Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W150 2209263-1/3E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .2000, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, ZVR-Zahl 460937540, Alser Straße 20, Atelier, Top 21, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 10.10.2018, Verfahrens Zl. XXXX :
A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der zum damaligen Zeitpunkt noch mj. Beschwerdeführer (in der Folge: "BF") reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt, spätestens jedoch am 31.01.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 01.02.2016 wurde der BF in der Landespolizeidirektion Steiermark (in der Folge: "LPDion Stmk"), AHZ Vordernberg durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi erstbefragt; Verständnisprobleme dazu gab er keine an. Dabei gab er zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant an, afghanischer Staatsangehöriger, zum im Spruch angeführten Datum in Maidan, Afghanistan, geboren und in Maidan, Wardak, wohnhaft gewesen zu sein, Moslem (Schiit) und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara zu sein sowie über vier Jahre Grundschulausbildung in Kabul zu verfügen. Weiter führte er aus, dass er von Beruf Hilfs- bzw. Gelegenheitsarbeiter sei, Farsi/Persisch spreche (Muttersprache), diese allerdings nicht in Schrift beherrsche und er ledig sei. Seine Stiefmutter, Stiefschwester und Stiefbruder sowie sein Bruder Taher befänden sich in Österreich, sein Vater nicht. Den Entschluss zur Ausreise auch seinem Herkunftsland habe er vor ca. 1 Monat gefasst, Ziel hätte er keines gehabt. Er sei ohne Reisedokument ausgereist. Die Route hätte zunächst über Pakistan (1 Tag), den Iran (8 Tage) und die Türkei (7 Tage) nach Griechenland (1 Tag) geführt, wo er von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Von dort sei er über Mazedonien (2 Tage), Serbien, Kroatien und Slowenien (jeweils nur Durchreise) nach Österreich gelangt. In den EU-Ländern, die er durchreiste sei er gut behandelt worden. Sein Vater hätte die schlepperunterstützte Reise organisiert. Wie hoch die Kosten gewesen seien, wüsste er nicht. Sein Vater bzw. in der Türkei sein Bruder hätten dazu jeweils telefonisch Kontakt aufgenommen. Den Schlepper habe er nie gesehen. Sie seien mit verschiedenen Fahrzeugen gereist und mit einem Schlauchboot.
Als Fluchtgrund gab er an: "Eines Abends kam mein Vater nach Hause und sagte, dass unser Leben in Gefahr sei. Deshalb sind wir geflüchtet. Außerdem war die Sicherheitslage sehr schlecht."
Bezüglich seiner Rückkehrbefürchtungen: "Ich habe Angst vor den Taliban und den IS-Truppen."
3. Mit Beschluss des BG Steyr wurde am 03.01.2016, rechtskräftig mit 31.01.2017, dem Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch die BH-Linz-Land, die Obsorge übertragen.
4. Mittels Vereinbarung mit der "Volkshilfe OÖ" (Stampiglie bei der Fertigungsklausel: "volkshilfe. FLÜCHTLINGS- UND MIGRANTINNENBETREUUNG GMBH") vom 20.01.2017 übertrug das Land Oberösterreich, vertreten durch den Magistrat der Stadt Linz, der "Volkshilfe OÖ" die Ausübung der Pflege und Erziehung, die rechtliche Vertretung sowie die Vermögensverwaltung. Dieses Schriftstück langte erst am 14.02.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "BFA") ein.
5. Am 02.09.2016 erstattete die LPDion Oberösterreich Meldung über eine Anzeigelegung gegen den BF (und drei andere Täter) wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen § 91 StGB (Raufhandel).
6. Mit gleichem Datum erstattete zu vorgenanntem Ereignis die LPDion Oberösterreich Ihren diesbezüglichen Abschlussbericht an die StA Steyr. Dieses Schriftstück langte erst am 01.06.2018 beim BFA ein.
7. Am 07.11.2016 langte beim BFA per E-Mail die Benachrichtigung von der Verlegung des BF in das UMF-Quartier Linz Blüte ("nach Absprache
mit ... Kinder- und Jugendfürsorge und nach Gerichtsverhandlung in
Steyr von heute) ein.
8. Am 12.02.2018 wurde der - mittlerweile volljährige - BF vor dem BFA, Regionaldirektion OÖ, Außenstelle Linz, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Verständnisprobleme gab er dabei nicht an. Er erklärte, gesund zu sein und sich nicht in ärztlicher Behandlung oder Therapie zu befinden. Ihm wurden die aktuellen Länderinformationsblätter zu Afghanistan erklärt, worauf er verzichtete. Im Zuge dieser Einvernahme bestätigte der BF im Wesentlichen, dass er anlässlich der Erstbefragung wahre Angaben gemacht habe, bestritt aber, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei ("Ich habe nicht gewusst, dass man das mit der Unterschrift bestätigt weil ich Analphabet bin.").
Zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant ergänzte bzw. korrigierte er:
-) bezüglich weiterer Beweismittel und Identitätsdokumente (z.B. Tazkira, Reisepass), dass er nie Identitätsdokumente gehabt hätte. Beweismittel, die sich noch in seinem Heimatland befänden, hätte er keine.
-) bezüglich seiner Schulausbildung, dass er ca. 5 bis 6 Monate in die Koranschule gegangen sei. Auf Vorhalt, dass er bei seiner Erstbefragung angegeben hätte, 4 Jahre eine Schule besucht zu haben:
"Ich war damals müde, das stimmt nicht."
