Asylverfahrens in Österreich, welches jedoch auf einer unbegründeten Asylantragstellung beruhte. Danach lebte sie illegal in Österreich bis zu ihrer Abschiebung in die Türkei. Sie reise wiederum illegal ein und verließ Österreich infolge einer bestehenden Ausreiseverpflichtung zufolge des negativen Asylantrages nach Rumänien. Seit 11.10.2016 hält sich die bP aufgrund der Verehelichung mit ihrer rumänischen Gattin rechtmäßig in Österreich auf. Sie ging vereinzelt einer Beschäftigung nach, wobei sie jedoch überwiegend nur geringfügig beschäftigt war. Über weite Strecken bezog sie jedoch Arbeitslosengeld und Notstandhilfe. Auch zur Zeit ist die bP nur geringfügig beschäftigt und bezieht Notstandshilfe. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit kann somit nicht gesprochen werden. Die bP kann sich in deutscher Sprache verständigen. Diesbezüglich wird den Angaben in der Beschwerde gefolgt.

Die bP wurde strafrechtlich wegen der o. a. Delikte rechtskräftig verurteilt.

-

Bindungen zum Herkunftsstaat und zu Rumänien

Die beschwerdeführende Partei ist in der Türkei geboren und verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Türkei, wohin auch bereits eine Abschiebung nach ihrem negativen Asylverfahren in Österreich erfolgte. Auch wenn die bP nicht mehr über wesentliche familiäre Anknüpfungspunkte in der Türkei verfügt, weil ihr Vater wie in der Beschwerde ausgeführt verstorben ist, kam im Verfahren nicht hervor, weshalb es ihr dort nicht möglich sein sollte erneut Fuß zu fassen und zu leben, insbesondere wo die bP jung und gesund ist.

Zudem lebte sie bereits in Rumänien und hatte dort laut eigenen Angaben in der Beschwerde einen Aufenthaltstitel von 08.08.2013 bis 07.08.2018. Ihre Gattin und die zwei Kinder, mit welchen die bP gemeinsam wohnt, sind rumänische Staatsangehörige. Es kam im Verfahren nicht hervor, weshalb es der bP nicht möglich sein sollte, mit ihrer Gattin und ihren beiden Söhnen, welche alle die rumänische Staatsbürgerschaft besitzen, den Lebensmittelpunkt nach Rumänien zu verlagern.

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strafrechtliche Unbescholtenheit

Die Verurteilungen ergeben sich aus obigen Angaben.

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- Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Das Verfahren wurde vor beiden Instanzen ohne größere Unterbrechungen durchgeführt.

Resümierend ist festzuhalten, dass die bP unzweifelhaft durch ihren langen Aufenthalt, welcher jedoch teilweise illegal war oder nur durch einen unberechtigten Asylantrag faktisch geschützt war, im Bundesgebiet erhebliche private und familiäre Anknüpfungspunkte hat. Es kam jedoch nicht hervor, dass sie ihre Familienangehörigen nicht auch in der Türkei besuchen könnten, sofern am Kontakt Interesse besteht bzw. die bP nicht mit ihrer Kernfamilie in Rumänien leben könnte. Von ihrem ältesten Sohn lebt die bP getrennt. Sie kam zum Teil auch ihrer Unterhaltspflicht diesem Sohn gegenüber nicht nach. Trotzdem wäre es möglich den Kontakt z. B. durch Besuche oder per Telefon oder Internet aufrecht zu erhalten. 2003 reiste die bP gemeinsam mit ihrer damaligen Gattin und ihrem ältesten Sohn aus der Türkei kommend nach Österreich ein. Gründe, dass ein Besuch in der Türkei nicht möglich wäre, kamen im Verfahren nicht hervor. Ebenfalls kam nicht hervor, weshalb der älteste Sohn die bP nicht auch in Rumänien besuchen könnte.

