TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/9 L510 2156701-2

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Veröffentlicht am 09.11.2018
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Entscheidungsdatum

09.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L510 2156701-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF, §§ 57, 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z. 2 u. Abs. 9, 46, 55 Abs. 1a und 53 Abs. 1 iVm 2 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.07.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die bP ist ein Mann irakischer Staatsangehörigkeit mit arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und gehört der schiitischen Religionsgemeinschaft an.

Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2017, Zl. XXXX, gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebungen gem. § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die von ihr gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.07.2017,

Zahl: L513 2156701-1/5E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit 05.07.2017 in Rechtskraft. Der Verwaltungsgerichtshof wies die von ihr dagegen eingebrachte

Revision mittels Beschluss vom 14.09.2017, Zahl: Ra 2017/01/0255-4, zurück.

2. Am 31.10.2017 stellte die bP einen weiteren, den nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Folgeantrag der bP wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in den Irak gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG werde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Dagegen wurde durch die Vertretung der bP fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der bP:

Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, führt den im Spruch genannten Namen, ist an dem dort angeführten Geburtsdatum geboren, ist Angehöriger der arabischen Volksgruppe und gehört der Religionsgemeinschaft der Schiiten an.

Sie lebte überwiegend im Irak, wurde dort sozialisiert und spricht ihre Landessprache auf muttersprachlichem Niveau. Im Irak leben die Eltern, 7 Brüder, 3 Schwestern und sonstige Verwandte. Die bP hat zu ihren engsten Angehörigen regelmäßigen Kontakt. Zudem hat sie Freunde im Irak. Die bP ist gesund und arbeitsfähig. Im Irak besuchte sie 6 Jahre lang die Grundschule, 3 Jahre lang die Mittelschule und 3 Jahre lang das Gymnasium. Im Irak arbeitete sie als Bäcker und ging es ihr wirtschaftlich gut.

Die bP hat keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die bP arbeitete von 16.11.2017 bis 06.05.2018 und von 12.07.2018 bis 16.09.2018 aufgrund erteilter befristeter Beschäftigungsbewilligungen (von 13.11.2017 bis 06.05.2018 und von 01.07.2018 bis 12.10.2018) im Betrieb "XXXX" in XXXX. Derzeit geht sie keiner geregelten Beschäftigung nach und bezieht Leistugnen aus der Grundversorgung. Die bP ist Mitglied im Sportverein "XXXX" in XXXX. In der Beschwerde scheint ein Ansuchen des "XXXX" um Wiedergenehmigung der bP als Mitarbeiter auf. Weiter liegen ein Unterstützungsschreiben und ein Empfehlugnsschreiben auf. Es liegt weiter ein ÖSD Zertifikat über die bestandene A2 Prüfung vom 20.09.2018 vor. Die bP nahm am 17.05.2018 am Werte- und Orientierungskurs gem. § 5 Integrationsgesetz teil.

1.2. Zu den Anträgen der bP auf internationalen Schutz:

Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 24.07.2015 (Verfahren des maßgeblichen Vergleichsbescheides)

Im Zuge ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz gab die bP befragt zu ihren Fluchtgründen bei der Erstbefragung am 25.07.2015 im Wesentlichen an, dass sie keine Beschwerden oder Krankheiten habe.

In Ihrem Herkunftsstaat würden noch ihre Eltern, ihre sieben Brüder und ihre drei Schwestern wohnhaft sein. Hier in Österreich oder einem anderen Staat der Europäischen Union würden sich keine Familienangehörigen von ihr aufhalten.

Bereits im Jahr 2007 habe sie sich zur Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat entschlossen, jedoch habe sie aber nicht die Möglichkeit dazu gehabt. Am 30.06.2015 sei sie legal, unter Verwendung ihres Reisepasses, von Bagdad/Irak aus nach Istanbul/Türkei geflogen. In weiterer Folge sei sie dann über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gelangt. Insgesamt habe diese Reise von 30.06.2015 bis 24.07.2015 gedauert und sie habe EURO 2.500, -- dafür bezahlt.

Die Situation in Bagdad sei wegen der ganzen Attentate sehr schlecht und sie würde für sich in Bagdad keine Zukunft mehr sehen. Im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat hätte sie Angst um Ihr Leben, da es dort sehr viele Anschläge geben würde und die Situation einfach gefährlich sei.

Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 13.03.2017 legte sie im Wesentlichen dar, dass sie keinerlei körperliche oder psychische Probleme habe. Sie heiße XXXX und sei in Bagdad geboren.

Sie würde dem Islam angehören und sei Schiite. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Alle ihre Familienangehörigen würden noch im Irak wohnhaft sein. Zu allen Familienangehörigen habe sie Kontakt. Ca. dreimal wöchentlich habe sie über Telefon oder Internet Kontakt und gehe es ihren Familienangehörigen gut. Ihr Vater sei bereits in der Pension und vier ihrer Brüder würden bei der Polizei arbeiten. Ein Bruder würde Strom erzeugen und diesen verkaufen und ihre weiteren zwei Brüder würden noch studieren. Neben ihren Familienangehörigen habe sie auch noch zu anderen Personen im Irak Kontakt. Diese Freunde würden ihr erzählen, dass bei ihnen alles in Ordnung sei und dass ihre Entscheidung, den Irak zu verlassen, richtig gewesen sei.

