TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/5 W261 2193666-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2018
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Entscheidungsdatum

05.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2193666-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Spruchpunkt VI des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird insoweit abgeändert, als dieser zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Ihrer Haftentlassung."

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 17.01.2016 in die Republik Österreich ein und stellte am 23.01.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 23.01.2016 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er aus Kabul stamme und Afghanistan verlassen habe, weil er Probleme mit den Taliban gehabt hätte. Die Taliban hätten ihn zwangsrekrutieren wollen, weswegen er sein Land verlassen habe.

Am 19.02.2018 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (in der Folge belangte Behörde) im Beisein einer Vertrauensperson des BF, sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Kapisa geboren, und sei in weiterer Folge nach XXXX gezogen, wo er in einem Internat lebte. Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht, und zwei Jahre lang an der Universität studiert. Sein Vater sei drei Jahre alt gewesen, als er verstorben sei. Er habe sich dann im Jahr 2014 um einen Job beim Flughafen beworben. Er habe sodann ca. 1,5 Jahre bei der ISAF gearbeitet. Am Anfang sei er Hilfsarbeiter gewesen, nach drei oder vier Monaten habe er begonnen, als Dolmetscher zu arbeiten. Er sei mit seiner Schwester aus Afghanistan ausgereist, welche nun in Deutschland bei seinem Onkel lebe. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er gemeinsam mit seinem Bruder auf einem Bazar attackiert worden sei, und in weiterer Folge bei den Taliban in einem Unterschlupf festgehalten worden sei. Diese hätten von ihm verlangt, dass er bei seinem Arbeitgeber für sie spioniere, was er verweigert habe. Es sei ihm gelungen, sich und seinen Bruder zu befreien. Auf der Flucht habe sich sein Bruder das Bein gebrochen, weswegen der BF diesen zurückließ. Er sei alleine mit einem LKW wieder nach Kabul gekommen. Er habe seinen Bruder im Krankenhaus erreichen können. Die Taliban hätten diesen geschlagen und missbraucht. Dieser habe sodann die Schwester des BF nach Kabul gebracht, und sie seien gemeinsam geflohen. Sein Bruder habe sich aus Scham in weiterer Folge mit Rattengift selbst vergiftet. Der BF legte eine Reihe von Unterlagen vor.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Es werde auch bezweifelt, dass der BF tatsächlich für die ISAF arbeite, da auf den vorgelegten Ausweisen die Geburtsdaten des BF unterschiedlich angegeben seien, auch gäbe es Widersprüche, seit wann der BF bei ISAF tätig gewesen sei. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Der BF sei arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten.

Der BF erhob mit Eingabe vom 24.04.2018, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass nicht nachvollziehbar sei, weswegen die belangte Behörde der Fluchtgeschichte des BF keinen Glauben geschenkt habe. Der BF legte der Beschwerde eine Bestätigung und eine Kopie seines Dienstausweises bei.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 26.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Mit Eingabe vom 16.07.2018 teilte der MigrantInnenverein St. Marx mit, dass der BF diesen eine Vertretungsvollmacht erteilt habe, und legte die unterschriebene Vollmacht vor.

Mit Schreiben vom 07.09.2018 gab die belangte Behörde bekannt, dass gegen den BF eine Verfahrensanordnung nach § 13 AslyG erlassen worden sei, und der BF sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet wegen der Verhängung der Untersuchungshaft verloren habe.

Der MigrantInnenverein St. Marx gab dem BVwG mit Schreiben vom 19.09.2018 bekannt, dass sich der BF in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft befinde. Es werde darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht ohne Vorführung möglich sei und ersuchte, die entsprechenden Veranlassungen zu treffen.

Das BVwG ersuchte in weiterer Folge die Leitung der Justizanstalt XXXX mit Schreiben vom 02.10.2018 den BF zur mündlichen Beschwerdeverhandlung aus der Untersuchungshaft vorzuführen.

Der Verein Menschenrechte Österreich teilte mit Eingabe vom 31.10.2018 mit, dass das Vollmachtsverhältnis mit dem BF aufgelöst worden sei. Mit Eingabe vom 31.10.2018 informierte der Verein Menschenrechte Österreich das BVwG darüber, dass die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses irrtümlich erfolgt sei, und der BF nach wie vor vom Verein Menschenrechte Österreich vertreten werde.

Das BVwG führte am 06.11.2018 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF vom 25.01.2016 bis 21.08.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezog. Seit 22.08.2018 befinde sich der BF wegen Drogendelikten in Untersuchungshaft.

Aus dem vom BvWG am 06.11.2018 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.

