TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/30 W147 2191306-1

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Veröffentlicht am 30.11.2018
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Entscheidungsdatum

30.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52

Spruch

W147 2191306-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. Thomas KLEIN, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. März 2018, Zl: 1002678709-150565795, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. gemäß den §§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, und §§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gelangte unrechtmäßig in das Bundesgebiet und stellte am 9. März 2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 10. März 2014 gab er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes für nunmehriges Verfahren von Relevanz an, er sei am 27. Jänner 2014 über Nacht in Grosny gewesen. Seine Mutter habe ihm mitgeteilt, dass die Polizei und das Militär zu Hause gewesen sei und ihn gesucht hätten. Er sei am 28. Jänner 2014 nach Hause gefahren und seine Mutter habe ihm gesagt, es seien 14 Personen, welche alles durchsuchten, gewesen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer wieder nach Grosny gefahren, habe er sich dort einen Reisepass "gelöst" und sei bis zur Flucht in Grosny geblieben. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Er sei über Polen in die Europäische Union eingereist und habe dort auch einen Asylantrag gestellt.

Zu Beginn einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 31. Oktober 2014 legte der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Identität seinen russischen Inlandspass vor. Befragt, weshalb er den Ausgang des Asylverfahrens in Polen nicht abgewartet habe, antwortete der Beschwerdeführer, es sei dort lebensbedrohend für ihn gewesen. Er habe sein Heimatland wegen einer Blutrache verlassen; fünf Personen, mit denen seine Familie in Tschetschenien in Blutrache gelebt hätten, befänden sich jetzt in Polen. Die Familie, die mit seiner Familie in Blutrache lebe, wohne in der Nachbarschaft. Daher hätten sie auch alle Informationen, auch die, dass derzeit fünf Angehörige in Polen leben würden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. April 2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10. März 2014 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sich hinsichtlich des Beschwerdeführers bis zur Bescheiderlassung weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine schwere psychische Störung ergeben habe, welche bei einer Überstellung/Abschiebung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde. Ferner würden auch keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet bestehen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Oktober 2014, W205 2007415-1/6E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Zweites Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

2. Am 09.03.2015 wurde zum Zwecke der Abschiebung nach Polen die Schubhaft verhängt.

Im Rahmen der Schubhaft gab der Beschwerdeführer am 9. März 2015 bekannt, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen und begründete diesen, er habe in Österreich eine Lebensgefährtin und sei mit dieser seit August 2014 nach islamischem Recht verheiratet. Sie sei subsidiär schutzberechtigt und derzeit vom Beschwerdeführer schwanger. Der voraussichtliche Geburtstermin sei im XXXX.

Am 10. März 2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung zum Folgeantrag zum Grund seiner neuerlichen Antragstellung an, er könne nicht nach Polen zurück. Er habe das Alles schon angegeben, aber man habe ihn nicht wirklich zuhören wollen. Er habe wegen der Blutrache aus Tschetschenien flüchten müssen und von diesen Personen würden sich jetzt vier oder fünf Leute in Polen aufhalten; dies habe er alles schon angegeben. Der neue Grund für seinen jetzigen Antrag sei allerdings, dass er bald Vater werde und er in Österreich eine Familie gründen, bei seiner Frau und seinem Kind bleiben wolle.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2015 wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG rechtskräftig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde am 18. März 2015 nach Polen abgeschoben.

Drittes (verfahrensgegenständliches) Verfahren:

3. Am 27. Mai 2015 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab im Zuge der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er habe im August 2014 seine Ehefrau traditionell in einer Moschee geheiratet. Seine Ehefrau habe am XXXX eine Tochter zur Welt gebracht. Er selbst sei leider am 19. März 2015 aufgrund des Dublin-Abkommens nach Polen abgeschoben worden. Dort habe er sich bis zum 26. Mai 2015 aufgehalten. Er sei heute nach Österreich gekommen und stelle einen neuerlichen Asylantrag mit der Bitte um Familienzusammenführung. Er wolle gemeinsam mit seiner Frau und Tochter leben.

