Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W264 2178693-1/7E
W264 2178695-1/7E
W264 2178698-1/4E
W264 2178701-1/5E
W264 2178691-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin BF3 XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl: 11240420009-170603594/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und wird der unmündigen minderjährigen BF5 XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird der unmündigen minderjährigen BF3 XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 19.11.2019 erteilt.
IV. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers BF1 XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl: 1104145903-170603527/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß
§ 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und wird dem BF1 XXXX gemäß
§ 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 der Status des
subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird dem BF1 XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem bis zum 19.11.2019 erteilt.
IV. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin BF2 XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl:
1104132502-170603543/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß
§ 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und wird der BF2 XXXX gemäß
§ 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 der Status des
subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird der BF2 XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 19.11.2019 erteilt.
IV. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers BF4 XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl: 1104107510-170603586/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und wird dem BF4
XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird dem BF4 XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem bis zum 19.11.2019 erteilt.
IV. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Fünftbeschwerdeführers BF5 XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl: 1104146704-1706003551/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und wird dem BF5
XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird dem BF5 XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem bis zum 19.11.2019 erteilt.
IV. Gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG wird der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 sind afghanischer Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara mit schiitischem Glaubensbekenntnis. BF2 und BF1 reisten gemeinsam mit den unmündigen minderjährigen Beschwerdeführern unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 1.2.2016 für sich und ihre unmündigen Kinder BF4 und BF5 Anträge auf Internationalen Schutz und nach der Geburt der BF3 für diese am 26.7.2016 den Antrag auf Internationalen Schutz.
Am 2.2.2016 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Steiermark. Befragt nach dem Fluchtgrund gab der BF1 an: "Aufgrund der unsicheren Lage" (Siehe Niederschrift vom 2.2.2016, E1/9452/2016-sche, Punkt 11. Warum haben Sie Ihr Land verlassen. Fluchtgrund). Die Befragung ist durch den Antragsteller in eigenen Worten abschließend zu beantworten, ohne zu hinterfragen).
Befragt nach dem Fluchtgrund gab die BF2 für sich und die unmündigen minderjährigen BF4 und BF5 am 2.2.2016 an: "Die Taliban hat die Provinz Kunduz in ihrer Macht. Sie wollten auch unsere Ortschaft angreifen. Aus diesem Grund habe ich meine Heimat verlassen" (Siehe Niederschrift vom 2.2.2016, E1/9452/2016-sche, Punkt 11. Warum haben Sie Ihr Land verlassen. Fluchtgrund).
Die am 5.7.2016 in XXXX geborene BF3 betreffend wurde von der Vertreterin BF2 am 26.7.2016 der Antrag auf internationalen Schutz gestellt mit der Angabe, dass die BF3 keine eigenen Fluchtgründe habe.
Die Befragung nach dem Reiseweg am 2.2.2016 ergab, dass die Beschwerdeführer BF1 und BF2 und BF4 und BF5 unter anderem über den Mitgliedstaat Kroatien verlief. Daher wurde mit Bescheiden des BFA vom 17.8.2016 ausgesprochen, dass für die Prüfung der von den Beschwerdeführern BF1 bis BF5 gestellten Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art 13 Abs 1 Dublin III-Verordnung Kroatien zuständig sei und wurden die Anträge auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht jeweils mit Erkenntnis vom 23.11.2016 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 21.12.2016 mit, dass die Dublin-Überstellfrist betreffend die BF1 bis BF5 am 15.12.2016 abgelaufen war.
4. Aufgrund eines Folgeantrags wurden der BF1 und die BF2 am 19.5.2017 jeweils abermals zu ihren Fluchtgründen befragt und sowohl der BF1 als auch die BF2 gaben jeweils zu deren Herkunftsstaat an, dort nicht leben könne, weil dort immer noch Krieg herrsche. Im Iran könne die Familie nicht leben, da sie dort illegal aufhaltig gewesen seien und gäbe es sonst keine weiteren Fluchtgründe (Siehe Niederschrift vom 19.5.2017, E1/9308/2017, Punkt 6. Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?).
