Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W179 2182874-1/ 6E
W179 2182875-1/ 6E
W179 2182854-1/ 5E
W179 2182871-1/ 6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. iur. Eduard Hartwig PAULUS als Einzelrichter über die XXXX, alle StA.XXXX,XXXX jeweils vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und MigranntInnenbetreuung GmbH, beide mit Zustelladresse "ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX XXXX, ausgefertigten Bescheide, betreffend Anträge auf Internationalen Schutz, beschlossen:
A) Beschwerden:
Die angefochtenen Bescheide werden behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Alle vier reisten gemeinsam - laut angefochtenen Bescheiden spätestens am
XXXX - illegal in das Staatsgebiet der Republik Österreich ein und stellten jeweils ein Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde jeweils die Anträge der Beschwerdeführer auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und eines subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihnen nicht einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, sondern erließ vielmehr gegen jene eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung fest (Spruchpunkt III.), sowie sprach schließlich aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
3. Gegen diese Bescheide wenden sich die erhobenen Beschwerden in vollem Umfange wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften; dies mit dem Begehren, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die angefochtenen Bescheide - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, in eventu die angefochtenen Bescheide - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und ihnen den Status eines subsidiäre Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die angefochtenen Bescheide - im angefochtenen Umfange - ersatzlos [sic!] zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4. Die belangte Behörde legt die Verwaltungsakten vor, erstattet keine Gegenschrift und verzichtet auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, ohne einen Antrag zu stellen.
5. Die Beschwerdeführer legen Integrationsnachweise vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Alle vier reisten gemeinsam - laut angefochtenen Bescheiden spätestens am
XXXX - illegal in das Staatsgebiet der Republik Österreich ein und stellten jeweils ein Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide waren (laut behördlicher Annahme zum Zwecke der Verfahrensidentität) der Drittbeschwerdeführer XXXX Jahre und die Viertbeschwerdeführerin
XXXX Jahre jung.
3. Der Erstbeschwerdeführer und Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde ein einziges Mal einvernommen, übernahm hiebei ausdrücklich die gesetzliche Vertretung der beiden Genannten im Asylverfahren, wurde jedoch nicht zu den Fluchtgründen seiner Kinder befragt, insbesondere nicht, ob diese eigene Fluchtgründe hätten oder ausschließlich auf seine eigenen oder die der Mutter verwiesen würde. In der einzigen behördlichen Einvernahme der Mutter verwies diese hinsichtlich ihrer Kinder ebenso auf die gesetzliche Vertretung durch den Erstbeschwerdeführer als Vater.
4. Nach jener Einvernahme des Erstbeschwerdeführers sandte die belangte Behörde diesem ein mit Parteiengehör betiteltes Schreiben des Inhaltes, es würde eine Beweisaufnahme stattfinden und noch ergänzendes Vorbringen zur erfolgten Einvernahme benötigt, es werde ihm sohin aufgetragen, im Sinne des Parteiengehörs schriftlich insbesondere nachstehende Fragen beantworten: "- Hat ihr Sohn, [XXXX], neben den von Ihnen bereits angeführten Fluchtgründen noch eigene bzw. weitere Gründe vorzubringen? - Hat ihre Tochter, [XXXX], neben den von Ihnen bereits angeführten Fluchtgründen noch eigene bzw. weitere Gründe vorzubringen?" Das Schreiben enthielt den "Hinweis": "Sollten sie zur beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde nicht Stellung nehmen, wird das Verfahren ohne nochmalige Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt werden." (...) "Der Bescheid wird auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen werden, soweit nicht Ihre Stellungnahm anderes erfordert.
Rechtsgrundlage: § 45 des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG)." Dieses Schreiben wurde vom Erstbeschwerdeführer am XXXX übernommen und enthielt keinerlei Übersetzung in die Muttersprache des Erstbeschwerdeführers.
