TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/27 W255 2178713-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2178713-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zl. 1070618208-150556389, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste spätestens am 25.05.2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 27.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, Afghanistan verlassen zu haben, da sein Vater und sein Bruder von Nomaden getötet worden seien. Der BF sei daraufhin in den Iran geflohen. Paschtunen würden aufgrund seiner Religion nach seinem Leben trachten. Die Dorfältesten hätten wollen, dass die jungen Burschen in den Krieg ziehen. Auch aus diesem Grund sei der BF geflohen. Er habe Angst um sein Leben. Den Iran habe er verlassen, da er dort keine Rechte gehabt habe.

1.3. Am 02.10.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (im Folgenden: BFA), einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er im Jahr 1370 (= 1991/1992) im Dorf XXXX , Nebendorf XXXX , Provinz XXXX geboren und dort gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen sei. Im Alter von neun Jahren habe er zwei Jahre an einem Alphabetisierungsprogramm in einer Moschee teilgenommen. Nach den zwei Jahren habe er - mit ca. 11 Jahren - begonnen, als Hirte in der Landwirtschaft zu arbeiten. Der Vater des BF habe in einem Laden gearbeitet, der ca. vier Stunden zu Fuß vom Heimatdorf des BF entfernt gelegen sei.

Im Jahr 1390 (= 2011) sei der Bruder des BF umgebracht worden. Der Bruder habe gerade Waren zum Geschäft des Vaters transportiert, als ihn die Taliban angehalten und umgebracht hätten. Die Taliban hätten den Vater des BF mit dem Handy kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass sie seinen Sohn getötet hätten.

Ein Jahr danach sei der Vater des BF von den Taliban umgebracht worden. Dies deshalb, da der Vater die Mujaheddin, die gegen die Taliban gekämpft hätten, bezahlt habe. Die Taliban hätten sein Geschäft angegriffen und ihn dabei getötet.

Zehn Tage nach dem Tod des Vaters - ebenfalls im Jahr 1391 (2012) - sei der BF in den Iran gereist und habe dort 2 1/2 Jahre als Bauarbeiter gearbeitet. Während dieser Zeit habe er Maurer und Fliesenleger gelernt.

Der BF habe Afghanistan verlassen, da er "von den Kämpfern" aufgefordert worden sei, für die Taliban zu kämpfen. Außerdem hätten die Mujaheddin vom BF gefordert, gegen die Taliban zu kämpfen. Der Vater des BF habe die Mujaheddin bezahlt, damit er und seine Söhne nicht für diese kämpfen hätten müssen. Nach dem Tod seines Vaters habe der BF nicht genug Geld gehabt, um die Mujaheddin selbst zu bezahlen. Sie seien zwei Tage nach dem Tod des Vaters, drei Tage darauf und neuerlich zwei Tage darauf zum BF gekommen und hätten von ihm verlangt, ihnen Geld zu geben oder für sie zu kämpfen.

Eine Schwester des BF sei bereits zwei Monate vor dem BF gemeinsam mit ihrem Ehegatten und dem jüngeren Bruder des BF in den Iran gereist. Dies deshalb, da der Vater Angst gehabt habe, dass es Krieg geben würde und deshalb seine Tochter in den Iran geschickt habe. Sie lebe nach wie vor im Iran. Der jüngere Bruder des BF habe den Iran ein Jahr nach der Ausreise des BF aus dem Iran verlassen und sei in Griechenland verschwunden.