5. Am 25.10.2017 wurde die Einvernahme des BF1 vor der belangten Behörde durchgeführt und gab er an, in Afghanistan keine Sicherheit gehabt zu haben und im Iran nur die Hälfte des vereinbarten Lohns erhalten zu haben. Daher habe er den Entschluss gefasst, nach Europa auszureisen, sodass seine Kinder eine bessere Zukunft haben. Er aus dem Iran nach Afghanistan rückgekehrt und habe er dort neun Tage in Haft verbracht, da er er ein Schiit sei. Taliban-Anhänger hätten ihn festgenommen und die Dorfältesten hätten die Freilassung erwirkt. Danach sei er geflohen. Befragt, warum er dies nicht bei der Erstbefragung angab, erklärte er gefragt worden zu sein, weshalb er hier sei und er angab, dass es dort an Sicherheit mangle. Er gab auch an, alkoholkrank, jedoch seit sechs Monaten "trocken" zu sein und um Alkoholkonsum zu vermeiden, Medikamente einzunehmen.
Am 25.10.2017 wurde die Einvernahme der BF2 vor der belangten Behörde durchgeführt und gab sie an, Angst vor den Taliban gehabt zu haben. Persönlich sei sie zwar nicht bedroht worden, aber in ihrer Wohngegend hätte es viele Taliban-Anhänger gegeben, welche sie immer bedroht hätten und gesagt hätten, dass dies nicht ihr Platz zum Leben sei. Sie habe zur Schule gehen wollen, aber das sei nicht möglich. Eine Frau müsse dort zuhause bleiben und dürften nicht auf der Straße gehen. Ihr Vater habe sie manchmal geschlagen. Sie wolle ein besseres Leben haben. Sie wolle eine gute Zukunft für ihre Kinder haben.
6. Mit oben näher bezeichneten Bescheiden der belangten Behörde wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und den Beschwerdeführern jeweils der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß
§ 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde den Beschwerdeführern jeweils ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Mit Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Mit Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
7. Gegen den Bescheid des BFA richten sich die Beschwerden der BF1 bis BF5, welche mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom 28.11.2017 erstattet wurden. Damit wurden die Bescheide des BFA bekämpft und zu den Beschwerdegründen darin näher ausgeführt (auf den Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes - jeweils in den vorgelegten Fremdakten einliegend) wird hingewiesen. Als Anlage wurde die ACCORD Anfragebeantwortung "Strafe bei Verkauf von Alkohol" [a-8014], 8.5.2012, eine Statistik der WHO aus 2014 zum Alkoholkonsum in Afghanistan und sieben A4-Seiten von BBC Persian.com in arabischer Schrift vorgelegt.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt und beantragt, den Beschwerdeführern den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Beschwerdeführern den Status subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zurückzuverweisen.
8. Die bezughabenden Fremdakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 4.12.2017 ein.
9. Am 14.6.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, an welcher ein Dolmetsch für die Sprache Dari teilnahm und wird hinsichtlich die von dem BF1 und der BF2 getätigten Angaben zu ihren Fluchtgründen und Antworten auf die an sie herangetragenen Fragen auf das Verhandlungsprotokoll verwiesen. Die Beschwerdeführer erschienen im Beisein ihrer Rechtsvertretung und legten dem Gericht Beweismittel vor:
* Kinderambulanz des Krankenhaus Eisenstadt vom 20.7.2017 über "Nachbehandlung" betreffend Herzprobleme mit vorgeschriebener Wiedervorstellung der BF3 am 23.8.2017
* Teilnahmebestätigung vom 6.6.2018 betreffend BF2 an Workshops des Frauen-Cafè über Deutschworkshop (Jänner bis April 2018)
* Teilnahmebestätigung "Tanzen für Frauen" betreffend BF2, Sportunion Burgenland, Mai 2018
* Bestätigung der Caritas vom 29.5.2018 über die Teilnahme der BF2 am Strickcafé seit sechs Monaten vor dem Ausstellungsdatum, Frequenz 1x/Woche
* Bestätigung der Caritas vom 11.6.2018 über das freiwillige Engagement der BF2 bei der Kinderbetreuung im Haus XXXX
* Bestätigung des Vereins XXXX vom 1.6.2018 betreffend regelmäßige freiwillige Arbeit des BF1
* Teilnahmebestätigungen des BIB betreffend BF1 und BF2 (Bildungs- und Berufsberatung), 15.5.2018
* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs hinsichtlich BF1, am 17.2.2017
* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs hinsichtlich BF2, am 19.4.2017 und am 15.5.2018
* Bestätigung der Pannonischen Tafel, undatiert, betreffend freiwillige Arbeit der BF2
* Bestätigung der Deutschlehrerin Margarethe Höttinger vom 1.6.2018, betreffend die BF2
* Teilnahmebestätigung Deutschkurs betreffend die BF2, WIFI, 17.5.2018
* Empfehlungsschreiben der XXXX vom 30.6.2018 betreffend BF1 und BF2
* Medikamentenverordnung des Psychosozialer Dienst Eisenstadt, undatiert, ohne Benennung des Patienten
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine Stellungnahme vom 13.6.2018 vorgelegt, in welcher insbesondere zur Lage der Frau in Afghanistan ausgeführt wurde, auf die Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien hingewiesen wird: "Auszüge aus den Länderberichten diesbezüglich, die regelmäßig vom Bundesverwaltungsgerichtshof (sic!) verwendet werden".