4. Nach Zulassung des Asylverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 22. Jänner 2018 vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers in der Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen und gab eingangs an, er habe bis jetzt keinen Deutschkurs mit einer Prüfung positiv abgeschlossen, er lerne mit seiner "Frau" zu Hause. Diese habe Herzprobleme, sei in ständiger Behandlung und habe niedrige Hämoglobinwerte und Eisenmangel. Weiters sei sie neuerlich schwanger, der Beschwerdeführer habe nunmehr auch schon ein zweites Kind mit seiner "Frau". Er selbst sei gesund und fühle sich sehr gut. Seine Lebensgefährtin habe in Österreich neben ihren Eltern noch einen Bruder und drei Schwestern.

Befragt wie er seine Lebensgefährtin kennen gelernt habe, führte der Beschwerdeführer aus, dies sei gewesen als er das erste Mal in Österreich gewesen sei. Er habe bei seinem Cousin gelebt und seine Lebensgefährtin ungefähr 300 Meter von seinem Cousin entfernt. Sie hätten sich oft im Geschäft gesehen und so auch kennengelernt. Standesamtlich seien sie nicht verheiratet, da dies ohne Reisepass nicht funktioniere. Sein Reisepass befände sich in Polen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, im August 2014 in der Wohnung seines Cousins nach muslimischen Ritus geheiratet zu haben und seit diesem Zeitpunkt mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt zu leben. Der Beschwerdeführer erhalte von der Caritas 360 Euro und seine "Ehefrau" Mindestsicherung in Höhe von ca. 800 Euro und zusätzlich von der Caritas ca. 415 Euro.

In seinem Herkunftsland aufhältig seien seine Mutter und drei Schwestern. Sein Vater und zwei Cousins väterlicherseits seien im Wald getötet worden. Ein Onkel und zwei Cousins von seinem Vater seien von den Russen im Jahre 2002 festgenommen worden und wisse seit damals niemand, wo diese seien. In Österreich sei ein Onkel väterlicherseits und vier Cousins seit über 10 Jahren aufhältig und habe der Beschwerdeführer zu diesen einen engen Kontakt. Er selbst sei im Bezirk XXXX geboren und habe im Dorf XXXX, ca. XXXXkm von Grosny entfernt, gelebt. Er habe die Schule mit Matura abgeschlossen und danach ein Bachelor Jus-Studium erfolgreich absolviert; er sei fertiger Jurist. Finanziell sei es seiner Familie mittelmäßig gegangen, nach dem Studium habe er aber 500.000 Rubel zahlen müssen, um als Jurist arbeiten zu können. Er habe das Geld dafür aber nicht gehabt und dann Sitzgarnituren, Plastikfenster und Plastiktüren gebaut.

Er sei russischer Staatsangehöriger und werde ausschließlich in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien verfolgt. Tschetschenien habe er am 5. Februar 2014, die Russische Föderation am 7. oder 8. Februar 2014 verlassen.

Befragt nach den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates führte der Beschwerdeführer sodann aus, er sei am 27. Jänner 2014 nach Grosny gefahren, um einen PC, den er gekauft habe, zur Reparatur abzugeben. Es sei ihm dort gesagt worden, er solle am nächsten Tag wieder kommen, weshalb er bei seinem Cousin zum Übernachten geblieben sei. In der Früh ungefähr um halb sechs, draußen sei es noch dunkel gewesen, habe seine Mutter angerufen; sie sei sehr aufgeregt gewesen und habe ihn gefragt, wo er sich befinde. Sie habe ihm mitgeteilt, dass viele Polizisten, aus verschiedenen Einheiten, Sonderheiten, nach Hause gekommen seien, ungefähr mit 14 oder 15 Autos. Sie hätten das Haus eingekesselt und der ganze Hof und das Haus seien durchsucht worden. Laut seiner Mutter seien auch Hunde dort gewesen. Die Durchsuchung habe ca. 1 Stunde gedauert und sei nach dem Beschwerdeführer gefragt worden. Danach seien sie weggefahren.