5. Seit XXXX ist der Erstbeschwerdeführer mit Hauptwohnsitz an einer bestimmten Adresse gemeldet und sein Unterkunftgeber die XXXX. Auf das "Parteiengehör" der belangten Behörde meldete sich per E-Mail vom XXXX, somit bereits einem Tag nach erfolgter Übernahme des behördlichen Schreibens, eine näher genannte Person als "Betreuer - XXXX" unter Wiederholung der beiden gestellten Fragen und der Angabe, der Erstbeschwerdeführer wisse nicht, wie er darauf reagieren solle, auch könne der Verfasser der E-Mail damit nichts anfangen; letzterer wäre sehr dankbar, wenn die Behörde ihm dies bitte etwas erläutern könnte, schöner wäre es noch, wenn die Behörde die Zeit finden würde, den genannten Betreuer unter einer näher angeführten Telefonnummer anzurufen.
6. In dem durchgängig mit Aktenseiten handschriftlich nummerierten Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers ist nicht aktenkundig, dass ein solches Gespräch oder eine Manuduktion des Erstbeschwerdeführers zu den gestellten Fragen stattgefunden hätte. Nächstes Aktenstück ist wiederum eine E-Mail des genannten Betreuers, mit welcher eine Ausweiskopie nachgereicht wird.
7. In den angefochtenen Bescheiden der beiden minderjährigen Kinder wird festgestellt, der Erstbeschwerdeführer als gesetzliche Vertreter habe keine eigenen Fluchtgründe für dieselben angegeben, es habe festgestellt werden können, dass für diese die gleichen Fluchtgründe wie für den Vater gelten würden.
7.1. In den zugehörigen Beweiswürdigungen der beiden angefochtenen Bescheide wird nochmals festgehalten, von der gesetzlichen Vertretung sei für die beiden minderjährigen Beschwerdeführer "keine eigene Fluchtgeschichte [sic!]" geltend gemacht worden, die zentralen Erkenntnisquellen stützten sich daher auf die Aussagen des Vaters, eine separate Befragung der minderjährigen Beschwerdeführer selbst habe unterbleiben können und war das Ergebnis der Entscheidungsfindung im Verfahren des gesetzlichen Vertreters vollinhaltlich zu übernehmen. Bezüglich der verfahrensentscheidenden Ausführungen werde auf den zeitgleich erlassenen Asylbescheid der gesetzlichen Vertretung verwiesen.
7.2. Die rechtliche Würdigung der beiden besagten Bescheide verweist ihrerseits wiederum auf die Fluchtgründe des Vaters.
7.3. In den beiden angefochtenen Bescheiden der minderjährigen Beschwerdeführer werden in den dort genannten Beweismitteln, welche im Übrigen vor den Feststellungen und nicht bei der Beweiswürdigung verortet sind, das behördliche Schreiben zu den Fluchtgründen der Kinder und die darauf erfolgte Anfrage des erwähnten Betreuers nicht erwähnt, wie überhaupt sich aus der Begründung der besagten zwei Bescheide nicht klar ergibt, dass die Behörde in der Einvernahme des gesetzlichen Vertreters übersehen hat, ihn nach den Fluchtgründen der Kinder zu befragen, sie diesen hernach nochmals schriftlich befragt hat und wie sie das daraufhin erhaltene Schreiben bewertet.
7.4. Soweit die angefochtenen Bescheide der minderjährigen Kinder (Drittbeschwerdeführer und Viertbeschwerdeführerin) auf den Bescheid des Erstbeschwerdeführers als gesetzlichen Vertreter verweisen, ist festzustellen, dass der angefochtene Bescheid des Vaters in seinen Feststellungen und in seiner Beweiswürdigung kein Begründungselement dazu enthält, wie die belangte Behörde dazu kommt, dass die Fluchtgründen der Kinder diejenigen des Vaters sind.