In der Verhandlung am 14.6.2018 wurden sowohl der BF1 als auch die BF2 auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG und das Aussageverweigerungsrecht hingewiesen und aufgefordert, in Ruhe in freier Erzählung alle Fluchtgründe mitzuteilen und nichts wegzulassen, sich Zeit zu nehmen und ganz konkret und mit Details zu erzählen. Hingewiesen wurden der BF1 als auch die BF2 auch darauf, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit beeinträchtigen können.
Befragt, ob sie bei der Einvernahme vor der belangten Behörde die Wahrheit gesagt haben, wurde diese Frage von dem BF1 und der BF2 jeweils mit "ja" beantwortet (Anm: seitens des BF1 mit dem Zusatz "ich habe die Wahrheit gesagt").
Zunächst wurde die BF2 zu ihren Fluchtgründen, ihren Befürchtungen für sich und für ihre Kinder im Falle der Rückkehr und zu ihrem Leben in Österreich befragt. Sie gab auf Befragen an, dass die unmündigen minderjährigen BF3 bis BF5 die gleichen Fluchtgründe wie die BF2 haben und die unmündigen minderjährigen BF3 bis BF5 keine eigenen Fluchtgründe haben.
Die BF2 wurde von der Richterin befragt und wurden seitens des Rechtsvertreters keine Fragen an die BF2 gestellt.
Darauffolgend wurde der BF1 zu seinen Fluchtgründen, seinen Befürchtungen seine Person und die Kinder im Falle der Rückkehr betreffend und zu seinem Leben in Österreich befragt.
Seitens des Rechtsvertreters wurden an den BF1 keine Fragen gerichtet.
Für die Angaben der Beschwerdeführer BF1 und BF2 im Detail wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 14.6.2018 verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer BF1 bis BF5:
1.1.1. Die BF1 bis BF5 sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Hazara, aus der Herkunftsprovinz Baghlan und bekennen sich zum schiitischen Glauben.
1.1.2. Die BF1 bis B5 stammen aus der Provinz Baghlan.
1.1.3. Sie reisten in Umgehung der Grenzkontrollen unrechtmäßig nach Österreich ein und stellten zunächst am 1.2.2016 für BF1, BF2, BF4 und BF5 einen Antrag auf internationalen Schutz sowie am 19.5.2017 für BF1, BF2, BF4 und BF5 einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) und die im Juli 2016 in Österreich geborene BF3 am 26.7.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.4. Die Identität der BF1 bis BF5 steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.
1.1.5. Der BF1 ist der Ehemann der BF2. Die BF3 bis BF5 sind unmündige Minderjährige und handelt es sich hierbei um die Kinder dieses Ehepaares. BF3 bis BF5 sind untereinander jeweils Geschwister.
1.1.6. Die BF1 bis BF5 leben von der Grundversorgung und haben in Österreich Deutschkurse und jeweils den Werte- und Orientierungskurs besucht sowie bereits ehrenamtlich gearbeitet. Der BF1 konnte sich vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht in deutscher Sprache verständigen. Die BF2 konnte vor dem Bundesverwaltungsgericht eine einfachste Konversation führen.
