TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 W264 2148601-2

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Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W264 2148833-2/3E

W264 2148601-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer, BF1) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018, Zl. 1072638308/180279786 EAST Ost, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Frau XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin, BF2) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018, Zl. 1099780708/180279794 EAST Ost, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF1 und die BF2 führen nach eigenen Angaben die im Spruch genannten Namen. BF1 und BF2 sind jeweils Staatsangehöriger und Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Der BF1 stellte erstmalig am 9.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz auf österreichischem Boden. Dabei gab er an wegen seiner schlechten finanziellen Situation in Afghanistan geflohen zu sein. Er habe keine Wohnung, kein regelmäßiges Einkommen. Seine Ehefrau sei Sunnitin, er aber Schiit. Daher habe er Probleme mit den Schwiegereltern gehabt.

Die BF2 stellte erstmalig am 20.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz auf österreichischem Boden und gab am Tage darauf bei der Erstbefragung an, Probleme mit der Familie des Mannes gehabt zu haben, da sie nicht schwanger geworden sei. Die Schwiegermutter habe für den BF1 eine Zweitfrau angeregt, was dieser nicht wollte und sodann das Land verlassen habe.

2. Der BF1 gab in der Befragung vor der belangten Behörde am 9.11.2016 an, vor seinem Onkel geflohen zu sein und diesen im Rahmen einer Beerdigung wiedergetroffen zu haben. Da habe ihm der Onkel vorgeworfen, dass der BF1 wohl ein Christ geworden sei, da er nie in der Moschee sei. Ein Sohn des Onkels habe den BF1 vor dem Onkel gewarnt und sei er daraufhin geflohen, ohne seine im 2. Monat schwangere Gattin BF2 darüber zu informieren. Später habe er erfahren, dass am Tage seiner Flucht acht seiner Verwandten bei ihm zu Hause seine Frau angeschrien hätten. Nachbarn hätten die BF2 daraufhin ins Krankenhaus gebracht und habe sie dort ihr Kind verloren.

Die BF2 gab in der Befragung vor der belangten Behörde am 9.1.2017 an, dass Frauen in Afghanistan keine Freiheit hätten und keinen Zugang zu Bildung und sich bedecken und verschleiern müssten. Auf Nachfrage zu den von ihr in der Erstbefragung vorgebrachten Fluchtgründen gab sie an, dass der BF1 wegen seinem Onkel fliehen habe müssen und danach wären acht Verwandte ihres Mannes zu ihr gekommen und hätten sie bedroht. Danach hätten Nachbarn sie in das Krankenhaus gebracht, wo sie ihr Kind verloren habe. Auf Nachfrage gab sie an, von diesem Vorfall erst jetzt zu erzählen, dass sie vergesslich sei.

3. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 3.2.2017 (Zl. 1072638308/150640100 betreffend den BF1 und 1099780708/152032114 die BF2 betreffend) wurden sowohl der vom BF1 als auch der von der BF2 gestellte Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 idgF sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf das Herkunftsland Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde weder dem BF1, noch der BF2 erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF1 und gegen die BF2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG für zulässig erklärt. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde den beiden Beschwerdeführern eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Begründend führte die belangte Behörde in diesen Bescheiden aus, dass die Beschwerdeführer BF1 und BF2 äußerst widersprüchliche und unglaubwürdige Angaben gemacht und daher eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen nicht glaubhaft gemacht hätten. Weiters führte die belangte Behörde darin aus, dass keine Anhaltspunkte gefunden worden seien, wonach die Beschwerdeführer BF1 und BF2 im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären und sei ihnen eine Rückkehr in das von der Regierung kontrollierte Kabul gefahrlos möglich und auch zumutbar.

4. Die dagegen fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel der Beschwerde führten aus, dass die Bescheide in vollem Umfange bekämpft würden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die BF2 betreffend wurde vorgebracht, dass diese sich der problematischen Stellung der Frau in Afghanistan bewusst sei und sich mit der konservativen Wertehaltung der Gesellschaft diesbezüglich nicht abfinde, sodass eine Asylgewährung aufgrund der Zugehörigkeit der BF2 zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geboten sei.

