TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/22 97/12/0331

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Veröffentlicht am 22.07.1999
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Index

L10103 Stadtrecht Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art118 Abs3 Z2;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §15a;
DVG 1984 §2 Abs1;
Statut Krems/Donau 1977 §37;
Statut Krems/Donau 1977 §38 Abs3 Z7;
Statut Krems/Donau 1977 §43;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Dr. E in K, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Krems an der Donau vom 2. September 1997, Zl. MD-D-6/97/Gfö, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach § 15a DVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Primarius am A.ö. Krankenhaus Krems an der Donau in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Krems. Seit 17. Februar 1992 ist der Beschwerdeführer mit der ärztlichen Leitung der genannten Krankenanstalt betraut.

Mit Schreiben vom 27. Juli 1995 ersuchte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Krems um Anweisung der ihm aufgrund des § 46 Abs. 7 NÖ GBDO zustehenden Leiterzulage für die Ausübung der Funktion als ärztlicher Leiter; für den Fall der Ablehnung erbat der Beschwerdeführer bescheidmäßige Ausfertigung.

Mangels Erledigung dieses Antrages begehrte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Jänner 1996 den Übergang der Entscheidungspflicht an den Stadtsenat.

Mit Bescheid dieser Behörde vom 23. September 1996 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, mit dem eine (weitere) Personalzulage für seine Funktion als ärztlicher Leiter begehrt wurde, auf Grundlage der §§ 73 AVG und 46 Abs. 7 NÖ GBDO nicht stattgegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die unter Zl. 96/12/0321 protokollierte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (vgl. das am heutigen Tag unter dieser Zahl beschlossene Erkenntnis).

Mit gleichem Datum wie diese Beschwerde brachte der Beschwerdeführer einen (neuerlichen) Antrag auf Leiterzulage beim Magistrat Krems ein.

Dieser Antrag wurde von der Behörde erster Instanz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 12. Februar 1997 zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Datum 27. Februar 1997 Berufung an den Stadtsenat.

Dieses Berufungsverfahren wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Krems vom 3. September 1997 ausgesetzt.

Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes und inhaltlichen Ausführungen zum vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Doppelanspruch" auf Personalzulage im Wesentlichen weiter ausgeführt, da mit "Schreiben" des Beschwerdeführers vom 24. Oktober 1996 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei, mache die belangte Behörde mit einer Verfügung gemäß § 43 des Kremser Stadtrechtes als oberste Dienstbehörde von der im § 15a DVG normierten Ermessensregelung Gebrauch. Dies sei durch die Berufung vom 27. Februar 1997 und die in derselben Rechtsfrage anhängige Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, mit der die Rechtswidrigkeit des Bescheides der obersten Dienstbehörde vom 23. September 1996 behauptet werde, begründet; es sei nicht ersichtlich, dass überwiegende Interessen des Beschwerdeführers dieser Aussetzungsmaßnahme entgegenstünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde weist in ihrem im Vorverfahren erstatteten Schreiben vom 22. Oktober 1997 darauf hin, dass sämtliche Akten bereits zu Zl. 96/12/0321 vorgelegt wurden. In der Sache selbst meint die belangte Behörde, dass die Angelegenheit beim Stadtsenat anhängig gewesen sei und die belangte Behörde - kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist - von der Verfügung in dringenden Angelegenheiten gemäß § 43 des Kremser Stadtrechtes Gebrauch gemacht und das Berufungsverfahren ausgesetzt habe, weil ein diesbezüglicher Beschluss des Stadtsenates nicht mehr habe abgewartet werden können. Die belangte Behörde habe daher als zuständiges Organ gemäß § 43 des Kremser Stadtrechtes den angefochtenen Bescheid erlassen und vor Ablauf der Entscheidungsfrist das Berufungsverfahren ausgesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz mit bestimmten Abweichungen anzuwenden.

Ist bei der obersten Dienstbehörde eine Berufung anhängig, so kann diese gemäß § 15a Abs. 1 DVG idF BGBl. Nr. 16/1994, das Berufungsverfahren aussetzen, wenn

1. wegen derselben Rechtsfrage eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes eines Berufungsbescheides der obersten Dienstbehörde behauptet wird, und

2. überwiegende Interessen des Berufungswerbers nicht entgegenstehen.