1.1.7. Die Muttersprache der BF1 bis B5 ist Dari.
1.1.8. Die BF2 verfügt über eine im Iran erworbene Schulbildung und war im Iran im Haushalt, in der Beaufsichtigung von Kindern und als Schneiderin tätig.
1.1.9. Der BF1 verfügt über eine Schulausbildung und über Berufserfahrung seit seinem achten Lebensjahr, etwa als Schneider oder als Tischler.
1.1.10. Sowohl die BF2 als auch der BF1 verfügen jeweils über Familienangehörige im Iran.
1.1.11. Die BF3 ist Jahrgang 2016 und leidet an Herzproblemen.
BF2, BF4 und BF5 sind gesund und benötigen keine regelmäßigen Medikamente. Der BF1 besucht eine Gesprächstherapie und nimmt die Medikamente Trittico 150mg (nachts 1/3) und 1/3 bei Bedarf, eine Stunde vor dem Schlafengehen) und Quetiapin 25mg (1 morgens, 1 abends). Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 über der Schläfe und dem Jochbein über der linken oberen Gesichtshälfte eine Verletzung aus einem gewalttätigen Angriff hat.
1.2. Zu den Fluchtgründen:
1.2.1. Die unmündigen Minderjährigen BF3 bis BF5 haben dieselben Fluchtgründe wie deren gesetzliche Vertreterin BF2.
1.2.2. Als Fluchtgrund wird von der BF2 ins Treffen geführt, dass die Taliban das Dorf der BF2 und die Häuser dort ständig angegriffen hatten, als die BF2 im Alter von 6 1/2 oder 7 Jahren war. Eines Tages sei ein Haus in der Ortschaft der BF2 von einer Rakete getroffen worden, wobei eine schwangere Frau getötet wurde. Die Beerdigung dieser Person habe die Mutter der BF2 vorgenommen, da sich sonst niemand dafür bereit erklärte. Die BF2 habe dies selbst gesehen und habe aus Angst vor den Taliban das Land in Richtung Iran verlassen. Den Iran habe sie 2016 verlassen, da sie von dort aus nach Afghanistan abgeschoben wurden. Sie hätten daraufhin die Schwester der BF2 namens XXXX in Baghlan aufgesucht. Mit XXXX seien sie nach Österreich gekommen. Zuvor seien sie mit XXXX für 3 1/2 Monate in Baghlan geblieben. Die Situation sei aber noch schlimmer geworden: Kunduz sei von den Taliban erobert worden und Kunduz sei in der Nähe von Baghlan, sodass auch Baghlan die Gefahr drohte, von den Taliban bedroht zu werden. Es habe nur ein paar Hazara schiitischen Glaubens gegeben, der Rest wären Paschtunen gewesen und diese wären im Falle eines Überfalls der Taliban auf das Dorf "automatisch auf der Seite der Taliban". Mit "viel schlimmer geworden" meine sie das vorher Erzählte mit der Angst vor dem Talibanangriff und dass die Paschtunen dann die Taliban unterstützen und hätten auch die Selbstmordattentate zugenommen.
Zunächst habe sie bei der Rückkehr nach der Abschiebung aus dem Iran gedacht, es könne sein, dass sich alles gebessert habe. Sie sei jung gewesen und habe etwas lernen wollen und gedacht, dass ihre Kindert dort zur Schule gehen könnten und ihr Mann in Ruhe Arbeit finden könnte. Aber sie habe gesehen, dass "alles noch viel schlimmer" geworden sei. Die BF2 schloss mit den Worten "Das war alles an Fluchtgründen. Es war nicht möglich, dass wir uns dort eine Zukunft aufbauen".
Für den Fall der Rückkehr fürchte sie um das Leben ihrer Kinder:
diese hätten in Afghanistan nicht die Möglichkeit zur Ausbildung. Es gäbe keine Arbeit, keine Wohnung, kein Geld. Sie könnten dort sterben. Für die minderjährige Tochter befürchte sie, dass diese nicht hinausgehen dürfe und keine Ausbildung erhalte.