-) bezüglich seiner Lebens- und Familienverhältnisse:
"F: Leben Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder?
A: Nein."
.....
"F: Sind Sie verheiratet?
A: Nein.
F: Haben Sie Kinder?
A: Nein."
.....
"A: Ich bin in der Provinz Maidan Wardak, Distrikt XXXX , Dorf XXXX
geboren worden. Aufgewachsen bin ich in Kabul bei meiner Großmutter väterlicherseits. Ich
bin ca. 5 bis 6 Monate in die Koranschule gegangen, ich habe als Schweißer gearbeitet, wir
haben Fenster und Türen produziert. Ende 2015 verstarb meine Großmutter. Als Sie
gestorben war ging es uns in Kabul nicht so gut, mein Vater hat uns ab und zu besucht.
Dann haben wir uns dazu entschlossen das Land zu verlassen.
F: Warum sind Sie bei Ihrer Großmutter und nicht bei Ihrem Vater aufgewachsen?
A: Mein Vater hat sich von meiner Mutter scheiden lassen und die Beziehung zwischen uns
und unserer Stiefmutter war nicht so gut, deswegen sind wir bei der Großmutter
aufgewachsen.
F: Laut Angaben Ihrer Stiefmutter hat diese mit Ihrem Vater und deren Kinder im letzten Jahr
vor Verlassen des Landes in Kabul gelebt, Warum haben Sie da nicht bei ihnen gelebt?
A: Als unsere Großmutter verstarb haben wir dann für einen Monat bei meiner Stiefmutter
gelebt.
Nachgefragt gebe ich an, dass unser Vater meistens nicht zu Hause war."
.....
"F: Warum haben Sie keine Schule besucht?
A: Ich hatte kein Interesse und es war keine Zeit, ich musste als Kind arbeiten.
F: Womit haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?
A: Mein Vater hat für uns gesorgt.
F: Wo war Ihr letzter Wohnort in Afghanistan?
A: Das war in Kabul Stadt, XXXX ."
.....
"F: Welche Familienangehörige leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum,
Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?
A: Derzeit niemand.
Nachgefragt gebe ich an, dass ich nichts von meiner Mutter weiß. Ein Onkel väterlicherseits
lebt in Großbritannien. Von einer Verwandtschaft mütterlicherseits weiß ich nichts.
F: Wo befindet sich Ihr Vater?
A: Er ist derzeit in Griechenland.
Vater: XXXX , ca. XXXX Jahre alt, genau weiß ich nicht was er beruflich
gemacht hat, er war bei der Partei "Hizb Wahdat". Er ist afghanischer Staatsbürger und lebt
derzeit in Griechenland, ich weiß nicht wo er lebt, der Name ist schwierig, er hat gesagt,
dass er an einer Grenzstadt lebt.
Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, ob er in Griechenland um Asyl angesucht hat.
F: Welche engeren Freunde leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum,
Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?
A: Nein.
F: Wie besteht der Kontakt zu den im Herkunftsstaat befindlichen Familienangehörigen und
Freunden?
A: Ich stehe mit meinem Vater in Kontakt über Facebook, mit meinem Onkel in England habe
ich keinen Kontakt. Ab und zu besuche ich meine Stiefmutter. Alle 2 Wochen treffe ich
meinen Bruder. Wir leben getrennt, da ich, als wir nach Österreich kamen noch minderjährig
war und er war bereits volljährig.
F: Wie oft haben Sie Kontakt mit Ihrem Vater?
A: Einmal im Monat.
F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit diesen?
A: Vor ca. 20 bis 25 Tagen hatte ich Kontakt zu meinem Vater, meinen Bruder habe ich
heute gesehen."
-) zu seiner Ausreise bzw. Fluchtroute:
"F: Wann genau haben Sie sich entschlossen, dass Sie Ihr Heimatland verlassen?
A: Das war einen Monat vor der Ausreise.
F: Wann haben Sie Ihr Heimatland tatsächlich verlassen?
A: Das war vor ca. 2 Jahren und 5 bis 6 Monaten.
Nachgefragt gebe ich an, dass wir von Afghanistan bis nach Österreich ca. 1,5 Monate
gebraucht haben.
Anmerkung: Das wäre dann in der ersten Dezemberhälfte 2015 gewesen.
F: Wo verbrachten Sie die letzte Nacht vor Ihrer Ausreise?
A: Beim Bruder meiner Stiefmutter.
F: Schildern Sie Ihre Ausreise aus dem Heimatstaat und den Reiseweg?
A: Aus Kabul nach Nimroz, weiter nach Pakistan und in den Iran. Vom Iran in die Türkei und
mit einem Schlauchboot nach Griechenland, die weiteren Länder sind mir namentlich nicht
bekannt. Ich weiß nur noch Kroatien.
F: Sind Sie schlepperunterstützt nach Österreich gereist?
A: Von Nimroz bis Griechenland schlepperunterstützt und dann mit den anderen Flüchtlingen
weiter.
F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?
A: Das waren US $ 4.000,- pro Person.
F. Woher stammte das Geld für den Schlepper?
A: Das weiß ich nicht.
Nachgefragt gebe ich an, dass das mein Vater organisiert hat.
F: Wie sind Sie in Österreich eingereist?
A: Illegal.
F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?
A: Seit ca. 2 Jahren und 3 oder 4 Monaten.