5. Die Beschwerden des BF1 und der BF2 wurden nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.7.2017 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.8.2017, Zl. W248 2148601-1/6E und W248 2148833-1/6E als unbegründet abgewiesen und die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG jeweils nicht zugelassen. Eine Beschwerde an den Verfassungs- und / oder eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde hiegegen nicht erhoben.

Die unbekämpft gebliebene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.8.2017 begründet hinsichtlich den BF1, dass dieser "in der mündlichen Verhandlung zugegeben [habe], dass praktisch die gesamten im bisherigen Verfahren vorgebrachten Fluchtgeschichten erfunden waren und insbesondere der Angriff auf die Zweitbeschwerdeführerin niemals stattgefunden hat". Laut der Begründung der unbekämpft gebliebenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinterließ die BF2 in der Verhandlung am 24.7.2017 bei dem erkennenden Richter "hinsichtlich der Angabe von Fluchtgründen im gesamten Verfahren durchwegs einen opportunistischen Eindruck" und ist in der Begründung des unbekämpft gebliebenen Erkennntisses des Bundesverwaltungsgerichts festgehalten, dass die BF2 durch ihre Angaben in der Verhandlung "empfindlich an Glaubwürdigkeit" eingebüßt habe. Es habe sich das gesamte Fluchtvorbringen letztlich als erfunden herausgestellt und sei von Widersprüchen und Inkonsistenzen gewesen. Im Ergebnis sei den beiden Beschwerdeführern BF1 und BF2 jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Diese hätten sich nicht nur gegenseitig widersprochen, sondern stünden ihre Aussagen auch mit ihren eigenen vor dem BFA und bei den Erstbefragungen im Juni 2016 und im Dezember 2016 gemachten Angaben in unauflöslichem Widerspruch. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts führte mit näherer Würdigung aus, die BF2 habe "empfindlich an Glaubwürdigkeit" eingebüßt und habe nicht den Eindruck erweckt, mit den Gepflogenheiten im Iran vertraut zu sein, sodass das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 16.8.2017 davon ausging, dass die BF2 den Großteil ihres Lebens in Kabul verbracht habe. Eine westliche Orientierung der BF2 habe laut dem Erkenntnis vom 16.8.2017 im Zeitpunkt der Verhandlung nicht bemerkt werden können: die BF2 legte ein "wenig selbstbewusstes Auftreten" an den Tag, an sie gerichtete Fragen seien anfangs stets vom BF1 beantwortet worden, ihre Aussagen seien "schablonenhaft, auswendig gelernt und wenig zielgerichtet" gewesen, ohne dass der Eindruck erweckt worden wäre, dass die BF2 die Bedeutung dieser "auswendig gelernten Aussagen begriffen" habe.

Den BF1 betreffend führt die unbekämpft gebliebene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.8.2017 aus, dass dieser einen "ohnehin halbherzig gebliebenen" Versuch von Abwendung vom Islam und Hinwendung zum Christentum habe geltend zu machen versucht.

6. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Wien Innere Stadt vom XXXX2018 wurde im Verfahren

XXXX Dr. XXXX zum Sachverständigen bestellt, aufgrund dessen, dass Mitarbeiter des MigrantInnenverein St. Marx am XXXX.2017 die Bestellung eines Sachwalters für die BF2 angeregt hätten, da die BF2 von diesen als "ängstlich und depressiv" erscheinend beschrieben wurde. Mit Beschluss vom 7.11.2017 wurde Mag. XXXX als einstweilige Sachwalterin bestellt.

7. Am 21.3.2018 stellten sowohl der BF1 als auch die BF2 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Der BF1 gab bei der Erstbefragung am 21.3.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an: "Meine Frau ist krank, sie kann ohne mich nicht leben, ich kann ohne sie nicht leben und ich kann nicht nach Afghanistan zurückgehen, weil die Bedrohung, die ich in meiner ersten Einvernahme angegeben habe, noch immer da ist. Ich habe niemanden dort, ich habe nichts dort."