Hier in Österreich oder einem anderen Staat der Europäischen Union würden sich keine Familienangehörigen von ihr aufhalten. Bis auf einen einmonatigen Aufenthalt in Syrien habe sie immer im Irak gewohnt. Sie habe sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre lang die Mittelschule und drei Jahre lang das Gymnasium besucht. Im Irak habe sie dann als Bäcker gearbeitet. Sie habe ca. EURO 800, --/Monat verdient. Davon habe sie ca. EURO 300, --/Monat verbraucht und die restlichen EURO 500, --/Monat habe sie ansparen können. Den Alltag im Irak habe sie, sowie auch ihre Familienangehörigen, soweit ohne Probleme bestreiten können.

Bereits im Jahr 2007 habe sie den Entschluss gefasst, ihren Herkunftsstaat zu verlassen. Tatsächlich sei sie aber erst am 30.06.2015 ausgereist. Sie sei legal von Bagdad aus nach Istanbul geflogen. Von der Türkei aus sei sie in weiterer Folge über Griechenland, Mazedonien und Serbien bis nach Österreich gekommen. Insgesamt hätten Sie für die Reise EURO 4.000, -- bezahlt. Dabei habe es sich um ihr eigenes Geld gehandelt.

Im Jahr 2007 sei einer ihrer Freunde durch eine Autobombe als Märtyrer gestorben. Er habe zwei Kinder gehabt. Ein weiterer Freund von ihr sei entführt worden. Die Frau dieses Freundes sei schwanger gewesen. Nach diesem Vorfall habe sie nicht mehr im Irak heiraten wollen, da ihre Kinder dort keine Zukunft gehabt hätten. Sie habe immer in Sicherheit leben wollen. Dies in einem Land, in welchem alles geordnet sei. Dies sei die Begründung für ihre Ausreise. Sie habe nach Sicherheit und Ordnung gesucht. Wirtschaftlich habe sie im Irak keine Probleme gehabt.

Nach Bagdad könne sie jetzt nicht mehr zurückgehen, da sie die Sicherheit, welche sie hier gefunden habe, dort nicht hätte. Sie sei wegen der allgemeinen Sicherheitslage ausgereist, da man dort kein normales Leben führen könne. Auch woanders im Irak könne sie nicht leben, da es dort kein System geben würde. Hier in Europa würde es hingegen ein System geben.

Hier in Österreich habe sie Kontakte zur österreichischen Gesellschaft und sie würde sich regelmäßig ehrenamtlich betätigen. Sie sei auch beim XXXX.

Sicherheit sei sehr wichtig für sie. Sie wolle hier die Sprache beherrschen und sich danach eine Arbeit suchen. In Österreich habe sie bisher noch nie Probleme mit den Behörden, der Polizei, den Gerichten oder anderen Institutionen gehabt.

Bisher sei sie noch nie strafgerichtlich verfolgt oder verurteilt worden. Auch habe sie keine Probleme mit Verwaltungsbehörden gehabt. Sie habe sich noch nie politisch betätigt und würde auch keiner politischen Partei oder Organisation angehören. Wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen ihrer Religionszugehörigkeit habe sie noch nie Probleme gehabt. Auch nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegeniIhrer Nationalität. Sie habe noch nie Probleme mit den Behörden im Irak gehabt und sie habe auch keinerlei Probleme mit Privatpersonen gehabt.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 18.04.2017, Zl. XXXX, in allen Spruchpunkten ab- und die bP in den Irak ausgewiesen. Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es den bP nicht gelungen sei, eine begründete Furcht vor Verfolgung tatsächlich glaubhaft zu machen.

Die von ihr gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.07.2017,

Zahl: L513 2156701-1/5E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit 05.07.2017 in Rechtskraft. Der Verwaltungsgerichtshof wies die von ihr dagegen eingebrachte

Revision mittels Beschluss vom 14.09.2017, Zahl: Ra 2017/01/0255-4, zurück. Die Etnscheidung wurde vom BVwG wie folgt begründet:

"Was die einzelnen Ausführungen des Beschwerdeführers betrifft, bleibt festzuhalten, dass die einzelnen Vorbringensteile - wie bereits im Bescheid der belangten Behörde dargestellt - für sich genommen jeweils als glaubhaft zu qualifizieren sind. Auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts waren die Angaben des BF in sich stimmig, nachvollziehbar, wiesen keine gravierenden Widersprüche auf und stimmten im Wesentlichen überein. Ergänzend ist anzumerken, dass die einzelnen Teile des Vorbringens zweifellos auch vor dem Länderhintergrund zum Irak möglich erscheinen. Dies vermag allerdings - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde - nichts an der mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens zu ändern.

Ferner ist bezüglich der geschilderten Ereignisse, die seinen beiden Freunden - und nicht dem BF - im Jahr 2007 zugestoßen seien, zur Vollständigkeit anzumerken, dass es diesem Vorbringen am erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der späteren Ausreise Mitte 2015 mangelt, weswegen diesen Ereignissen allein schon aus diesem Grund keine Asylrelevanz zukommen kann.