Nachgefragt gebe ich an, dass meine Erstbefragung am Tag nach unserer Einreise nach
Österreich stattfand.
Anmerkung: Das wäre dann der 31.01.2016 gewesen.
F: Haben Sie in einem anderen Land, außer Österreich, um Asyl angesucht?
A: Nein.
F: Welches Land war das Ziel Ihrer Reise?
A: Wir haben kein spezielles Zielland gehabt.
F: Sind Sie gemeinsam mit Ihrem Vater gereist?
A: Ja.
F: Warum ist Ihr Vater jetzt nicht hier?
A: Wir sind bis zur iranisch-türkischen Grenze gemeinsam gereist. Als wir die Grenze
übertreten haben, hat die Polizei geschossen. Wir konnten die Grenze überqueren, aber
mein Vater hat das eventuell nicht geschafft.
F: Warum haben Sie in keinem anderen Land vor Österreich um internationalen Schutz
angesucht?
A: Wir wurden einfach weitergeschickt.
-) bezüglich allgemeiner sonstiger Angaben, dass er niemals einen anderen Namen geführt habe, dass er nicht vorbestraft sei, er in seinem Heimatland nicht inhaftiert gewesen sei oder Probleme mit den Behörden in der Heimat Gehabt hätte. Dass gegen ihn keine aktuellen staatlichen Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc. bestünden. Dass er nicht politisch tätig ist oder war, nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen sei. Dass er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt hätte. Dass er keine gröberen Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.) gehabt hätte und dass er in seinem Heimatland nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen hätte.
-) zu seinen Fluchtgründen:
"A: Ich habe selber keine persönlichen Probleme gehabt, mein Vater hat bei der Partei "Hizb
Wahdat" gearbeitet.
Als meine Großmutter verstarb kam er nach Hause, damit meine ich das Haus indem wir mit
meiner Großmutter gelebt haben, dieses Haus gehört meinem Onkel in England.
Er sagte, dass es hier nicht mehr sicher ist.
Den Grund warum es dort für uns nicht sicher war kenne ich nicht.
F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen,
vollständig geschildert?
A: Das was ich gewusst habe, habe ich erzählt.
Es wird rückübersetzt. AW wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu
geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. noch etwas zu ergänzen ist.
Nach erfolgter Rückübersetzung gibt AW an, dass alles korrekt ist.
F: Möchten Sie eine Pause machen?
A: Nein.
F: In welcher Funktion war Ihr Vater bei der Partei "Hizb Wahdat" tätig?
A: Das weiß ich nicht.
F: Wie lange war Ihr Vater für diese Partei tätig?
A: Es ist lange her, aber ich weiß es nicht.
F: Was hat Ihr Vater dann die letzten Jahre beruflich gemacht?
A: Ich weiß das nicht.
Nachgefragt gebe ich an, dass er nur alle 2 bis 3 Monate zu uns zu Besuch kam, über seine
Arbeit hat er nichts erzählt.
F: Hat Ihr Vater nie Angaben gemacht warum Sie Afghanistan verlassen mussten, weiß Ihr
Bruder eventuell mehr hierzu?
A: Ich weiß es nicht. Ich kann nicht angeben ob mein Bruder etwas weiß, wir haben nie
darüber gesprochen.
Ich habe nur ein paar Mal mit meinem Vater gesprochen und er hat mir gesagt, dass er bei
der Partei "Hizb Wahdat" war. Vielleicht weiß mein Bruder mehr.
F: Sie gaben vorhin an, dass Sie persönlich Probleme aufgrund Ihres
Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit hatten, was können Sie dazu
angeben?
A: Persönliche Probleme hatte ich nicht."
-) bezüglich seiner Befürchtungen im Falle einer Rückkehr:
F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in ihren Herkunftsstaat zurückkehren
müssten?
A: Es kann etwas sehr schlimmes passieren, aber ich kann dazu nichts sagen."
-) bezüglich seines Alltages in Österreich:
"F: Haben Sie Verwandte in Österreich? Wenn ja, welche und wo wohnen diese? Wie
gestaltet sich der Kontakt zu diesen?
A: Mein Bruder lebt in XXXX und meine Stiefmutter lebt mit Ihren beiden Kindern in XXXX . Ich
habe alle 2 Wochen Kontakt zu meinem Bruder und einmal im Monat gehe ich meine
Stiefmutter besuchen.
F: Sind Sie mit den in Österreich lebenden Verwandten gemeinsam aufgewachsen? Haben
Sie im gemeinsamen Haushalt gelebt?
A: Mit meinem Bruder bin ich gemeinsam bei meiner Großmutter aufgewachsen.
F: Besteht zu den in Österreich befindlichen Verwandten eine besondere
Beziehungsintensität, ein Abhängigkeitsverhältnis?
A: Nein.
F: Haben Sie Deutschkurse besucht bzw. positive Prüfungen abgelegt?
A: Ich habe Deutsch-Alphabetisierungskurse besucht und die A1 Prüfung abgelegt aber nicht
bestanden.
F: Wie sehen Ihre sozialen Kontakte/Aktivitäten in Österreich aus?
A: Gut. Ich gehe mit anderen Jugendlichen Fußballspielen, sonst mache ich nichts
Bestimmtes.
F: Haben Sie österreichische Freunde, wie heißen diese?
A: Ich habe keine österreichischen Freunde.
F: Was unternehmen Sie mit Ihren Freunden hier in Österreich, wie schaut ein Tagesablauf
bei Ihnen aus? Bitte antworten Sie in Deutsch.