Am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer einen Bekannten durch einen anderen Bekannten gefunden. Dieser Bekannte sei bekannt mit dem Stellvertreter der Polizeistation gewesen und habe der Beschwerdeführer diesen gebeten, sich zu erkundigen, warum die Polizei gekommen sei. Selbst zur Polizei zu gehen, habe sich der Beschwerdeführer nicht getraut. Laut diesem Stellvertreter habe ein Polizeibeamter von einem Informanten ein Video mit meinem Haus erhalten und sei der Beschwerdeführer verdächtigt, Widerstandskämpfer zu sein. Laut diesem Informant würde der Beschwerdeführer Widerstand leisten und sei voll bewaffnet. Laut diesem Stellvertreter sei es sehr gut gewesen, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen sei, da er sonst getötet oder gezwungen worden wäre, dies zu bestätigen. Er habe auch vermeint, dass alles ok sei, aber er könne nichts versprechen. An diesem Tag sei der Beschwerdeführer nach Hause zurückgekommen, und habe mit dem Bekannten des Stellvertreters gesprochen. Dann sei er wieder nach Grosny gefahren, um ein paar Tage abzuwarten und zu beobachten, ob sich alles beruhigt.

Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer nie Probleme mit Behörden gehabt. An diesem Tag ungefähr um 10:00 Uhr am Abend habe neuerlich seine Mutter angerufen und gesagt, dass vier oder fünf Autos mit 20 Kriminalbeamten nach Hause gekommen seien. Sie hätten wieder alles durchsucht und nach dem Beschwerdeführer gefragt. Dann seien sie wieder weggefahren. Seine Mutter und andere Verwandte hätten gemeint, dass sie alles machen könnten. Seine Mutter habe unbedingt wollen, dass der Beschwerdeführer die Russische Föderation verlässt. Als er in Polen gewesen sei, sei auch nach dem Beschwerdeführer gesucht worden.

Warum das Alles so gekommen sei, könne er sich nicht erklären. Der Beschwerdeführer habe eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet, da er beweisen haben können, wer seinen Vater und Cousin getötet hätte. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch die Anzeige nicht aufnehmen wollen, mit der Begründung, dass dies schon verjährt sei. Er wisse aber, dass nach den russischen Gesetzen Mord nicht verjähre. Sie hätten es zunächst abgelehnt und habe der Beschwerdeführer sodann eine Berufung geschrieben. Vielleicht sei dies der Grund, warum die Polizei nach dem Beschwerdeführer gesucht habe.

Österreich sei sein Zielland gewesen, er habe während seines Studiums erfahren, dass die Sicherheit in Österreich sehr hoch sei und seien außerdem sein Onkel und andere Verwandte hier. Im Fall seiner Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben. Es gebe viele Fälle, wo man festgenommen und für mehrere Monate in einem Keller angehalten werde. Diese Leute würden getötet und als Widerstandskämpfer bezeichnet werden. Der Beschwerdeführer sei laut diesem Bekannten beschuldigt worden, Widerstandskämpfer zu sein. Deswegen habe er Angst, von der Polizei der Statistik wegen umgebracht zu werden.

Befragt, ob es dem Beschwerdeführer im Zuge der innerstaatlichen Fluchtalternative möglich sei, nach Moskau zu gehen und dort zu leben, antwortete diese, es sei egal, wo man sich befinde, "sie" würden jeden nach Tschetschenien bringen, sogar aus Kasachstan, Weißrussland oder Ukraine.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine ihm im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung nicht habe glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer habe in seinen drei Asylverfahren verschiedene Fluchtvorbringen erstattet und sei er somit in jeder Hinsicht nicht als glaubwürdig zu werten. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Gefahren, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "ARGE Rechtsberatung " als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

7. Mit am 29. März 2018 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten, fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid und ficht diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

Der Beschwerdeführer moniert im Wesentlichen, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Die belangte Behörde hätte bei korrekter Entscheidungsfindung Asyl oder in eventu subsidiären Schutz gewähren müssen. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Lebensgefährtin nach muslimischen Ritus verheiratet, habe zwei kleine Kinder und sei seine Lebensgefährtin neuerlich schwanger. Eine Ausweisung wäre ein massiver Eingriff in Art. 8 EMRK. Seine Lebensgefährtin sei subsidiär schutzberechtigt.

