Entscheidungsdatum
22.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W166 2125222-1/9E
Schriftliche Ausfertigung des am 26.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 21.03.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte nach schlepperunterstützter, illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Ersteinvernahme am 30.07.2015 erstattete der Beschwerdeführer folgendes sachverhaltsrelevantes Vorbringen:
Er stamme aus XXXX , Provinz Maidan Wardak, Afghanistan - dies sein auch sein letzter Wohnsitz - gehöre der Volksgruppe der Sayed sowie der islamischen Glaubensrichtung an und sei Analphabet. Seine Eltern seien verstorben, er habe keine Geschwister.
Befragt zu seinem Fluchtgrund gab er an, sein Leben sei in Gefahr gewesen wegen der Taliban, sie hätten ihn mit dem Tode bedroht, weil sie ihn für einen Spion gehalten hätten. Sonst habe er keine Fluchtgründe.
Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig war, wurde die BH Mödling als regionale Organisationseinheit des Landes NÖ als Kinder- und Jugendhilfeträger zum gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers bestellt.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.02.2016 brachte der Beschwerdeführer - ergänzend zu dem Vorbringen in der Erstbefragung - vor, er besuche in Österreich Deutschkurse und sei in er Heimat Schafhirte gewesen. Er habe immer im Geburtsort gelebt, in einem Zimmer aus Lehm, das er mit seiner Familie gebaut habe. Sein Vater sei Schafhirte und Landarbeiter gewesen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, er habe auf einem Berg Schafe gehütet, und die Polizei hätte die Taliban festnehmen wollen. Eines Tages hätten ihn die Taliban gerufen und gesagt, wenn er sie an die Polizei verraten würde, würden sie ihn töten. Einige Tage später seien die Taliban verhaftet worden und glaubten nun, der Beschwerdeführer habe etwas damit zu tun und der Polizei den Aufenthaltsort der Taliban verraten. Die Taliban seien zu ihm nach Hause gekommen, er hätte sich im Stall versteckt und sie hätten ihn nicht gefunden, aber zwei bis drei Lämmer mitgenommen.
Näher zu dem Vorfall befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht sehen können wer genau oder wie viele Personen gekommen seien, aber eine Nachbarin hätte sie gesehen, und daher wisse er, dass ein ganz bekannter Taliban namens XXXX dabei gewesen sei. Er könne auch nicht sagen, wann der Vorfall gewesen sei, aber eher am Abend. Er habe gewusst, dass die Taliban kommen, sie würden immer sehr schnell mit den Autos heranfahren und hupen. Daher habe der Beschwerdeführer gewusst, dass es die Taliban seien und sich im Stall versteckt. Persönlich zu ihm gesprochen hätte nur einmal am Berg ein Taliban und ihm gesagt, wenn er sie verrate und sie ihn erwischen würden, habe er ein Problem. Die Nachbarin habe sich nicht vor den Taliban versteckt, da sie sich nicht zu fürchten brauchte, die Taliban tun nur Leuten was, die sie verraten oder die Schule besuchen. Die Taliban hätten gewusst, dass er sie verraten habe, weil das Dorf klein sei und da höre man das. Der Beschwerdeführer habe sich auf den Boden gelegt, da hätten ihn die Taliban nicht gesehen, weil auf der einen Seite die Schafe gewesen seien und auf der anderen das Heizmaterial gewesen sei. Auf die Frage der belangten Behörde mit wie vielen Autos die Taliban gekommen seien, gab er an dies nicht zu wissen. Auf den Hinweis er hätte sie doch kommen sehen, gab er an, ja es seien vier bis fünf Autos gewesen. Der Dorfvorsteher habe dann gesagt, dass er flüchten müsse. Bis zu seiner Ausreise habe er sich zu Hause bzw. auf dem Berg versteckt.
Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 21.03.2016 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunk II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bis zum 21.03.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers im Wesentlichen fest, dass seine Angaben zum Fluchtgrund nicht glaubhaft seien und er keinen Sachverhalt vorgebracht habe, der die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft erfülle. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass es sich bei dem Vorbringen einer Verfolgung durch die Taliban um ein Konstrukt und nicht um die wahren Gründe für das Verlassen des Heimatlandes handle. Zu Spruchpunkt II. des Bescheides führte die belangte Behörde begründend aus, dass ihm derzeit eine Rückkehr nach Afghanistan - unter Zugrundelegung der Länderfeststellungen und in Zusammenschau mit seiner individuellen Situation ohne soziales und familiäres Netzwerk - nicht zumutbar sei.
Mit Verfahrensanordnung vom 21.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.
Gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Inhaltlich wurde darin im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, die Eltern des Beschwerdeführers seien verstorben, daher sei er als Schafhirte auf sich alleine gestellt gewesen. Die Taliban hätten ihm gedroht, falls er sie verraten würde. Kurze Zeit später seien Angehörige der Taliban verhaftet worden, und andere Taliban hätten ihm unterstellt, sie verraten zu haben. Die Taliban seien zu ihm nach Hause gekommen, und als er sie heranfahren gesehen habe, hätte er sich im Stall versteckt. Die Taliban hätten seine Unterkunft durchsucht, und einen kurzen Blick in den Stall geworfen, den Beschwerdeführer aber nicht gefunden. Die belangte Behörde werfe ihm vor, er habe sich widersprochen, da er in der Erstbefragung gesagt habe, er sei für einen Spion der Regierung gehalten worden. In der Erstbefragung sei Druck auf den minderjährigen Beschwerdeführer ausgeübt worden und er sei sehr müde gewesen. Wenn die belangte Behörde es für unglaubwürdig halte, dass man ihm im Stall nicht gefunden habe so ist diesbezüglich auszuführen, dass es sich um einen großen Stall gehandelt habe, der genug Raum sowohl für die Tiere als auch für Brennmaterial für den Winter geboten habe, als zusätzlicher Lagerraum gedient habe und dessen Tür nicht vollständig aufgegangen sei. Dem Beschwerdeführer hätte auf Grund seiner Minderjährigkeit Asyl zuerkannt werden müssen. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und ihm den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 25.04.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 29.05.2018 wurde der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.
Die Verhandlung fand am 26.09.2018, unter Beisein des Beschwerdeführers, seines Rechtsberaters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, und erging am Ende der Verhandlung ein mündlich verkündetes Erkenntnis mit welchem de Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides als unbegründet abgewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 28.09.2018 stellte der Beschwerdeführer gem. §28 Abs. 4 VwGVG (gemeint wohl § 29 VwGVG) den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, hat mit Schreiben vom 21.04.2016 gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht geäußert auf die Teilnahme an einer Verhandlung zu verzichten.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung legte der Rechtsberater eine Vollmacht (Vertretungs- und Zustellvollmacht) vor.
Mit Schreiben vom 25.07.2018 und vom 06.08.2018 reichte die belangte Behörde Unterlagen der Landespolizeidirektion Wien betreffend die Meldung einer Straftat - den Besitz von vermutlich Cannabiskraut - nach.
In der mündlichen Verhandlung hatte der Beschwerdeführer die Möglichkeit sein Vorbringen insbesondere auch seine Fluchtgründe umfassend darzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Sayed an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.07.2015 den Antrag auf internationalen Schutz.
Die Identität steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX , Distrikt Jalrez, Provinz Maidan Wardak.
Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht und war in seiner Heimat als Schafhirte tätig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Zur Situation in Afghanistan:
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Bezogen auf die Situation des Beschwerdeführers sind folgende
Länderfeststellungen als relevant zu werten:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 19.10.2018:
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
[...]
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
[...]
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).
• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).
• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).
• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
[...]
Zivilist/innen
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009- 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht- ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen
125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre Vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu dem Ende März 2018 abgehaltenen Friendens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
Wardak/Maidan Wardak
(Maidan) Wardak ist eine der zentralen Provinzen Afghanistans (Pajhwok o.D.). Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 615.992 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben hauptsächlich ethnische Paschtunen, Tadschiken und Hazara; auch Kuchis sind in der Vergangenheit insbesondere in den Distrikt Behsood gezogen (EASO 12.2017).
Die Hauptautobahn (Ring Road) Kabul-Kandahar führt durch die Provinz Maidan Wardak, von wo aus sie die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen des Landes mit der Hauptstadt Kabul verbindet (Khaama Press 6.5.2016; vgl. Tolonews 23.1.2018). Polizisten arbeiten hart daran, die Autobahn von Minen zu befreien, da der südliche Abschnitt der Kabul-Kandahar Autobahn neun Provinzen mit der Hauptstadt Kabul verbindet (Tolonews 23.1.2018).
Mit Stand November 2017 ist die Provinz Wardak zumindest seit dem Jahr 2006 komplett opiumfrei - im Jahr 2005 wurden in Daimirdad noch 106 Hektar Mohnanbauflächen verzeichnet (UNODC 11.2017).