Die Voraussetzung "wohlbegründete Furcht" wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. zur notwendigen Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall aus der jüngeren Rechtsprechung etwa das Erkenntnis des VwGH vom 07.11.1995, Zl 94/20/0793) (VwGH 19.10.2000, 98/20/0430, siehe auch VwGH 30.08.2007, 2006/19/0400-6). Es fehlt somit an einem zeitlichen Konnex zwischen jenen Vorfällen und seiner Ausreise sowie an der erforderlichen hinreichenden Aktualität einer Verfolgung bzw. Bedrohung. Die rein subjektive Befürchtung des Beschwerdeführers, ihm könne womöglich im Fall einer Rückkehr etwas zustoßen, vermag eine asylrelevante Gefährdung nicht aufzuzeigen. Es ergibt sich somit aus diesem Grund in Zusammenschau mit den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine glaubhaft aktuelle und konkrete Gefährdung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Abschließend ist der belangten Behörde auch beizupflichten, dass sich aus diesen Überlegungen ableiten lässt, dass der BF den Irak letztlich aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage zur wirtschaftlichen Verbesserung seiner persönlichen Lebenssituation verlassen hat. Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass der BF ausführte, seine Familie habe genug Geld zum Leben (AS 55) und es ihm möglich gewesen sei, monatlich etwa € 500 ,-- anzusparen (AS 57), allerdings bedeutet dies keineswegs, dass der BF im Hinblick auf die besseren Bildungs- und Berufsaussichten - in Verbindung mit der Sicherheitslage - nicht aus diesen Gründen nach Europa gelangen wollte. Insoweit sich kein asylrelevanter Ausreisegrund feststellen ließ, musste die belangte Behörde im Ergebnis nach allgemeiner Lebenserfahrung zutreffend den Schluss ziehen, dass der BF den Irak aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage aufgrund des Auftretens terroristischer Gruppierungen, der Bombenanschläge und religiöser Spannungen zur Verbesserung seiner persönlichen - wirtschaftlichen - Lebenssituation verließ.

Da der Beschwerdeführer keine staatliche Strafverfolgung im Irak aufgrund eines Kapitalverbrechens in den Raum gestellt hat, war dem Folgend zur Feststellung zu gelangen, dass er im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würde. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften vorgebracht wurden.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad nicht, dass Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten ist und ausweislich der statistischen Daten zu den unsichersten Provinzen gehört. Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad jedoch in erster Linie vom Islamischen Staat aus und richten sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. Besondere risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers wurden nicht vorgebracht und gehört dieser auch nicht den Sicherheitskräften an. Trotz Befragung führte der Beschwerdeführer keine von ihm zu erwartenden Probleme wegen der allgemeinen Lage im Irak detailliert an. Auch hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie, weshalb anzunehmen ist, dass diese Familie nicht von gravierenden Sicherheitsproblemen im Irak betroffen war, andernfalls dies dem Beschwerdeführer in den privaten Gesprächen mitgeteilt worden wäre und der Beschwerdeführer dies in der Folge in der Einvernahme erwähnt hätte. Stattdessen gab der BF lediglich zu Protokoll, dass es seinen Angehörigen gut gehe (AS 55).

Dahingehend wurde von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung der Sicherheitslage in den Feststellungen darauf verwiesen, dass im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet wurden, 7.515 davon waren Zivilisten. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Was speziell die Herkunftsregion Bagdad betrifft, so gab es im Jahr 2015 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Bagdad ist fast täglich von Anschlägen und Gewaltakten geplagt. Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen. Die Sicherheitslage im Irak blieb im Jahr 2015 somit weiterhin höchst instabil.

Bei Auswertung der im Einzelnen genannten Erkenntnisquellen und angesichts dieser Opferzahlen verkennt das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht, dass das Gebiet von Bagdad im besonderen Maße von den Aktivitäten verschiedener militanter Organisationen und von Anschlägen betroffen war, doch kann dennoch aufgrund der dokumentierten Bevölkerungszahl von ca. 7.935.699 Einwohnern des irakischen Gouvernements Bagdad in Relation mit den Opfern aufgrund von Anschlägen oder bewaffneten Auseinandersetzungen nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser Opfer eines Anschlages werden würde. Denn angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im Irak in der Region Bagdad derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson

alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad im Übrigen nicht statt. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer Opfer von Anschlagskriminalität wird, kann im Anbetracht dessen nicht erkannt werden.

Ebenso weist das erkennende Gericht auf folgende Umstände hin:

Soweit der Beschwerdeführer nun im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde neu ausführt, dass er sowohl staatlicher als auch privater Verfolgung aufgrund der Religionszugehörigkeit ausgesetzt wäre und ein schiitischer Freund von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht worden sei, weil dieser einen Anschlag auf sich gemeldet habe, so wird damit gegen das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot verstoßen."

