Entscheidungsdatum
28.11.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W204 2150578-1/18E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Vorsitzende und die Richter Dr. Gert WALLISCH und Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom 24.01.2017, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
I.1. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: FMA oder belangte Behörde) führte bei der XXXX (im Folgenden: Depotbank) in deren Funktion als Depotbank vom 18.03.2015 bis zum 19.03.2015 eine Vor-Ort-Prüfung gemäß § 147 Abs. 1 und 2 InvFG durch. Im Prüfbericht wurde neben sechs sonstigen aufsichtsrelevanten Feststellungen ein Verdacht auf Normverletzung festgehalten. Danach belaste die Depotbank die einzelnen Fonds automatisch mit Depotgebühren, ohne einen Zahlungsauftrag von der Verwaltungsgesellschaft erhalten zu haben.
Mit Schreiben vom 13.10.2016 forderte die FMA die nach außen zur Vertretung Berufenen XXXX (im Folgenden: BF) und XXXX (im Folgenden: BF zu W204-2150739-1) zur Rechtfertigung hinsichtlich des vorgeworfenen Verhaltens auf, wobei als Tatzeitraum der 01.05.2012 bis 30.06.2015 angeführt wurde.
I.2. Mit Schreiben vom 16.11.2016 rechtfertigte sich der BF im Wesentlichen dahingehend, dass aus seiner Sicht stets ein Auftrag existiert habe. Es sei jedoch mittlerweile die Empfehlung der FMA umgesetzt worden. Er beantrage daher, das Verfahren einzustellen.
I.3. Das Straferkenntnis vom 24.01.2017, dem BF am 26.01.2017 zugestellt, richtet sich gegen den BF als Beschuldigten und enthält folgenden Spruch:
"Sehr geehrter Herr XXXX !
I. Sie sind seit 01.03.2011 Vorstand der XXXX (in der Folge XXXX ), ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Sitz in XXXX .
Sie haben in dieser Funktion gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl 52/1991 idF BGBl I 3/2008, als nach außen vertretungsbefugtes Organ zu verantworten, dass die XXXX im Zeitraum von 01.05.2012 bis 30.06.2016 [richtig: 2015] den Investmentfonds XXXX (ISIN XXXX ) der XXXX (in der Folge VWG) mit der Depotgebühr als Vergütung für die Verwahrung der Wertpapiere dieses Investmentfonds automatisch und ohne separaten Auftrag der VWG belastet hat.
Es gab auch keinen Dauerauftrag, in dem ziffernmäßig im Vorhinein die konkrete Höhe der Depotgebühr festgelegt war, sondern bloß eine Ermächtigung zu deren Einzug.
II. Die XXXX haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§§ 45 InvFG 2011, BGBl I 77/2011 iVm 190 Abs 5 Z 1 InvFG 2011, BGBl 77/2011 idF BGBl 184/2013"
Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung wurde gegen den BF eine Geldstrafe in Höhe von EUR 5.000,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 22 Stunden, verhängt. Gemäß § 64 VStG seien als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens EUR 500,-- zu zahlen. Daraus ergebe sich ein zu zahlender Gesamtbetrag in Höhe von EUR 5.500,--.
I.4. Mit Schreiben vom 22.02.2017, per Fax am selben Tag und per Post am 23.02.2017 eingelangt, erhob der BF vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid.
I.5. Am 20.03.2017 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
I.6. Am 21.02.2018 wurde vor dem BVwG unter Verbindung der Verfahren W204 2150578-1 und W204 2150739-1 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten. Die FMA führte insbesondere aus, dass das Ende des Tatzeitraums aufgrund eines Tippfehlers im Spruch des Straferkenntnisses fälschlicherweise mit 2016 vermerkt worden sei. Der Tatzeitraum ende jedoch am 30.06.2015.
I.7. Mit Erkenntnis vom 26.04.2018, das den Parteien am selben Tag zugestellt wurde, wurde der Beschwerde stattgegeben.
I.10. Gegen dieses Erkenntnis erhob die FMA Amtsrevision, die am 30.05.2018 zur Post gegeben wurde und am 01.06.2018 beim BVwG einlangte. Nach Aufforderung an den BF zur Revisionsbeantwortung langte diese am 02.07.2018 beim BVwG ein. Die Akten wurden dem Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 09.07.2018 vorgelegt und langten am 10.07.2018 bei diesem ein.