8. Die angefochtenen Bescheide der beiden minderjährigen Kinder enthalten keine konkreten Feststellungen zu ihrer individuellen Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan: So wird zwar festgestellt, dass diese an keiner Erkrankung leiden und keine Medikamente einnehmen, jedoch fehlen Feststellungen zu ihrer Muttersprache und inwieweit sie gegebenenfalls eine zweite Sprache sprechen, zu ihrem Geburtsort, in welchem Land sie bisher den größten Teil ihres Lebens verbrachten, in welchem Kulturkreis sie damit aufwuchsen, welche Ausbildung sie absolviert bzw Schulen sie besucht haben.
8.1. Länderfeststellungen fehlen in diesen beiden Bescheiden vollständig! Es findet sich lediglich dort der Satz: "Auf die Länderfeststellungen der Staatendokumentation im Bescheid Ihres gesetzlichen Vertreters, [sic!] wird hingewiesen."
8.2. in den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides des Erstbeschwerdeführers als Vater und gesetzlichem Vertreter der beiden minderjährigen Beschwerdeführer findet sich zur Lage von Kindern in Afghanistan unter anderem Nachstehendes an den zitierten Stellen: Unter der Überschrift "10. Bildung": Seit dem Jahr 2000 habe sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahren erhöht. Frauen und Mädchen würden öfter zu Schule gehen, wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. Zudem gibt es unter der eigenen Überschrift
"15.1. Kinder" nähere Ausführungen zur Situation der Kinder in Afghanistan: So habe sich insbesondere die Situation der Mädchen seit Ende der Herrschaft der Taliban und damit deren Zugang zum Bildungssystem verbessert, mittlerweile würden rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Jedoch sei der gewaltfreie Umgang mit Kindern noch nicht als Normalität zu bezeichnen, körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei seien verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen zur Eindämmung dieses Gewaltspotenzials gebe es nicht. Ferner gibt es Informationen zur Kinderarbeit. Schließlich wird festgehalten, viele Kinder seien unterernährt, ca. 10 % der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben. Straßenkinder gehörten zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sein jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.
2. Beweiswürdigung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Bestimmung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts Einsicht genommen in die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten sowie die darin enthaltenen Unterlagen - insbesondere in die angefochtenen Bescheide und die dagegen erhobenen Beschwerden.
3. Rechtliche Beurteilung:
1. Die Beschwerden wurden rechtzeitig erhoben und sind zulässig.
3.1. Zu A) Beschwerden:
2. Wie dargestellt hat die belangte Behörde die beiden minderjährigen Beschwerdeführer nicht selbst einvernommen, es allerdings auch in der einzigen Einvernahme des Erstbeschwerdeführers als Vater und gesetzlichen Vertreter derselben unterlassen, diesen zu den Fluchtgründen der Kinder zu befragen. Vor diesem Hintergrund ist die weitere Vorgehensweise der belangten Behörde zu beurteilen:
2.1. Die belangte Behörde versuchte mit dem besagten späteren Schreiben die unterlassene Befragung zu den Fluchtgründen der Kinder zu sanieren. Soweit dieses Schreiben Textbausteine aus einer Verständigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme beinhaltet, ist zweifelsfrei klar, dass eine solche Verständigung notwendigerweise der Partei auch ein festgestelltes Ergebnis auf der Sachverhaltsebene zur Stellungnahme vorhalten muss, was hier nicht der Fall war, vielmehr beschränkte sich dieses auf das Nachholen der unterlassenen Fragen.
2.2. Der Hinweis, sollte der Erstbeschwerdeführer zur beabsichtigten Vorgangsweise (welcher?) nicht Stellung nehmen, werde das Verfahren ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage (welcher?) fortgeführt werden, kann die Unterlassung ebenfalls nicht sanieren, wurde doch zur damaligen Aktenlage nie erhoben, welche Fluchtgründe für die Kinder gelten.
2.3. Zudem wurden die Fragen des Schreibens in deutscher Sprache ohne entsprechender Übersetzung gestellt, obwohl die belangte Behörde auf dem Boden der Erstbefragung mit einem Dolmetscher nicht davon ausgehen konnte, dass der Erstbeschwerdeführer den Inhalt dieses Schreiben ohne Hilfe erfassen konnte.