Sie habe gehört, in Europa hätten Männer und Frauen die gleichen Rechte und Recht auf freie Meinungsäußerung. In den letzten zwei Jahren habe sich ihr Leben sehr geändert. Für sie sei es wie eine Neugeburt seit sie in Österreich sei.
Es kann anhand des von der BF2 für sich und ihre Kinder BF3 bis BF5 nicht festgestellt werden, dass die BF2 und ihre Kinder BF4 und BF5 sowie die in Österreich geborene BF3 - für welche die BF2 die Fluchtgründe geltend machte - Afghanistan aus asylrechtlich relevanten Gründen verlassen haben.
1.2.3. Die BF2 wurde in Afghanistan weder aufgrund der Religionszugehörigkeit, noch wegen der Volksgruppenzugehörigkeit nie bedroht oder verfolgt.
1.2.4. Die BF2 war in Afghanistan nie Mitglied einer Partei oder politisch tätig, nie in Haft und hatte auch nie persönlich Probleme mit Polizei, Behörden oder einem Gericht ihres Herkunftsstaates.
1.2.5. Die BF2 ist in Afghanistan niemals von irgendeiner Person wegen Blutrache oder einem Racheakt bedroht oder verfolgt worden.
1.2.6. Die BF2 ist in Afghanistan nie aufgrund dessen, dass sie eine Frau ist, verfolgt oder bedroht worden.
1.2.7. Als Fluchtgrund wird vom BF1 ins Treffen geführt, dass er im Iran geboren sei. Sein Vater habe Afghanistan verlassen, als die Kommunisten an der Macht gewesen seien. Er selbst sei das erste Mal für einen Monat in Afghanistan gewesen, als Präsident Karzai an die Macht kam. Er habe ein Grundstück in Dashte Khojaalwan bekommen, um dort ein Haus zu errichten. Begann man mit dem Hausbau, hätten es die Paschtunen zerstört und das Grundstück für sich beansprucht. Auf die Frage "Ist Ihnen persönlich das passiert?" gab er an: "Ja, das ist bei mir passiert. Und ich war neun Tage in Haft und meine Schuld war, dass ich ein Schiit bin". Über 40 Männer seien in seiner Ortschaft verhaftet worden und habe sich dies im Jahre 2000/2001 zugetragen. Auf Intervention des Onkels der BF2 sei er enthaftet worden und sofort geflüchtet.
Auf die Frage "welche Gründe gab es noch, warum Sie weggegangen sind aus Afghanistan?" gab er an, man habe ihnen nach der Abschiebung aus dem Iran in Afghanistan vorgehalten, sie würden Iraner seien und man hätte sie nicht akzeptiert. Er selbst sei zweimal in Afghanistan gewesen: zum ersten Mal als er ledig war und das zweite Mal als Verheirateter im Jahre 2016.
Bei der Abschiebung aus dem Iran habe ein Offizier zu den Männern gesagt, sie sollten für 3 Mio. Toman nach Syrien gehen und wenn man zurückkomme, bekomme man einen Aufenthaltstitel. Er habe dies nicht wollen und sei mit der Familie nach Afghanistan nach Dashte Khojaalwan abgeschoben worden und mit seiner Frau zum Onkel seiner Frau namens XXXX gegangen.
Der Mann der Schwester der BF2 habe dort Probleme mit Paschtunen gehabt, welcher Art diese Probleme waren, wisse der BF1 nicht. Aber der Schwager sei sehr schlecht behandelt worden und sei dessen Haus angezündet worden. Als er mit dem Schwager unterwegs gewesen sei, seien sie von Paschtunen angegriffen, geschlagen und des Geldes beraubt worden. Als Schiit und Hazara habe man keine Sicherheit und könne nicht problemlos von einer Ortschaft in eine andere reisen. Sie hätten auf der Reise von Dashte Khojaalwan nach Pol e Ghombri aus Angst nie gesagt, Hazara zu sein, sondern der usbekischen Volksgruppe anzugehören. Aus diesen Gründen habe er das Land verlassen. Auf die Frage ob es sonst noch Gründe gäbe von denen er sage, dass er aufgrund dessen aus Afghanistan weg musste, gab er an:
"das war alles".
