TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/26 W253 2138872-1

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Entscheidungsdatum

26.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W253 2138872-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Jörg C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 12.01.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 13.01.2015 erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, am XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren zu sein. Er sei der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig, Moslem, habe sieben Klassen in der Grundschule absolviert und zuletzt als Minenräumer gearbeitet. Befragt zu seinen Angehörigen im Herkunftsland gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater bereits verstorben sei, jedoch seine Mutter zwei Schwestern und sein Sohn in Afghanistan leben würden. Die Mutter seines Sohnes - die Ehefrau des Beschwerdeführers - sei bereits verstorben. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund von Erbstreitigkeiten den Herkunftsstaat verlassen habe müssen. Er sei von seinen Cousins wegen des Erbes nach seinem Vater mit dem Tod bedroht worden. Das Vorliegen weiterer Fluchtgründe wurden vom Beschwerdeführer verneint.

3. Am 16.08.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend aus, dass seine Ehefrau im Zuge eines Gasunfalls in einer Küche ums Leben gekommen sei. Abweichend von seinen bisherigen Angaben in der Erstbefragung führte der Beschwerdeführer aus, dass er nach dem Tod seiner Frau wieder geheiratet habe, diese lebe an der letzten gemeinsamen Adresse in Kabul. Befragt über seinen beruflichen Werdegang, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nach dem Tod seines Vaters für den Unterhalt sorgen musste und diesen als Mechaniker, als Hilfsarbeiter und zuletzt als Minenräumer erwirtschaftet habe. Er würde in Kabul ein Haus besitzen, welches er zum Zwecke der Geldbeschaffung für die Schleppung nach Europa verpachtet habe und welches er bei einer Rückkehr nach Kabul wieder beziehen könne. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater bereits vor fünfzehn Jahren verstorben sei und er mit den Verwandten Probleme habe. Diese hätten seinen Vater wegen der Erbschaft getötet. Außerdem habe der Schwiegersohn seines Onkels den Beschwerdeführer dazu verhalten wollen, einen Rucksack mit Sprengstoffwesten, unter Ausnützung seiner beruflichen Stellung als Minenräumer, in einem Dienstfahrzeug zu transportieren. Der Beschwerdeführer habe daraufhin vergeblich Hilfe bei seinem Vorgesetzten bzw. den Sicherheitsbehörden gesucht. Schließlich habe er sich entschlossen den Herkunftsstaat zu verlassen.

4. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Der Begründung des im Spruch bezeichneten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unglaubhaft sei und er seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten könne.

Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der Verein Menschenrechte Österreich, Goethestraße 22 (1. Stock), 4020 Linz, als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

5. Mit Schreiben vom 11.10.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des gegenständlichen Bescheides und brachte zusammengefasst vor, er habe Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung, aufgrund seiner Weigerung für eine terroristische Gruppe Sprengstoff zu schmuggeln und seiner exponierten Stellung als Minenräumer für ein ausländisches Unternehmen, verlassen. Er befinde sich aufgrund der ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung außer Landes.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 15.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Zusammengefasst wiederholte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt, im Wesentlichen seine bereits vor dem Bundesamt getätigten Angaben.

8. Am 08.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme sowie weitere Urkunden. In der Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer wiederholt auf seine Tätigkeit als Minenräumer und die damit einhergehende Gefahr einer maßgeblichen Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention ausgesetzt zu sein. Unter einem verwies der Beschwerdeführer auf die die aktuellen UNHCR-Richtlinien, wonach Kabul nicht mehr als innerstaatliche Fluchtalternative heranzuziehen sei. Ebenso verwies der Beschwerdeführer auf die aktuelle Verschlechterung der Sicherheits- und Versorgungslage der Bevölkerung Afghanistans und legte ein Konvolut an Unterlagen zur Bestätigung seiner Integration bei.

9. Mit am 24.10.2018 eingelangtem Schreiben übermittelte der Beschwerdeführer, einen Ambulanzbefund des XXXX -Klinikums vom 16.10.2018, eine verbindliche Einstellungszusage einer Baufirma vom 17.10.2018 sowie eine Bestätigung des Bürgermeisters von XXXX über gemeinnützige Tätigkeiten des Beschwerdeführers am städtischen Bauhof.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahmen des Beschwerdeführers, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

1.2. Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX in der Stadt XXXX , in Afghanistan geboren und ist ebendort aufgewachsen. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Muslim und seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist verwitwet und wiederverheiratet und Vater eines Sohnes.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seiner zweiten Ehefrau (der Schwester der verstorbenen ersten Ehefrau), seinem Sohn und seiner Mutter. Diese leben beim Schwager des Beschwerdeführers im Iran. Dieser sorgt für sie.