Das BVwG führte am 08.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertreterin des Vereins Menschenrechte Österreich, einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und von zwei Justizwachebeamten zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 29.10.2018, den Landinfo Report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat-Stadt und Mazare Sahrif aufgrund der anhaltenden Dürre, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, führte in seiner Stellungnahme vom 20.11.2018 im Wesentlichen aus, dass aus den vorgelegten Länderinformationen zu entnehmen sei, dass ab 01.01.2015 die ISAF-Nachfolgemission "Resolute Support" begonnen habe. Das Kommando TAAC Air mit Hauptquartier am Flughafen Kabul sei für die Einsätze der Luftstreitkräfte im Rahmen der RS-Mission zuständig. Auf dem Dienstvertrag und dem grünen Ausweis, die der BF bereits vorgelegt habe, stehe auch das Emblem der "Resolute Support". Es sei daher nachvollziehbar, dass der BF bei seinem Fluchtgrund ISAF mit "Resolute Support" gleichgestellt habe, da die Nachfolgemission unmittelbar die alte ersetzt habe und viele Soldaten ihre Tätigkeit am Flughafen fortgesetzt hätten. Der BF habe außerdem während der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigt, dass Ende 2014 der Großteil der ISAF Truppen Afghanistan verlassen hätten. Diese Informationen würden auch durch die im Verfahren vorgelegte UNHCR-Richtlinie bestätigt, wonach diese einen Bedarf an internationalen Schutz für jene Personen sehen würden, die mit den internationalen Streitkräften verbunden seine, oder diese vermeintlich unterstützen würden. Der BF sei durch seine Tätigkeit am Flughafen in das Visier der Taliban geraten. Unter Zitierung mehrerer Länderinformationen wies der BF darauf hin, dass die Taliban in der Lage seien, den BF überall in Afghanistan aufzuspüren. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei äußerst prekär. Daher sei zusammenfassend anzunehmen, dass dem BF internationaler Schutz zu gewähren sei.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 04.12.2018 neuerlich eine Anfrage im Strafrechtsregister der Republik Österreich durch, wonach der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, im Dorf XXXX, im Distrikt XXXX, in der Provinz Kapisa, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund, arbeitsfähig und ledig. Der BF gehört dem Stamm der XXXX an. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF spricht auch Paschtu, Englisch und Deutsch.

Der BF lebte bis zum Schuleintritt in seinem Heimatdorf. Er übersiedelte in weiterer Folge nach XXXX, wo er in einem Internat lebte. Der BF besuchte 12 Jahre lang die Schule und studierte in weiterer Folge für zwei Jahre am XXXX in XXXX Informatik, die er 2015 erfolgreich abschloss.

Der Vater des BF hieß XXXX, er war Paschtune und verstarb an Diabetes als der BF ca. drei Jahre alt war. Er war von Beruf Elektroingenieur. Seine Mutter heißt XXXX. Der BF hat Geschwister, zwei Brüder, XXXX und XXXX und eine Schwester,XXXX. Die Mutter des BF arbeitete im Kindergarten, nach dem Tod des Vaters wurde sie Hausfrau und lebt nach wie vor im Heimatdorf des BF und lebt von den Erträgen der familieneigenen Grundstücke. Die Schwester des BF reiste mit diesem gemeinsam aus und lebt als Asylwerberin in Deutschland.

Es kann nicht festgestellt werden, dass XXXX Selbstmord begangen hat. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich der zweite Bruder des BF derzeit aufhält.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Heimatdorf des BF in der Provinz Kapisa. Die finanzielle Situation der Familie des BF in Afghanistan war gut.

Der BF hat einen Onkel in Kabul, der bei der Armee arbeitet. Ein weiterer Onkel lebt in der Provinz Ghazni. Ein Onkel des BF lebt in Deutschland.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF bei einem Logistikunternehmen am Flughafen in Kabul bzw. als Dolmetscher für ISAF beruflich tätig war. Der BF ist Zivilist.

Der BF ist volljährig, ledig und hat keine Kinder.

Der BF reiste im Oktober 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien nach Österreich, wo er, nachdem ihm die Einreise nach Deutschland verweigert wurde, illegal einreiste und am 23.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen, betreffend die Gefahr, von den Taliban aufgrund seiner Tätigkeit bei ISAF, und seiner Weigerung für diese Spionagedienste zu leisten, mit dem Tode bedroht zu sein, ist nicht glaubhaft.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben. Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit hat der BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keine asylrelevanten Übergriffe zu befürchten.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befand sich seit seiner Antragstellung im 23.01.2016 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 bis 07.09.2018 rechtmäßig im Bundesgebiet. Mit Verfahrensanordnung vom 07.09.2018 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass er gemäß § 13 Abs.2 AsylG das Aufenthaltsrecht in Österreich wegen der Verhängung der Untersuchungshaft verloren hat.