Im Verfahren vor dem BFA legte der BF die folgenden Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigung des XXXX betreffend die Bildungsveranstaltung Deutsch A2 Modul C vom 28.11.2016 bis 22.12.2016;

* Teilnahmebestätigung des XXXX betreffend die Bildungsveranstaltung Deutsch Modul D "Kommunikation A2" vom 09.01.2017 bis 02.02.2017;

* Teilnahmebestätigung des XXXX betreffend die Veranstaltung Deutschkurs für Asylwerber A1, Teil 1 vom 07.03.2016 bis 19.04.2016;

* Teilnahmebestätigung des XXXX betreffend die Veranstaltung Deutschkurs für Asylwerber A2, Teil 1 vom 30.01.2017 bis 23.02.2017;

* ÖSD Zertifikat A1 vom 03.08.2016 (Prüfung am 30.07.2016) - bestanden;

* ÖSD Zerfitikat A2 vom 21.03.2017 (Prüfung am 18.03.2017) - nicht bestanden;

* Teilnahmebestätigung des Obmannes von XXXX betreffend einen Deutschkurs auf A1+ Niveau vom September 2015 bis Mai 2016;

* Teilnahmebestätigung der XXXX betreffend den Kurs Deutsch A1/1 für Asylwerbende vom 07.07.2016;

* Bestätigungsschreiben der Leiterin von XXXX betreffend das ehrenamtliche Engagement des BF vom 07.09.2016 bis 12.09.2016.

1.4. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 30.10.2017, Zl. 1070618208-150556389, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.).

1.5. Gegen den unter Punkt 1.4. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF im Wesentlichen, dass sein Vater und sein Bruder von den Taliban ermordet worden seien. Der BF sei durch die Mujaheddin, die Kuchi Nomaden und die Taliban bedroht worden.

Der Beschwerde wurden die folgenden Dokumente beigefügt:

* Bestätigungsschreiben des " XXXX " betreffend das ehrenamtliche Engagement des BF vom Mai 2016 bis Jänner 2017;

* Unterstützungsschreiben eines privaten Ehepaares;

* Unterstützungsschreiben einer Privatperson.

1.6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 04.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.7. Mit Schreiben vom 23.05.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des BF dem Bundesverwaltungsgericht das von XXXX im Auftrag des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zur AZ: 7 K 1757/16.WI.A am 28.03.2018 erstellte Gutachten zur Sicherheitslage in Afghanistan. Aus dem Gutachten sei klar abzuleiten, dass es in Afghanistan keine innerstaatliche Fluchtalternative gebe, ebenso wenig einen sicheren Ort für Rückkehrer ohne entsprechendes soziales Netzwerk.

1.8. Mit Schreiben vom 20.07.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.10.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern, seiner Schwester und seinen Eltern im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX aufgewachsen sei. Er habe zwei Jahre die Schule besucht und sei danach als Hirte tätig gewesen. Der Vater des BF habe als Verkäufer gearbeitet und sein eigenes Geschäft gehabt. Der BF habe eine Tante mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits, wisse aber nicht, wo diese leben.

Der BF habe Afghanistan 1391 (= 2012) verlassen und sei in den Iran gereist, wo er sich 2 1/2 Jahre in XXXX aufgehalten und als Bauarbeiter gearbeitet habe.

Der BF habe Afghanistan verlassen, da sein Vater und sein Bruder von den Taliban getötet worden seien. Die Taliban seien gegen den Vater gewesen, da dieser die Mujaheddin unterstützt habe und diese in Opposition zu den Taliban gestanden seien. Der Vater habe den Mujaheddin Geld gegeben, damit diese gegen die Taliban kämpfen. Dies hätten die Taliban erfahren, der BF wisse aber nicht wie. Die Mujaheddin hätten wiederum von der Familie des BF verlangt, sie mit Geld zu unterstützen oder für sie zu kämpfen. Im Jahr 1389 (= 2010) sei der Vater von den Taliban bedroht worden. Ein Jahr später sei der Bruder des BF, als er sich auf dem Weg von XXXX zum Geschäft des Vaters befunden habe, von den Taliban angehalten und getötet worden. Ein Jahr später hätten die Taliban den Vater des BF getötet. Danach hätten die Mujaheddin vom BF verlangt, ihnen Geld zu geben oder mit ihnen gegen die Taliban zu kämpfen. Der BF habe dies nicht akzeptiert und sei in den Iran geflüchtet.

