TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/29 W182 2210272-1

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Entscheidungsdatum

29.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W182 2210272-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2018, Zl. 647566302/181024522, nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an und wurde am 27.10.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet betreten, festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 28.10.2018 zum Gegenstand "Aufenthaltsgrundlage, Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot, Verhängung der Schubhaft, Abschiebung" brachte der BF u.a. vor, dass er im Sommer 2013 in den EU-Raum eingereist sei. Er sei nach Österreich eingereist, um seinen Onkel zu besuchen. Ausdrücklich dazu befragt, ob er in China in irgendeiner Weise verfolgt werde, gab der BF an: "Nein keine Probleme. Ich wurde auch nicht verfolgt." In weiterer Folge stellte der BF in der Einvernahme einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass er in China Schulden habe. Der BF konnte kein Personaldokument vorlegen. Dazu gab er an, dass er seinen Reisepass 2016 in Ungarn verloren hätte. In China würden noch seine Mutter, sein volljähriger Sohn, seine Tochter, seine ältere Schwester und sein jüngerer Bruder leben. Er habe auch einen Bruder in Spanien.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.10.2018 brachte der BF auf die Frage, warum er das Herkunftsland verlassen habe, vor: "Ich habe einen Wucherkredit von 2 Millionen Yuan. Der Kreditgeber hat mich angeklagt, daher wurde ich von der chinesischen Justiz verfolgt und die schwarze Gesellschaft verfolgt mich auch, da ich diesen Kredit nicht zurückzahlen kann. Alle meine Familienmitglieder möchten keinen Kontakt mehr mit mir, bzw. sie erkennen mich nicht mehr an. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazu gehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung." Bei einer Rückkehr bestehe für den BF Lebensgefahr. Der BF habe ein ungarisches Arbeitsvisum, das vom 20.9.2013 bis 20.9.2014 gültig gewesen sei, besessen. In China würden sich seine Mutter, eine Schwester, ein volljähriger Sohn und eine Tochter aufhalten. In Spanien würde sich ein Bruder aufhalten.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 12.11.2018 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er in China einen Wucherkredit aufgenommen habe und diesen den Gläubigern nicht zurückzahlen könne, weshalb er das Herkunftsland verlassen habe. Der BF habe etwa im September 2013 China mit einem ungarischen Arbeitsvisum verlassen. Auf kontinuierliches Nachfragen gab der BF an, dass er in China im März 2010 bei der Mafia einen Kredit von 2 Millionen Yuan für ein Handelsgeschäft aufgenommen habe. Er habe den Kredit formlos ohne schriftlichen Vertrag bekommen. Zu den Rückzahlungsvereinbarungen befragt, gab der BF an, dass er monatlich 100.000 Yuan zurückzahlen hätte sollen. Er habe jedoch sein Geschäft im Juni 2011 wegen der großen Konkurrenz zusperren müssen und habe nicht mehr zahlen können. Dazu befragt, was der konkrete Ausreisegrund gewesen sei, gab der BF an: "Wie gesagt, ich habe den Wucherkredit aufgenommen und kann nicht mehr bezahlen. Die Mafia hat mich deswegen bedroht, sie sagten, dass Sie meine Hände und Füße abschneiden." Dazu befragt, wie er bedroht worden sei, brachte der BF vor: "Sie sind wöchentlich, immer am Freitag um 9:00 Uhr zu mir nach Hause gekommen und haben Geld verlangt. Ich hatte kein Geld und wurde bedroht." Auf Nachfragen, in welchen Zeitraum der BF bedroht worden sei, gab dieser an, im Jahr 2011. Der BF sei auch bei der Polizei gewesen und habe eine Anzeige erstattet. Die Polizei habe ihn zwei Tage beschützt, dann sei er wieder in Gefahr gewesen. Auf die Frage, was von 2012 bis zu seiner Ausreise passiert sei, gab der BF an: "Ich war nur zu Hause. Ich konnte keine Arbeit finden." Auf die Frage, warum er nicht früher ausgereist sei, gab der BF an: "Ich habe gedacht, dass ich etwas warte, um das Geschäft wiedergutzumachen bzw. es noch einmal zu probieren." Der BF sei etwa drei Monate, von September 2013 bis Jänner 2014, in Ungarn gewesen und sei dann nach Österreich weitergereist, wo er dann illegal geblieben sei. Wenn er nach China zurückkehre, bestehe Lebensgefahr.