A: Fußballspielen und gehen.
Anmerkung: Die Frage wird vom Dolmetscher übersetzt. Der AW kann sich auf Deutsch nicht
verständlich machen. Die Frage wird auf Dari nochmals gestellt.
A: Ich gehe Fußballspielen und ab und zu gehe ich mit anderen Jugendlichen in die
Bibliothek und lerne dort Deutsch.
Nachgefragt gebe ich an, dass ich derzeit keinen Deutschkurs besuche.
F: Warum haben Sie sich nicht bemüht hier in Österreich Deutsch zu lernen und eine Schule
zu besuchen, Sie leben seit 2 Jahren bereits in Österreich.
A: Ich lerne Deutsch, aber ich bin Analphabet und tue mir sehr schwer beim Lernen.
F: Wie sah Ihr Sozialleben in Afghanistan aus?
A: Gut. Ich habe gearbeitet.
Nachgefragt gebe ich an, dass ich nur gearbeitet habe.
F: Was wollen Sie in Österreich arbeiten?
A: Ich will ein Restaurant besitzen.
F: Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?
A: Nein.
F: Was erwarten Sie sich in Österreich?
A: Mein Wunsch ist, dass ich hier bleiben darf und dass ich in Sicherheit bin.
F: Sind Sie in einem Verein aktiv tätig, gehen Sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach?
Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?
A: Ich bin in keinem Verein aktiv. Ich war nicht ehrenamtlich tätig.
F: Sind Sie oder Ihre mitgereisten Angehörigen je von einer gerichtlichen Untersuchung als
Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?
A: Nein.
F: Sind Sie oder Ihre mitgereisten Angehörigen je von einem zivil- oder strafrechtlichen
Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen
gewesen?
A: Nein.
F: Haben Sie Privatbesitz in Österreich?
A: Nein.
F: Haben Sie anderweitige private Interessen in Österreich?
A: Nein.
F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich,
wie Sie es wollten, zu schildern?
A: Ja.
F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?
A: Nein."
Der BF legte im Nachhang folgende Bestätigungen vor:
-) Eine Teilnahmebestätigung "Alphabetisierung Deutsch als Fremd-Zweitsprache-Integrationskurs" des BfI über den Besuch des BF vom 30.10.2017 bis 11.12.2017 vom XXXX .2017.
-) Eine Teilnahmebestätigung "Alphabetisierung für Personen ohne Deutschkenntnisse 1/2 bis AnfängerInnen" der VHS-Linz über den regelmäßigen (mind. 75% Anwesenheit) Besuch des BF vom 17.01.2017 bis 31.03.2017 vom XXXX .2017.
-) Eine Teilnahmebestätigung "Bildung für Flüchtlinge" des BfI-Traun VHS-Linz über den regelmäßigen (mind. 75% Anwesenheit) Besuch des BF seit 15.05.2017 (Kursende: 26.07.2017) vom XXXX .2017.
9. Am 08.09.2018 stellte die StA-Steyr das Verfahren wegen § 91 StGB (Raufhandel) gegen den BF gemäß § 190 Z 2 StPO ein.
10. Am 23.09.2018 erstattete die LPDion Oberösterreich einen Abschlussbericht an die StA Linz bezüglich einer Festnahme des BF wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen § 27 Abs. 2a SMG (Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften).
11. Am 25.09.2018 wurde vom Landesgericht Linz die Untersuchungshaft gegen den BF verhängt und das BFA hievon verständigt.
12. Mit Verfahrensanordnung vom 26.09.2018, zugestellt über die Justizanstalt Linz mit gleichem Datum, wurde dem BF vom BFA mitgeteilt, dass er gemäß §13 Abs. 2 AsylG, wegen Verhängung der Untersuchungshaft das legale Aufenthaltsrecht mit 25.09.2018 verloren habe. Die Aufenthaltsberechtigungskarte des BF wurde dem BFA rückgeschlossen.
13. Mit Bescheid vom 10.10.2018, zugestellt über die Justizanstalt Linz am 16.10.2018, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 ab (Spruchpunkt I).
Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.).
Gemäß § 10 Absatz 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
Gemäß § 18 Absatz 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), stellte gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG fest, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.09.2018 verloren hätte (Spruchpunkt VIII.) und erließ gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant im Wesentlichen aus wie folgt:
a) Zur Person des BF:
Die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder sonstiger Bescheinigungsmittel nicht feststünde. Weiters, dass er afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sei, Dari spreche und sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekenne. Dies ergebe sich aufgrund seiner Orts- und Sprachkenntnisse und seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Ausführungen. Er sei ledig, volljährig, gesund und arbeitsfähig. Der Familienstand ergebe sich aus den glaubwürdigen und gleichlautenden Angaben im Verfahren, die Volljährigkeit aus den eigenen Angaben des BF, die Feststellungen zu seiner Gesundheit aus seinen in diesem Punkt schlüssigen Angaben im Verfahren, die Arbeitsfähigkeit aus dem angegebenen Gesundheitszustand und dem erwerbsfähigen Alter. Schulbildung habe nicht festgestellt werden können, dies ergebe sich aus widersprüchlichen Angaben des BF. Der BF habe in Kabul als Schweißer gearbeitet, dies ergebe sich aus seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben sowie aus den diesbezüglichen Angaben seines Bruders in seiner Einvernahme am 15.02.2018.
b) Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Betreffend die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates führte das BFA aus, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der BF aufgrund einer Tätigkeit seines Vaters für eine Partei namens "Hizb Wahdat" bedroht oder verfolgt werde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF in Afghanistan einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege. Es habe auch sonst keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, festgestellt werden können.