8. Am 30. Oktober 2018 fand zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer neuerlich zu den maßgeblichen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, seinem Gesundheitszustand und Privat- und Familienleben befragt wurde. Die belangte Behörde war im Vorfeld ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch mitgeteilt, dass aus dienstlichen und personellen Gründen kein Vertreter entsandt werde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig, muslimischen Glaubens und stellte am 27. Mai 2015 nach neuerlicher unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass dieser konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der Beschwerdeführer befindet sich nunmehr seit Mai 2015 durchgehend im Bundesgebiet. Er hat sich Grundkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Während der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat durch regelmäßige Arbeit ein gutes Einkommen erzielte, ist er in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen und lebt von staatlichen Sozialleistungen (Grundversorgung), sodass nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden kann.

Der Beschwerdeführer hat - mit Ausnahme seiner Lebensgefährtin und den drei minderjährigen Kindern - keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet, zu welchen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und den drei gemeinsamen Kindern in einem Haushalt. Diesen wurde allesamt der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Wege eines Familienverfahrens zuerkannt. Die Lebensgefährtin geht derzeit ebenfalls keiner beruflichen Tätigkeit nach und finanziert ihren Lebensunterhalt ebenfalls durch den Bezug von Sozialleistungen. Der Beschwerdeführer bezieht Grundversorgung und konnten keine nennenswerten Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher oder sozialer Natur im Bundesgebiet festgestellt werden. Auch kann vor dem Hintergrund der Aufenthaltsdauer von keiner besonderen Verfestigung im Bundesgebiet gesprochen werden.

1.2. Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation werden insbesondere folgende Feststellungen getroffen:

"Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014, vgl. GIZ 2.2015c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8.5.2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Seit Mai 2012 wird eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft, sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, was die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zu Nichte macht (AA 11.2014a).

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden zuletzt am 14.9.2014 Gouverneurs- und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten. Wie bereits 2013 war die Wahlbeteiligung zum Teil sehr niedrig, in Moskau nur bei rund 21% (AA 11.2014a). Am einheitlichen Wahltag 14.9.2014 fanden in Russland laut der Zentralen Wahlkommission mehr als 6.000 Wahlen unter Teilnahme von 63 Parteien auf regionaler und kommunaler Ebene statt. Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat bei den Regionalwahlen fast überall ihre Spitzenposition gefestigt. Auf der Halbinsel Krim holte sie laut der Wahlleitung mehr als 70% der Stimmen. Bei den Gouverneurswahlen in 30 Föderationssubjekten wurden alle Kandidaten von "Einiges Russland" sowie von der Partei unterstützte Kandidaten gewählt. Die Partei gewann auch alle drei Bürgermeisterwahlen in den regionalen Hauptstädten und erzielte die Mehrheit in 14 Regionalparlamenten und 6 Stadtparlamenten regionaler Hauptstädte. Zwar konnten bei den Regionalwahlen mit der Senkung der Sperrklausel von sieben auf fünf Prozent auch den demokratischen Wettbewerb stärkende Entwicklungen festgestellt werden, allerdings wurden gleichzeitig das Verhältnis- zugunsten des Mehrheitswahlrechts geschwächt und die Registrierungsvorschriften verschärft. In Moskau, wo das Wahlrecht auf ein reines Mehrheitswahlsystem geändert wurde, gewannen "Einiges Russland" und die von ihr unterstützten Kandidaten bei einer Wahlbeteiligung von 21% 38 von 45 Sitzen der Stadtduma. Die Wahlrechtsassoziation "Golos" meldete einzelne Wahlverstöße, z. B. den Ausschluss unabhängiger Wahlbeobachter aus Wahllokalen und sagte die Wahlbeobachtung im Gebiet Tjumen nach Drohungen durch Polizei und Justiz ab (GIZ 3.2015a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2014a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.4.2015

-

CIA - Central Intelligence Agency (20.6.2014): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 2.4.2015

-

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/#c17900, Zugriff 2.4.2015

-

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 2.4.2015

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Gemäß der letzten offiziellen Volkszählung 2010 hat Tschetschenien 1,27 Millionen Einwohner/innen. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015). Die Macht von Ramsan Kadyrow ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge (ÖB Moskau 10.2014).