2.4. Wenn sich daraufhin der Betreuer des Erstbeschwerdeführers aus dessen Unterkunft bei der belangten Behörde unter Wiedergabe der gestellten Fragen meldet und bekannt gibt, dass weder der Erstbeschwerdeführer noch der Betreuer verstehen, wie darauf zu reagieren sei, durfte die Behörde - nach dem objektiven Erklärungswert - dieses Schreibens nicht davon ausgehen, dass dessen Inhalt vom Erstbeschwerdeführer verstanden worden war oder er sich gar zu diesen Fragen verschweigen wollte.
2.5. Da die belangte Behörde daraufhin - entgegen Ihrer Manuduktionspflicht - den Erstbeschwerdeführer nicht (zumindest nicht aktenkundig) anleitet, gegebenenfalls unter vorherigem Auftrag zur Vorlage einer Vollmacht durch den genannten Betreuer, sondern einfach antizipierend davon ausgeht, dass der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe, sondern ausschließlich diejenigen des Erstbeschwerdeführers haben, und zudem in keinster Weise in den angefochtenen Bescheiden der beiden minderjährigen Kinder noch in jenem ihres Vaters als gesetzlichen Vertreter darlegt, wie sie zu diesem vorwegnehmenden Schluss kommt, belasten sie die Bescheide der beiden minderjährigen Kinder mit Rechtswidrigkeit.
Schon deshalb sind die angefochtenen Bescheide des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin aufzuheben, und ist insbesondere auf das Kindeswohl als besonders geschütztes Rechtsgut und auf die besondere Vulnerabilität einer Familie mit minderjährigen Kindern hinzuweisen.
3. § 28 Abs 3 2 Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung ausgesprochen (vgl VwGH 26.06.2014, ZI Ro 2014/03/0063), dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommt, "wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat".
3.2. Eine Zurückverweisung der Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach diesem Erkenntnis somit insbesondere in Betracht (siehe Lehofer, die Grenzen der Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht, ÖJZ 2014/109):
-
Wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
-
wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat,
-
wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden ("Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
3.3. Die belangte Behörde hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht bzw nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechende Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt:
3.3.1. Zum einen sind hier als gar nicht, oder maximal als bloß ansatzweis ermittelt die Fluchtgründe der beiden minderjährigen Beschwerdeführer zu nennen, bei diesen handelt es sich jedoch um die entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente eines Asylverfahrens schlechthin!
Zumal das Kindeswohl besonders geschützt ist.
3.3.2. Zudem hat es die belangte Behörde unterlassen, in den angefochtenen Bescheiden der minderjährigen Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu treffen, sondern hier lediglich auf jene im Bescheid des Vaters verwiesen, obwohl es sich bei Länderfeststellungen um Sachverhaltselemente (!) und nicht rechtliche Begründungen handelt.
3.3.3. Doch selbst wenn die im Bescheid des Vater dargestellten Länderfeststellungen zur Situation von Kindern in Afghanistan als Grundlage der Bescheide der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer herangezogen werden dürften, ist unter Hinweis auf die jüngere Entscheidung des VfGH (etwa E 3507/2017-15 vom 27. Februar 2018) festzuhalten, dass die im angefochtenen Bescheid des Vaters (!) wiedergegebenen Länderberichte unter anderem nur allgemeine Ausführungen zur Situation von Kindern in Afghanistan enthalten. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit in dieser Hinsicht grundlegend ergänzungsbedürftig.
Denn die belangte Behörde setzt sich in ihrer Begründung, insbesondere zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (!), nicht weiter mit jenen Länderfeststellungen im väterlichen Bescheid und der Situation von Minderjährigen in Afghanistan insgesamt auseinander, bzw würdigt auf diese aufbauend nicht ausreichend die individuelle konkrete Situation der Kinder bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan, vielmehr unterlässt sie maßgebliche Feststellungen zur individuellen Situation der minderjährigen Beschwerdeführer in deren Bescheiden, ua zu deren Muttersprache, gegebenenfalls Zweitsprache, Geburtsort, in welchem Land sie bisher den größten Teil ihres Lebens verbrachten, in welchem Kulturkreis sie daher aufwuchsen, welche Ausbildung sie absolviert bzw Schulen sie besucht haben.