Der Beschwerdeführer hat fünf Klassen der staatlichen Schule besucht und nach dem Tod seines Vaters für seinen Unterhalt bzw. den Unterhalt seiner Familie als Mechaniker, Bauarbeiter und Minenräumer gesorgt. Der Beschwerdeführer verfügt über ein Haus in Kabul.

Der Beschwerdeführer leidet an spontan abgangsfähigen Nierenkonkrementen. Eine jährliche urologische Kontrolle ist als medizinische Maßnahme empfohlen. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und - abgesehen von der eben genannten leicht ausgeprägten Nierensteinerkrankung - gesund.

In der Heimatstadt des Beschwerdeführers leben keine Angehörigen aus seiner Kernfamilie. Diese wird im Iran vom Schwager des Beschwerdeführers versorgt. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Tätigkeit als Minenräumer in verschiedenen Provinzen in Afghanistan herumgekommen und verfügt über berufliche Erfahrungen in Kabul, Herat und der Provinz Mazar-e- Sharif. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Afghanistan ist er mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut.

Der Beschwerdeführer spricht etwas Deutsch, verfügt über ehrenamtliche Arbeitserfahrung auf einem städtischen Bauhof in Österreich und hat eine verbindliche Einstellungszusage einer Baufirma vorgelegt.

In Österreich nimmt der Beschwerdeführer an verschiedenen kirchlichen und privaten Festen teil. Der Beschwerdeführer möchte nicht konvertieren. Er geht keiner Beschäftigung nach, lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Es können keine substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z. B. intensive Freundschaften, Beziehungen, Lebensgemeinschaften, Kinder) festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wird nicht von den Taliban bzw. einem Talibankommandanten namens Jabar wegen seiner Weigerung für diese Sprengstoffwesten zu schmuggeln verfolgt. Ebenso festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer nicht aufgrund von Erbschaftsstreitigkeiten im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Gefahr liefe einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt zu sein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan gefährdet ist, physischer Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt zu sein.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat) nicht Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer leidet an keinen dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Er kann dort seine Existenz - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es kann nicht festgestellt werden, dass er nicht in der Lage ist, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Kabul, Mazar-e Sharif sowie Herat sind über die dort vorhandenen Flughäfen sicher erreichbar.

1.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 (in Folge kurz "LIB"):

1.5.1.1. Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB S. 20). Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB S. 24).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB S. 24).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben. Dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (LIB S. 30 f).

Im Jänner 2018 waren 56,3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14,5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29,2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB S. 31).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (LIB S. 34).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören ua die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (LIB S. 33).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (LIB S. 23).

1.5.1.2. Zur Sicherheitslage in Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (LIB S. 45).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB S. 45 f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt

1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (LIB S. 46 f). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB S. 222).

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte). Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB S. 47).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" -dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlosanschließt -alles dazwischen muss geräumt werden (LIB S. 47 f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden. Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.01.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte -fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe -noch -auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (LIB S. 48).

Für den Zeitraum 01.01.2017 - 31.01.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (LIB S. 49).

1.5.1.3. Zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif:

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh und ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (LIB S. 64).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (LIB S. 64).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB S. 65).

1.5.1.4. Zur Sicherheitslage in Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB S. 101).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran Produktion. Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (LIB S. 101).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (LIB S. 102).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB S. 102 f).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB S. 103).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten TalibanGruppierungen (LIB S. 103 f).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017-15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (LIB S. 104).

1.5.1.5. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge:

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen. Zwischen 01.01.2018 und 15.05.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (LIB S. 309).

Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.03.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (LIB S. 310). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (LIB S. 311).

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw (LIB S. 311 f).

1.5.1.6. Grundversorgung und Wirtschaft:

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu. Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1,4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3,4% bzw. 1,8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (LIB S. 314).

1.5.1.7. Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit:

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (LIB S. 314 f).