Er bezog seit seiner Einreise bis zum 21.08.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Der BF befindet sich seit 22.08.2018 in Untersuchungshaft wegen des Verdachtes von Drogendelikten in der Justizanstalt XXXX.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau B1, und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er arbeitete auf freiwilliger Basis für das Rote Kreuz und als Schülerlotse. Er fungierte für die Polizei in XXXX zweimal als Dolmetscher bei Einvernahmen. Er besuchte ein Jahr lang ein Fitnesscenter.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Kapisa, in seinen Herkunftsdistrikt XXXX, aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr nach Mazar-e Sharif kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der BF ist jung, gebildet und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat eine 12 Schulausbildung, hat zwei Jahre lang das XXXX in XXXX besucht, weiters hat er bereits Berufserfahrung gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der BF ist gesund. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Zur allgemeinen Lage in Afghanistan

Zur allgemeinen Lage in Afghanistan und bezogen auf die Situation des BF bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation in der Fassung vom 29.10.2018, dem Landinfo Report Afghanistan, "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017, der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan, "Lage in Herat-Stadt und Mazar- e Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.09.2018, den UNCHR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, einem Auszug aus Wikipedia zur International Security Assistance Force (ISAF), einem Auszug aus Wikipedia zum Flughafen Kabul

(https://de.wikipedia.org/wiki/Flughafen_Kabul, abgerufen am 03.12.2018) und einem Auszug aus Wikipedia zur Resolute Support Mission (https://de.wikipedia.org/wiki/Resolute_Support, abgerufen am 03.12.2018) Folgendes festgestellt:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen die afghanische Regierung und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure des ausländischen Militärs - praktisch jeder, der der den ausländischen Streitkräften in irgendeiner Weise hilft und Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten, bzw. Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich und notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern. Die Taliban bieten Kollaborateuren des ausländischen Militärs und Dolmetschern grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Sollten diese Personen von ihrer Tätigkeit ablassen, haben diese Personen keine weitere Verfolgung von Seiten der Taliban zu befürchten. Für Personen, die die Zusammenarbeit verweigern, gilt dies nicht, diese Personen haben in den Augen der Taliban ein Verbrechen begangen, und gegen diese Personen wird nach den Regeln der Taliban vorgegangen.

Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (aus englisch International Security Assistance Force, kurz ISAF) war eine Sicherheits- und Wiederaufbaumission unter NATO-Führung im Rahmen des Krieges in Afghanistan von 2001 bis 2014. Die Aufstellung erfolgte auf Ersuchen der Teilnehmer der ersten Afghanistan-Konferenz 2001 an die internationale Gemeinschaft und mit Genehmigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001). Der Einsatz war keine friedenssichernde Blauhelm-Mission, sondern ein sogenannter friedenserzwingender Einsatz unter Verantwortung der beteiligten Staaten. Am 18. Juni 2013 gab die ISAF die Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung zurück.

ISAF war auch am Kabul International Airport, dem internationalen Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul, stationiert. Der internationale Flughafen in Kabul wurde von Mitgliedsstaaten der NATO im Rahmen des ISAF-Mandats als Militärflugplatz genutzt. Der Flughafen wurde im Oktober 2014 umbenannt in Hamid Karzai International Airport, nach dem gleichnamigen vorhergehenden Präsidenten von Afghanistan. Nach Auflösung der ISAF mit Ende 2014 wird der Flughafen jetzt von ACAA (Afghanistan Civil Aviation Authority) betrieben. ACAA wurde aus dem vorherigen Ministry of Transport and Civil Aviation (MoTCA) herausgelöst und ist jetzt eine eigenständige unabhängige Zivilluftfahrtbehörde.

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 als Nachfolgemission nach ISAF ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw. Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e- Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO o. D.). Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Das Kommando TAAC Air ist für die Einsätze der Luftstreitkräfte im Rahmen der RS-Mission zuständig. Das TAAC Air Hauptquartier befindet sich am Flughafen Kabul (Camp KAIA).

Kapisa, die Herkunftsprovinz des BF, zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz grenzt im Norden an Panjshir, im Westen an Parwan, im Süden an Kabul und im Osten an Laghman. Kapisa war eine der relativ friedlichen Provinzen in Nordostafghanistan, jedoch hat sich die Sicherheitslage in einigen abgelegenen Gebieten der Provinz in den letzten Jahren verschlechtert. Im Rahmen eines von Taliban geführten Aufstandes in Schlüsselprovinzen im Norden und Süden des Landes, versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen die Provinz Kapisa zu destabilisieren. Talibanaufständische sind in abgelegenen und unruhigen Distrikten der Provinz aktiv; ihre Aktivitäten sind: gezielte Tötungen, Straßenbomben und koordinierte Angriffe auf Sicherheitskräfte, Regierungsbeamte und deren private Anlagen. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 83 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kapisa 101 zivile Opfer (34 getötete Zivilisten und 67 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 19% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Regierungsfeindliche Gruppierungen - zu denen Taliban und IS zählen - sind in folgenden Distrikten aktiv: Tagab, Alasay und Najrab. In Tagab haben die Taliban 2016 ein Fernsehverbot ausgesprochen und 2017 Frauen aus dem Distrikt-Bazar verbannt. Afghanische Sicherheitskräfte betonten, dass sie im Distrikt-Bazaar von Tagab vor Ort wären und dass das Frauen-Verbot nicht implementiert werden würde bzw. weiterhin zurückgewiesen bleibe. Die Provinz Kapisa zählt nach den EASO Richtlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 zu jenen Provinzen, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr bestehen kann, dass der Antragsteller ernsthaften Schafen an Leib und Leben im Sinne von Artikel 15(c) der Status Richtlinie nehmen könnte, vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten:

Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana (Provinzhauptstadt Faryab) und Pul-e-Khumri (Provinzhauptstadt Baghlan); sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Bei der Provinz Balkh handelt es sich laut den aktuellen EASO Richtlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 vom Juni 2018 eine Provinz, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein. Die Lage in der Stadt Mazar- e Sahrif wird im Hinblick auf eine Rückkehr des BF als ausreichend sicher bewertet.