Aufgefordert, diese Lebensgefahr zu konkretisieren, gab der BF an:

"Wie gesagt, sie haben mich schon früher bedroht. Wenn ich nicht pünktlich und regelmäßig zurückzahle. Jetzt hat sich der Wucherzins sicher hoch angehäuft. Wenn ich jetzt zurückfahre, bin ich in Lebensgefahr." Auf die Frage, warum er in Österreich nicht früher einen Asylantrag gestellt habe, gab der BF an, dass er früher Asyl nicht gekannt habe. In Österreich lebe der BF seit einigen Monaten mit einer Freundin mit chinesischen Namen zusammen. Der BF wisse nicht, welchen Aufenthaltstitel seine Freundin habe. Der BF habe keinen Deutschkurs besucht und spreche auch nicht Deutsch. Seinen Unterhalt in Österreich finanziere er dadurch, dass er für Landsleute Lebensmittel gekauft und dafür Trinkgeld bekommen habe. Der BF sei bis auf Bluthochdruck gesund. In China würden sich die Mutter, eine Schwester, ein volljähriger Sohn und eine Tochter des BF aufhalten. Ein Bruder des BF lebe in Spanien. Der BF habe in China fünf Jahre die Grundschule und drei Jahre die Hauptschule besucht. Er habe eine Kochausbildung gemacht und in Ungarn als Koch gearbeitet. In China sei er Geschäftsmann gewesen und habe Kinderspielzeug vertrieben. Auf Nachfragen verneinte der BF ausdrücklich, im Herkunftsland jemals persönlich Probleme/Schwierigkeiten mit den Behörden, der Polizei und/oder den Gerichten gehabt zu haben.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Dazu wurde u.a. festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger der VR China sei und der Volksgruppe Han angehöre. Seine Identität stehe nicht fest. Er sei arbeitsfähig, unbescholten und leide weder an schweren psychischen Störungen noch an schweren Krankheiten. Nicht feststellbar sei, dass der BF im Herkunftsland einer asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder im Fall einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wäre. Eine konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen oder private Dritte habe er nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft machen können. Er verfüge im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte. Die elementare Grundversorgung sei im Herkunftsland gewährleistet. Seine gesamte Familie lebe im Herkunftsland. Der BF habe kein hinreichendes Familienleben in Österreich dartun können. In Österreich habe er laut eigenen Angaben nur Kontakt mit Landsleuten gehabt. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe. Weiters wurden aktuelle Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsland getroffen.

Beweiswürdigend wurde u.a. ausgeführt, dass die Identität des BF mangels vorgelegter Personaldokumente nicht festgestellt werden habe können. Sein Vorbringen, wonach er in China von der Mafia wegen eines Wucherkredites bedroht worden sei, sei unglaubwürdig. So habe der BF sich im September 2013 entschlossen, das Herkunftsland zu verlassen und habe ein Schengenvisum beantragt. Er sei in weiterer Folge mit einem Arbeitsvisum von einem Jahr für Ungarn im September 2013 nach Ungarn gereist und befinde sich seit Jänner 2014 in Österreich. Hätte er tatsächlich wegen Verfolgung sein Herkunftsland verlassen, dann hätte er wohl nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt und wäre nicht vier Jahre in die Anonymität abgetaucht. Sein Vorbringen, wonach er einen Wucherkredit aufgenommen hätte und diesen nicht zurückzahlen könne, sei auch insofern nicht glaubhaft, als sein Vorbringen auch mit dem Zeitpunkt der Ausreise nicht im Zusammenhang stehe. So hätte er im März 2010 den Kredit aufgenommen und wäre 2011 bedroht worden, hätte aber laut eigenen Angaben erst im Jahr 2013 das Herkunftsland verlassen und habe sohin nach dem Vorfall einen längeren Zeitraum unbehelligten im Heimatland leben können. Auch der Umstand, dass er im Jahr 2013 ein Arbeitsvisum für Ungarn beantragt habe, schließe darauf, dass er aus wirtschaftlichen Gründen das Herkunftsland verlassen habe. Es sei nichts ersichtlich, wonach der BF im Falle seiner Rückkehr einer existenzgefährdenden Notsituation ausgesetzt sein könne; auch aus der allgemeinen Situation in China lasse sich eine solche Situation nicht ableiten. Er sei gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt bei seiner Rückkehr neuerlich durch Erwerbstätigkeit bestreiten. Zudem halte sich die Familie des BF in China auf. Auch aus den Länderberichten seien keine Anhaltspunkte für eine künftige Verfolgungsgefahr des BF oder eine allgemeine Gefahr ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor. In einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK kam das Bundesamt zum Ergebnis, dass den privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich kein ausreichendes Gewicht zukomme.

Mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.3. Gegen die Spruchpunkte I. - III. des im Spruch genannten Bescheides wurde seitens der Vertretung des BF binnen offener Frist Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigeres Ergebnis erzielt worden wäre, angefochten. Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF wiederholt, wonach er wegen eines Wucherkredits, den er nicht zurückzahlen habe können von der "schwarzen Gesellschaft" verfolgt werden würde, wobei ihm die Polizei im Herkunftsland keinen ausreichenden Schutz bieten könne. Dazu wurde - ohne dies näher zu begründen - ausgeführt, dass die Behörde jedenfalls weitere Ermittlungen zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes anstellen und fallbezogen Feststellungen treffen hätte müssen, um die Plausibilität und die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des BF bzw. dessen Asylrelevanz beurteilen zu können. Weiters wurde ausgeführt, dass die im Bescheid getroffenen Feststellungen unvollständig seien, da die Behörde es unterlassen habe, sich genauer mit der Situation von Personen, die sich gegen Korruption und Kriminelle in der VR China zu Wehr setzen, auseinandergesetzt habe. Aufgrund der weitreichenden Korruption in China sowie der nicht unabhängigen Polizei und Justiz sei es dem BF nicht möglich, sich wiederholt an die Behörden zu wenden, um Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen. Dazu wurde auf die getroffenen Länderfeststellungen verwiesen und ausgeführt, dass im Falle des BF aufgrund der einschlägigen Länderberichte von einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der GFK auszugehen sei. Weiters wurde pauschal ausgeführt, dass die Feststellungen der Behörde, dass das Vorbringen des BF unglaubwürdig sei, auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basiere, ohne dies mit individuellen Argumenten zu begründen. Weiters wurde ausgeführt, dass der BF über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfüge, da er aufgrund der weitverbreiteten Korruption und der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz schnell und überall im Land aufgespürt werden könnte. Mangels Kontakt habe er auch keine familiären Anknüpfungspunkte in China. Ohne nähere Begründung wurde weiters behauptet, dass die Behörde eine mangelhafte Interessensabwägung vorgenommen habe und daher zu Unrecht zum Schluss gelangt sei, dass die Verhängung einer Rückkehrentscheidung unzulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Aufgrund der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesamtes samt Beschwerdeschrift sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der BF ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und gehört der Volksgruppe der Han an. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden. Er stellte nach einen laut eigenen Angaben über vierjährigen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet - nachdem er am 27.10.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet betreten und festgenommen wurde - am Folgetag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der 47-jährige BF ist arbeitsfähig. Er verfügt über Schulbildung sowie langjährige Berufserfahrung im Herkunftsland. Er verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte. Er leidet an Bluthochdruck und ist ansonsten gesund.

In China halten sich die Mutter, eine Schwester, ein volljähriger Sohn sowie die Tochter des BF auf. In Österreich halten sich keine Mitglieder seiner Kernfamilie auf. Er lebt laut eigenen Angaben seit ein paar Monaten in Österreich mit einer Freundin zusammen.

Der unbescholtene BF konnte keine Deutschkenntnisse nachweisen. Er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach.

Das Vorbringen des BF, in China von kriminellen Gläubigern wegen der Nichtbezahlung eines Wucherkredites bedroht zu werden, hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen. Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF bei einer Rückkehr hinsichtlich seiner Grundbedürfnisse (Nahrung, Unterkunft) im Herkunftsland einer existenzbedrohenden Notsituation ausgesetzt wäre.

1.2. Zur Situation im Herkunftsland wird von den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid ausgegangen. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert, sodass ein neuerlicher Vorhalt im Beschwerdeverfahren unterbleiben konnte.

Zur Situation im Herkunftsland wird von folgenden Feststellungen ausgegangen:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

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Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

2. Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

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China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

3. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

4. Sicherheitsbehörden

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2016).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.12.2016).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.12.2016).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html%20-%20doc334570bodyText5, Zugriff 9.8.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.4.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html, Zugriff 14.9.2017

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ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 17.8.2017

5. Korruption

Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet. Die Beamtenschaft der öffentlichen Sicherheit und der städtischen Verwaltung sind an Erpressungen, außergerichtlichen Inhaftierungen, und Übergriffen beteiligt. In vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen, bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei (KP) die Ausgänge der Verfahren beeinflussen (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Seit der Übernahme der Führung der KP im Jahre 2012, verfolgte Xi Jinping eine der umfangreichsten Kampagnen zur Korruptionsbekämpfung. Gegen Parteifunktionäre und Beamte der Partei einschließlich des Sicherheits-Apparates, des Militärs, des Außenministeriums, staatlicher Unternehmen und staatlicher Medien wurden bis Ende 2016 Untersuchungen eingeleitet und Strafen verhängt (FH 1.2017a). Während des gesamten Jahres 2014 setzte der Präsident die mit großem Aufwand betriebene Kampagne zur Korruptionsbekämpfung fort, die sowohl niedere als auch ranghohe Staatsbedienstete ins Visier nahm (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein,