Drei Frauen haben bei der Provinzwahl von Maidan Wardak Sitze für den Provinzrat erhalten (GV 8.3.2018). Im März 2018 hat eine Gruppe junger Frauen in der Provinz die Kunstbewegug "Village Sisters Art Movement" gegründet, wodurch Lyrik-Vorträge organisiert werden. Das Projekt wird vom Kultur- und Informationsdepartment begrüßt (Pajhwok 9.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 1.1.2018, Khaama Press 25.12.2017, Khaama Press 8.12.2017, Khaama Press 23.11.2017, FN 8.11.2017, Khaama Press
21.8.2018, Khaama Press 11.7.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...]
Im gesamten Jahr 2017 wurden 83 zivile Opfer (42 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten/willkürlichen Tötungen und Luftangriffen. Dies deutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Wardak
In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt (Tolonews 23.11.2017; vgl. Xinhua 18.3.2018, Tolonews 18.3.2018, Tolonews 22.11.2017, Tolonews 1.7.2017 Pajhwok 19.5.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Xinhua 18.3.2018; vgl. Tolonews 18.3.2018, Tolonews 23.11.2017). Bei diesen Operationen werden unter anderem auch Führer von regierungsfeindlichen Gruppierungen getötet (Xinhua 14.1.2018; vgl. Khaama Press 23.11.2017, Tolonews 1.7.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt; bei diesen werden auch Aufständische getötet (Independent 24.11.2017; vgl. Khaama Press 12.8.2017, Pajhwok 10.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (Pajhwok 3.3.2018; vgl. Tolonews 7.11.2017, Tolonews 11.7.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Wardak
Regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv (Khaama Press 11.3.2018). Dazu zählen u. a. die Taliban (Tolonews 18.2.2018; vgl. Xinhua 14.1.2018, Khaama Press 9.12.2017); Quellen zufolge hat das Haqqani-Netzwerk in einem Teil der Provinz Wardak eine Zentrale gehabt (ATN 23.11.2017; vgl. Tolonews 23.11.2017, Khaama Press 23.11.2017, SP 13.3.2018, UW 3.2012). Das Haqqani-Netzwerk operiert großteils in Ostafghanistan und der Hauptstadt Kabul (Xinhua 18.3.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017-31.1.2018 wurden keine IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet (ACLED 23.2.2018).
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die getroffenen Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung, aus seinen Angaben vor der belangten Behörde, aus dem Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes sowie seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Mangels Vorlage von Dokumenten steht seine Identität lediglich mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
Das Vorbringen zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers war aus den nachfolgenden Gründen nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer brachte als Fluchtgrund im Wesentlichen vor, er sei von den Taliban verfolgt worden, weil sie geglaubt hätten er habe als Spion gearbeitet bzw. sie an die Polizei verraten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, seine Eltern seien in Kabul bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen, seine Halbgeschwister hätten in Kabul gelebt. Er habe keine Schule besuchen könne, weil sein Dorf unter der Kontrolle der Taliban gestanden sei.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, er habe auf einem Berg Schafe gehütet und dort seien auch die Taliban mit ihren Zelten anwesend gewesen. Die Polizei habe dann Angehörige der Taliban festgenommen, und die Taliban hätten daher geglaubt er sei ein Spion, dies habe ihm der Dorfvorsteher gesagt. Befragt in welcher Form er bedroht worden sei gab der Beschwerdeführer an, der Dorfvorsteher habe ihm gesagt sie hätten ihn mit Mord bedroht. Der Dorfvorsteher habe auch gesagt, die Taliban hätten geglaubt, er stehe hinter der Festnahme, da er für die Regierung spioniert habe, indem er die Polizei angerufen und gesagt hätte, dass die Taliban in der Gegend anwesend seien. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, der Dorfvorsteher habe das gewusst, weil ihn die Taliban angerufen oder persönlich gesprochen hätten. In der Wohngegend des Beschwerdeführers seien immer und überall Taliban.
Befragt von der Richterin, ob die Polizei nicht wissen müsste, dass die Taliban sich in dieser Gegend aufhielten, wenn sie immer da seien antwortete der Beschwerdeführer, sie seien nicht immer anwesend, sie hätten auch Spione bzw. Informanten vor Ort.
Zu dem Umstand, dass die belangte Behörde im Bescheid festgestellt hat, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers widersprüchlich ist, weil der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen anlässlich der Erstbefragung vorgebracht hat, die Taliban hätten ihn für einen Spion gehalten und in der Einvernahme vor der belangten Behörde vorbrachte, die Taliban hätten ihn am Berg zu sich gerufen und ihm gesagt, er dürfe sie nicht verraten, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, die Taliban hätten ihn am Berg angesprochen und ihm gesagt er dürfe mit keinem Polizisten über ihren Aufenthalt reden, und er hat auch angegeben, die Taliban hätten geglaubt er sei als Spion tätig gewesen bzw. spioniert und deren Aufenthalt der Polizei verraten. Dieses Vorbringen ist aus Sicht der Richterin nicht widersprüchlich, da auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer mit der "Tätigkeit als Spion" wohl gemeint hat, dass die Taliban glaubten, er habe ihren Aufenthalt ausspioniert und sie verraten.