Zweiter Antrag der bP auf internationalen Schutz vom 31.10.2017

Am 31.10.2017 stellte die bP den zweiten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der am 31.10.2017 durchgeführten Erstbefragung legte die bP dar, dass sie gesund sei. Seit der Entscheidung zu ihrem Vorverfahren habe sie Österreich nicht verlassen. Sie würde den gegenständlichen Antrag deswegen stellen, da sie im Mai 2012 in ihrem Heimatbezirk XXXX in der Stadt Bagdad gesehen habe, wie eine Gruppe von ihr unbekannten Personen eine Person auf offener Straße getötet habe. Aufgrund dieses Vorfalls sei die Polizei gekommen und sie habe der Polizei gegenüber angegeben, dass sie ein Augenzeuge des Mordes gewesen sei. Sie habe diesbezüglich dann bei der Polizei und auch vor Gericht aussagen müssen. Vor ca. einem Monat sei ihre Familie in Bagdad in der Nacht von einer Personengruppe aufgesucht worden. Diese Personen hätten das Haus beschossen und ihrer Familie vorgeworfen, dass aufgrund ihrer damaligen Aussagen Familienangehörige dieser Personen unschuldig ins Gefängnis gekommen seien. Weiters hätten diese Personen ihre Familie aufgefordert, ihnen jeden Monat einen Geldbetrag in Höhe von 10.000, -- irakischen Dinar pro Person - es hätte sich um zwei Personen gehandelt - zu übergeben. Sollte diese geforderte Leistung nicht erbracht werden, so würden diese Personen sie töten. Diese Personen hätten auch gesagt, dass sie sie überall im Irak finden und töten könnten. Im Irak würden die diversen Familienclans herrschen und daher würde sich die örtliche Polizei nicht einmischen. Auch würden diese Familienclans über der Polizei stehen und deswegen wäre eine Verständigung der Polizei sinn- bzw. zwecklos. Bei der getöteten Person hätte es sich um einen Sunniten und bei den Tätern hätte es sich um Schiiten gehandelt. Diese Personen hätten angegeben, dass die getötete Person zu Zeiten von Saddam Hussein mit dem Regime zusammengearbeitet hätte. Dieses Regime hätte damals die Schiiten ungerecht behandelt und daher hätte diese Person als Feind gegolten und der Mord an ihm wäre gerechtfertigt gewesen. Die Verurteilung aufgrund ihrer Zeugenaussage wäre somit ein Verrat an diesem Familienclan und generell an allen Schiiten und aus ihrer Sicht ungerecht gewesen. Daher würden diese Personen sich an ihr rächen wollen. Ihr Vater hätte diese Personen auch gefragt, wieso sie nicht schon im Jahr 2012 zu ihrer Familie gekommen seien. Daraufhin hätten diese Personen angegeben, dass sie bis dato nicht gewusst hätten, dass sie damals diese Aussage gemacht habe. Bei den Personen, welche sie nun suchen würden, würde es sich um die Familie "XXXX" handeln. Dies sei ein großer Familienclan aus dem gleichen Stadtteil, in welchem auch sie damals gelebt habe. Die damals inhaftierten Familienmitglieder seien nunmehr wieder aus der Haft entlassen worden. Sie selbst hätte damals nur ihre Pflicht als Staatsbürger getan und eine Zeugenaussage gemacht. Ihre Familie würde nicht einsehen, weswegen sie nun dafür Zahlungen an diese Clans tätigen sollte. Da diese Personen aber angegeben hätten, dass sie sie töten würden, könnte sie jetzt nicht mehr in den Irak zurückkehren. Im Erstverfahren habe sie von diesem Vorfall nichts erzählt, da sie diese Geschichte bereits wieder vergessen gehabt habe. Diese Personen seien auch jetzt erst zu ihrer Familie gekommen. Es sei reiner Zufall, dass dieser Clan nunmehr ihre Familie aufgesucht habe. Sie vermute, dass dies deswegen nun passiert sei, da die Täter aus dem Gefängnis entlassen worden seien. Schriftliche Drohschreiben würde es nicht geben. Die Drohung sei am Tag nach der Schießerei von einem anderen Familienclan, welcher vermitteln würde, mündlich ihrem Vater gegenüber ausgesprochen worden. Ihre Onkel seien auch dabei anwesend gewesen. Woanders könne sie sich im Irak nicht niederlassen, da die Familienclans auf alle Regionen des Iraks verteilt seien und sie daher überall gefunden werden könnte. Im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat würde sie befürchten, dass sie vom Familienclan XXXX getötet werden könnte. Der von ihr nunmehr geschilderte Umstand sei ihr vor zwanzig Tagen von ihrem Bruder XXXX via Telefon zur Kenntnis gebracht worden. Sie würde versuchen, ihre Niederschriften bzw. Aussagen vor der Polizei und vor dem Gericht von 2012 zu bekommen. Diese würde sie dann dem BFA vorlegen.

Am 11.12.2017 wurde die bP beim BFA niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalteten sich dabei wie folgt:

"...F: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

A: Meine Muttersprache ist Arabisch, ich spreche aber auch noch ein bisschen Deutsch. Ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in der Sprache Arabisch, welche ich ausreichend beherrsche, durchgeführt wird.

F: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Ja.

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja.

F: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

A: Nein, ich bin gesund und ich benötige auch keine Medikamente."

...

"F: Sind Sie in diesem Verfahren vertreten?

A: Nein, zurzeit nicht. Ich hatte im ersten Verfahren eine Anwältin. In diesem Verfahren bin ich aber nicht mehr vertreten.

F: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 31.10.2017 durch die PI XXXX erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

A: Alles stimmt. Es gibt aber eine Korrektur. In der Niederschrift bei der Polizei hier steht, dass ich am 15.05.2012 bei der Polizei in XXXX und am 20.05.2012 war ich beim Gericht in XXXX. Ansonsten habe ich keine Korrekturen oder Ergänzungen dazu anzuführen.

