TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 I406 1401783-3

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AVG §68 Abs1
AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art.133 Abs4
StGB §15
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 1401783-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.03.2013, Zl. 13 02.248-EAST Ost, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 30. Mai 2008 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Als fluchtkausalen Sachverhalt brachte er auf das Wesentlichste zusammengefasst vor, dass seine damalige Freundin und deren Schwester bei einem Autounfall ums Leben gekommen seien, wobei der Beschwerdeführer selbst das Fahrzeug gelenkt habe. Nun wollten die Angehörigen der Verstorbenen ihn töten, weil sie nicht verstünden, dass er noch lebe. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.09.2008, Zl. 08 04 742 BAW, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.07.2010, Zl. A9 401.783-1/2008/13E als unbegründet abgewiesen.

4. Mit strafgerichtlichen Urteilen vom XXXX, vom XXXX, vom XXXX und vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 SMG und 15 StGB zu Freiheitsstrafen in der Dauer von fünf, sieben, zehn sowie 20 Monaten verurteilt.

5. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12.11.2008 wurde über den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot verhängt.

6. Am 21.02.2013 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft einen weiteren - hier maßgeblichen - Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete seinen Folgeantrag zusammengefasst damit, dass er mit seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten serbischen Freundin seit einem Jahr ein Kind habe, welches am XXXX geboren sei. Die Fluchtgründe aus seinem ersten Verfahren würden noch bestehen, er habe aber auch neue Gründe. Im Jahr 2010 habe er seine Mutter telefonisch erreichen wollen. Da ihm dies nicht gelungen sei, habe er im November 2010 seinen Onkel angerufen, welcher dem Beschwerdeführer erzählt habe, dass das Elternhaus des Beschwerdeführers vom Geheimbund "AYE" der diesen wegen des Autounfalls gesucht habe, niedergebrannt worden sei. Dabei sei der Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX ums Leben gekommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.03.2013, Zl. 13 02.248-EAST Ost, wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt II.). In diesem Bescheid ging das Bundesasylamt davon aus, dass der Beschwerdeführer im zweiten Verfahren keinen neu entstandenen asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe.

7. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.09.2013, Zl. A10 401.783-2/2013/3E hinsichtlich der Zurückweisung wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.1). Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung wurde der Beschwerde stattgegeben und dieser Spruchpunkt behoben (Spruchpunkt I.2). Der Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters wurde gemäß § 66 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Dies wurde vom Asylgerichtshof damit begründet, dass nicht ersichtlich sei, worin nach erfolgter Beschwerdeerhebung und bei Entscheidungsreife der Sache eine Rechtsberatung bestehen sollten.

8. Gegen die Spruchpunkte I.1 und II. dieser Entscheidung wurde Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG iVm § 7 VwGbk-ÜG erhoben, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, gemäß Art. 3 und 8 EMRK und gemäß Art. 47 GRC geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in den Spruchpunkten I.1. und II. beantragt wurde.

9. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 05.06.2014, Zl. U 2542/2013-15 wurde das Erkenntnis des Asylgerichtshofes hinsichtlich der Spruchpunkte I.1 und II. behoben und dazu ausgeführt:

"II.2. Betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Beigabe eines Rechtsberaters entspricht die vorliegende Beschwerde sowohl im entscheidungswesentlichen Sachverhalt als auch in der maßgeblichen Rechtsfrage der zu U 3078, 3079/09 protokollierten Beschwerde, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seitens in dieser Beschwerdesache ergangenen Erkenntnisses hinzuweisen (vgl. VfSlg. 19.188/2010).

Da die Behörde von vornherein eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hat, ist es unerheblich, ob der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Asylgerichtshof rechtsfreundlich vertreten war.

III.1 Der Beschwerdeführer ist somit durch die Spruchpunkte I.1 und II. der angefochtenen Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung war daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere (diese Spruchpunkte betreffende) Beschwerdevorbringen einzugehen war."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.05.2008 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom vom 10.09.2008, Zl. 08 04 742 BAW, abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.07.2010, Zl. A9 401.783-1/2008/13E als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Mit angefochtenem Bescheid vom 02.03.2013, Zl. 13 02.248-EAST Ost wies das Bundesasylamt den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.02.2013 wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück und wies den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet aus.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.09.2013, Zl. A10 401.783-2/2013/3E hinsichtlich der Zurückweisung wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.1). Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung wurde der Beschwerde stattgegeben und dieser Spruchpunkt behoben (Spruchpunkt I.2). Der Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters wurde gemäß § 66 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.)

Gegen die Spruchpunkte I.1 und II. dieser Entscheidung wurde Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG iVm § 7 VwGbk-ÜG erhoben, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, gemäß Art. 3 und 8 EMRK und gemäß Art. 47 GRC geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in den Spruchpunkten I.1. und II. beantragt wurde.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 05.06.2014, Zl. U 2542/2013-15 wurde das Erkenntnis des Asylgerichtshofes hinsichtlich der Spruchpunkte I.1 und II. behoben und dazu ausgeführt:

"(...) II.2. Betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Beigabe eines Rechtsberaters entspricht die vorliegende Beschwerde sowohl im entscheidungswesentlichen Sachverhalt als auch in der maßgeblichen Rechtsfrage der zu U 3078, 3079/09 protokollierten Beschwerde, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seitens in dieser Beschwerdesache ergangenen Erkenntnisses hinzuweisen (vgl. VfSlg. 19.188/2010).

Da die Behörde von vornherein eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hat, ist es unerheblich, ob der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Asylgerichtshof rechtsfreundlich vertreten war.

III.1 Der Beschwerdeführer ist somit durch die Spruchpunkte I.1 und II. der angefochtenen Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung war daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere (diese Spruchpunkte betreffende) Beschwerdevorbringen einzugehen war. (...)"

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der vorliegenden Gerichtsakten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Verfahrensbestimmungen

3.1.1 Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2 Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. § 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

3.1.3 Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1.4 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen.

Zu A)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der entschiedenen Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der entschiedenen Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321). Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder - im Falle des Vorliegens entschiedener Sache - das Rechtsmittel abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, so hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, da diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11.; K17.).

Zum vorliegenden Beschwerdefall hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.06.2014, Zl. U 2542/2013-15, ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert und dieser dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.

Somit ist der angefochtene Bescheid zu beheben.

Das Verfahren ist somit gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG vor der Behörde zugelassen, welche nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens inhaltlich über den Folgeantrag des Beschwerdeführers abzusprechen hat.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache,
gesetzlicher Richter, Kassation, Prüfungsumfang, res iudicata,
Rückkehrverbot, strafrechtliche Verurteilung, Suchtmitteldelikt,
wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I406.1401783.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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