In seiner Erstbefragung am 01.02.2016 habe er als Fluchtgrund angegeben, dass sein Leben in Gefahr wäre und daher wäre er geflüchtet. Überdies wäre die Sicherheitslage schlecht gewesen und er hätte sich nicht sicher gefühlt. In seiner Einvernahme am 12.02.2018 habe er als Fluchtgrund angeführt, dass er persönlich keine Probleme gehabt hätte, sein Vater jedoch für die Partei Hizb Wahdat" gearbeitet hätte. Eines Tages hätte dieser gesagt, dass sie nicht sicher wären, den Grund dafür kenne der BF nicht und so hätten sie die Flucht ergriffen. Nachgefragt in welcher Funktion oder in welchem Bereich sein Vater in der Partei Hizb Wahdat tätig gewesen wäre, hätte er diesbezüglich keine Angaben machen können. Befragt hierzu, ob er persönlich bedroht oder verfolgt worden sei, habe er dies verneint. Auf die Frage, ob er Probleme in seinem Herkunftsstaat aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt hätte, bejahte er dies. Widersprüchlich zu dieser Aussage gab er jedoch, dazu nachgefragt, an, nie persönliche Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit gehabt zu haben. Auch bzgl. einer Rückkehrbefürchtung habe er nur vage angegeben, dass Schlimmes passieren könnte, habe hierzu aber keine weiteren Angaben oder Befürchtungen vorbringen können. In seinem gesamten Vorbringen bzgl. seiner Fluchtgründe habe er nie eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung namhaft machen können.
Aus den Angaben seines Bruders, Herrn XXXX und seiner Stiefmutter, Frau XXXX , gehe hervor, dass sein Vater, Herr XXXX , welcher sich dzt. angeblich in Griechenland aufhalte, bis zum Tode des Parteigründers der "Hezb-e Wahdat-e Islami Afghanistan", Abdul Ali Mazari, im Jahr 1995, für den bewaffneten Arm dieser Partei gekämpft hätte. Nach dem Tode Mazaris hätte er dann die Partei verlassen und wäre als Bäcker tätig gewesen. Überdies hätte er den bewaffneten Arm der Hizb Wahdat mit Brot versorgt und hätte als eine Art Spion fungiert, indem er die Partei bei einem Eindringen der Taliban in den Distrikt XXXX , Maidan Wardak, gewarnt hätte. Als die Taliban den Distrikt XXXX in der Provinz Maidan Wardak eingenommen hätten, hätte sein Vater, wie auch andere Einwohner, die Flucht ergriffen und wäre zu ihnen nach Kabul gekommen. Aus den Angaben des Bruders des BF und seiner Stiefmutter sei deutlich ersichtlich, dass es sich hierbei um nicht selbst erlebtes, sondern um Geschehnisse die diese von dritter Seite, Ihrem Vater, erfahren hätten, handle. Wie auch er selbst, hätten sowohl sein Bruder als auch seine Stiefmutter angegeben, niemals persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein. Eine persönliche Gefahrenlage für den BF sei aus diesen Angaben, würde man diesen Glauben schenken, nicht ersichtlich, da sein Bruder angab, dass sein Vater ihre Familie immer nur nachts besucht hätte, da er nicht gewollt hätte, dass jemand erfährt, dass sie seine Söhne wären. Widersprüchlich zu diesen oben angeführten Angaben sei, dass sowohl der BF als auch sein Bruder und seine Stiefmutter zeitlich stark unterschiedliche Angaben gemacht hätten. So habe er in seiner Einvernahme beim BFA angegeben, dass seine Großmutter Ende 2015 gestorben sei, es Ihnen dann in Kabul nicht allzu gut gegangen wäre und sie daher Afghanistan verlassen hätten. Laut Ihren weiteren Angaben hätten sie für den Weg nach Österreich ca. 1,5 Monate gebraucht. Da seine Asylantragsstellung mit 31.01.2016 erfolgte, hätten sie daher bereits kurz nach dem Tode Ihrer Großmutter Afghanistan verlassen. Den Entschluss zur Ausreise hätten sie, die Familie des BF und er selbst, einen Monat vor der eigentlichen Ausreise gefasst. Sein Bruder habe hierzu widersprüchlich angegeben, dass erst 6 Monate nach dem Tod Ihrer Großmutter Ihr Vater zur Familie nach Kabul gekommen wäre und er ihnen mitgeteilt hätte, dass sie ausreisen müssten. Der Entschluss zur Ausreise wäre eine Woche vor der eigentlichen Ausreise gefasst worden. Übereinstimmend habe er eine Reisezeit von ca. 40 Tagen bis Österreich genannt. Wiederum im Widerspruch zu den Angaben des BF und den seines Bruders habe ihre Stiefmutter angeführt, dass sie nach dem Tod Ihrer Grußmutter zu ihnen nach Kabul gezogen wären und dort mit ihm und seinem Bruder ca. 9 Monate gemeinsam gelebt hätten. Wie Ihr Bruder habe sie angegeben, dass der Entschluss zur Ausreise eine Woche vor dem eigentlichen Fluchtbeginn gefasst worden wäre.