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Hier in Österreich nicht. Es gibt aber entfernte Verwandte in Belgien. Zu diesen habe ich aber keinen Kontakt.

F: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

A: Nein.

F: Wo leben Ihre Familienangehörigen aktuell?

A: Meine Angehörigen leben in Bagdad/Irak.

F: Wer hält sich dort auf und wie bestreiten Ihren Familienangehörigen dort Ihren Lebensunterhalt?

A: Dort halten sich auf:

XXXX (Vater). Mein Vater ist schon in der Pension.

XXXX (Mutter). Meine Mutter ist Hausfrau.

XXXX (Bruder). Er ist Polizist:

XXXX (Bruder). Er erzeugt Strom und verkauft diesen.

XXXX (Bruder). Er ist Polizist.

XXXX (Bruder). Er ist Polizist.

XXXX (Bruder). Er ist Polizist.

XXXX (Bruder). Er ist ein Schüler.

XXXX (Bruder). Er ist auch noch Schüler.

XXXX (Schwester). Sie ist verheiratet und ist Hausfrau.

XXXX (Schwester). Auch sie ist verheiratet und ist Hausfrau

XXXX (Schwester). Sie ist verheiratet und Hausfrau.

F: Wie sieht aktuell der Kontakt zu Ihren Verwandten im Irak aus?

A: Ich habe ca. einmal in Woche über das Internet Kontakt zu ihnen. Meistens zu meinem Bruder XXXX. Zu meinen anderen Angehörigen habe ich auch Kontakt. Aber nicht regelmäßig. Meist so einmal im Monat habe ich Kontakt zu ihnen über das Internet.

F: Haben Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Meinen Reisepass habe ich bereits beim BFA abgegeben. Andere Dokumente habe ich nicht.

F: Sie stellten bereits unter der ZahlXXXX in Österreich einen Antrag auf int. Schutz. Dieses Verfahren wurde auch bereits schon rechtskräftig abgeschlossen. Zu diesem Verfahren wurden Sie auch niederschriftlich einvernommen. Können Sie sich noch an diese Einvernahmen erinnern?

A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern.

F: Stimmen Ihre damaligen Angaben und gelten diese auch für gegenständlichen Antrag auf int. Schutz?

A: Ja, meine damaligen Angaben waren richtig. Die Probleme, die ich im ersten Verfahren erwähnt habe, sind aber schon zu Ende und diese Angaben von damals gelten für diesen neuen Antrag daher nicht mehr.

F: Habe ich Sie somit richtig verstanden: Die von Ihnen im ersten Verfahren genannten Antragsgründe sind nicht mehr relevant und stellen für Sie kein Problem mehr dar?

A: Ja, das ist richtig.

F: Warum stellen Sie nunmehr diesen neuen Antrag?

A: Am 15.05.2012 habe ich gesehen, wie eine Person umgebracht worden ist. Ich war Zeuge dieses Vorfalls. Am 20.09.2017 sind Personen des Stamms "XXXX" zu meinen Eltern gekommen und haben sie bedroht. Sie haben auf unser Haus geschossen. Am zweiten Tag haben sich meine Eltern erkundigt, weswegen auf unser Haus geschossen worden ist. Ihnen wurde gesagt, dass ich Zeuge bei diesem Mord gewesen war und deswegen seien die Kinder dieses Stamms im Gefängnis. Mein Vater hat ihnen erklärt, dass es normal ist, dass, wenn man etwas sieht und Zeuge ist, davon auch erzählt. Diese Personen erklärten meinem Vater, dass diese Person deswegen umgebracht worden ist, weil diese Person während der Saddam-Zeit diesem Stamm viele Probleme bereitet hat. Außerdem war diese Person ein Sunnit und dieser Stamm gehört zu den Schiiten. Die beiden Söhne dieses Stammes sind für fünf Jahre ins Gefängnis gekommen. Sie verlangten für jedes Jahr Haft und für jede Person 10 Millionen irakische Dinar als Wiedergutmachung. Also insgesamt verlangten sie 100 Millionen. Ansonsten würden sie mich umbringen, wo immer sie mich finden könnten. Mein Vater sagte ihnen, dass er das Geld nicht zahlen wird und dass ich sowieso das Richtige als Zeuge gemacht hätte. Mein Vater erklärte denen auch, dass er zwischen Schiiten und Sunniten nicht unterscheidet. Vor ca. zehn Tagen waren diese Leute auch bei meinem Bruder XXXX und haben ihm sein Geschäft geschlossen. Sie haben ein Schreiben dort gelassen. In diesem Schreiben stand, falls wir das Geld nicht zahlen, dann zünden sie sein Geschäft an. Es gibt viele Probleme zwischen diesem Stamm und unserem Stamm. Mein Vater unterstützt mich immer, weil ich das Richtige gemacht habe.

F: Gibt es noch weitere Gründe für den gegenständlichen Antrag?

A: Nein, andere Gründe gibt es nicht.

F: Wo und um welche Uhrzeit war der von Ihnen soeben geschilderte Mordfall?

A: Das war am 15.05.2012, um 12:00 Uhr. Zu Mittag. Das war in XXXX.

F: Ist diese Straße sehr belebt?

A: Es ist keine Hauptstraße. Es ist eine Art Nebenstraße.

F: Sind in dieser Straße viele Personen unterwegs?

A: Ja, es sind schon Leute dort.