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

-

ICG - International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus:

The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf, Zugriff 1.4.2015

-

ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 1.4.2015

-

Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya,

http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html, Zugriff 1.4.2015

-

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/, Zugriff 1.4.2015

-

Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin,

http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html, Zugriff 1.4.2015

Sicherheitslage

Russische Behörden gehen weiterhin von einer terroristischen Gefahr auch außerhalb des Nordkaukasus aus (SFH 25.7.2014, vgl. AA 1.4.2015b). Aus Sicht der Behörden versuchen die Aufständischen nicht nur den Nordkaukasus zu destabilisieren, sondern auch Terroranschläge in anderen Regionen Russlands zu verüben. Nach Angaben russischer Experten spiegelt die Wahl von Alaiskhab Kebekov als neuem Führer des kaukasischen Emirats, die Tatsache wider, dass mittlerweile Dagestan und nicht mehr Tschetschenien das Zentrum des Aufstands ist (SFH 25.7.2014).

Die Terroranschläge auf den zwischen Moskau und St. Petersburg verkehrenden Newski Express Ende November 2009 (28 Todesopfer), die beiden Anschläge in der Moskauer U-Bahn am 29.3.2010 (40 Todesopfer), der Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo am 24.1.2011 (37 Todesopfer darunter zwei österreichische Staatsbürger) sowie zwei Selbstmordanschläge auf den Bahnhof bzw. einen Trolley-Bus in Wolgograd Ende Dezember 2013 (33 Todesopfer) (ÖB Moskau 10.2014, vgl. AA 1.4.2015b) scheinen von Tätern aus dem Nordkaukasus verübt worden zu sein, um somit zu zeigen, dass die Unruhe im Nord-Kaukasus auch auf das russische Kernland ausstrahlt. Zuletzt häuften sich Berichte, wonach zahlreiche Personen aus dem Nordkaukasus sich an Kämpfen in Syrien und zuletzt auch dem Irak auf Seiten radikalislamischer Gruppierungen und Organisationen (IS, Al Nusra-Front,...) beteiligen sollen. Die diesbezüglichen Angaben schwanken: von offizieller Seite werden die russisch-stämmigen Kämpfer auf einige Hundert geschätzt. Experten gehen hingegen von bis zu 2.000 Kämpfern mit russ. Staatsbürgerschaft aus (davon 1500 aus Tschetschenien, 200 aus Dagestan, der Rest aus anderen Gebieten). Auch in Österreich wurden Fälle bekannt, in denen Personen tschetschenischer Herkunft sich an Kämpfen in Syrien beteiligt bzw. dies zumindest ernsthaft versucht haben sollen oder andere Personen als Kämpfer für den Nahen Osten angeworben haben.

Beobachter sehen dies als neues Phänomen an: bis vor kurzem hätten Tschetschenen und andere Kaukasier fast ausschließlich in ihrer Heimatregion gekämpft, um diese von der russischen Herrschaft zu befreien. Der Bürgerkrieg in Syrien zeige insofern eine Neuausrichtung des bisher stark nationalistischen Jihadismus der Kaukasier hin zu mehr Integration in die transnationale Szene. In Syrien sollen Kaukasier mittlerweile die größte nicht-arabische Gruppe unter den ausländischen Kämpfern darstellen und zugleich auch aufgrund ihrer Kampferfahrung und Homogenität eine der effektivsten Gruppierungen sein. Russische Offizielle warnten wiederholt vor den Gefahren, die für Russland (und andere Staaten) entstünden, wenn diese Personen mit der gesammelten Kampferfahrung in ihre Heimat zurückkehren. Berichten russischer Zeitungen zu Folge werden aus Syrien zurückkehrende Kämpfer bei ihrer Rückkehr nach Russland in der Regel umgehend verhaftet und vor Gericht gestellt (ÖB Moskau 10.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.4.2015b): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 1.4.2015

