Entscheidungsdatum
26.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W228 2195245-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX geboren am XXXX .1996 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom 16.10.2018 behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom 13.04.2018, dem BF am 16.04.2018 zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).
Die Beschwerde dagegen wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 05.09.2018, Zl. W158 2195245-1/9E, abgewiesen.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer Beschwerde beim VfGH ein.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 16.10.2018, Zl. XXXX , wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde aberkannt (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde ausgeführt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 4 FPG gewährt werde (Spruchpunkt V.). Abschließend wurde ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 18 Monaten gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG erlassen. Das Einreisverbot wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, er sich zwar auf Aufforderung gerechtfertigt habe, aber sich keine Gründe ergeben hätten, die der beabsichtigten Maßnahme entgegenstehen würden. Das Fehlverhalten sei auch nicht als geringfügig einzustufen.
Mit Beschluss des VfGH vom 24.10.2018, Zl. 4193/2018, am selben Tag dem Bundesverwaltungsgericht zugestellt, wurde aufschiebende Wirkung betreffend das Verfahren W158 2195245-1/9E gewährt.
Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben vom 13.12.2018 Beschwerde erhoben. Begründend wurde auf den Beschluss des VfGH vom 24.10.2018, Zl. 4193/2018, und hinsichtlich des letzten Spruchpunktes auf die mangelnde Gefährdungsprognose betreffend das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers mit Verweis auf die Entscheidung des VwGH vom 30.07.2014, Zl. 2013/22/0281, da der mangelnde Nachweis von Barmitteln alleine nicht ausreichend sei. Aufgrund Erstmaligkeit der Verfehlung und anderen Begleitumständen, müsse eine positive Zukunftsprognose erstellt werden.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Spruchpunkte I bis III des verfahrensgegenständlichen Bescheides sind eine Wiederholung der Spruchpunkte III bis V des Bescheides vom 13.04.2018.
Der Spruchpunkt IV des gegenständlichen Bescheides ist zwar gegenüber dem Bescheid vom 13.04.2018 neu und hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zum Gegenstand. Allerdings wurde mit Beschluss des VfGH vom 24.10.2018, Zl. 4193/2018, aufschiebende Wirkung betreffend den Bescheid vom 13.04.2018 gewährt. Somit steht Spruchpunkt IV im Widerspruch zur Entscheidung des VfGH.
Spruchpunkt V des gegenständlichen Bescheides soll Spruchpunkt VI des Bescheides vom 13.04.2018 ersetzen und die Frist für die freiwillige Ausreise auf 0 setzen. Er steht somit ebenso im Widerspruch zur Entscheidung, die im VfGH Verfahren derzeit anhängig ist.
Der Spruchpunkte VI des gegenständlichen Bescheides ist gegenüber dem Bescheid vom 13.04.2018 neu und hat ein 18-monatiges Einreisverbot zum Gegenstand.
Der Beschwerdeführer rechtfertigte seine Weigerung der Ausreiseverpflichtung nachzukommen wie folgt: "[...] Mir ist bewusst, dass ich die Frist der freiwilligen Ausreise nicht wahrgenommen habe, da ich gerne in Österreich bleiben würde. Ein entsprechendes Ansuchen/Beschwerde meinerseits ist an das Bundesverwaltungsgericht ergangen. [...] Ich wüsste nicht, wohin ich gehen sollte. Meine Rest-Familie (Mutter, kleiner Bruder) können mich nicht unterstützen, ich weiß auch nicht, ob sie noch am selben Ort leben oder überhaupt am Leben sind. Ich möchte daher in Österreich bleiben. Aufgrund der Gefahr für Leib und Leben in meinem Heimatgebiet kann ich nicht dort leben."
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Rechtfertigung ergibt sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 03.10.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Die Wiederholung der Spruchpunkte III bis V des Bescheides vom 13.04.2018 im verfahrensgegenständlichen Bescheid, welcher derzeit beim VfGH im Rechtsschutzverfahren anhängig ist, durch die Spruchpunkte I bis III ist vollkommen unzulässig. Zum einen wurde der gleiche Ausspruch bereits im vorigen Verfahren getätigt. Andererseits versucht die belangte Behörde im Endeffekt so die Zuständigkeit hinsichtlich dieser Spruchpunkte an sich zu ziehen, obwohl dieser bezüglich der genannten Spruchpunkte wegen Anhängigkeit beim nunmehr zuständigen VfGH keine Zuständigkeit zukommt.