F: Gab es noch weitere Zeugen dieses Vorfalls?

A: Es war noch andere Leute auf der Straße. Ob sie als Zeuge aufgetreten sind, weiß ich nicht. Die Polizei ist gekommen und hat mich gleich als Zeugen mitgenommen und einvernommen.

F: Wer hat die Polizei gerufen?

A: Ich weiß es nicht. Die Polizeistation ist dort ca. 200 Meter entfernt.

F: Wer wurde ermordet?

A: Ich kenne diese Person nicht. Diese Person ist hier aber irgendwo namentlich erwähnt (Anm. der ASt. legt drei Anschreiben (Farbkopien) vor; diese Anschreiben werden mit dem Einverständnis des ASt. zum Akt genommen).

F: Was passierte nach diesem Mord?

A: Die Polizei hat mich dann einvernommen. Sie fragten, was ich gesehen habe. Nach fünf Tagen bin ich zum Gericht gegangen. Der Richter fragte mich nochmals, was genau geschehen ist. Das war es.

F: Sind die Täter gleich an Ort und Stelle festgenommen worden?

A: Nein, die Täter sind weggelaufen.

F: Haben Sie diese Täter gekannt?

A: Nein.

F: Bitte schildern Sie den Ablauf der von Ihnen genannten Gerichtsverhandlung?

A: Ich bin zum Richter reingegangen. Ich musste auf die Wahrheit schwören. Er fragte mich, was ich gesehen habe und ich habe dies erzählt.

F: Wer war sonst noch bei dieser Gerichtsverhandlung?

A: Es waren noch ein paar andere Personen dort. Wer diese Personen waren, weiß ich aber nicht.

F: Wie viele Personen waren bei dieser Gerichtsverhandlung?

A: Sechs oder sieben Personen waren dort.

F: Wie haben Sie von dieser Gerichtsverhandlung Kenntnis erlangt?

A: Die Polizei ist zu mir nach Hause mit einem Schreiben gekommen.

F: Haben Sie dieses Schreiben, diese Gerichtsvorladung, noch?

A: Nein, ich glaube nicht.

F: Waren die Angeklagten auch bei der Verhandlung?

A: Nein.

F: Sie führten soeben aus, dass Sie eine Ladung zur Gerichtsverhandlung erhalten hätten. Was ist konkret auf dieser Ladung gestanden?

A: Es ist draufgestanden, dass ich zu Gericht kommen muss, um meine Angaben, welche ich bei der Polizei gemacht habe, zu bestätigen.

F: Sind dort noch andere Personen als Zeugen aufgetreten?

A: Ich weiß es nicht.

F: Wie lange haben Sie sich nach der von Ihnen genannten Gerichtsverhandlung noch zu Hause bei Ihnen aufgehalten?

A: Ich war ca. drei Jahre noch dort. Am 31.06.2015 habe ich den Irak verlassen. Bis zu diesem Datum wohnte ich zu Hause.

F: Was haben Sie zu Hause gemacht bzw. was haben Sie dort gearbeitet?

A: Ich war bis zu meiner Ausreise in einer Bäckerei beschäftigt.

F: Gab es in dieser Zeit konkret Sie betreffende Vorfälle?

A: Nein, gar nicht. Ich habe sogar diesen Vorfall vergessen gehabt.

F: Wann wurden die Täter verurteilt?

A: Ich weiß es nicht. Ich erfuhr erst von dem Ganzen, als mich mein Bruder XXXX am 20.09.2017 kontaktiert hat.

F: Was haben Sie konkret bei der Polizei und dann bei Gericht zu Protokoll gegeben?

A: Ich war in XXXX und habe dort auf der Straße auf einen Freund gewartet. Die getötete Person ging auf der Straße. Ein Auto hat angehalten und drei Männer sind ausgestiegen. Zwei davon haben dann mit Pistolen auf ihn geschossen. Sie sind dann wieder ins Auto eingestiegen und weggefahren. Nach ein paar Minuten haben sich die Leute versammelt und die Polizei war auch schon da. Die Polizei fragte mich, ob ich als Zeuge aussage. Ich stimmte zu und wir sind dann zur Polizeistation gegangen.

F: Was haben Sie bei der Gerichtseinvernahme gesagt?

A: Ich habe wiederholt, was ich bei der Polizei gesagt habe.

F: Als Sie bei Gericht einvernommen worden sind, mussten Sie dann dort auch Ihre Personalien nennen?

A: Ja, das musste ich. Ich musste meinen Namen sagen, wo ich wohne und was ich mache. An alle kleinen Details kann ich mich aber nicht mehr erinnern.

F: Wie lange wurden Sie beim Gericht einvernommen?

A: Ca. eine Stunde lang.

F: Was wurden Sie dort eine Stunde lang gefragt?

A: Der Richter wollte genaue Details zum Tathergang wissen.

F: Habe ich Sie richtig verstanden: Sie haben einen Mord beobachtet und kannten aber nicht die ermordete Person und Sie kannten auch nicht die Täter. Wie konnten Sie dann dazu beitragen, dass die Täter festgenommen und verurteilt worden sind?

A: Ich konnte das Autokennzeichen angeben. Die Täter sind jetzt auch im Gefängnis. Ansonsten hätte dieser Stamm mich nicht bedroht.