Die BF2 erschien bei der Erstbefragung am 21.3.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein der Frau einstweiligen Sachwalterin Mag. XXXX, welche angab "laut Beschluss des Gerichts wird geprüft, ob die Asylwerberin eine geistige Behinderung oder psychische Störung hat". Auf die Frage "Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfgügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor" antwortete anstelle der BF2 die im damaligen Zeitpunkt einstweilige Sachwalterin Mag. XXXX mit den Worten: "Es muss geprüft werden, ob eine geistige Behinderung oder eine psychische Krankheit vorliegt. Oder ob ihr geistiger Zustand aufgrund einer Traumatisierung durch die Massenvergewaltigung ausgelöst wurde. Es gab bisher nur Einvernahmen, bei denen mindestens ein Mann anwesend war."

Die BF2 selbst trug bei der Erstbefragung am 21.3.2018 nicht vor. Eine nunmehr stattgefundene westliche Orientierung als Nachfluchtgrund wurde weder von Mag. XXXX noch von BF2 vorgebracht. Die einstweilige Sachwalterin Mag. XXXX gab laut Inhalt der Niederschrift über die Erstbefragung am 21.3.2018 eigenmächtig an, auf eine NICHT-Rückübersetzung zu bestehen mit der Begründung auf Verdacht einer Vergewaltigung der BF2 vor deren Ausreise durch sechs bis acht Männer im Iran und um durch eine Übersetzung nicht ein Trauma auszulösen.

8. Am 17.4.2018 erfolgte die Untersuchung der BF2 durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. XXXX zu den Fragen

* ob die BF2 an einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung leidet;

* ob die BF2 ihre Angelegenheiten aus diesem Grunde nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich besorgen kann.

Das neurologisch-psychiatrische Gutachten Dris. XXXX trägt den Einlaufstempel des Bezirksgerichts vom 25.4.2018 und basiert auf der persönlichen Untersuchung der BF2 am 17.4.2018 in ihrer Unterkunft im Beisein eines Dolmetschers. Laut Befund gab die BF2 gegenüber dem vom Bezirksgericht zum Sachverständigen bestellten Dr. XXXX an, dass sie "fünf Geschwister" habe, diese würden im Iran leben (Seite 2 von 5). Dem Gutachten ist ein Psychiatrischer Befund betreffend die BF2 zu entnehmen. Unter anderem wird festgehalten "Das Erinnerungsvermögen ist für Langzeit- sowie auch Kurzzeitinhalte gegeben" und dass die BF "Die Floskel (sic!) Kann mich nicht erinnern" auch einsetzt, "um die Gesprächsführung an den Ehemann zu delegieren" und "werden dann durchaus Einzelheiten von der Betroffenen selbst beigesteuert" (Seite 4 von 5). Als von der BF2 eingenommene Medikamente sind im Befund festgehalten: Trittico 75mg 1x abends und Escitalopram 10mg 1x morgens. Als Diagnose:

rezidivierende depressive Störung - etwa mittelgradig ausgeprägt ICD 10: F33.1.

Das Gutachten Dris. XXXX beschreibt, dass die BF2 an einer herabgesetzten Stimmungslage, mitverursacht durch unterschiedliche innerfamiliäre und persönlichkeitsspezifische Umstände leidet. Das Selbstwertgefühl ist anhaltend beeinträchtigt, dies wohl seit dem Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruches vor etwa fünf Jahren und verschärft durch die als vorwürflich aufgefassten Kommentare des sozialen Umfelds bezüglich ihrer Kinderlosigkeit. Der Lebensentwurf der Betroffenen war wohl geprägt durch den Wunsch nach Mutterschaft, eingebettet in ein umfangreiches Familiennetzwerk. Diesem Entwurf steht die gegenwärtige Lebenswirklichkeit kontrastierend gegenüber, was anhaltend die Entwicklung eines depressiven Zustandbildes fördert.

Zu den Fragestellungen des Bezirksgerichts führt das Gutachten aus, dass die BF2 an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung mit Krankheitswertigkeit leidet und es noch einer Magnetresonanztomographie bedarf. Die bestehende psychische Störung erreicht derzeit nicht einen Schweregrad, der die Fähigkeit der BF2 sich und ihre Angelegenheiten selbst zu vertreten, beeinträchtigt. Es besteht keine medizinische Notwendigkeit einer Vertretungsperson und wurde das Verfahren XXXX laut am 14.11.2018 erteilter fernmündlicher Auskunft des Bezirksgerichts Wien Innere Stadt eingestellt.