Widersprüche ergeben sich jedoch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu dem Vorfall als die Taliban zu ihm nach Haus gekommen seien. In der Einvernahme dazu befragt, gab er an, die Taliban seien mit Autos sehr schnell zu seiner Unterkunft herangefahren und hätten gehupt, daher habe er gewusst, dass es die Taliban seien und habe sich im Stall versteckt. Auf die Frage der belangten Behörde, mit wie vielen Autos sie gekommen seien sagte er dies nicht zu wissen. Auf den weiteren Hinweis der belangten Behörde, er habe doch die Autos gesehen, "ja es waren vier bis fünf Autos. Es sind die Bäume dazwischen gewesen."
In der mündlichen Verhandlung dazu befragt gab er an, die Taliban kämen immer mit dem Auto, er habe gespürt, dass sie kommen und habe sich daher im Stall versteckt. Er habe die Taliban nicht gesehen, könne nicht sagen, wie viele Personen es gewesen seien, sie kämen aber immer mit drei bis vier Autos. Aber sein Nachbar - der nur zehn bis fünfzehn Schritte von ihm entfernt wohne - habe geschrien, dass die Taliban kommen würden.
Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Beschwerdeführers er habe sich im Stall versteckt und die Taliban hätten ihn dort nicht gefunden.
In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, er habe mit seinen Eltern in einer selbstgebauten Unterkunft aus Lehm gewohnt, es sei nur ein Zimmer gewesen. Als die Taliban gekommen seien habe er sich auf den Boden im Stall gelegt, auf der einen Seite seien Schafe gewesen, auf der anderen Seite das Heizmaterial, dazwischen sei er gelegen, die Taliban hätten das Haus durchsucht, ihn aber nicht gefunden. Sie hätten aber zwei bis drei Lämmer mitgenommen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, als die Taliban kamen hätte er sich im Stall versteckt, dort habe er das Futter für die Tiere, die Taliban hätten ihn nicht gefunden, aber drei bis vier Schafe mitgenommen.
Auf die Frage der Richterin, wie es sein könne, dass die Taliban ein nach Angaben des Beschwerdeführers so kleines Haus durchsuchten und ihn nicht finden hätten können, gab er an, er hätte sich hinter dem Futter versteckt, die Taliban hätten mit Kalaschnikows geschossen um zu sehen, ob da jemand sei.
Der Beschwerdeführer stellte in der mündlichen Verhandlung fest, der Raum in dem er sich versteckt gehalten habe, sei halb so groß wie der Gerichtsaal gewesen (Saal 5, ca. 26 m2 ).
Auf den diesbezüglichen Hinweis der Richterin, der Raum sei dann doch sehr klein gewesen und es sei nicht nachvollziehbar, dass die Taliban ihn dort nicht finden hätten können sagte er, in dem Stall seien ungefähr fünfzehn Schafe gewesen und das Futter, dahinter habe er sich versteckt.
Wie bereits die belangte Behörde in ihrem Bescheid feststellte, ist es auch für die Richterin nicht nachvollziehbar und vollkommen unplausibel, dass die Taliban den Beschwerdeführer in seinem Stall nicht gefunden haben sollen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme und der mündlichen Verhandlung habe es sich um einen kleinen Raum gehandelt, in dem sich außer den Schafen, vom Beschwerdeführer unterschiedlich angegeben auch noch Futter bzw. Futter und Heizmaterial befunden hätten. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass es sich um einen überschaubaren Raum gehandelt hat, der zumindest - geht man davon aus, dass sich in jedem Auto eine Person befunden habe - von drei Personen durchsucht worden sei. Überdies ist festzuhalten, dass im gesamten Verfahren - bis auf die Beschwerde - vom Beschwerdeführer angegeben wurde, dass seine Wohnunterkunft bzw. der Stall durchsucht worden sei. Lediglich in der Beschwerde wurde vorgebracht, der Stall sei dermaßen voll geräumt gewesen, dass die Türe des Stalls nicht vollständig aufgegangen sei und die Taliban hätten nur einen kurzen Blick in den Stall geworfen. Dies hat der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
Überdies hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen auch gesteigert.
Erstmals hat er in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, bei der Durchsuchung hätten die Männer die gekommen seien, mit Kalaschnikows geschossen.