Der BF habe nie selbst die Taliban gesehen. Er habe sie nur von sehr weitem gesehen und gehört, wie sie auf den Bergen geschossen hätten. Einmal, als die Taliban ins Heimatdorf gekommen seien, sei die Familie des BF rechtzeitig von den Mujaheddin vorgewarnt worden und habe sich in Sicherheit bringen können. Ab dem Jahr 1391 (= 2012) seien die Taliban wegen der Präsenz der Mujaheddin nicht mehr ins Heimatdorf des BF gekommen.

Darüber hinaus seien die Taliban jedes Jahr im Sommer gekommen, hätten Tiere geschlachtet und die Ernte der Familie des BF genommen. Die Mujaheddin hätten die Taliban aber aufhalten können.

Die Mutter des BF sei im Jahr 1390 (= 2011) gestorben, als sie den Leichnam des Bruders des BF gesehen habe. Das habe sich stark auf ihre Psyche ausgewirkt.

Die Schwester des BF lebe mit ihrem Ehegatten in XXXX , Iran. Der BF habe keinen Kontakt mehr mit ihr, seit er eine Auseinandersetzung mit ihr gehabt habe, da der jüngere Bruder des BF auf der Reise nach Europa in Griechenland verschwunden sei.

Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan befürchte der BF von den Mujaheddin und den Taliban gefunden und getötet zu werden. Zudem würde man ihm unterstellen, ein Ungläubiger zu sein, da er die Moschee nicht mehr besuche und Alkohol trinke. Auch die Hazara würden den BF, der Hazara sei, an die Mujaheddin oder die Taliban ausliefern.

Der BF legte eine Einstellungszusage der XXXX KG vom 07.08.2018 mit dem Text: "Herr Zaher Walid Zaha, Wenn er das Aufenthaltstitel erhalte könnte er als Hilfsarbeiter mit uns Arbeiten." vor und gab an, dort 40 Stunden pro Woche für die nächsten 10 Jahre arbeiten zu dürfen. Der BF habe im Jahr 2017 auch eine Zusage für eine Lehrstelle gehabt. Aufgrund der Tatsache, dass er die Altersgrenze (über 25 Jahre alt) überschritten habe, habe er die Lehre nicht antreten dürfen. Der BF besuche derzeit keinen Deutschkurs, lerne aber zweimal wöchentlich mit einem befreundeten Ehepaar Deutsch. Er habe nicht ausreichend Geld, um einen Deutschkurs bezahlen zu können. Der BF spiele regelmäßig mit Freunden Fußball. Der BF glaube, dass es einen Gott gebe, ansonsten glaube er aber an nichts. Er sei im Herzen kein Mosle, bete nicht, gehe nicht in die Moschee, trinke Alkohol und esse Schweinefleisch. Da es im Islam viel Zwang gebe, möge er den Islam nicht. Er wolle in Österreich lernen und arbeiten und sich eine Zukunft aufbauen.

Weiters legte der BF eine Bestätigung des Leiters des XXXX vom 30.07.2016 über die Erbringung gemeinnütziger Hilfstätigkeiten durch den BF, einen bereits im Verfahren vor dem BFA vorgelegten Nachweis über ehrenamtliches Engegament vom 07.09.2016 bis 12.09.2016 sowie eine Teilnahhmebestätigung des XXXX betreffend die Bildungsveranstaltung Deutsch A2 Modul C vom 28.11.2016 bis 22.12.2016, vor.