F: Woher wissen diese Personen, die Sie und Ihre Familie bedroht haben, dass Sie diese Aussage gemacht haben?

A: Ich weiß es selber nicht. Ich glaube aber, dass diese Personen viele Kontakte haben. Mein Vater hat diese Personen auch gefragt, wo sie die ganzen Jahre waren und warum sie erst jetzt kommen.

F: Was sagten diese Personen dann Ihrem Vater?

A: Sie sagten, dass sie mich immer gesucht hätten und erst jetzt gefunden hätten.

F: Laut Ihren eigenen Angaben mussten Sie bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung aussagen. Dort mussten Sie auch Ihre Personalien nennen. Somit waren Ihre Daten in den Akten vermerkt. Sie führten auch aus, dass diese Personen sehr gute Kontakte hätten. Wieso sollten diese Personen Sie dann erst jetzt gefunden haben bzw. warum sind die Angehörigen dieses Stammes nicht sofort zu Ihnen gekommen?

A: Ich glaube, weil sie für diese Zeit im Gefängnis waren und jetzt aus dem Gefängnis entlassen wurden.

F: Die Täter sind jetzt nicht mehr inhaftiert?

A: Nach Angaben dieses Stammes sind sie jetzt frei.

F: Haben Ihre anderen Geschwister auch Probleme wegen des Vorfalls, den Sie soeben genannt haben?

A: Es gab Probleme zwischen den beiden Stämmen und die Probleme, die mein Bruder hatte.

F: Was meinen Sie damit, dass es Probleme zwischen Ihrem Stamm und diesem anderen Stamm geben würde?

A: Die Probleme zwischen den Stämmen sind kompliziert. Sie haben aufeinander geschossen.

F: Was meinen Sie damit, dass aufeinander geschossen worden sei?

A: Das passiert immer. Das ist so eine Art von Drohung. Man schießt aufeinander.

F: Bei welcher Gelegenheit haben Ihre Angehörigen auf die Angehörigen des anderen Stammes geschossen?

A: Bei dem Vorfall, bei dem sie bei dem Geschäft meines Bruders waren. Da haben die Leute von meinem Stamm in die Luft geschossen, damit die anderen Angst bekommen.

F: Gab es noch andere Vorfälle?

A: Nein. Sie sagen aber immer, dass sie mich haben möchten, weil ich dort ein Zeuge war.

F: Was machen Ihre Brüder bei der Polizei?

A: Sie sind normale Polizisten.

F: Nochmals: Was machen Ihre Brüder bei der Polizei?

A: Sie machen Routinekontrollen und sind auf der Straße.

F: Haben Ihre Brüder dabei eine bestimmte Aufgabe?

A: Ich weiß es nicht.

F: Sind Ihre Brüder bewaffnet?

A: Ja.

F: Haben Ihre Brüder irgendwelche Schwierigkeiten?

A: Nein.

F: Sie kündigten im Rahmen der Erstbefragung die Vorlage von Beweismitteln (Anm. Aussage bei der Polizei und bei Gericht im Irak) an. Handelt es sich dabei und die Schreiben, die Sie heute hier vorgelegt haben?

A: Ja, das stimmt. Es sind aber alles Kopien. Weil ich ein Zeuge bin, deswegen habe ich nur Kopien bekommen.

F: Wer hat Ihnen nunmehr diese Unterlagen übermittelt?

A: Das war mein Bruder XXXX.

F: Woher hat Ihr Bruder diese Beweismittel?

A: Ich denke, dass er diese von der Polizeistelle bekommen hat.

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich befürchte, dass ich umgebracht werde und dass es dann zu weiteren Rachehandlungen zwischen meinem Stamm und dem anderen Stamm kommt.

F: Sie legten heute Beweismittel vor. Diese Anschreiben sind alle handschriftlich verfasst. Ist es im Irak üblich, dass behördliche Schriftstücke handschriftlich verfasst werden?

A: Ja, ich glaube schon, dass das mit der Hand geschrieben wird.

F: Seit wann kennen Sie die von Ihnen nunmehr als neu vorgebrachten Antragsgründe?

A: Seit ca. einem Monat und zwanzig Tage.

F: Haben Sie seit der erstmaligen Antragstellung das österr. Bundesgebiet wieder verlassen?

A: Nein, ich war die ganze Zeit in Österreich.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, gegenständlichen Antrag zu stellen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Hat sich seit der letzten Entscheidung zu Ihrem Vorverfahren etwas an Ihrem hier von Ihnen geführten Privatleben verändert?

A: Nein.

F: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf int. Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

A: Bei meinem ersten Antrag wusste ich aber von diesen Problemen nichts. Ansonsten hätte ich das damals auch schon erwähnt. Ich habe erst später davon erfahren.

F: Ihnen wurden bereits am 25.11.2017 die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Irak ausgefolgt. Möchten Sie nunmehr eine Stellungnahme zu dieser Länderfeststellung abgeben?

A: Ich habe verstanden, dass es sich dabei um die allgemeine Lage im Irak handelt. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich unterscheide nicht zwischen den Schiiten und den Sunniten. Für mich gibt es nur "Richtig" oder "Falsch".

Anm.

Ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, zum bisher feststehenden Sachverhalt, zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, sowie zu den Ihnen bereits ausgefolgten Länderinformationen bis zum 18.12.2017 (ha. einlangend) eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

F: Haben Sie dies verstanden?