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SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.7.2014): Russland:

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans,

http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf, Zugriff 1.4.2015

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ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Nordkaukasus allgemein

Die Lage im Nordkaukasus war 2014 weiterhin instabil; bewaffnete Gruppen griffen wiederholt Angehörige der Sicherheitskräfte an. Bei verschiedenen Anschlägen sollen mehr als 200 Personen getötet worden sein, darunter zahlreiche Zivilpersonen (AI 25.2.2015). Im Sicherheitsbereich ist gegenwärtig ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete. So haben sich seit Sommer 2010 auch in Kabardino-Balkarien die Anschlagstätigkeiten intensiviert. Nach zwei Anschlägen auf Touristen und touristische Infrastruktur, bei denen drei Touristen getötet wurden, wurde im Februar 2011 in zwei Distrikten Kabardino-Balkariens (Elbrus und Baksan) der Ausnahmezustand verhängt. Vor dem Hintergrund zunehmender ethnischer Rivalitäten warnen Experten auch vor einer Destabilisierung Karatschaj-Tscherkessiens. Zusätzlich werden zahlreiche "kleinere" Anschläge verübt, die überregional kaum mehr Aufmerksamkeit finden. Dabei werden neben Sicherheitskräften zunehmend auch belebte Märkte sowie Geschäfte und Cafés, in denen Alkohol verkauft wird, Ziele von Anschlägen. Dieser Zunahme von Anschlägen korrespondiert eine Steigerung von Anti-Terror Operationen, die auch regelmäßig Todesopfer fordern. Die russischen Sicherheitskräfte gehen mit einiger Härte gegen Rebellen und deren Unterstützer vor. Dabei wird auch von Fällen von Sippenhaftung berichtet, insbesondere der Zerstörung der Häuser der Angehörigen von Rebellen (ÖB Moskau 10.2014).

Im Jahr 2014 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 525 Opfer des bewaffneten Konfliktes. 341 davon wurden getötet, 184 verwundet. Im Vergleich zu 2013 fiel die Zahl der Opfer um 46,9% (Caucasian Knot 31.1.2015). Mehr als zwei Drittel aller Todesopfer im Kampf gegen den islamistischen Widerstand im Nordkaukasus wurden 2014 in Dagestan gezählt (HRW 29.1.2015).

Quellen:

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AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/russische-foederation, Zugriff 1.4.2015

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Caucasian Knot (31.1.2015): In 2014, there were 525 victims of armed conflict in Northern Caucasus, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/30689/, Zugriff 1.4.2015

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/295447/430479_de.html, Zugriff 1.4.2015

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ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

Tschetschenien

In Tschetschenien ist es seit 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien). Als besonders unruhig gilt die an die Nachbarrepublik Dagestan angrenzende Region (ÖB Moskau 10.2014).