9. Am 15.5.2018 erfolgte die Untersuchung der BF2 durch Dr. XXXX, Ärztin für Psychosomatische- und Psychotherapeutische Medizin, im Beisein der Dolmetscherin Frau Varahram und mündete diese in das bei der belangten Behörde am 1.6.2018 eingelangte Gutachten "Gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren" vom 19.5.2018.

Darin ist die Anamnese festgehalten, Auszug daraus:

"Gefragt nach Gewalterlebnissen wird dies verneint. Sie habe im Iran keine Papiere gehabt, sie sei krank gewesen, sie hätte keine Ärzte zahlen können. Sie hatte kein Geld mehr gehabt. Nochmals nachgefragt, ob auf der Reise etwas passiert sei, nein, es habe sich keine Gewalt ereignet. Dezidiert nochmals nach Vergewaltigung oder sonstige sexuelle Übergriffe gefragt, mehrmals nachgefragt, wird dies glaubhaft verneint. Es sei ihr lediglich ihr Mann nahe gekommen, sonst sei kein Mann mit ihr intim geworden. Es sei nichts passiert."

Als subjektive Beschwerden wird angegeben "sehr vergesslich, dies sei sie schon im Iran gewesen aber nicht so stark. Sie habe ihr Baby verloren, danach sei es schlechter geworden. Vor sechs Monaten sei die Mutter verstorben, danach wieder Verschlechterung. Nun habe sie zweimal einen negativen Bescheid von der Behörde bekommen. Neuerliche Verschlechterung. Sie habe Depressionen, sie sei vergesslich. Nachgefragt, was sie unter ‚Depressionen' verstehe, sie wisse das auch erst seit gestern. Der Arzt habe gesagt: ‚Du weißt aber schon, dass du depressiv bist' (ein Befund dieses Arztes liegt nicht vor). Sie sitze zu Hause, sei vergesslich, dies habe nach der Fehlgeburt begonnen."

Im aus der Objektivierung resultierenden Befund steht - auszugsweise - dass die BF2 Fragen sinngemäß und adäquat beantwortete und sich keine beobachtbaren Zeichen frei flottierender Angst, keine Schreckhaftigkeit, keine tiefgreifende Verstörung, keine intrusive Symptomatik zeige.

Zur Zeit der Befundaufnahme werden im Gutachten Dris. XXXX Symptome einer Anpassungsstörung (Fehlgeburt, negative Bescheide) und depressive Verstimmung attestiert, jedoch keine Hinweise auf Traumafolgestörung im engeren Sinne, insbesondere da die Asylwerberin auch nach mehrfahrer Nachfrage und nach direktem Ansprechen einer Vergewaltigung diese verneint. Keinerlei Gewalterlebnisse werden angegeben. Insofern fehlt das Kriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Konzentrationsstörung und die sogenannte Vergesslichkeit ist auf die depressive Störung zurückzuführen und ist medikamentös gut und relativ schnell behandelbar. "Das Festsetzen eines Sachwalters erscheint aus meiner Sicht völlig überzogen und nicht angebracht", so Dr. XXXX im Gutachten, in welchem sie Antidepressiva als therapeutische und medizinische Maßnahmen anrät.

10. Am 20.7.2018 wurde der BF1 erneut beim BFA niederschriftlich einvernommen. Er gab niederschriftlich u.a. an, kerngesund zu sein, keine Medikamente zu benötigen. Seine Gattin betreffend gab er an, diese leide an Blutdruckproblemen, werde manchmal ohnmächtig und vergesse ständig Dinge. Seit sieben Jahren habe sie diese Probleme und glaube er, deswegen habe sie das Kind verloren (Anm: Schwangerschaftsabbruch). Durch die nunmehr von ihr eingenommenen Medikamente gehe es ihr besser.