Zur Frage nach einer etwaigen Verfolgung / Bedrohung seiner Person aufgrund seiner Volksgruppe gab der BF1 an: "Ja, als ich das zweite Mal in Afghanistan war. Ich wurde zweimal bedroht, mir wurde die Kalaschnikow an die Schläfe gehalten, weil dieser Mensch die Unterstützung der Regierung hatte. [...] Dieser Mensch sagte zu mir:
wenn du die Ortschaft nicht verlässt werde ich dich und deine Frau umbringen. Er könnte es auch machen - ich wurde mit einem Gewehrkolben im Kopfbereich geschlagen, die Spuren kann man noch heute sehen. [Anm: Der BF zeigte seine linke obere Gesichtshälfte über der Schläfe und dem Jochbein vor.] Dieser Mensch wurde auch von vier oder fünf anderen Menschen mit Pistolen begleitet und von mir und meinem Schwager wurde das ganze Geld genommen und uns wurde gesagt, dass wir morgen das doppelte an Geld dabei haben müssten. Ich wurde mit dem Gewehrkolben geschlagen und der Schwager wurde im Bauchbereich mit einem Messeraufsatz einer Kalaschnikov verletzt".
Auf die Frage "Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt"? gab der BF1 an: "Ja. 9 Tage lang war ich in Haft. Der Grund war, dass ich Schiit war. Das war als ich das erste Mal in Afghanistan und in diesen neun Tagen in Haft musste ich von der Körperhaltung her wie die Sunniten beten".
1.2.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 in Afghanistan wegen seiner Volksgruppen- und / oder Religionszugehörigkeit verfolgt oder bedroht wurde.
1.2.9. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern BF1 bis BF5 im Herkunftsstaat eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht oder im Falle der Rückkehr droht. Weder der BF1 noch die BF3 bis BF5 wurden in Afghanistan weder aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bedroht oder verfolgt, noch aufgrund der Religionszugehörigkeit. Sie waren in Afghanistan niemals Mitglied einer Partei oder sonst politisch tätig, sie waren in Afghanistan niemals in Haft, sind in Afghanistan nicht vorbestraft und werden auch nicht mit einer staatlichen Fahndungsmaßnahme wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief gesucht. BF1 bis BF5 hatten in Afghanistan auch nie Probleme mit Behörden, der Polizei oder einem Gericht.
Die weiblichen Beschwerdeführerin BF2 wurde in Afghanistan niemals persönlich bedroht oder verfolgt, weil es sich bei diesen beider um eine Frau handelt.
Eine asylrelevante Diskriminierung der weiblichen Beschwerdeführerinnen aufgrund von "westlicher Orientierung" konnte nicht festgestellt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret die BF1 und BF3 aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau sind, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist bzw dass jede afghanische Staatsangehörige weiblichen Geschlechts in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Mit ihren Angaben zeigen die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 asylrelevante Gründe für das Verlassen Afghanistans nicht auf.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer BF1 bis BF5 in den Herkunftsstaat:
Mit ihren Angaben zeigen die BF1 bis BF5 asylrelevante Gründe für das Verlassen Afghanistans nicht auf, welche dazu geeignet wären, sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen auszusetzen.
Es kann für den Fall ihrer Rückkehr nicht festgestellt werden, dass konkret die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 als Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie als schiitische Muslime in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt sind bzw dass jeder Angehörige dieser Volksgruppe sowie jeder schiitische Muslim in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret die Beschwerdeführer BF1, BF2, BF4 und BF5 aufgrund der Tatsache, dass sie sich im Iran und zuletzt in Europa aufgehalten haben, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt sind bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher im Iran sozialisiert wurden bzw aus Iran und / oder aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret die BF3 aufgrund der Tatsache, dass sie im Jahre 2016 in einem westlichen Land geboren und seither in Europa aufhaltig war, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt sind bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige des Alters der BF3, welcher nach Geburt und Aufenthalt nin Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
Insgesamt konnten die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 nicht glaubhaft vermitteln, dass sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wären.
Zum Herkunftsort Baghlan ist zu sagen, dass laut dem aktuellen Länderbericht Quellen zufolge diese Provinz im Februar 2017 als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes galt und sich deren Sicherheitslage seit Anfang 2016 verschlechtert hat. Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle der Rückkehr nach Baghlan die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde, sodass zu prüfen ist, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich wäre.