Es sei für die Behörde nicht nachvollziehbar wie sich bei gemeinsam Erlebtem derart zeitliche Differenzen ergeben könnten. Auffällig sei in diesem Zusammenhang, dass sowohl er selbst als auch sein Bruder und seine Stiefmutter, in Ihren jeweiligen Einvernahmen, auf ihre schlechte Lage in Afghanistan Bezug genommen hätten. So hätten der BF angeführt, befragt zu seinem Lebenslauf, dass es ihm nach dem Tod seiner Großmutter in Kabul nicht gut gegangen sei und sie sich dann entschlossen hätten das Land zu verlassen. Seine Stiefmutter habe angegeben, befragt ob sie sämtliche Gründe bzgl. des Verlassens des Herkunftsstaates geschildert hätte, wie folgt: "Ja, wir konnten dort nicht leben, das Leben dort war für uns schwer". Weiter habe sie angegeben, dass Deutschland das Zielland gewesen wäre. Auch der Bruder des BF habe in seinem Fluchtvorbringen finanzielle Probleme angegeben und dass er deshalb vormittags hätte arbeiten müssen und erst nachmittags die Schule hätte besuchen können.
Die belangte Behörde sei daher davon ausgegangen, dass hauptsächlich wirtschaftliche und finanzielle Gründe ausschlaggebend waren, dass der BF und seine Familie Afghanistan verlassen hätten. Diese könnten jedoch nicht zu einer Asylgewährung führen, setze eine solche doch konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung voraus. Nachteile jedoch, die auf die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen seien, stellten keine Verfolgung im Sinne des AsylG dar (VwGH vom 16.06.1994, Zl.: 94/19/0183).
Der BF selbst habe in seinem gesamten Fluchtvorbringen weder eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung angegeben. In einer Gesamtschau dieser Ausführungen gehe die Behörde nicht von einer glaubwürdigen Darstellung in Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF aus. Es bestehe vielmehr der Eindruck, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht um tatsächlich erlebte Ereignisse, sondern vielmehr um ein auf die Erlangung von Asyl ausgerichtetes Konstrukt handle. Dass er in seinem Heimatstaat nicht politisch aktiv gewesen wäre, kein Mitglied einer politischen Partei gewesen wäre und keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit oder mit den Behörden gehabt hätte, ergebe sich aus dem Umstand, dass er am 12.02.2018 dezidiert nach all diesen Punkten gefragt worden sei und er in den angeführten Punkten Derartiges oder Probleme verneint habe. Dass der BF in seinem Heimatstaat weder vorbestraft sei, noch inhaftiert gewesen sei und dass keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestünden, ergebe sich ebenso aus der Einvernahme vor dem BFA, da sämtliche Fragen dahingehend seinerseits verneint wurden. Er habe zudem keine Racheakte oder Blutfehden durch Privatpersonen erwähnt. Auch aus seinen übrigen Ausführungen wären etwaige Verfolgungsszenarien nicht ansatzweise erkennbar gewesen.
c) Zur Situation im Falle seiner Rückkehr:
Der BF verfüge über Angehörige, seinen Bruder XXXX , der wie er von einer Rückkehrentscheidung betroffen sei, seinen Vater, der in Griechenland lebe und seine Stiefmutter samt seinen beiden Halbgeschwistern die hier in Österreich lebten. Ein Onkel des BF lebe in Großbritannien, mit dem sein älterer Bruder, Herr XXXX , in Kontakt stehe. Weiters lebe in Afghanistan, Kabul, noch der Bruder und die Mutter seiner Stiefmutter, in dessen Haus er auch die Nacht vor seiner Ausreise verbracht habe. Aus den Angaben seiner Stiefmutter in ihrer Einvernahme am 12.02.2016 gehe hervor, dass diese mit ihrem Bruder in Kabul in Kontakt stehe und der BF zwar mit diesen nicht direkt verwandt sei, aber demselben Familienclan angehöre. Er könne daher von diesen Unterstützung bei einer Rückkehr nach Kabul bekommen. Der BF verfüge laut seiner Erstbefragung über eine 4-jährige Schulbildung bzw. habe er laut seinen Angaben in seiner Einvernahme ca. 6 Monate eine Koranschule besucht und verfüge über Berufserfahrung als Schweißer. Er sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Außerdem würde er dort nicht Gefahr laufen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können.
Die Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz ist ausreichend sicher. Kabul verfüge über einen Flughafen. Er könne Kabul erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein.
Wie oben bereits ausgeführt, habe eine Gefährdung hinsichtlich seines unglaubhaften Fluchtvorbringens aufgrund der Zugehörigkeit seines Vaters zur Partei Hizb Wahdat nicht erkannt werden können, sodass auch im Falle einer Rückkehr eine diesbezügliche Gefährdung nicht als gegeben anzusehen sei. Er selbst habe angegeben, niemals persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein. Im Ermittlungsverfahren hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht sein könnte.
Die schiitische Minderheit der Hazara mache etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara seien im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara habe sich die Lage grundsätzlich verbessert, sie hätten sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Berichten zufolge schlössen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein. Wie den Länderinformationen zu seinem Heimatstaat Afghanistan zu entnehmen sei, gebe es keine Hinweise, dass die Volksgruppe der Hazara einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sei. Im Rahmen der Einvernahme habe es zwar alleine
allgemeine Befürchtungen zu Protokoll gegeben, jedoch eine persönliche Verfolgung oder Bedrohung aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit verneint. Daher könne auch eine Bedrohung aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan ausgeschlossen werden. Auch aus seinem Gesundheitszustand ergebe sich kein Rückkehrhindernis, da er durchgehend angegeben habe, gesund zu sein.