2014 gab es in Tschetschenien 117 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 52 Tote und 65 Verwundete. Dies bedeutet einen Anstieg um 15,8% im Vergleich zu 2013 (39 Tote, 62 Verwundete). Tschetschenien ist die einzige Region im Nordkaukasus in der die Opferzahlen 2014 im Vergleich zu 2013 anstiegen (Caucasian Knot 31.1.2015). Tschetschenien ist von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert worden. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014). Zu der Attacke soll sich in einem Video das Kaukasus Emirat bekannt haben. Ob das Material und die Angaben authentisch sind, wird genauso kontrovers diskutiert wie die Frage, wie stark die Gruppe der Angreifer war. Die Zahlen reichen von 10 bis über 200 Bewaffneten. Moskau und das Oberhaupt Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, gehen dagegen von einem internationalen Hintergrund aus und stellen die Attacke in Verbindung mit Vorgängen innerhalb der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Nach einem Schusswechsel mit Polizisten an einem Kontrollposten teilten sich die Angreifer, in mehrere Gruppen auf. Eine davon verschanzte sich im "Haus der Presse". Die Sicherheitsbehörden umstellten das Gebäude und nahmen es unter Feuer. In den oberen Stockwerken brachen Brände aus, es kam zu Explosionen. Ein anderer Teil der Angreifer setzte sich nur einige Straßen weiter in einer Schule fest. Andere Personen sollen sich nicht darin befunden haben. Die Feuergefechte hielten bis zum Donnerstagnachmittag an. Am selben Tag hielt Putin seine Rede zur Lage der Nation. In letzter Zeit nahmen die Aktivitäten des als zersplittert und geschwächt eingeschätzten islamistischen Untergrunds wieder etwas zu. Im Oktober 2014 sprengte sich in Grosny ein Selbstmordattentäter in die Luft und riss fünf Personen mit in den Tod. Hinter dem 19-jährigen Täter aus Grosny wird allerdings eher eine autonom agierende Splittergruppe vermutet. Zu vergleichen sind die beiden Vorfälle ohnehin nicht. Die Attacke am 4.12.2014 glich einer komplexen militärischen Operation. Dafür bedarf es Planung, Erfahrung und Geld. Dass die russischen Behörden dabei eine Verbindung ins Ausland vermuten, überrascht nicht. In den Reihen des IS stehen auch Extremisten mit nordkaukasischen Wurzeln, von einigen hundert ist die Rede. Schon mehrmals in diesem Jahr stießen Fraktionen der Terrormiliz Drohungen gegen Russland aus. Die Gefahr für Russland geht laut Experten dabei jedoch mehr von Rückkehrern aus Syrien oder dem Irak aus, als dass die Strategen des IS den Nordkaukasus als neues Kampffeld für ihren Jihad auserkoren hätten (NZZ 4.12.2014, vgl. Die Presse 4.12.2014).

Quellen:

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Caucasian Knot (31.1.2015): In 2014, there were 525 victims of armed conflict in Northern Caucasus, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/30689/, Zugriff 19.3.2015

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (4.12.2014): Tote bei Gefechten in Grosny,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/tote-bei-gefechten-in-grosny-1.18438064, Zugriff 19.3.2015

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ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

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Die Presse (4.12.2014): Tschetschenien: Gefechte mit Islamisten im Zentrum Grosnys,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4612135/Tschetschenien_Gefechte-mit-Islamisten-im-Zentrum-Grosnys?from=gl.home_politik, Zugriff 19.3.2015

Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig; allerdings haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der russische Ombudsmann als auch russische NGOs wiederholt Missstände im russischen Justizwesen kritisiert: Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen: Lediglich 1,1% der eingeleiteten Strafverfahren enden mit Freispruch des Angeklagten. Das geringe Vertrauen der russischen Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Justiz wird durch Umfragen belegt: einer im Juli 2013 veröffentlichten Umfrage des Lewada-Zentrums zu Folge glauben nur 27% der Bevölkerung an die Unabhängigkeit der russischen Justiz. Der Europarat empfahl Russland im November 2013 substantielle Reformen zur Beseitigung systemischer Defizite in der Justizverwaltung und zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz. Großes auch internationales Aufsehen erregten zuletzt etwa die Verurteilung des Oppositionellen Alexej Nawalny am 18.7.2013 zu 5 Jahren Haft wegen Unterschlagung (wurde in eine bedingte Strafe umgewandelt). Zudem wurden zahlreiche Personen im Zusammenhang mit Ausschreitungen bei einer großen regierungskritischen Demonstration auf dem Bolotnaja-Platz am 6.5.2012 wegen Teilnahme an "Massenunruhen" und Gewalt gegen Staatsbeamte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Amnesty International betrachtet die Verurteilten als gewaltlose politische Gefangene. Während seiner Präsidentschaft hatte der nunmehrige Premierminister Medwedjew versucht, Reformen des Justizwesens zu initiieren, etwa durch die Möglichkeit einer Kaution anstelle von Untersuchungshaft bei Wirtschaftsdelikten oder die Förderung von Geldstrafen und anderen alternativen Strafformen. Diese werden in der Praxis jedoch nach wie vor kaum angewandt. Anfang Juli 2013 wurde auf Initiative des russischen Unternehmens-Ombudsmanns eine Amnestie für Personen verfügt, die wegen bestimmten Wirtschaftsdelikten inhaftiert sind. Die Amnestie soll für jene gelten, die zum ersten Mal wegen Wirtschaftsdelikten verurteilt wurden und entweder den Schaden bereits gut gemacht haben oder dazu bereit sind. Experten gehen davon aus, dass bis zu 13.000 Personen von der Amnestie profitieren könnten (bis zum 28.8.2013 kamen offiziellen Angaben zu Folge effektiv 143 Personen frei). Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Annahme der russischen Verfassung im Jahr 1993, wurde im Dezember 2013 eine umfassendere Amnestie für Straftäter erlassen. Der russischen Strafvollzugsbehörde zu Folge sollen 22.700 von der Amnestie profitiert haben; knapp über 1.000 Personen sollen enthaftet worden sein. Für Aufregung sorgte auch die Erweiterung des strafrechtlichen Begriffes "Hochverrat", der nunmehr jede finanzielle, materielle oder beratende Unterstützung für einen anderen Staat oder internationale Organisation beinhaltet, wenn diese Tätigkeit eine Gefahr für die Sicherheit Russlands darstellt. Kontakte mit zivilen ausländischen Organisationen können als Straftat gewertet werden, wenn nachgewiesen wird, dass diese Organisationen gegen Russland agieren. Vor dem Sommer 2012 wurde zudem "Verleumdung" erneut als Tatbestand in das russische Strafgesetzbuch aufgenommen, nachdem dies erst im Vorjahr auf Initiative des damaligen Präsidenten Medwedjews gestrichen worden war. Der Strafrahmen wurde von früher umgerechnet 75 auf bis zu 125.000 Euro erhöht. Kritiker befürchten, dass Oppositionelle mit dem verschärften Gesetz mundtot gemacht und insbesondere kritische Journalisten eingeschüchtert werden sollen. Das in Russland geltende Anti-Extremismusgesetz sollte ursprünglich insbesondere helfen, rassistische Straftaten im Land einzudämmen. Es sind jedoch auch schon mehrere Fälle einer fragwürdigen Anwendung bekannt. Auch gegen religiöse Gruppen wie die Zeugen Jehovas, Scientology oder Falun Gong wird mit Hilfe des Anti-Extremismusgesetzes vorgegangen (Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, teilweise auch vorübergehende Festnahmen). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates drückte im Februar 2012 in einer Resolution "tiefe Besorgnis" über die missbräuchliche Anwendung des Extremismusgesetzes gegen die Zeugen Jehovas und Falun Gong aus. Verhängte Sanktionen bestehen zumeist in (niedrigen) Geldstrafen, alternativen Strafformen (soziale Arbeit) oder Bewährungsstrafen. Nach der Krim-Annexion im März 2014 ist verstärkt zu beobachten, dass die russischen Behörden unter dem Deckmantel des Extremismus-Gesetzes gegen kritische Vertreter der Krim-Tataren vorgehen. Politisch tätige und aus dem Ausland finanzierte NGOs müssen sich seit einer Novellierung des NGO-Gesetzes als "ausländische Agenten" deklarieren und sind einer strikten behördlichen Kontrolle unterworfen. Anfang September 2014 waren 13 NGOs beim russischen Justizministerium als "ausländische Agenten" registriert. Mehrere Organisationen und Einzelpersonen, welche eine solche Registrierung verweigerten, wurden bereits zu Geldstrafen bzw. zur vorübergehenden Schließung verurteilt (etwa die auf Wahlbeobachtung spezialisierte NGO "Golos"). Im Zuge einer Verschärfung des NGO-Gesetzes im Juni 2014 erhielt das Justizminister

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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