Er selbst habe im Bundesgebiet keine Verwandten oder Familienangehörigen, die von im im Jahre 2015 in der Erstbefragung als "Verwandte" genannten Personen seien nur Landsleute, so der BF am 20.7.2018.

Für den Fall der Rückkehr fürchte er die ständigen Anschläge, es gäbe keine Sicherheit und keine Freiheit und gab er Angst vor dem Umbringen an.

Auf die Frage nach wesentlichen Änderungen seit Rechtskraft des Vorverfahrens gab er an: "Die Änderung betrifft meine Frau. Sie ist nicht gesund". Auf Vorhalt, dass diese seit sieben Jahren diesen Gesundheitszustand laut seinen Angaben habe, antwortete der BF1:

"Wir wollen nicht nach Afghanistan zurück, dort ist Krieg, wir sind dort nicht sicher." In Afghanistan habe er niemanden, seine Mutter sei wieder seit vier bis fünf Monaten im Iran.

11. Am 20.7.2018 wurde auch die BF2 erneut beim BFA niederschriftlich im Beisein der Mag. XXXX einvernommen. Sie wurde ausdrücklich gefragt, ob sie mit der Anwesenheit eines männlichen Dolmetschers einverstanden ist und bejahte sie dies im Beisein der Mag. XXXX. Die BF2 gab niederschriftlich u.a. an, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühlte, die Befragung zu absolvieren. Zu der Frage, ob sie am 15.5.2018 bei der Untersuchung durch Dr. XXXX den Fragen folgen konnte und alles verstanden habe, gab sie an, es sei ihr psychisch nicht so gut gegangen, daher habe sie "nicht alles richtig beantworten" können. Befragt was zum Bespiel, gab sie an "ich weiß es nicht, ich kann mich nicht erinnern". Sie wisse den Namen ihres derzeit behandelnden Arztes nicht, am 25.7. habe sie einen Termin.

Sie nannte die im Zeitpunkt der Befragung eingenommenen Medikamente:

Duloxetin 30mg, Trittico 75 mg, Escitralopam 10mg, Ferro-Gradumet 105mg, Miranax 55mg, Levocetirizin Genericon 5mg und Heilsalbe und Paspertin (gegen Kopfschmerzen).

Im Iran sei sie bei einem Psychotherapeuten gewesen wegen Problemen in Bezug auf Kopfschmerzen und Angst vor der Dunkelheit. Sie habe auch ein Kind verloren.

Auf die Frage ob sie sich noch erinnern könne, welchen Fluchtgrund sie in der Erstbefragung im Jahr 2015 oder in der Erstbefragung im Jänner 2017 oder vor dem Bundesverwaltungsgericht im Juli 2017 angegeben habe, antwortete sie "das weiß ich nicht". Die darauffolgende Frage "Aber es muss ja einen Grund gegeben haben das Heimatland zu verlassen" beantwortete sie mit "Wir können weder in Afghanistan, noch im Iran leben. Meine Mutter ist auch verstorben im Oktober 2017, wir haben keine finanziellen Mittel für eine medizinische Behandlung". Nachgefragt gab sie an, in Behandlung gewesen zu sein, solange sie finanzielle Mittel hatten und ihr Mann habe keinen Job mehr gefunden.

Auf die darauffolgende Frage, ob wirtschaftliche Gründe der Fluchtgrund waren, antwortete die BF2 "nicht nur finanzielle Gründe, aber hier ist man sicher". Im Iran sei sie nicht frei gewesen, habe keine Ausbildung machen können, weil es "meine Onkel nicht erlaubten". Auf ihre ursprüngliche Angabe von Problemen mit der Familie des Mannes gab sie an "das stimmt nicht". Sie sei nur von ihren Brüdern schlecht behandelt worden. Sie habe zwei Schwestern und zwei Brüder in Iran. Neffen und Nichten von ihr würden in Deutschland und in der Schweiz leben. Im Bundesgebiet habe sie keine Verwandten oder Familien, nur ihren Mann den BF1.

Wenn sie in Österreich bleiben dürften, dann würde der BF1 arbeiten gehen und für sie sorgen, so die BF2.