Der Lauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG wird für die Dauer der Aussetzung des Berufungsverfahrens gehemmt.

§ 43 des Kremser Stadtrechtes 1977, LGBl. 1010 (Stammfassung), sieht folgende Verfügungsmöglichkeit in dringenden Angelegenheiten vor:

"Kann bei Gefahr im Verzuge in einer Angelegenheit der Beschluss des zuständigen Kollegialorganes nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Stadt abgewartet werden, kann der Bürgermeister unter eigener Verantwortung die notwendigen Verfügungen treffen und die hiefür allenfalls erforderlichen Ausgaben veranlassen. Der Bürgermeister hat hierüber dem zuständigen Kollegialorgan in der nächsten Sitzung zu berichten."

Zunächst ist im Beschwerdefall die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde (Bürgermeister) zu prüfen. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die belangte Behörde einen Verfahrensbescheid im Berufungsverfahren erlassen hat und gegen einen solchen Bescheid kein Rechtszug (§ 43 des Kremser Stadtrechtes normiert nur eine Berichtspflicht an das zuständige Kollegialorgan) vorgesehen ist. Der Stadtsenat ist in diesem Sinne nur zu Entscheidungen über Berufungen gegen Bescheide des Magistrates im eigenen Wirkungsbereich berufen; dem Gemeinderat kommt nach § 37 des Kremser Stadtrechtes überhaupt kein Recht zur Entscheidung über eine allfällige Berufung gegen einen solchen Bescheid der belangten Behörde zu. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, nämlich, dass kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, ist daher zutreffend und die Beschwerde zulässig.

Der Beschwerdeführer bringt vor, nach § 38 Abs. 3 Z. 7 des Kremser Stadtrechtes sei der Stadtsenat in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, zu denen auch das Dienst- und Besoldungsrecht der Beamten der Stadt gehöre, Berufungsbehörde. Tatsächlich habe aber der Bürgermeister mit dem angefochtenen Bescheid die Aussetzung des anhängigen Berufungsverfahrens verfügt, wozu er nicht zuständig sei.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

§ 15a DVG, der durch Art. XII Z. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 16/1994 mit Wirkung vom 1. Jänner 1994 in Kraft getreten ist, enthält keine Anordnung, dass er für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu Gemeinden, die u.a. nach § 1 Abs. 1 leg. cit. unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, nicht gelten soll. Seine Anwendbarkeit ist daher auch für diese öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse in Betracht zu ziehen, sofern die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen zutreffen.

Aus der Sicht des Beschwerdefalles ist nicht abschließend zu klären, was unter den Begriff der "obersten Dienstbehörde" fällt. Da die Aussetzungsmöglichkeit gemäß § 15a DVG nach den EB zur RV, 1358 Blg. Sten. Prot. 18. GP, Seite 29, rechte Spalte, "aus Gründen der Verwaltungsökonomie und Kostenersparnis" eingeführt wurde, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass darunter (jedenfalls) Dienstbehörden fallen, die als Behörde letzter Instanz zu entscheiden haben.

Wer oberste Dienstbehörde ist, bestimmt das DVG nur subsidiär; vorrangig ist dies an Hand der einschlägigen Gesetze und Verordnungen (§ 2 Abs. 1 DVG) zu klären. Im Beschwerdefall ist hiefür das Kremser Stadtrecht maßgebend.

Nach § 38 Abs. 3 Z. 7 des Kremser Stadtrechtes ist der Stadtsenat zur Berufung gegen Bescheide des Magistrates im eigenen Wirkungsbereich - dazu zählen auch die dienstrechtlichen Angelegenheiten (vgl. dazu Art. 118 Abs. 3 Z. 2 B-VG und die dementsprechend vorgenommene Zuweisung zum eigenen Wirkungsbereich in der NÖ GBDO) sowie die damit im Zusammenhang stehenden verfahrensrechtlichen Bescheide - berufen. Der Umstand, dass es über dem zur Berufungsentscheidung in letzter Instanz auch in Dienstrechtsangelegenheiten (soweit keine besondere Regelung besteht, was im Beschwerdefall nicht zutrifft) zuständigen Stadtsenat den Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG gibt, berührt die Stellung des Stadtsenates als "oberste Dienstbehörde" im Sinne des § 15a DVG nicht.