Die Stadt Mazar-e Sharif verfügt über einen eigenen internationalen Flughafen.

Laut den aktuellen UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 ist wegen der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation in Kabul eine IFA/IRA in der Stadt in der Regel nicht verfügbar.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land.

Mazar-e Sharif ist eine Vorzeigestadt in Afghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Löhne der Gelegenheitsarbeiter lagen im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren.

Im Umland von Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung. Über die Situation in Mazar-e Sharif liegen keine Berichte vor. Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in dieser Region im Jahr 2018 deutlich geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Die Getreidepreise liegen auf den Märkten von Mazar-e Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten, wie etwa auch in Mazar-e Sharif, sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung des BF, seinen Verwandten und dem Zeitpunkt seiner Ausreise beruhen auf dessen insoweit plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

Der BF brachte vor, dass sein Bruder XXXXnach seiner Ausreise aus Afghanistan Selbstmord begangen habe (AS 97), weil er mit der Schade, die ihm die Taliban angetan hätten, nicht hätte leben können. (Vgl. S 10 und S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Der BF gab dabei auf die Frage der Richterin, wo seine Geschwister derzeit sind an "... Von meinen Brüdern weiß ich nach wie vor nichts." Erst über Nachfragen der Richterin: "Von beiden Brüdern wissen Sie nichts?" gab der BF an:

"Mein Bruder XXXX hat nach diesem Vorfall Selbstmord begangen. Von meinem älteren Bruder weiß ich nichts." (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung)

Zu den Umständen, wie der BF vom Tod seines Bruders erfahren haben will, führt er bei der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde aus: "... Die Frau des Nachbars, die meiner Mutter hilft, erzählte mir, dass mein Bruder, welcher mit mir gemeinsam von den Taliban festgehalten wurde, sich mit Rattengift vergiftete, Selbstmord gemacht hat. Er wurde auch deswegen im Dorf gemobbt, weil er von den Taliban missbraucht wurde." (vgl. AS 103). Bei seiner Befragung vor dem BVwG gab der BF zu diesem Punkt befragt ab: "...Dann hat der Nachbar wieder den Hörer genommen. Er sagte mir, dass mein älterer Bruder noch immer nicht aus Kabul zurückgekehrt ist, und keiner Kontakt zu ihm hat, und mein anderer Bruder hat Selbstmord begangen..." (S 16f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Über Befragen durch die Richterin, wer dem BF erzählt hat, dass sein Bruder missbraucht worden sei, gab der BF an: "Der Nachbar..." (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Vor der belangten Behörde gab der BF dazu befragt jedoch an, dass er "...laut XXXX öfters missbraucht wurde." (vgl. AS 105). Angesprochen auf diese Widersprüche in seinen Aussagen versuchte der BF dies damit zu erklären, dass er mit seinem Bruder XXXX bis nach seiner Ankunft nach Österreich Kontakt gehabt habe. Erst nach seiner Ankunft in Österreich habe er diesen nicht mehr erreicht, weswegen er dann den Nachbarn angerufen habe (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Diesen unterschiedlichen Angaben zu seinen Brüdern lassen begründete Zweifel daran aufkommen, dass der eine Bruder des BF tatsächlich Selbstmord beging, und auch daran, dass der BF keine Kenntnis vom Aufenthalt des zweiten Bruders hat, weswegen die entsprechenden Feststellungen getroffen wurden.

Auch hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit verstrickte sich der BF im Laufe des Verfahrens in zahlreiche Widersprüche. So gab er bei der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde an, dass er ca. Ende 2014 seine Arbeit am Flughafen bei ISAF begonnen habe. Dort habe er ca. 1,5 Jahre gearbeitet und sei selbst für seinen Unterhalt aufgekommen. Am Anfang sei er Hilfsarbeiter gewesen, dann habe er als Dolmetscher gearbeitet (vgl. AS 95). Er sei zuletzt im Oktober 2015 an seiner Arbeitsstätte gewesen.