Soweit seine Rückkehrsituation in Betracht zu ziehen sei, werde angeführt, dass er sich in seiner Heimat niederlassen könnte. Es werde in diesem Zusammenhang besonders darauf hingewiesen, dass Familienangehörige des BF, seine Stiefmutter und seine Stiefgeschwister in Österreich leben. Weiter lebe sein Vater in Griechenland und er habe einen Onkel der in Großbritannien lebe. Wie er selbst sei sein Bruder, Herr XXXX , von einer Rückkehrentscheidung betroffen und könne ihn, wie auch er selbst ihn, bei einer gemeinsamen Rückkehr nach Afghanistan, Kabul, unterstützen. Weiters lebte noch der Bruder und die Mutter seiner Stiefmutter in Kabul/Afghanistan. Auch wenn es sich hierbei um keine direkten Familienangehörigen handle, so gehörten diese doch, laut Angaben seiner Stiefmutter, Frau XXXX , demselben Familienclan an. Es sei notorisches Wissen der Behörde, dass in Afghanistan Mitglieder der eigenen Familie bzw. des Familienclans durch diese Unterstützung erfahren. Es könne daher in seinem Falle davon ausgegangen werden, dass auch er Unterstützung durch die Verwandten seiner Stiefmutter und Angehörigen seines Familienclans erhalten werde.
Bzgl. einer Unterstützung durch seinen Onkel in Großbritannien, seine Stiefmutter und seinen Vater sei auf das funktionierende Bankensystem in Afghanistan hinzuweisen, das auch Überweisungen aus dem Ausland ermögliche. Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstünden im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gingen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es sei einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank werde nach folgendem fragen:
Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016). Bis heute seien mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv: Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank.
Zu deren Leistungen zählten: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016). Internationaler Geldtransfer via SWIFT sei seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken böten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzten eigene Möglichkeiten, andere griffen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank könne die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssten die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtige, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauten. Die Zentralbank könne Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union seien ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).
Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des BF bzgl. seiner Schulbildung in seiner Erstbefragung am 01.02.2016 und seiner Einvernahme am 12.02.2018 hätten hierzu keine Feststellungen getroffen werden können. Es sei dabei anzumerken, dass sein Bruder XXXX , der nur etwas mehr als ein Jahr älter ist als er selbst, in seiner Einvernahme beim BFA glaubhaft angegeben habe, dass er 7 Jahre eine Schule in Afghanistan besucht hätte. Die Feststellungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit des BF als Schweißer ergäben sich aus seinen glaubhaften Angaben hierzu und den Angaben seines Bruders in seiner Einvernahme beim BFA.
Hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, die sich in Teilen des Landes als derart prekär darstellen könnte, dass sie relevant sein könnte, sei festzuhalten, dass eine derartige Gefährdung nicht für das gesamte Gebiet Afghanistans festzustellen sei. Auf Basis der Länderinformationen seien vermehrt öffentlichkeitswirksame Anschläge in der Stadt Kabul zu verzeichnen. Bei den von den Taliban verübten Angriffen im Raum Kabul handle es sich hauptsächlich um High-Profil-Angriffe auf öffentliche Ziele wie Regierungsgebäude mit dem Zweck die Autorität der Regierung zu untergraben. Bezüglich der Sicherheitslage in Kabul werde auf die Rechtliche Beurteilung verwiesen.
Ebenso ergebe sich aus dem oben Angeführten, dass Kabul über den Internationalen Flughafen sicher zu erreichen sei. Es stünde dem BF frei, sich in einer anderen sicheren Provinz Afghanistans wie Mazar-e Sharif oder Herat ein neues Leben aufzubauen. Es sei noch anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG einem Asylwerber in jedem Stadium des Verfahrens Rückkehrberatung gewährt werden könne. Diese Rückkehrberatung umfasse die Abklärung der Perspektiven während und nach Abschluss des Asylverfahrens. Falls sich Asylwerber dazu entschließen würden, die ihnen angebotene Rückkehrhilfe anzunehmen und auszureisen, dann könne ihnen vor der Ausreise finanzielle Unterstützung gewährt werden (§ 12 GVG-B 2005). In Rahmen dieser Rückkehrhilfe könne auch finanzielle Hilfe als Startkapital für die Fortsetzung des Lebens in Afghanistan gewährt werden. Sie könnten auch beim Neubeginn zu Hause unterstützt werden. Es könnten Kontakte zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt werden. Weiters könne dem BF auch beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen werden. Aufgrund der vorhandenen Anknüpfungspunkte in Afghanistan, aufgrund der Feststellungen zur gewährleisteten Grundversorgung in Kabul, der möglichen Unterstützung durch Mitglieder Ihres Familienclans und des Umstandes, dass es sich bei Ihnen um einen jungen, arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung handle, der bereits in Kabul gelebt hat und der gemeinsam mit seinem Bruder nach Afghanistan zurückkehre, sei davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würden.
d) Zu seinem Privat- und Familienleben:
Der BF sei sind spätestens am 31.01.2016 illegal in Österreich eingereist und habe am 31.01.2016 den Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er verfüge in Österreich über keinen Aufenthaltstitel außerhalb dieses Verfahrens. Sein Bruder und seine Stiefmutter mit seinen beiden Halbgeschwistern lebten, getrennt von ihm, in Österreich. Er besuche in Österreich Deutschkurse bis zu einem Deutsch-Alphabetisierungskurs, besuche keine Schulen, sei nicht in Vereinen aktiv oder gehe einer Arbeit nach. Es bestünden keine besonderen sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Es könne kein über das übliche Maß hinausgehendes Privatleben festgestellt werden. Er sei unbescholten, befände sich jedoch derzeit in Untersuchungshaft aufgrund des Verdachtes auf ein Vergehen gem. § 27 (2a) SMG.