3.3.4. Insofern geht die belangte Behörde auf die Minderjährigkeit der Dritt- und Viertbeschwerdeführer nicht (ausreichend) ein und hat hier im besten Fall nur ansatzweise ermittelt, sondern sich maßgeblich auf die Eltern konzentriert, was auch dadurch bestätigt wird, dass sie in der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers völlig übersah, jenen als deren gesetzlichen Vertreter nach den Fluchtgründen der minderjährigen Kinder zu befragen.
Damit hat die belangte Behörde jedoch im Ergebnis jegliche vertiefende bzw individuelle Auseinandersetzung mit den im Bescheid des Vaters zugrunde gelegten kinderspezifischen Länderberichten und der Frage, ob den beiden Kindern, im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde in etwa 12 Jahre und 7 Jahre jung, im Falle einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art 2 und Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (vgl hiezu jüngst VfGH 21.9.2017, E 2130/2017 ua; 11.10.2017 E 1734/2017 ua; 11.10.2017 1803/2017 ua), unterlassen.
Vor dem Hintergrund bloß allgemeiner Ausführungen wird die belangte Behörde der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vor allem unter dem Gesichtspunkt der besonderen Vulnerabilität von Kindern bereits mehrfach dargelegten Verpflichtung, eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahren, die die Familie mit zwei minderjährigen Kindern bei Rückkehr nach Afghanistan zu erwarten habe, nicht gerecht. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der tatsächlich vorzufindenden Rückkehrsituation lässt die Entscheidung der belangten Behörde - wie dargestellt - vermissen (vgl insb jüngst VwGH 4. Oktober 2018, Ra 2018/18/0229 bis 0232-12, mHa E 21.3.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479, mwN).
Die Entscheidungen zu den minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführern sind somit begründungslos ergangen.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt als bloß ansatzweise ermittelt erweist, sodass grundlegende und geeignete Ermittlungen und darauf aufbauende Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind.
4. Die belangte Behörde wird somit die oben angeführten Ermittlungen nachzuholen haben.
5. Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden, insbesondere nicht zu den Fluchtgründen (!). Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführendes Ermittlungsverfahren und darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht liegt jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzgebers und im Telos des Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Neu begründet. Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich, zumal sich das erkennende Gericht ohnedies zuerst wiederum an die Staatendokumentation der Behörde wenden müsste.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse wird die belangte Behörde nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von aktuellen, die oben angeführten Punkte abklärenden Länderfeststellungen, samt ausreichender rechtlicher Würdigung der gesamtfamiliären Situation im Falle einer Rückkehr für die minderjährigen Beschwerdeführer neue Bescheide zu erlassen haben.
6. Da die angefochtenen Bescheide ausweislich § 34 AsylG im Familienverfahren und nach dessen Absatz 4 somit - unter einem - zu führen sind, sind die Bescheide der Eltern und damit der Erst- und Zweitbeschwerdeführer (mit denselben behördlichen Aussprüchen) ebenso (mit-)aufzuheben, widrigenfalls die Verfahren über die Instanzen verteilt wären und nicht mehr gemeinsam geführt werden könnten.
7. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher ausweislich § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG die angefochtenen Bescheide mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
8. Bei diesem Ergebnis konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG iVm § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben.
3.2. Zu B) Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
So war die Rechtsfrage zu klären, inwieweit der maßgebliche Sachverhalt feststeht und eine Zurückverweisung an die belangte Behörde wegen gravierender Ermittlungsmängel in Betracht kommt.
Hier weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl die oa angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W179.2182874.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.01.2019