1.5.1.8. Projekte der afghanischen Regierung:

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern. Darunter fällt ua der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind ua der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien. Das "Citizens' Charter National Priority Program" zB hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen (LIB S. 315).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (LIB S. 316).

1.5.1.9. Medizinische Versorgung:

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (va Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (LIB S. 318).

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Gründe dafür waren ua eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (LIB S. 318).

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (LIB S. 318 f).

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel. In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt. Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baglan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (LIB S. 319).

1.5.1.10. Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden. Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden.

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB S. 319 f).

1.5.1.11. Krankenhäuser in Afghanistan:

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich. In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw fachlicher Expertise nicht behandelt werden können. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (LIB S. 321 f).

1.5.1.12. Rückkehrer:

Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB S. 327).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (zB IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (zB IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (LIB S. 328 f).

1.5.2. Übersetzter Auszug aus den UNHCR-Richtlinien "Eligibility Guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from afghanistan" vom 30.08.2018, die auf Grund der gerichtsnotorischen englischen Sprache im englischen Original verwendet werden:

Risikoprofile:

"[...]e) Mitarbeiter humanitärer Hilfs- und Entwicklungsorganisationen Regierungsfeindliche Kräfte greifen Berichten zufolge Zivilisten an, die Mitarbeiter internationaler oder afghanischer humanitärer Hilfsorganisationen sind, darunter afghanische Staatsbürger, die für Sonderorganisationen der Vereinten Nationen arbeiten, Mitarbeiter internationaler Entwicklungsorganisationen, nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen oder früher für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte gearbeitet hätten [...] Die Ermordungen scheinen von dem Verlangen geleitet worden zu sein, Unterstützer der Regierung in der Region zu eliminieren, um es regierungsfeindlichen Kräften zu erleichtern, die Kontrolle über das neu gewonnene Territorium aufrechtzuerhalten."

"[...] Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelprüfung unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich seines Alters, Geschlechts, seiner Gesundheit, seiner Invalidität, der familiären Situation und Beziehungen sowie seines Bildungs- und Berufsstandes, geprüft werden. [...]

Ein interne Schutzalternative ist nur dann verfügbar, wenn der Antragsteller dort in Sicherheit leben kann, ohne Gefahr sowie ohne Verletzungsrisiko. Diese Bedingungen müssen dauerhaft und dürfen weder illusorisch noch unvorhersehbar sein. Vor diesem Hintergrund muss die Unbeständigkeit und die Veränderlichkeit des bewaffneten Konflikts in Afghanistan berücksichtigt werden. [...]

Damit eine vorgeschlagene interne Schutzalternative zumutbar ist, muss der Antragsteller in der Lage sein, seine grundlegenden Menschenrechte im Bereich der Neuansiedlung auszuüben, und der Antragsteller muss wirtschaftliche Überlebenschancen unter würdevollen Bedingungen haben. In diesem Zusammenhang muss die Bewertung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative insbesondere Folgendes berücksichtigen:

(i) Zugang zu einer Unterkunft in dem vorgeschlagenen Bereich der Neuansiedlung;

(ii) Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur und Zugang zu grundlegender Versorgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsbereich wie Trinkwasser und sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung;

(iii) Erwerbsmöglichkeiten einschließlich des Zugangs zu Land für Afghanen, die aus ländlichen Gebieten stammen; oder im Fall von Antragstellern, die nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können (z. B. ältere Antragsteller), bewährte und nachhaltige Unterstützung, um Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. [...]

UNHCR ist der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative in Gebieten nicht gegeben ist, die unter der effektiven Kontrolle von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) stehen. [...] UNHCR ist der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative auch in Gebieten nicht gegeben ist, die von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) oder zwischen unterschiedlichen regierungsfeindlichen Kräften betroffen sind. [...]

Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Kabul als mögliche interne Schutzalternative muss gesichert sein, dass die Person Zugang zu Folgendem hat: (i) einer Unterkunft; (ii) einer Grundversorgung, etwa mit Trinkwasser und sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildungseinrichtungen; und (iii) Erwerbsmöglichkeiten oder erwiesener und nachhaltiger Unterstützung, um einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen. [...]

UNHCR ist der Ansicht, dass angesichts der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative grundsätzlich nicht gegeben ist. [...]"

1.5.3. Auszug aus der Arbeitsübersetzung des Landinfo-Reports Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne.

[...]

Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Trotz der Bemühungen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit über die verschiedenen Taliban-Shuras hinweg zu koordinieren und zu synchronisieren, wirkte sich die interne Aufspaltung der Taliban auf deren Funktionsweise aus. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen 'Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen.

[...]

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde, im bekämpften Bescheid und im Beschwerdeschriftsatz sowie in die Beschwerdeergänzung, in die vorgelegten Urkunden sowie in den diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Afghanistan vom 29.06.2018 sowie der UNHCR-Richtlinien "Eligibility Guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from afghanistan" vom 30.08.2018.

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Staats- und Volksgruppenangehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ausreise gründen sich auf dessen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Der erkennende Richter hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Identität, Herkunft sowie zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers bzw. aus dem diesbezüglich gleich gebliebenen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

Dass der Beschwerdeführer sunnitischer Muslim ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen unbedenklichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Gleiches gilt für die Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers und hinsichtlich seines Familienstandes. Dass die Muttersprache des Beschwerdeführers Dari ist, ergibt sich aus seiner diesbezüglichen unbedenklichen eigenen Angabe im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben. Zwar liegt dem Akt ein Ambulanzbericht vor vom 16.10.2018 hinsichtlich einer Nierensteinerkrankung bei, jedoch geht aus dem Ambulanzbefund hervor, dass diese Erkrankung nahezu beschwerdefrei verlaufe und eine jährliche Kontrolle der Nieren der spontan abgängigen Konkremente bis 3mm durch einen Arzt als ausreichend zu bezeichnen ist, weshalb nicht näher darauf einzugehen war. Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer selbst Unterlagen betreffend einer Einstellungszusage im Baugewerbe vorgelegt hat, woraus zu schließen ist, dass er sich selbst als arbeitsfähig einschätzt.

Die Feststellungen zu seiner Geburt und zu seinem Aufenthalt in Afghanistan sowie seiner Schulbildung und mehrfachen Berufserfahrung ergeben sich aus seinen eigenen unbedenklichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und vor dem zur Entscheidung berufenen Richter. Die Feststellungen zu seiner Kernfamilie stützen sich ebenfalls auf seine im gesamten Verwaltungsverfahren gleichbleibenden Angaben. Dass der Beschwerdeführer mit der afghanischen Lebensweise vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen ist. Die Feststellung zum Besitz eines Hauses stützt sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und ist für den zur Entscheidung berufenen Richter kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer hierbei falsche Angaben tätigen sollte. Gleiches gilt hinsichtlich dem Verbleib und der Versorgungslage seiner Kernfamilie.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers, seiner ehrenamtlichen Tätigkeit und seiner Einstellungszusage ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen und der persönlichen Wahrnehmung durch den Richter während der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers gründen auf dessen Angaben während der mündlichen Verhandlung und seinen vorgelegten Unterlagen.

Dass der Beschwerdeführer trotz Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen nicht konvertieren möchte und über keinerlei substanzielle Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens verfügt, gründet ebenso auf dessen Angaben vor dem zur Entscheidung berufenen Richter bzw. auf die Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die vorgelegten Bescheinigungen.

Die Feststellungen betreffend die Selbsterhaltungsfähigkeit bzw. die strafgerichtliche Unbescholtenheit gründen auf die Einsichtnahme in den aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungssystem bzw. den aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Eine individuell konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat konnte in Gesamtwürdigung seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht festgestellt werden.

Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern.

Der Beschwerdeführer vermochte den zur Entscheidung berufenen Richter weder vom Vorliegen einer persönlichen Bedrohung durch die Taliban noch von einer Bedrohung im Zuge eines Erbschaftsstreits zu überzeugen:

2.3.1. Zur vorgebrachten persönlichen Bedrohung durch die Taliban aufgrund der Tätigkeit als Minenräumer bzw. dem Erbschaftsstreit:

Der Beschwerdeführer gab im Zuge seiner Erstbefragung vor der Sicherheitsbehörde zu seinen Fluchtgründen an, dass er aufgrund von Erbstreitigkeiten seine Heimat verlassen musste. Sein Cousin habe ihm nach dem Erbe getrachtet und ihn töten wollen. Das Vorliegen weiterer Fluchtgründe verneinte der Beschwerdeführer ausdrücklich und gab hinsichtlich seiner Befürchtungen für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat an, um sein Leben zu fürchten. Eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund seiner Weigerung, f

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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