Hinsichtlich die als innerstaatliche Fluchtalternative geltende Stadt Mazar-e Sharif und die Provinz Herat ist zu sagen, dass im gesamten Herkunftsstaat betreffend die unmündig minderjährige BF3 eine allgemeine Gefährdungslage besteht: Bei der unmündig minderjährigen BF3 handelt es sich um eine besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Person (VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479-9) und geht das Gericht davon aus, dass der BF3 bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine innerstaatliche Fluchtalternative Mazar-e-Sharif oder Herat die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde, sodass die BF3 nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedelung in andere Landesteile Afghanistans verwiesen werden kann, weil der Länderbericht die Versorgungslage für Kinder des Alters der im Jahr 2016 geborenen BF3 nicht bloß für einzelne Teile Afghanistans schildert: Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Die BF3 ist im Jahr 2016 geboren und hat somit ihren fünften Geburtstag noch nicht erreicht und als solche ist sie rechtlich gesehen ein Kind und gibt der Länderbericht an, dass im Jahr 2017 Kinder 30% aller zivilen Opfer ausmachten und sind die Hauptursachen Kollateralschäden bei Kämpfen am Boden (45%), Sprengfallen (17%) und zurückgelassene Kampfmittel (16%).
Die im Länderbericht geschilderte Lage wäre wäre nicht bloß in der Herkunftsprovinz so, sondern auch in Mazar-e-Sharif und in Herat. Im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung droht der unmündigen Minderjährigen BF3 daher im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung ihrer gemäß Art 2 und Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte.
Nach Prüfung des Einzelfalls steht der unmündigen minderjährigen BF3 somit eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung, sodass sie nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedelung in andere Landesteile Afghanistans verwiesen werden kann, da sie auch dort Gefahr laufen würde, im Falle der Rückkehr in ihren gemäß Art 2 und Art 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt zu werden.
Die getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF3 basieren auf den Informationen der behandelnden Ärzte aus jenen medizinischen Unterlagen, welche die BF3 im Verfahren vorlegte.
1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Afghanistan (aus dem Länderbericht vom 19.10.2018):
Baghlan
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt (Pajhwok o.D.). Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan (Pajhwok o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt (CSO 4.2017).
Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022
u. a. die Baghlan-Bamiyan-Straße, auch "B2B-Road" genannt, durch eine Förderung von 170 Millionen USD gebaut werden (TWB o.D).
Mit Stand November 2017 wird in der Provinz Baghlan Opium angebaut (UNODC 11.2017).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes (NTV 28.2.2017; vgl. DS 1.3.2017). Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen (Khaama Press 12.8.2017; vgl. Pajhwok 28.3.2017). Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (Khaama Press 12.8.2017). Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken (Khaama Press 25.2.2018). Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diesen Gruppierungen vor (Khaama Press 25.2.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018). Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach (Pajhwok 28.3.2017). Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (UNAMA 2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Baghlan
In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien (MENAFN 19.5.2018; vgl. Xinhua 1.3.2018, Xinhua 25.2.2018; Xinhua 18.1.2018; Afghanistan Times 26.11.2017; Tolo News 26.7.2017; AOP 20.7.2017; Pajhwok 21.5.2017). Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische (Xinhua 1.3.2018; vgl. Xinhua 25.2.2018; AOP 20.7.2017; Pajhwok 21.5.2017) und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet (Xinhua 18.1.2018; vgl. Pajhwok 5.2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Baghlan
Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv (NYT 23.8.2017; vgl. Khaama Press 12.8.2017 ). Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen (Pajhwok 8.7.2017).
In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar (TD 28.2.2018), nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war (IWA 28.2.2017; vgl. TD 28.2.2018). Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen einzuheben (Khaama Press 25.2.2018).
Informationen eines hochrangigen Beamten zufolge war noch im Mai 2017 die Präsenz des IS im Norden Afghanistans schwach; ihm zufolge existierten keine Informationen zu der Anwesenheit des IS in der Provinz Baghlan (TD 18.5.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurde im Süden der Provinz Baghlan Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden (ACLED 23.2.2018).
Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).