Die bP ist derzeit nur geringfügig beschäftigt und bezieht Notstandshilfe. Zu einem großen Teil ihres bisherigen Arbeitslebens bezog die bP Leistungen aus dem Arbeitslosenversicherungsgesetz und war sie über erhebliche Strecken nur geringfügig beschäftigt (siehe Auszug AJ-WEB, seit 19.05.2017 - laufend Arbeitslosengeld u. Notstandshilfe). Eine nachhaltige berufliche Verfestigung der bP in Österreich kann somit nicht erblickt werden.

Die bP hat regelmäßig Straftaten begangen. Wie bereits beschrieben, konnte aufgrund ihres persönliches Verhalten eine positive Zukunftsprognose nicht getroffen werden.

Die Aufenthaltsbeendigung erscheint daher - trotz der bestehenden erheblichen privaten und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich - zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist, zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit anderer und somit wegen Überwiegen der öffentlichen Interessen, als zwingend erforderlich.

Die bP stellt durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten jedenfalls eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich macht, wie das BFA richtigerweise feststellte. Diese Maßnahme ist angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele jedenfalls geboten.

Daran vermögen auch die Angaben in der Beschwerde nichts zu ändern, wenn dargelegt wird, dass die bP eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt erhalten habe, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Dies aus dem Grund, da die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nur eine Momentaufnahme darstellen kann und keinesfalls davon auszugehen ist, dass mit der Ausstellung dieser Karte und der darin kundgemachten Dauer für deren Gültigkeit endgültig darüber abgesprochen wurde, dass nicht Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu irgend einem späteren Zeitpunkt der Ausstellung oder weiteren Gültigkeit dieser Karte entgegen stehen können, wie sich insbesondere aus der einschlägigen Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG ergibt, wonach bei nicht mehr Vorliegen der Voraussetzungen das BFA zu befassen ist.

Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbots von 5 Jahren steht jedoch im Vergleich zum konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Erwägungen außer Relation.

Allerdings erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens der bP eine Herabsetzung des Aufenthaltsverbots auf weniger als zwei Jahre als nicht angemessen.

Das Aufenthaltsverbot ist somit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf zwei Jahre herabzusetzten.

Zu den Spruchpunkten II. und III.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Die bP legte in der Beschwerde dar, dass die sofortige Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes nicht erforderlich sei, da mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie erneut straffällig werde. Sie sei im Juni 2017 zuletzt straffällig geworden und nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Damit ist die bP nach Ansicht des BVwG in der Beschwerde der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht substantiiert entgegengetreten, wenn man das wie oben beschriebene persönliche Fehlverhalten der bP über die Jahre hinweg berücksichtigt.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erweist sich die sofortige Ausreise bzw. die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Die bP hat durch ihr Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass sie nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, was sich durch regelmäßig widerkehrende Verurteilungen gezeigt hat.

Die Beschwerde war daher hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ergab sich grundsätzlich aus den im Akt befindlichen Unterlagen, welchen auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Jene Aspekte, welche in der Beschwerde konkretisiert bzw. berichtigt wurden, wie z. B. die Tatsache, dass beide mit der bP zusammenlebenden Söhne ihre leiblichen Kinder sind, bzw. ihr Vater in der Türkei bereits verstorben ist, wurden durch das BVwG gänzlich zu Gunsten der bP berücksichtigt und so der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt, weshalb eine diesbezügliche Anhörung der bP nicht mehr erforderlich war. Bis auf die durch das BVwG ohnehin zugunsten der bP berücksichtigten Punkte hat das Bundesamt den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Aus den darüberhinausgehenden Angaben in der Beschwerde ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltsverbot, befristetetes Aufenthaltsverbot,
Diebstahl, Drohungen, Geldstrafe, Interessenabwägung,
Körperverletzung, Nötigung, öffentliche Interessen, Privat- und
Familienleben, Straftat, Strafverfahren, Unterhaltspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.1255190.2.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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