Bei seiner Befragung vor dem BVwG gab der BF an, dass er es nach der

12. Klasse geschafft habe, gelegentlich am Flughafen zu arbeiten. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, wann das war. Erst über Vorhalt seiner Aussage vor der belangten Behörde bestätigte der BF, dass es Ende 2014 gewesen war, dass er seine Tätigkeit bei ISAF begann. Er glaube, dass er dort ca. ein bis eineinhalb Jahre gearbeitet habe (vgl. S 7 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Befragt zu seiner Tätigkeit bei ISAF führt der BF bei seiner Einvernahme vor dem BVwG aus, dass er zu Beginn als Arbeiter tätig gewesen sei. Er habe Lebensmittel und Kleider entladen. Damals habe er noch keinen Ausweis bekommen. Er habe mit seiner Tazkira Zutritt zum Flughafen erhalten, und sei immer von seinem Chef abgeholt worden. Nach vier oder fünf Monaten bekam er dann einen Dienstausweis. Danach habe er begonnen, für das Logistikunternehmen "XXXX" als Dolmetscher zu arbeiten. (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Über Vorhalt, dass er bisher aussagte, dass er bei ISAF gearbeitet hätte, führte der BF aus, dass damals, als er bei ISAF gearbeitet habe, Waren aus Dubai nach Afghanistan importiert worden seien. Seine Aufgabe sei es gewesen, dass er den Personen Anweisungen als Dolmetscher habe geben müssen, welche Waren wohin gebracht werden sollten (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Über Vorhalt der Richterin, dass ISAF mit Ende 2014 nicht mehr in Afghanistan tätig war, führte der BF aus, dass 2014 die Hälfte der ISAF Truppen Afghanistan verlassen habe. Einige Stützpunkte seien aufgelöst worden. Es hätte eine einzige ISAF Vertretung gegeben, diese sei am Flughafen gewesen. (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Faktum ist, dass ISAF, wie aus den oben angeführten Länderfeststellungen ersichtlich, seine Tätigkeit in Afghanistan mit Ablauf des Jahres 2014 beendete. Die Nachfolgeorganisation war die "Resolute Support Mission", mit der Abkürzung "RS". Diese nutzte mit einer eigenen Einheit, der TAAC Air, wie der BF in seiner Stellungnahme vom 20.11.2018 richtig ausführt, den Flughafen von Kabul nach wie vor als Militärflughafen. Der BF kann daher Ende 2014 und im folgenden Jahr gar nicht bei ISAF gearbeitet haben, wie er dies mehrfach behauptete. Daran ändern auch die Ausführungen in seiner letzten Stellungnahme nichts, wonach der BF davon ausgegangen sei, dass ISAF und RS dieselbe Einheit seien.

Auch die vom BF zur Bescheinigung seines Arbeitsverhältnisses, bzw. in weiterer Folge seines Fluchtvorbringens vorgelegten Ausweise sind nicht geeignet, zu belegen, dass der BF tatsächlich für die ISAF tätig war.

Auch zu diesen Ausweisen machte der BF sowohl bei der belangten Behörde als auch vor dem BVwG unterschiedliche Angaben.

Der BF legte vor der belangten Behörde insgesamt drei Ausweise vor:

Eine orange Karte, ausgestellt auf den NamenXXXX, der Unit: XXXX, mit der Funktion: Driver, mit der Berechtigung "XXXX" (XXXX), mit der weiteren Aufschrift auf der Rückseits, dass die Karte streng persönlich zu verwenden ist, und keine Weitergabe an andere Personen möglich ist, mit einem Ablaufdatum bis zum 31.12.2014. (AS 119)

Eine gelbe Karte, mit Foto des BF, ausgestellt auf seinen Namen, mit einem blauen NATO Logo und der Aufschrift RS, darunter steht HKIA, mit einem Ablaufdatum 22.02.2016. Auf der Rückseite ist das Ausstellungsdatum mit 14.10.2015, das Geburtsdatum mit XXXX, und als Arbeitgeber XXXX vermerkt. (AS 119)

Eine Kopie einer grünen Karte legte der BF mit seiner Beschwerde vor (AS 389 und 391). Auch auf dieser Karte befindet sich ein Foto des BF, ein verzerrtes, blaues NATO und RS Logo, mit der Aufschrift RS HKAI Acess Badge, Ablaufdatum 22.02.2016. Auf der Rückseite ist das Ausstellungsdatum mit 22.08.2015 ebenso vermerkt, wie die Organisation, für die der BF tätig war, die Firma XXXX.

Zu allen drei Karten macht der BF sowohl bei der belangten Behörde als auch beim BVwG unterschiedliche Angaben.

Laut seinen Angaben vor belangten Behörde bei seiner Ersteinvernahme diente die orange Karte dazu, dass sich der BF den Flugzeugen nähern durfte (vgl. AS 101). Bei seiner Einvernahme vor dem BVwG führte er aus, dass dieser Ausweis dazu diente, von seiner Arbeitsstelle bis zum Parkplatz des Flugzeugs (gemeint wohl Landebahn), Zugang zu haben (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Befragt, weswegen er diesen orangen Ausweis nicht verlängern habe lassen, gab der BF an, dass er nie dazu gekommen sei, diesen Ausweis verlängern zu lassen (vgl. AS 107).