1.10. Mit Schreiben vom 05.11.2018 führte der BF aus, dass er vor dem Bundesverwaltungsgericht schlüssig und widerspruchsfrei die Gründe seiner Flucht aus Afghanistan geschildert habe. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF einer vierfachen Bedrohung ausgesetzt: einer Bedrohung durch die Taliban, einer Bedrohung durch die Mujaheddin, einer Bedrohung durch den afghanischen Staat sowie einer Bedrohung durch islamische Fundamentalisten aufgrund des Umstandes, dass der BF als "westernized person" gelte. Diese Bedrohung beziehe sich auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistan. Es werde den übergebenen Länderberichten insofern widersprochen, soweit diesen zu entnehmen sei, dass in den großen Städten XXXX relative Sicherheit bestehe. Dass dies insbesondere für Kabul nicht zutreffe, würden die aktuellen Richtlinien des UNHCR zu Afghanistan vom 30.08.2018 bestätigen. Dass es in Afghanistan keinen Ort gebe, an dem der BF seines Lebens sicher wäre, werde durch das wohlbegründete Gutachten von XXXX bestätigt. Der BF lege ergänzend weitere Unterlagen vor:

* Auszüge aus dem Jahresbericht von Amnesty International;

* Bericht von Pro Asyl vom 03.07.2018 mit Verweis auf den Bericht des Auswärtigen Amtes vom Mai 2018;

* Kapitel 14.2.4. und 14.2.6. aus dem Gutachten von XXXX ;

* Arbeitsvorvertrag.

Abschließend verweise der BF auf seine gute Integration in Österreich, sodass auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen vorlägen.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und der Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 24.10.2018, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX , geboren und aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari.

2.1.3. Der BF wuchs gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester auf und besuchte zwei Jahre die Schule. Der BF begann im Alter von elf Jahren als Schafhirte zu arbeiten. Der Vater des BF arbeitete als Verkäufer in seinem eigenen Geschäft.

2.1.4. Die Familie des BF ist Eigentümerin 20 verschiedener landwirtschaftlicher Grundstücke im Ausmaß von je ca. 400m² im Heimatdistrikt des BF. Der BF weiß nicht, ob und - gegebenenfalls - wer diese landwirtschaftlichen Grundstücke derzeit bewirtschaft bzw. besitzt.

2.1.5. Der BF verließ Afghanistan 2012 und verbrachte 2 1/2 Jahre in XXXX , Iran, wo er als Bauarbeiter arbeitete und mit den Tätigkeiten als Maurer und Fliesenleger vertraut wurde. Im Jahr 2015 verließ der BF den Iran und reiste nach Österreich.

2.1.6. Die Mutter des BF ist vor dessen Ausreise aus Afghanistan eines natürlichen Todes verstorben. Der Vater und der ältere Bruder des BF wurden 2012 bzw. 2011 von den Taliban getötet.

2.1.7. Die Schwester und der jüngere Bruder des BF verließen 2012 gemeinsam Afghanistan und reisten in den Iran. Die Schwester des BF lebt mit ihrem Ehegatten in XXXX , Iran. Der BF hielt von Österreich aus Kontakt mit seiner Schwester. Nachdem der jüngere Bruder des BF den Iran verließ, um nach Europa zu reisen und der Kontakt zu diesem abbrach, hatten der BF und seine Schwester eine verbale Auseinandersetzung. Seither stehen sie nicht in regelmäßigem Kontakt mehr miteinander.

2.1.8. Eine Tante mütterlicherseits des BF lebt vermutlich in Afghanistan. Der BF kennt ihren aktuellen Aufenthaltsort nicht und hält keinen Kontakt zu ihr.

2.1.9. Ein Onkel väterlicherseits des BF lebt vermutlich im Iran. Der BF kennt seinen aktuellen Aufenthaltsort nicht und hält keinen Kontakt zu ihm.

2.1.10. Der BF ist BF gesund. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder.

2.1.11. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 25.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte in Österreich von September 2015 bis Mai 2016, vom 07.03.2016 bis 19.04.2016 und vom 30.05.2016 bis 08.07.2016 Deutschkurse auf A1 Niveau.

2.2.2. Der BF besuchte vom 28.11.2016 bis 22.12.2016, vom 09.01.2017 bis 02.02.2017 und vom 30.01.2017 bis 23.02.2017 Deutschkurse auf A2 Niveau.