A: Nein, ich möchte keine Stellungnahme abgeben.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein. Ich bitte nur um Verständnis. Die Probleme zwischen den Stämmen ist eine komplizierte Sache. Ich habe nicht nur Angst um mich, sondern auch um die anderen Leute.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

A: Ja.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

A: Alles wurde richtig aufgeschrieben. Alles passt..."

In weiterer Folge wurden von der Diakonie eine Stellungnahme und drei Referenzschreiben eingebracht. Das neuerliche vorbringen wurde darin im Wesentlichen wiederholt, Es wurde dargelegt, dass, obwohl einige ihrer Brüder bei der Polizei arbeiten würden, in ihrem Fall die Polizei nicht einschreiten würde, da es sich um einen Streit zwischen verschiedenen Stämmen handeln würde. Sie könne sich daher keinen Schutz der Polizei erwarten. XXXX sei einer der größten Stämme im Irak, der auch im ganzen Land vernetzt sei. Aus diesem Grund könne sie sich auch nicht in einem anderen Landesteil verstecken. Sie hätte daher eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch den Stamm der XXXX im Irak. Da somit eine neue Sachlage im Vergleich zum Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung vorliegen würde, sei das gegenständliche Verfahren zuzulassen und inhaltlich zu prüfen.

Weiters ist in diesem Schriftsatz ausgeführt, dass der Juli 2018 im Irak von Protesten und Unruhen geprägt sei, die die Sicherheitslage im Irak stark beeinflussen würden. Diesbezüglich wurden Online-Artikel vom Juli 2018 von "Der Standard", "Der Spiegel" und "Reuters" zitiert, sowie ein durch Human Rights Watch publizierter Artikel.

Hier in Österreich sei sie bereits sehr gut integriert und sie würde unter den gegebenen Möglichkeiten arbeiten und in ihrer Freizeit Deutsch lernen. Sie würde in der Gemeinde helfen und würde in einer Fußballmannschaft sein. Diesbezüglich wurden Unterstützungsschreiben ihres Arbeitsgebers, ihres Unterkunftgebers und des Sportvereins dem Schriftsatz angefügt.

Abschließend wurde nochmals ausgeführt, dass sie im Irak einer persönlichen Verfolgung durch den Stamm der XXXX ausgesetzt seie da ihre Aussage Angehörige des Stammes XXXX für fünf Jahre ins Gefängnis gebracht hätten. Aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage im Irak und der Bedrohung gegen ihre Person sei sie im Irak einer realen Gefahr einer Verletzung Ihrer Rechte gem. Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK ausgesetzt.

Dieser Antrag wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in den Irak gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt VII.).

Gegen diesen Bescheid wurde durch die Vertretung der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde das Ermittlugnsverfarhen des BFA moniert. Es sei nicht dargelegt worden, weshalb die seitesn des Bruders vorgelegten Beweismittel mit Mängel behaftet seien. Das BFA hätte übersehen, dass die bP im ganzen Land durch den Stamm der XXXX verfolgt werden würde. Die Polizei sei nicht schutzfähig. Die bP habe merhere Unterstützugnsschreiben vorgelegt. Es fehle jegliche Feststellung zur Integration. Es wurden Ausschnitte aus Ländereberichten zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Polizei, zu schiitischen Milizen, zu Rückkehrern und zur Sicherheitslage im Irak angeführt. Das BFA sei nicht auf die Länderberichte eingegangeen. Die Glaubwürdigkeit sei der bP in 7 Punkten abgesprochen worden, dabei das BFA jedoch mögliche Unklaheiten nicht aufgeklärt habe. Polizeikräfte würden oft als erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus werde das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Sataatspolizei, als schwer korrupt erachtet. Das BFA gehe irrtümlicherweise von entschiedener Sache aus. Es hätte feststellen müssen, dass asylrelevante Bedrohung drohe. Weiter wurde umfangreich Judikatur zum Verfahren gem. § 68 AVG zitiert. Es bestehe zudem ein reales Risiko, dass die bP im Falle der Abschiebung einer Verletzung durch Art. 2 und 3 EMRK iVm Art. 4 GRC ausgesetzt wäre. Die bP habe im Rahmen des Möglichen gearbeitet und den A2 Deutschkurs abgeschlossen. Es sei zu Unrecht eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Unter umfangreicher Ausführungen wurde dargelegt, dass sich das - auf Dauer von 2 Jahren befristete - Einreiseverbot als rechtswidrig erweise. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Irak:

Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat bzw. zur Situation der bP im Falle einer Rückkehr zugrunde, denen die bP nicht substantiiert entgegengetreten ist. Erst in der Beschwerde wurden zusätzliche Quellen zitiert, welche jedoch keinen konkreten Bezug zur bP aufweisen. Die Quellen des BFA liegen auch dem BVwG vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beobachtung der aktuellen Quellenlage zur Lage im Herkunftsstaat ergibt. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des BFA weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA zum vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.

Zur Abweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH v. 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344).

Bei der Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig ausgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden oder im Berufungsverfahren von der Partei ausgewechselt werden (s. z.B. VwSlg. 5642 A, VwGH 28.11.1968, 571/68, 23.5.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. aber VwSlg. 12799 A).

Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH v. 30.01.1989, Zl. 88/10/0150).

Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, AsylGH vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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