Der gelbe Ausweis diente laut Aussage des BF bei der belangten Behörde dazu, dass der BF den Flughafen betreten durfte (vgl. AS 101). Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF an, dass der gelbe Ausweis dazu diente, ihm Zutritt zu den Büroräumlichkeiten zu verschaffen. (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Der BF legte eine Kopie des grünen Ausweises erst mit seiner Beschwerde vor, führte darin jedoch nicht im Detail aus, wozu dieser diente. Erst in der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der BF aus, dass diese grüne Karte ihm den Zutritt zum Flughafen ermöglicht habe (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Erstmals brachte der BF bei der Beschwerdeverhandlung einen weiteren Ausweis, eine graue Karte, die er jedoch nicht vorlegen konnte, in Spiel. Demnach sei diese graue Karte sein erster Ausweis gewesen, dieser sei nicht verlängert worden, danach habe er die grüne Karte bekommen, und danach die gelbe Karte (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Einige Fragen davor führte er noch aus, dass er zuerst den grünen Ausweis bekommen habe, dann den grauen Ausweis und zuletzt den gelben Ausweis (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung, etwa in der Mitte).

Diese unterschiedlichen Angaben zu den Ausweisen lassen begründete Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des BF zu. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der diese Ausweise täglich nutze, nicht mehr genau weiß, welcher Ausweis ihn wofür berechtigte. Allen diesen Ausweisen ist unabhängig davon jedenfalls eines gemeinsam, dass sie nicht bestätigen, dass der BF bei ISAF tätig war. Auf keinem der Ausweise findet sich ein ISAF Logo. Auf sämtlichen Ausweisen ist als Arbeitgeber des BF die Firma XXXX, ein Logistikunternehmen, das u. a. am Flughafen in Kabul tätig ist, wie eine Schellrecherche im Internet ergab (vgl. https://www.moveoneinc.com/our-offices/, abgerufen am 03.12.2018). Es sei dahingestellt, ob diese Ausweise echt sind, oder nicht. Es ist dem BF jedenfalls damit nicht gelungen zu belegen, dass er für ISAF, oder für dessen Nachfolgeorganisation, die Resolute Support Mission (kurz RS) tätig war. Auch die Beschreibung seiner Tätigkeiten legt eher die Vermutung nahe, dass der BF als Gelegenheitsarbeiter für das genannte Logistikunternehmen tätig war, und für dieses allenfalls als Dolmetscher fungierte. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen, nicht jedoch um eine ausländische Streitkraft oder eine ausländische militärische Operation, wie der BF dies im Rahmen des Asylverfahrens als Fluchtgrund glaubhaft zu machen versuchte. Dementsprechend konnte nicht festgestellt werden, welchen Beruf der BF in seinem Herkunftsstaat tatsächlich ausübte. Aus allen diesen Ausführungen lässt sich auch ableiten, dass der BF selbst Zivilist ist, der nicht für eine militärische Organisation tätig war.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager und unplausibler Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen und unterschiedlichen Angaben zu Geburtsdaten des BF auf den von ihm vorgelegten Karten als unglaubhaft. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der BF nicht schlüssig zu erklären vermochte.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden.

Bei seiner Erstbefragung sprach der BF nur sehr kurz und allgemein davon, dass er Probleme mit den Taliban gehabt habe. Sie hätten ihn mit Zwang rekrutieren wollen. Deshalb habe er sein Land verlassen (vgl. AS 17). Er erwähnte dabei mit keinem Wort seine vorgebliche Tätigkeit für ISAF, oder die in weiterer Folge behauptete Entführung durch die Taliban.

Erstmals führte er bei seiner Ersteinvernahme vor der belangten Behörde aus, dass er Ende 2015 gemeinsam mit seinem Bruder auf einem Bazar einkaufen gewesen sei. Am Heimweg seien die Brüder von hinten attackiert worden. Jemand habe diesen Tücher vor die Nase gehalten, dadurch seien sie bewusstlos geworden. Als sie wieder zu sich gekommen seien, seien sie bei den Taliban gewesen. Der BF habe versucht freizukommen, sei jedoch an Händen und Füßen gefesselt gewesen. Die Taliban hätten dem BF vorgehalten, dass er bei ISAF arbeiten würde. Sie hätten ihm auch ein Foto von ihm gezeigt. Die Taliban hätten die Brüder geschlagen und von diesen gefordert, dass sie für diese arbeiten sollten. Als sich die Brüder noch immer gewehrt hätten, hätten die Taliban den Bruder des BF mit einem Messer mit dem Tod bedroht, woraufhin der BF zugestimmt habe, für dies tätig zu werden, um seinen Bruder zu retten. Gegen 02.30 Uhr in der Früh, die Taliban seien alle benommen und "zugekifft" gewesen, habe der BF die Füße seines Bruders mit den Zähnen entfesselt, und dieser habe die Füße des BF entfesselt. Als sie aus dem Unterschlupf hinausgekommen seien, hätten sie bemerkt, dass sie sich auf einem Berg befunden hätten. Sie seien diesen hinuntergerutscht, dabei habe sich der Bruder des BF den Fuß gebrochen. Er habe vor Schmerzen laut aufgeschrien, was die Taliban mitbekommen hätten. Der BF habe seinen Bruder zurückgelassen und sei ca. 20 Minuten lang über die Felder gelaufen, bis er zu einer Straße gekommen sei. Dort habe er einen LKW gestoppt und sei mit diesen bis nach Kabul, genauer nach XXXX gefahren. Als er dort angekommen sei, habe er weder Handy noch Geld gehabt, da die Taliban ihm alles weggenommen hätten. Er habe einen Freund gebeten, seinen Bruder anzurufen, der ihm mitgeteilt habe, dass er im Krankenhaus sei. Er werde in ein paar Stunden mit der Schwester nach Kabul kommen. Die Taliban hätten ihn weiter geschlagen und missbraucht. Nach ein paar Stunden habe er die Schwester gebracht, da seine Mutter gesagt habe, dass es für ihn und seine Schwester nicht mehr sicher sei in Afghanistan. Daher sei er geflohen. (vgl. AS 103)