Zu berücksichtigen ist aber auch die Regelung des § 43 des Kremser Stadtrechtes: die unter bestimmten Voraussetzungen dem Bürgermeister eingeräumte "Notstandskompetenz", u.a. die notwendigen "Verfügungen" zu treffen, erfasst nämlich lege non distinguente jedenfalls auch die Erlassung von Bescheiden. Handelt der Bürgermeister - wie im Beschwerdefall - unter Berufung auf diese Notstandskompetenz nach § 43 leg. cit., dann tritt er an die Stelle des an sich zuständigen Kollegialorganes (hier: des Stadtsenates) und nimmt dessen Zuständigkeiten wahr; funktionell betrachtet kommt ihm nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Fall die Stellung des Organes zu, an dessen Stelle er handelt. Daran ändert auch nichts die Anordnung in § 43 des Kremser Stadtrechtes, dass der Bürgermeister in diesem Fall "unter eigener Verantwortung" handelt.

Dies bedeutet im Beschwerdefall, dass dem Bürgermeister bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Stellung des Stadtsenates und damit die Funktion als "oberste Dienstbehörde" im Sinne des § 15a DVG zugekommen ist. Er war daher (an sich) zuständige Behörde; die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers trifft daher nicht zu.

Eine andere - die Zuständigkeit allerdings nicht betreffende - Frage ist es, ob die Anwendungsvoraussetzungen des § 15a DVG bzw. des § 43 des Kremser Stadtrechtes gegeben waren. Trifft dies nicht zu, dann liegt inhaltliche Rechtswidrigkeit oder - wenn das Vorliegen der Voraussetzungen nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren geprüft wurde - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beschwerde schon deshalb berechtigt, weil kein Anwendungsfall des § 15a DVG vorliegt. Der Magistrat als Dienstbehörde 1. Instanz hatte nämlich in seinem mit Berufung des Beschwerdeführers bekämpften Bescheid vom 12. Februar 1997 den (neuerlichen) Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Personalzulage wegen res iudicata zurückgewiesen. Verfahrensgegenstand vor der Berufungsbehörde (Stadtsenat) konnte daher nur die Frage sein, ob die Dienstbehörde 1. Instanz diesen Antrag zutreffend zurückgewiesen hat oder nicht, d.h. ob eine inhaltliche Identität des Zweitantrages mit dem rechtskräftig mit Bescheid des Stadtsenates vom 23. September 1996 erledigten Erstantrag des Beschwerdeführers vom 27. Juli 1995 besteht oder nicht. Die Lösung dieser durch den Verfahrensgegenstand für das anhängige Berufungsverfahren vorgegebenen Rechtsfrage ist aber nicht "dieselbe Rechtsfrage" im Sinne des § 15a DVG, die in der zu Zl. 96/12/0321 zu diesem Zeitpunkt gegen den obzitierten Bescheid des Stadtsenates vom 23. September 1996 anhängigen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde releviert wurde, ging es doch in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (das mit Erkenntnis vom heutigen Tag abgeschlossen wurde) ausschließlich um die materiell-rechtliche Frage der Gebührlichkeit der vom Beschwerdeführer für seine Funktion als Leiter der Krankenanstalt geltend gemachten Personalzulage und ihrem Verhältnis zu der ihm als Leiter einer Abteilung dieses Krankenhauses gewährten Personalzulage. Das ist aber eine andere Rechtsfrage als die Beurteilung der Identität des Erst- und Zweitantrages in Bezug auf die geltend gemachte Personalzulage.

Da die belangte Behörde verkannt hat, dass die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Z. 1 DVG nicht gegeben sind, sie dessen ungeachtet aber den angefochtenen Aussetzungsbescheid erlassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997120331.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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