Mag. XXXX wollte eine schriftliche Stellungnahme abgeben und medizinische Unterlagen bis zum 31.7.2018 nachreichen.

12. Am 31.7.2018 langte eine solche Stellungnahme ein, worin die Rechtsvertretung für den BF1 und die BF2 zur Situation in Afghanistan und zu dem Asylverfahren der Antragsteller unter Hinweis auf UNHCR-Richtlinien näher ausführte und drei Arztbriefe Dris. XXXX übermittelte:

* Arztbrief vom 25.7.2018: Duloxetin als Medikation; Medikation gut vertragen, Kopfschmerzen gebessert, Kontrolle in vier Wochen empfohlen; Diagnose: Depressio mit Somatisierung

* Arztbrief vom 27.6.2018 (Paroxat absetzen, stattdessen Duloxetin 30mg und Kontrolle in vier Wochen)

* Arztbrief vom 29.5.2018, Medikation werde gut vertragen, Kopfschmerzfrequenz ca. 2/Monat; Kontrolle in vier Wochen

13. Mit den im Spruch näher bezeichneten angefochtenen Bescheiden des BFA wurden die Anträge der beiden Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 21.3.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf das Herkunftsland Afghanistan gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den beiden Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beiden Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Es wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stellte das BFA in den beiden bekämpften Bescheiden fest, dass die maßgebliche und die beiden Beschwerdeführer betreffende allgemeine Lage im Herkunftsland sich seit rechtskräftigem Abschluss des den BF1 betreffenden Erstverfahrens und des die BF2 betreffenden Erstverfahrens nicht geändert habe und wurde seitens der belangten Behörde zum Herkunftsstaat Feststellungen auf Basis des Länderberichts der Staatendokumentation idF 19.10.2018 getroffen. Der Länderbericht Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.6.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 19.10.2018, ist nach wie vor die letztaktuelle Fassung des Länderberichts.

Es wurde in den bekämpften Bescheiden (Bescheid 1072638308/180279786 EAST Ost betreffend den BF1 und Bescheid 1099780708/18079794 EAST Ost betreffend die BF2) aus dem Länderbericht zitiert wie folgt (Anm: Graphiken wurden entfernt):

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

(UNAMA 15.7.2018)

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (9.10.2018): Afghanistan Election Conundrum (16): Basic facts about the parliamentary elections,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-16-basic-facts-about-the-parliamentary-elections/, Zugriff 19.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (26.9.2018): Afghanistan Election Conundrum (14): District council and Ghazni parliamentary elections quietly dropped,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-14district-council-and-ghazni-parliamentary-elections-quietly-dropped/, Zugriff 2.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat 'ISKP' in Jawzjan, https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-island-overrun-taleban-defeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

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AJ - Al Jazeera (19.8.2018): Afghanistan's Ghani declares Eid ceasefire with Taliban,

https://www.aljazeera.com/news/2018/08/afghanistan-ghani-declares-eid-ceasefire-taliban-180819143135061.html, Zugriff 31.8.2018

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ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018):

Afghanistan: a Ghazni 120 morti, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120-morti_695579f5-407b-4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Mai-September 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

https://www.cbsnews.com/news/afghanistan-base-overrun-taliban-faryab-afghan-troops-killed-ghazni-fight/, Zugriff 31.8.2018

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GT - Gulf Today (12.9.2018): Scores killed in Afghan suicide attack,

http://gulftoday.ae/portal/efd26c1a-5e54-42e8-a810-7e18341d14e4.aspx, Zugriff 2.10.2018

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IEC - Independent Election Commission of Afghanistan (o.D.), http://www.iec.org.af/pdf/vr-2018/vr-statistics.pdf, Zugriff 19.10.2018

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NYT - The New York Times (21.9.2018): The Death Toll for Afghan Forces Is Secret. Here's Why,

https://www.nytimes.com/2018/09/21/world/asia/afghanistan-security-casualties-taliban.html, Zugriff 3.10.2018

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2018): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2018-07-30qr.pdf, Zugriff 31.8.2018

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TG - The Guardian (19.8.2018): Afghan president announces conditional ceasefire with Taliban, https://www.theguardian.com/world/2018/aug/19/afghan-ashraf-ghani-conditional-ceasefire-taliban-eid-al-adha, Zugriff 31.8.2018