Bei seiner Befragung vor dem BVwG schilderte der BF den Vorfall ausführlicher, jedoch mit einigen, durchaus widersprüchlichen Details. So gab er an, dass er mit seinem Bruder von hinten im Bazar angegriffen worden sei, und beide dann "ein bis zwei Minuten bewusstlos" gewesen seien. Einige Sätze weiter führt er aus: "In den Tüchern war scheinbar ein Mittel, welches dazu geführt hat, dass wir unser Bewusstsein verloren haben. Ich weiß nicht, wann es war. Es war in der Nacht. Wir sind dann wieder zu uns gekommen." (vgl. S 15 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Entweder waren die beiden Brüder nur kurz bewusstlos, oder für Stunden, denn der vorgebliche Überfall am Bazar soll gegen Mittag stattgefunden haben, und der BF sei dann erst in der Nacht wieder zu sich gekommen. Allein schon in dieser Aussage liegt ein Widerspruch, der dafür spricht, dass die Schilderungen des BF nicht erlebnisbasiert sind. Er erwähnte zudem nicht mehr, dass die Taliban ein Foto von ihm gezeigt hätten, wie er dies noch bei der belangten Behörde behauptete. Dafür steigerte er sein Vorbringen, in dem er ausführte:

"Ich soll den Taliban ab nun auch sagen, was sie über die Taliban reden, und wohin sie wann gehen", und "Man sagte mir auch, wenn ich die Absicht habe, woanders hin zu flüchten, wenn ich in eine andere Provinz oder andere Stadt Afghanistans flüchten sollte, werden sie mich finden. Sie werden mich auch finden, wenn ich in ein anderes islamisches Land flüchten sollte." (vgl. S 15 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Er spricht auch nicht mehr davon, dass die Taliban in der Nacht benommen und "zugekifft" gewesen seien, sondern dass diese sich vor den Eingang hingelegt hätten, und dort geschlafen hätten. (vgl. S 15 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Erst über Nachfragen schilderte der BF, wie er und sein Bruder freigekommen sein wollen, dabei gab der BF an, dass er nur an den Händen gefesselt gewesen sei. (vgl. S 18 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Er schilderte den weiteren Ablauf wie folgt: "Sie haben geschlafen. Ich bin dann leise zu meinem Bruder gegangen, er hat neben mir geschlafen. Ich habe seine Hände befreit. Nachdem ich seine Hände befreit habe, hat er meine Hände befreit. Er hat dann seine Füße befreit, danach konnten wir sehr leise von dort flüchten." (vgl. S 18 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Über Vorhalt durch die erkennende Richterin, dass er zu diesem Punkt eine andere Angabe vor der belangten Behörde gemacht habe, führte der BF aus: "Das stimmt, mir waren die Hände und die Beine gefesselt worden, als dann die Taliban vor mir standen, und mir Wasser auf mein Gesicht gespritzt haben, und ich wieder zu mir gekommen bin, waren immer noch meine Hände und Füße gefesselt. Ich habe versucht, mehrfach mit meinen Zähnen die Fesseln an den Händen zu lösen. Ich schaffte es, den Knoten etwas locker zu machen. Nachdem der Knoten locker wurde, habe ich dann mit meinen Händen die Fesseln gelöst. Dann konnte ich seine Hände befreien und er seine Füße. Danach konnten wir flüchten" (vgl. S 18f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Es liegen somit drei verschiedene Varianten vor, wie der BF und sein Bruder sich aus der behaupteten Entführung durch die Taliban befreit haben wollen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei einem derart einschneidenden Erlebnis, wie es eine Flucht aus einer Entführungssituation ist, sich ein Mensch nicht mehr daran erinnern kann, wie er letztendlich tatsächlich freikam. Diese unterschiedlichen und widersprüchlichen Aussagen sprechen vielmehr dafür, dass der BF diese Situation nicht selbst erlebte, sondern sich eine Geschichte zurechtlegte, um seine Flucht möglichst plausibel darzustellen. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen.