172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015). Diese Zahlen sind im Jahr 2015 auf 2,8 Millionen eingebrachte Korruptionsvorwürfe, 330.000 untersuchte Fälle und 336.000 Disziplinierungsmaßnahmen gestiegen (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung ist bestrebt, durch den Abschluss von Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen in Strafsachen die Verfolgung von Tatverdächtigen im Ausland zu erleichtern. Dabei geht es der chinesischen Regierung vor allem darum, ihre Korruptionsbekämpfung im Rahmen der Aktionen "Fuchsjagd" und "Himmelsnetz" auf das Ausland auszuweiten (AA 15.12.2016).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html, Zugriff am 24.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 28.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 24.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 17.8.2017

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html, Zugriff 17.8.2017

6. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Unabhängige Menschenrechtsinstitutionen gibt es in China (mit Ausnahme Hongkongs) nicht. Die bestehenden strengen Regeln für NGOs machen deren Registrierung unmöglich. Die wenigen staatlichen chinesischen Organisationen, die sich mit Menschenrechten befassen, sind im Sinne der Information über und Werbung für das staatliche Konzept der Menschenrechtspolitik aktiv, darunter z.B. die Gesellschaft zur Förderung der Menschenrechte (China Society for Human Rights Studies), die für Außenkontakte zuständig ist, oder die Society for Human Rights Studies, die auch innerhalb Chinas Aufklärungsarbeit leistet. Bei beiden Organisationen handelt es sich um sogenannte "Governmentally Organized NGOs". Laut chinesischen Angaben sind derzeit mehr als 7.000 internationale NGOs - mit einer sehr breiten Definition sogar mehr als 460.000 registrierte NGOs - in China tätig. Davon ein Großteil aus den USA. Nur ein sehr kleiner Teil davon kann als "unabhängig" qualifiziert werden. Unabhängige NGOs erhalten keine staatliche Unterstützung und es besteht keine "Spendenkultur" für solche Organisation (bzw. wären Spender Schikanen ausgesetzt). Unabhängigen und manchen internationalen Organisationen (z.B. UNHCR) ist darüber hinaus das Spendensammeln verboten. In den letzten Jahren wurde es für NGOs aufgrund neuer Auflagen immer schwieriger, Spenden aus dem Ausland zu erhalten. Seit Xi Jinping im Amt ist, sind NGOs vermehrten Repressalien ausgesetzt, z.B. Inhaftierung ihrer Führungskräfte, Durchsuchungen sowie Einfrierung ihrer Konten (AA 15.12.2016; vgl. ÖB 11.2016). In China selbst werden unabhängige Menschenrechts-Organisationen streng kontrolliert und oft unterdrückt. Die Rolle der Zivilgesellschaft wird von der KP nur in kleinteiliger Organisationsform bzw. in Bereichen wie Umwelt und Wohlfahrt dann zugelassen, wenn keine öffentliche Kritik an Behörden, KP oder Politiken geübt wird (ÖB 11.2016).

Ein neues Gesetz für eine Verwaltung von ausländischen NGO-Aktivitäten innerhalb des chinesischen Festlandes stellt ausländische NGOs fortan unter die Aufsicht des Ministeriums für öffentliche Sicherheit (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a). Nach dem neuen Gesetz müssen alle Finanzierungen durch ausländische NGOs von den chinesischen Sicherheitsbehörden vor Erhalt genehmigt werden und dürfen ausländische NGOs in China nur gewisse Aktivitäten in Partnerschaft mit offiziellen Stellen ausüben. Zahlreiche Fragen zur Umsetzung sind noch offen. Obgleich dieses Gesetz dazu beitragen kann, das nebulose Regelwerk der NGOs zu erhellen, wird befürchtet, dass das Gesetz eine weitere Möglichkeit für die Sicherheitsbehörden darstellt, die Zivilgesellschaft zur Selbstzensur und zu unkritischem Verhalten zu zwingen (ÖB 11.2016; vgl. FH 1.2017a). Durch den großen Ermessensspielraum der Polizei für die Kontrolle und Regulierung der Arbeit ausländischer NGOs erhöhte sich das Risiko, dass das Gesetz dazu missbraucht werden könnte, Menschenrechtsverteidiger und NGO-Mitarbeiter einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (AI 22.2.2017). Viele ausländische NGOs und deren inländischen Partner begannen schon vor dem 1.1.2017 aufgrund der vagen Ausformulierung des Gesetzes, ihre Tätigkeiten vor dem Jahresende zu kürzen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Ausländischen Menschenrechts-NGOs wie Human Rights Watch oder Amnesty International ist es nicht erlaubt, die Menschenrechtssituation in der VR China zu beobachten bzw. Einzelfällen nachzugehen. Die meisten Beobachter arbeiten und publizieren daher von Hongkong aus. Größerer Spielraum für zivilgesellschaftliche Akteure im Menschenrechtsbereich besteht immer noch in Internetforen und sozialen Netzwerken - soweit die Zensur umgangen werden kann (AA 15.12.2016).

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Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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