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Tolonews (28.9.2018): Candidates Begin Campaign For Parliamentary Elections,

https://www.tolonews.com/elections-2018/candidates-begin-campaign-%C2%A0parliamentary-elections, Zugriff 19.10.2018

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Tolonews (23.9.2018): Alarm Bells Ring Over High ANA Casualty Rate,

https://www.tolonews.com/afghanistan/alarm-bells-ring%C2%A0over%C2%A0high%C2%A0ana%C2%A0casualty-rate, Zugriff 3.10.2018

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Tolonews (19.8.2018): Ghani Announces Conditional Ceasefire, https://www.tolonews.com/afghanistan/ghani-announces-conditional-ceasefire, Zugriff 31.8.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (25.9.2018a):

Preliminary findings indicate airstrike killed 12 civilians in Maidan Wardak province,

https://unama.unmissions.org/preliminary-findings-indicate-airstrike-killed-12-civilians-maidan-wardak-province, Zugriff 2.10.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (25.9.2018b): Concern about rising number of civilian casualties from airstrikes, https://unama.unmissions.org/concern-about-rising-number-civilian-casualties-airstrikes, Zugriff 2.10.2018

-

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (17.9.2018): Briefing to the United Nations Security Council by the Secretary-General's Special Representative for Afghanistan, Mr. Tadamichi Yamamoto, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/17_september_2018_srsg_briefing_security_council_english.pdf, Zugriff 19.10.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (15.7.2018): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_poc_midyear_update_2018_15_july_english.pdf, Zugriff 31.8.2018

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UNGASC - General Assembly Security Council (10.9.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_12_sept.pdf

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UNGASC - General Assembly Security Council (6.6.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_6_june.pdf, Zugriff 31.8.2018

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Quellen:

AFP - Agence France-Presse (11.9.2018): Student killed in twin bomb attack near Afghan girls' school, https://www.afp.com/en/news/23/student-killed-twin-bomb-attack-near-afghan-girls-school-doc-1904hc1, Zugriff 11.9.2018

AJ - Al Jazeera (10.9.2018): Afghanistan: Bomb attack hits Ahmed Shah Massoud supporters,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-bomb-attack-hits-ahmed-shah-massoud-supporters-180909112746171.html, Zugriff 11.9.2018

AJ - Al Jazeera (6.9.2018): Afghanistan: Two journalists among 20 killed in Kabul blasts,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-deadly-suicide-attack-kabul-sports-club-180905142909428.html, Zugriff 11.9.2018

CNN - Cable News Network (6.9.2018): Two journalists among 20 killed in wrestling club blasts in Kabul, https://edition.cnn.com/2018/09/06/asia/kabul-attack-wrestling-intl/index.html, Zugriff 11.9.2018

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.8.2018): Totei bei Angriff auf Schiiten-Moschee,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-tote-bei-angriff-auf-schiiten-moschee-15721269.html, Zugriff 21.8.2018

Khaama Press (10.9.2018a): Taliban militants overrun Khamab district in Jawzjan proince,

https://www.khaama.com/taliban-militants-overrun-khamab-district-in-jawzjan-province-05929/, Zugriff 11.9.2018

Khaama Press (10.9.2018b): ISIS claims suicide attack on the supporters of Massoud in Kabul, https://www.khaama.com/isis-claims-suicide-attack-on-the-supporters-of-massoud-in-kabul-05926/, Zugriff 11.9.2018

LWJ - Long War Journal (10.9.2018): Taliban threatens Sar-i-Pul City, captures district in Jawzjan, https://www.longwarjournal.org/archives/2018/09/taliban-threatens-sar-i-pul-city-captures-district-in-jawzjan.php, Zugriff 11.9.2018

LWJ - Long War Journal (30.8.2018): Faryab capital under Taliban threats as Afghan troops desert bases, https://www.longwarjournal.org/archives/2018/08/faryab-capital-under-taliban-threat-as-afghan-troops-desert-bases.php, Zugriff 11.9.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (11.9.20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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