Auch bei der Schilderung der weiteren Flucht durch den BF und seinen Bruder gibt es widersprüchliche Aussagen des BF. Im Gegensatz zu seinen Ausführungen bei der belangten Behörde, spricht der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht mehr davon, dass er und sein Bruder "den Berg hinuntergerutscht" seien, sondern, dass sie "vom Berg abgestiegen" seien, und sein Bruder bei einem Stein angekommen sei. Er führt zwar aus, dass sein Bruder mit seinem Bein nicht mehr weitergehen könne, von einem Beinbruch des Bruders erzählt der BF vor dem BVwG nichts mehr. (vgl. S 15f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Während er nach seinen Angaben vor der belangten Behörde in weiterer Folge "über die Felder gelaufen" sei, führt er vor dem BVwG aus, dass er in "Richtung Wald gelaufen" sei. (vgl. S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Auch diese widersprüchlichen Aussagen ergeben das Bild, dass der BF die geschilderten Vorfälle nicht erlebt haben kann, sondern sie erfunden hat, um ein Fluchtvorbringen zu konstruieren. Es macht einen Unterschied, ob eine Mensch auf der Flucht durch einen Wald oder über ein Feld läuft, vor allem ist anzunehmen, dass man sich daran auch noch nach Jahren erinnern kann, falls eine Person dies tatsächlich erlebte.

Auch die weiteren Schilderungen darüber, wie es dazu kam, dass er mit seiner Schwester in weiterer Folge aus Afghanistan floh, schilderte der BF durchaus unterschiedlich. Während er in seiner freien Erzählung vor dem BVwG nicht erwähnte, dass sein Bruder im Krankenhaus gewesen sei, sondern dies erst über ausdrückliches Nachfragen der erkennenden Richterin schilderte, führte er dazu vor der belangten Behörde bereits im Zuge der Schilderung seiner Fluchtgründe aus. Wie schon unter 2.1 näher ausgeführt, verstrickte er sich auch in Widersprüche darüber, von wem er erfahren haben will, dass sein Bruder von den Taliban missbraucht worden sei. Auch hinsichtlich der zeitlichen Angabe, wann er seinen Bruder XXXX aus Kabul angerufen haben will, verwickelte der BF sich in Widersprüche (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung)

Das Fluchtvorbringen des BF ist daher aufgrund der vielen widersprüchlichen Aussagen und insbesondere aufgrund des Umstandes, dass diese Erzählungen nicht erlebnisbasiert sind, nicht glaubhaft. Hinzu kommt, dass der BF, wie auch bereits sehr ausführlich unter

2.1 zu seinen persönlichen Verhältnissen dargestellt, nicht bei ISAF gearbeitet hat, bzw. es ihm nicht gelungen ist, dies glaubhaft zu machen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, welches Interesse die Taliban gehabt haben sollen, den BF, der ein Zivilist ist, und, entgegen seinen Angaben, in keiner exponierten und damit für die Taliban interessanten Position tätig war, entführen hätten sollen. Insbesondere ist es dem BF nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die Taliban von ihm gewollt hätten, dass er für sie spioniere.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF den als Fluchtvorbringen geschilderten Vorfall, genauer die Entführung durch die Taliban, tatsächlich erlebte. Dafür spricht auch, dass der BF gegen Ende der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausführte: "Ich möchte noch hinzufügen, dass wenn 2 oder 3 Sachen, die ich bereits bei meiner Ersteinvernahme angegeben habe, mit dem was ich heute gesagt habe, nicht zutreffen, dann wird das davon abhängen, dass ich etwas gestresst und nervös bin, denn ich befinde mich derzeit in Untersuchungshaft. Falls ich Fehler gemacht habe, möchte ich mich entschuldigen." (vgl. S 20 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Dem BF war demnach durchaus bereits in der mündlichen Beschwerdeverhandlung bewusst, dass er sich bei seiner Aussage in Widersprüche verstrickte, und aus diesem Grund an der Glaubwürdigkeit seiner Person begründete Zweifel bei der erkennenden Richterin bestehen.

Im Lichte der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen kann daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der BF ins Visier der Taliban geriet, und dass von diesen eine Bedrohung, welcher Art auch immer, für den BF ausgehen könnte.

Es ist ihm demgemäß auch nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Bedrohung psychischer oder physischer Natur aus Gründen, wie sie in der GFK näher ausgeführt sind, droht.

2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt. (vgl. S 12f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung)

Die Feststellung, dass der BF sich derzeit wegen eines Drogendeliktes in Untersuchungshaft befindet und gegen ihn eine Verfahrensordnung nach § 13 AsylG erlassen wurde, beruht auf den von der belangten Behörde am 07.09.2018 übermittelten Unterlagen (OZ 9).

Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr seine Herkunftsprovinz Kapisa, genauer in seinen Herkunftsdistrikt XXXX, allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.

Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif zurückzukehren. Er verfügt zwar in dieser Stadt über kein soziales Netzwerk, er ist jedoch erwachsen, gesund und arbeitsfähig. Er besuchte zwölf Jahre lang die Schule und hat eine fundierte Ausbildung in Informatik, spricht mehrere Sprachen, darunter Paschtu, Englisch und Deutsch, und hat bereits Berufserfahrung gesammelt.

Die Stadt Mazar-e Sharif entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Die Provinz Balkh zählt nach den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen zu den stabilsten Provinzen Afghanistans. Die Provinz Balkh hat - im Vergleich zu den anderen Provinzen - weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Die Sicherheitslage in der Provinz Balkh hat sich, wie aus den ziti

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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