TE Bvwg Beschluss 2018/11/28 W224 2209356-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W224 2209356-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , wiederum vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2018, Zl. 1186195801-180864328, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG iVm. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste am 18.08.2018 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist Sohn der XXXX (W224 2209354-1).

Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung der Mutter des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Hierbei gab sie zu ihrem Fluchtgründen an, sie habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern sie stelle den gegenständlichen Antrag deswegen, weil ihre Tochter in Österreich den Status der Asylberechtigten erlangt habe und sie in Österreich denselben Schutz wie ihre Tochter beantrage. Danach kreuzte die Beschwerdeführerin folgendes Kästchen an:

"? Ich bin mit einer Entscheidung des Bundesamts auf Basis dieser Angaben einverstanden und verzichte auf eine weitere Einvernahme."

2. Am 31.07.2017 wurde die Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Hierbei bestätigte sie die in der Erstbefragung angegebenen Personalien. Folgendes wurde dabei wörtlich erörtert:

"LA: Schildern Sie bitte Ihre Lebensumstände in Syrien:

VP: Wir sind aus Syrien werden dem Krieg weg.

Anm: Dolmetscherin wiederholt die Frage.

VP: Ich lebe in meinem Haus mit meinen Kindern. Mein Mann ist verstorben. Ich bin Hausfrau. Ich hatte vor dem Krieg ein normales Leben.

LA: Haben Sie Syrien aus anderen Gründen verlassen, als aus den von Ihnen in der Erstbefragung oder dem jetzt genannten Grund verlassen?

VP: Es sind dieselben Gründe, die ich schon gesagt habe.

LP: Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

VP: Ich habe Angst um meine Kinder wegen dem Krieg."

Die Einvernahme dauerte von 11:05 Uhr bis 11:30 Uhr.

Auch der mj. Beschwerdeführer wurde einvernommen. Folgendes wurde dabei wörtlich erörtert:

"LA: Haben Sie Syrien aus anderen Gründen als den von Ihnen bzw. Ihrer Mutter in der Erstbefragung genannten verlassen?

VP: Nein, keine neuen Gründe."

3. Mit Bescheid vom 08.10.2018, Zl. 1186195801-180864328, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchteil I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchteil II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil III.).

In der Begründung führte das BFA aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche in Zukunft zu befürchten habe. Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines stattgegebenen Einreiseantrags in Österreich eingereist. Die Ankerperson sei seine minderjährige, verheiratete Schwester. Diese minderjährige, verheiratete Schwester habe in Österreich Asyl im Familienverfahren auf Grund ihres Ehegatten erhalten.

4. Gegen Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Der Beschwerdeführer bzw. seine Mutter habe in der Erstbefragung und in der Einvernahme keine Gründe einer persönlichen Verfolgung genannt, doch dies entbinde das BFA nicht davon, Gründe für die Zuerkennung von Asyl amtswegig aufzugreifen, sofern sich dafür Anhaltspunkte aus der Berichtslage ergeben. Die Befragung des Beschwerdeführers bzw. seiner Mutter sei nur sehr kursorisch gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, 127 und 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 65 und 73 f.).

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Asylwerber auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesem im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (in Folge: GFK) droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkennt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im AsylG 1997, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl I 2003/101, geschaffen wurden, an. Zu diesen Bestimmungen im AsylG 1997 hat der VwGH bereits ausgeführt, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, um einen gleichförmigen Verfahrensausgang sicherzustellen (vgl. dazu VwGH 28. 10. 2009, 2007/01/0532 bis 0535, mwN). Dies trifft auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu. Gemäß der (mit § 10 Abs 5 AsylG 1997 nahezu wortgleiche) Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sind Familienverfahren "unter einem" zu führen. Die Materialien zum AsylG 2005 gehen davon aus, dass es das Ziel der Bestimmungen des § 34 ist, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 - in Fortsetzung der Judikatur zum Asylgesetz 1997 - bereits erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs. 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (VwGH 25.11.2009, 2007/01/1153; vgl. 26.06.2007, 2007/20/0281).

Im gegenständlichen Fall ist der die Mutter des mj. Beschwerdeführers betreffende Bescheid bezüglich Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten mit heutigem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes, W224 2209354-1, aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen worden, da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben ist.

Es war somit im Sinne der Familieneinheit auch das gegenständliche Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an das BFA zur Erlassung eines neuen Bescheides ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) sowie zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 (VwGH 25.11.2009, 2007/01/1153; vgl. 26.06.2007, 2007/20/0281).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W224.2209356.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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