Auch betreffend die Zeit nach dem Vorfall mit den Taliban hat der Beschwerdeführer ein gesteigertes Vorbringen erstattet. Während er in der Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben hat, in dem Monat nach dem Vorfall, als er noch zu Hause gewesen sei, seien die Taliban zwar hinter ihm her gewesen, aber er sei nicht immer zu Hause gewesen, sondern habe sich auch am Berg versteckt. In der mündlichen Verhandlung nach der Zeit nach dem Vorfall mit den Taliban befragt gab er einerseits an, es sei ihm in dieser Zeit nichts passiert und andererseits sagte er, es sei mit einem Messer auf ihn eingestochen worden. Auf Befragen gab er an, das habe er in der Einvernahme sagen wollen, sei aber zu gestresst gewesen.
Und eine weitere Steigerung erfuhr sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, indem er angab, er hätte einen Drohbrief von den Taliban erhalten, den er bis er in die Türkei gekommen sei, bei sich gehabt habe. Auf konkretes Befragen zu dem Drohbrief führte der Beschwerdeführer aus, den habe ihm der Dorfvorsteher übergeben, als er nach Griechenland wollte sei er ihm ins Wasser gefallen. Auf nochmaliges Befragen aus welchem Grund der Beschwerdeführer die Messerattacke und den Drohbrief nicht schon einmal vorher erwähnt habe, antwortete er nicht konkret bzw. gab in weitere Folge an, er hab den Drohbrief nicht erwähnt, weil er ihm ins Wasser gefallen sei und wiederholte, dass er bei der Einvernahme gestresst gewesen sei. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer während die Richterin bereits am Ende der Verhandlung die Fragen zu dem Drohbrief und der Messerattacke stellte und mehrmals wiederholen musste, plötzlich sagte, er brauche eine Pause, es sei ihm zu warm. Dann zog er seinen Pullover aus. Die Richterin hatte den Eindruck, dass ihm die Befragung zu den Messerattacken und dem Drohbrief sichtlich unangenehm war, und er durch diese Pause von diesen Fragen ablenken wollte bzw. der diesbezüglichen Befragung ein Ende setzen wollte.
In weiterer Folge befragt, aus welchem Grund er dann den Drohbrief in der mündlichen Verhandlung erwähnt habe, führte der Beschwerdeführer aus, ein Freund von ihm sei kürzlich nach Afghanistan abgeschoben worden, und er habe ihn kontaktiert und ihm gesagt, er müsse für ihn den Drohbrief finden, weil ihn der Beschwerdeführer hier vorlegen müsse. Der Freund solle zum Dorfvorsteher gehen und der solle bestätigen, dass er einen Drohbrief bekommen habe. Es ist nicht plausibel, dass der Freund des Beschwerdeführers den Drohbrief finden könnte, da der Beschwerdeführer selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, der Drohbrief sei ihm in der Türkei ins Wasser gefallen.
Nochmals zur Messerattacke befragt gab der Beschwerdeführer an, dies habe er in der Vergangenheit nicht erwähnt, da er geglaubt habe das sei ein privates Problem.
Auch für das Gericht ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung - wie bereits die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung ausführte - Widersprüchlichkeiten, die an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zweifeln lassen bzw. ist das Vorbringen nicht plausibel.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche im Zusammenhang mit dem Umstand, dass er in der Erstbefragung angegeben habe, die Taliban hätten in für einen Spion gehalten und dies in der Einvernahme vor der belangten Behörde so nicht mehr vorgebracht hätte, hätten sich daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Erstbefragung noch minderjährig bzw. sehr müde gewesen sei, ist - wie bereits ausgeführt - festzuhalten, dass sich einerseits seitens der erkennenden Richterin aus diesem Umstand keine Widersprüchlichkeiten ergeben haben, und andererseits unter Beachtung seiner damaligen Minderjährigkeit festzustellen, dass der Beschwerdeführer bei Durchführung der mündlichen Verhandlung volljährig war, und weitere Widersprüchlichkeiten durch den Beschwerdeführer in der Verhandlung dennoch nicht aufgeklärt werden konnten bzw. das Vorbringen unplausibel und überdies teilweise gesteigert war.
Schließlich kann daher in Gesamtbetrachtung des gegenständlichen Vorbringens des Beschwerdeführers, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Der Beschwerdeführer hat mit der Beschwerde keine aktuellen Beweismittel vorgelegt.
Betreffend die von der belangten Behörde übermittelten Unterlagen der Landespolizeidirektion Wien betreffend die Meldung einer Straftat - den Besitz von vermutlich Cannabiskraut