2.2.3. Der BF bestand am 30.07.2016 die Deutschprüfung auf A1 Niveau. Der BF trat am 18.03.2017 zur Deutschprüfung auf A2 Niveau an, bestand diese jedoch nicht.

2.2.4. Der BF besucht zum aktuellen Zeitpunkt keinen Deutschkurs. Er lernt privat Deutsch mit einem befreundeten Ehepaar, das er seit 2015 kennt und mit dem er seither regelmäßig Zeit verbringt.

2.2.5. Der BF nahm von Mai 2016 bis Jänner 2017 aktiv an Veranstaltungen des " XXXX " teil. Der BF leistete von 07.09.2016 bis 12.9.2016 insgesamt 38 Stunden ehrenamtliches Engagement für " XXXX " im Ausstellungsgelände der XXXX .

2.2.6. Der BF ist seit 30.07.2018 einmal wöchentlich ehrenamtlich im XXXX tätig und unterstützt ältere Menschen bei der täglichen Lebensführung.

2.2.7. Der BF wird von drei Privatpersonen als liebenswert, strebsam, pünktlich und interessiert beschrieben.

2.2.8. Der BF schloss am 02.11.2018 einen "Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung" mit der XXXX . Diesem Arbeitsvertrag zufolge würde der BF ab Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung und Erhalt einer SV-pflichtigen Beschäftigungsbewilligung als Hilfsarbeiter zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von EUR 2.043,21 angestellt werden.

2.2.9. Der BF spielt gerne mit Freunden Fußball. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

2.2.10. Der BF bezieht seit seiner Einreise in Österreich durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung und ist in einer Unterkunft für Asylwerber untergebracht. Er verfügt derzeit nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel.

2.2.11. Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich im Sinne einer familienähnlichen Bindung. Er verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.10. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.12. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der Vater des BF zahlte der im Heimatdorf des BF präsenten Gruppe, die der BF als "Mujaheddin" bezeichnet und die gegen die Taliban kämpfte, regelmäßig Geld. Aus diesem Grund wurden der Bruder des BF im Jahr 2011 und der Vater des BF im Jahr 2012 von den Taliban getötet.

2.3.2. Nach dem Tod seines Bruders und seines Vaters wurde der BF von den "Mujaheddin" augefordert, ihnen Geld zu zahlen oder mit ihnen gegen die Taliban zu kämpfen. Da der BF den "Mujaheddin" weder Geld zahlen, noch mit ihnen kämpfen wollte, reiste der BF 2012 von Afghanistan in den Iran. Der BF wurde von den "Mujaheddin" nie körperlich angegriffen, als er ihrer Aufforderung dreimal widersprach.

2.3.3. Der BF hatte nie persönlich Kontakt mit den Taliban. Er selbst wurde von den Taliban nie bedroht, hat nie mit ihnen gesprochen und sie nie aus der Nähe gesehen.

2.3.4. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban und/oder die "Mujaheddin" ausgesetzt.

2.3.5. Die Familie des BF wurde nie von Kuchis verfolgt oder bedroht. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch Kuchis ausgesetzt.

2.3.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitische Muslim in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

2.3.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine westliche Lebensführung zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität des BF geworden ist. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich 2 1/2 Jahre im Iran sowie 3 1/2 jahre in Europa aufgehalten und hier - unterstelltermaßen - eine "westliche Wertehaltung" angenommen hat, bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus dem Iran oder aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

2.3.8. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund einer "Verwestlichung" ausgesetzt.

2.3.9. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

2.3.10. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.3.11. Dem BF droht im Falle der Rückkehr nach XXXX kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF läuft nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr nach XXXX , grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.11. Der BF ist gesund, volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über zweijährige Schulbildung, acht Jahre Berufserfahrung als Hirte und 2 1/2 jährige Berufserfahrung als Maurer und Fliesenleger. Im Falle der Rückkehr nach XXXX läuft der BF nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.3.13. Der BF kann die Stadt XXXX von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 19.10.2018:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

2.2. Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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