Seine illegale Einreise und der Zeitpunkt der Antragsstellung ergäben sich aus dem widerspruchsfreien Akteninhalt. Dass er in Österreich über keinen Aufenthaltstitel außerhalb des Asylverfahrens verfüge, ergebe sich aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme. Die Feststellungen bezüglich seiner familiären Anknüpfungspunkte in Österreich sowie seiner Lebensgrundlage ergäben sich aus seinen nicht widerlegten Angaben im Verfahren, sowie aus IZR, BIS und ZMR Anfragen, welche der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt worden seien. Zwar halte sich seine Stiefmutter, Frau XXXX samt seinen beiden Halbgeschwistern, Herrn XXXX , und Frau XXXX , in Österreich auf, doch verneinten sowohl der BF selbst als auch sein Bruder und seine Stiefmutter die Frage, ob eine besondere Beziehungsintensität bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Sein Bruder, Herr XXXX , sei wie er selbst, von einer Rückkehrentscheidung nach Afghanistan betroffen.
Es liege im Fall des BF ein Verfahren bzgl. eines Raufhandels vor, dieses Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft Steyr, mit 08.09.2016, eingestellt worden. Am 24.09.2018 sei der Abschluss-Bericht des Stadtpolizeikommando Linz, KR FB 03 über seine Festnahme gem. § 171 Abs. 2 Z 1 StPO aufgrund des Verdachtes des Vergehens gem. § 27/2a SMG, bei der ho. Behörde eingelangt. Mit 25.09.2018 sei über den BF durch das Landesgericht Linz, die Untersuchungshaft, aufgrund § 27 (2a) Suchtmittelgesetz, verhängt worden.
e) Zum Verlust des Aufenthaltsrechtes:
Der BF habe sein Recht zum legalen Aufenthalt in Österreich ab dem 25.09.2018 verloren. Dies sei ihm mittels Verfahrensanordnung vom 26.09.2018 mitgeteilt worden. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.
f) Zur Erlassung eines Einreiseverbotes:
Am 02.09.2017 sei jeweils der Abschlussbericht der PI Enns wegen des Verdachtes auf Raufhandel erfolgt. Am 08.09.2016 sei die Benachrichtigung durch die Staatsanwaltschaft Steyr von der Einstellung des Verfahrens erfolgt. Am 23.09.2018 sei der Abschluss-Bericht des Stadtpolizeikommandos Linz, KR FB 03, wegen des Verdacht auf Vergehen gem. § 27/2a SMG erfolgt. Am 25.09.2018 sei die Verständigung des Landesgericht Linz bzgl. der Verhängung der Untersuchungshaft wegen Verstoß gegen § 27 (2a) SMG bei der Behörde eingelangt.
Die Feststellungen zur Erlassung des Einreiseverbots gründeten sich auf die Festnahme des BF gem.§ 171 Abs. 2 Z 1 StPO wobei er mit einem Klemmsäckchen Marihuana, Nettogewicht 25,28 Gramm, betreten worden sei. Er habe diesbezüglich angegeben, dass er seit Mitte Juni bis Mitte September 2018 jeden 2. oder 3. Tag ca. 6 Gramm Marihuana erworben habe und einen Großteil dieser Menge an einem öffentlich zugängigen Ort gewinnbringend verkauft habe. Es sei daher mit 25.09.2018 durch das Landesgericht Linz die Untersuchungshaft über ihn verhängt worden. Aufgrund dieses Vergehens gem. § 27 (2a) Suchtmittelgesetz stelle er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gem. § 53 Abs. 3 FPG dar. Es könne daher, aufgrund der von ihm selbst genannten Häufigkeit des Handels mit Suchtmitteln an öffentlichen Orten, keine positive Zukunftsprognose gestellt werden.
g) Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Die Feststellungen zu seinem Herkunftsland basierten auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese sei gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliege der Beobachtung eines Beirates. Es sei daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammten, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestünden, sich darauf zu stützen.
Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bezüglich einer allfälligen Beschwerde führte die belangte Behörde folgendes aus:
"Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit
oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen
versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht
den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine
durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein
durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu
lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundener Rückkehrentscheidung.
Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 2 in Ihrem Fall vor.
Das dargestellte Verhalten Ihrerseits, ein Vergehen gemäß § 27 (2a) Suchtmittelgesetz, ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit, der Moral und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer massiv zuwidergelaufen. Es konnte auch keine Gefahrenprognose zu Ihren Gunsten erstellt werden, das Sie laut dem vorliegenden Abschluss-Bericht des Stadtpolizeikommando Linz, KR FB 03, selbst anführten, dass Sie über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten jeden 2. oder 3 Tag nicht nur Marihuana zum Eigengebrauch erworben haben sondern auch mit dem Vorsatz, dieses Suchtmittel gewinnbringend weiterzuverkaufen und dies auch entsprechend durchführten.