I.11. Mit Erkenntnis vom 21.09.2018 zu Ro 2018/02/0013-4, am 05.10.2018 beim BVwG eingelangt, behob der VwGH das Erkenntnis des BVwG vom 26.04.2018 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Ausgehend vom konkreten Sachverhalt habe die VWG die quartalsweise Abrechnung der Depotgebühr durch die Depotbank - ausdrücklich oder zumindest konkludent - genehmigt. Zur "Anlastung" der Depotgebühren, also zur Abbuchung vom Verrechnungskonto, sei die Depotbank auf Grund des Depotvertrages ermächtigt gewesen. Beim "Auftrag" im Sinne des § 45 InvFG handle es sich jedoch nicht um einen zivilrechtlichen Vertrag, sondern um eine im öffentlichen Recht begründete unabdingbare Verpflichtung der Depotbank, erst nach erfolgtem "Auftrag" durch die VWG die Depotgebühr vom Fondskonto abzubuchen. Der Auftrag im Sinne von § 45 InvFG sei demnach als eine von der Depotbank einzuholende ausdrückliche und unmissverständliche Zustimmungserklärung der VWG zu verstehen, dass eine von der Depotbank übermittelte Abrechnung nun dem Fonds angelastet werden dürfe. Dieser Vorgang sei vor jeder einzelnen Anlastung einzuhalten und unabhängig von allfälligen Schriftlichkeitsgeboten in AGBs - und damit entgegen der Ansicht der belangten Behörde - zu dokumentieren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.2. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet gemäß § 22 Abs. 2a FMABG das BVwG durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden, mit denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Es liegt daher gegenständlich Senatszuständigkeit vor.
Die Verhandlung vor dem BVwG am 21.02.2018 fand in der Zusammensetzung Dr. Esther Schneider als vorsitzende Richterin und Dr. Stefan Keznickl und Mag. Philipp Cede, LL.M., als beisitzende Richter statt. Aufgrund der nunmehrigen Verhinderung des beisitzenden Richters Dr. Stefan Keznickl gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GV 2018 treten gemäß § 11 Abs 1 GV 2018 die in der ANLAGE 3 für den betreffenden Senat in der Spalte "Senate" jeweils vorgesehenen Richterinnen und Richter in der erforderlichen Zahl an Beisitzern/Beisitzerinnen in der dort festgelegten Reihenfolge nacheinander als Ersatzbeisitzer/-innen ein. Nach der Anlage 3 tritt daher Dr. Gert Wallisch als Ersatzrichter für den verhinderten Dr. Stefan Keznickl ein.
II.3.2. Zum Spruchpunkt A):
§ 45 Abs 1 Z 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, regelt:
"(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
[...]
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;"
§ 31 Abs 2 Z 4 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
"Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet: [...]
4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung mit Ablauf von drei Jahren ab jenem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Sollte diese Frist erst im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren ablaufen, so hat das Gericht dies gemäß § 38 VwGVG iVm § 31 Abs. 2 VStG von Amts wegen wahrzunehmen und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2008/10/0010; Weilguni in:
Lewisch/Fister/Weilguni, Verwaltungsstrafgesetz, § 31 Rz 13). Den Materialien zu § 31 Abs. 2 VStG idF BGBl. I 33/2013 ist zu entnehmen, dass die Strafbarkeitsverjährung in ihrer Dauer nicht geändert wurde, jedoch nunmehr in Abs. 2 und nicht mehr wie in der Fassung vor BGBl. I 33/2013 in Abs. 3 geregelt wird (vgl. dazu auch Weilguni, § 31 Rz. 2 und 12).
Hinsichtlich des Beginns und des Endes der Fristenhemmung nach § 31 Abs 2 Z 4 VStG sind einerseits der Zeitpunkt des Einlangens der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und andererseits der Zeitpunkt der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an die belangte Behörde maßgebend (VwGH 09.10.2017, Ra 2017/02/0115; 25.11.2015, Ra 2015/09/0050; 29.07.2014, Ro 2014/02/0074; 05.11.1987, 86/02/0171 [verstärkter Senat]).
Ausgehend vom Ende des Tatzeitraums am 30.06.2015 endete die dreijährige Frist des § 31 Abs 2 VStG am 30.06.2018. Die Revision langte am 10.07.2018 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Daraus ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt die Strafbarkeit der dem BF angelasteten Übertretungen bereits verjährt war. Der Beschwerde war daher Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen (§ 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 2 VStG).
Diese Entscheidung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in geänderter Senatszusammensetzung getroffen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG waren keine Kosten aufzuerlegen, weil der Beschwerde Folge gegeben worden ist.
II.3.3 Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Amtsrevision, Behebung der Entscheidung, Einstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W204.2150578.1.01Zuletzt aktualisiert am
29.01.2019