Hinsichtlich der Zuständigkeit bei Spruchpunkt IV des gegenständlichen Bescheides ist die Zweckmäßigkeit dieses Spruchpunktes nicht zu erkennen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides am 16.10.2018 war die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.09.2018, Zl. W158 2195245-1/9E, rechtskräftig. Somit war ein Bescheid über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzweckmäßig, da ohnehin Rechtskraft und Vollstreckbarkeit vorlag und war daher zu diesem Zeitpunkt ein Abspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung rechtswidrig. Erst der Beschluss des VfGH vom 24.10.2018, Zl. 4193/2018, stellte die aufschiebende Wirkung betreffend das ursprüngliche Verfahren her. Doch auch ab diesem Moment ist die Anmaßung einer Zuständigkeit der belangten Behörde betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ein unzulässiger Eingriff in die rechtsstaatlichen Prinzipien, da die belangte Behörde im Falle von Änderungen in der Sachlage einen Antrag auf Aberkennung, der vom VfGH gewährten, aufschiebenden Wirkung beim VfGH stellen muss, da dieser Herr des ursprünglichen Verfahrens ist.
Hinsichtlich Spruchpunkt V des gegenständlichen Bescheides gilt oben geschriebenes bezüglich Zuständigkeit ebenso. Die Behörde versucht hier eine Abänderung vorzunehmen, zu der sie nicht zuständig ist. Eine Rechtfertigung im Sinne des Vorliegens eines Tatbestandes einer amtswegigen Abänderung oder einer amtswegigen Wiederaufnahme gem. §§ 68 und 69 AVG ist dem erkennenden Richter ebenso nicht ersichtlich.
Spruchpunkt VI hat ein 18-monatiges Einreiseverbot zum Gegenstand. Dieser Spruchpunkt ist gegenüber dem beim VfGH anhängigen Verfahren neu. § 53 Abs. 1 FPG 1. Satz sieht vor: "Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden." Wie den Ausführungen zuvor zu entnehmen ist, hat das Bundesamt mit den Spruchpunkten I-V des gegenständlichen Bescheides unzulässige Änderungen mangels Zuständigkeit vorgenommen. Da die belangte Behörde für eine Rückkehrentscheidung unzuständig war, durfte sie jedoch auch kein Einreiseverbot verhängen.
Außerdem ist aufgrund der Begründung des gegenständlichen Bescheides zu Spruchpunkt VI nicht erkennbar, wie ein Wiedersetzen hinsichtlich einer freiwilligen Ausreiseverpflichtung zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit überhaupt führen kann. Diesbezüglich bleibt die belangte Behörde jegliche Erklärung schuldig.
Soweit sich die Entscheidung bei Spruchpunkt VI auf Art. 11 Abs. 1 lit b der Rückführungsrichtlinie beruft, ist anzumerken, dass es sich dabei um eine für den Beschwerdeführer nachteilige Regelung handelt und sich keine ausdrückliche Umsetzung im Gesetz wiederfindet. Aus Sicht des erkennenden Richters kann sich die belangte Behörde daher nicht auf diese Bestimmung stützen, da der Gesetzgeber mit der Umsetzung säumig ist.
Schließlich ist der Beschwerde mit Verweis auf die Entscheidung des VwGH vom 30.07.2014, Zl. 2013/22/0281, insoweit Recht zu geben, dass der mangelnde Nachweis von Barmitteln alleine nicht ausreichend ist für eine negative Gefährdungsprognose. Mag es auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde beim gegenständlichen Bescheid anders ausgesehen haben, so ist die Verfehlung des Beschwerdeführers im Lichte der Gewährung der aufschiebenden Wirkung durch den VfGH und die Erstmaligkeit der Verfehlung gering zu werten und gelangt der erkennende Richter zu einer Zukunftsprognose, die eine maßgebliche Verletzung öffentlicher Interessen nicht nahelegt.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des § 53 Abs. 1 erster Satz FPG aufgrund des Wortlautes offensichtlich die Erteilung eines Einreiseverbots im Rahmen der Rückkehrentscheidung vor Augen. Offen ist jedoch, ob dieser die Verhängung eines Einreiseverbots - in ähnlichen oder gleichen Konstellationen wie der gegenständlichen -unabhängig von einer Rückkehrentscheidung nicht bedachte und somit eine Regelungslücke vorliegt, die es durch Interpretation bzw. Analogie zu füllen gilt oder ob der Gesetzgeber diese Variante bewusst nicht regeln wollte.
Weiters konnten im kurzen Entscheidungszeitraum durch den erkennenden Richter keine höchstgerichtlichen Entscheidungen ausfindig gemacht werden, die zur Frage der Umsetzung des Art. 11 Abs. 1 lit b der Rückführungsrichtlinie Stellung nehmen, da die gegenständliche Entscheidung von einer mangelnden Umsetzung ausgeht, da diese nicht ausdrücklich im Gesetzestext erfolgte. Es könnte jedoch auch die Rechtsansicht vertreten werden, dass durch die exemplarische Aufzählung im § 53 Abs. 2 FPG eine Umsetzung indirekt erfolgte. Ob eine solche indirekte Umsetzung europarechtlich in der Folge zulässig wäre, konnte ebensowenig im kurzen Entscheidungszeitraum erörtert werden.
Schlagworte
Anhängigkeit, Ausreiseverpflichtung, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2195245.2.00Zuletzt aktualisiert am
31.01.2019