TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/5 I403 2143815-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2018
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Entscheidungsdatum

05.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2143815-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH (ARGE Rechtsberatung), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2016, Zl. 1068672200-150513108, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen den ersten Spruchteil des Spruchpunktes

III. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt."

III. Die Beschwerde gegen den zweiten Spruchteil des Spruchpunktes

III. wird als unbegründet abgewiesen.

IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich des dritten Spruchteils des Spruchpunktes III. stattgegeben und dieser dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat: "Es wird gemäß § 50 FPG festgestellt, dass die Abschiebung von XXXX in den Irak unzulässig ist."

V. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 16.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 17.05.2015 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, er habe im Irak als Gefängniswärter gearbeitet und sei von Anhängern des Islamischen Staates (im Folgenden: IS) und von der Miliz "Al-Mahdi" bedroht worden. Wie ihm in einem Drohbrief angekündigt worden sei, sei am 01.08.2013 das Gefängnis, in welchem der Beschwerdeführer tätig gewesen sei, in die Luft gesprengt worden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Frau geflohen.

Der Beschwerdeführer wurde am 18.12.2015 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er im Zentralgefängnis in der Nähe von Bagdad gearbeitet habe, in welchem sowohl Führer des IS als auch der Al Mahdi-Armee inhaftiert gewesen seien. Am 25.07.2013 sei das Gefängnis von der IS angegriffen worden und Häftlinge hätten fliehen können. Am 27.07.2013 habe der Beschwerdeführer einen Drohbrief erhalten, in welchem er zur Kooperation aufgefordert worden sei, andernfalls man ihn töten würde. Am 29.07.2013 habe er einen zweiten Drohbrief mit einer Patrone von der Al Mahdi-Armee erhalten, verbunden mit der Aufforderung, sofort sein Haus zu verlassen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Anzeige bei der Polizei erstattet und sei mit seiner Frau ausgereist.

Mit Bescheid des BFA vom 16.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen den am 17.12.2016 zugestellten Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 30.12.2016 in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Es wurde vorgebracht, die belangte Behörde sei aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens sowie mangelhafter Beweiswürdigung zu einer inhaltlich rechtswidrigen Entscheidung gelangt. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, die angefochtene Entscheidung beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, feststellen, dass die Abschiebung in den Irak auf Dauer unzulässig ist sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und an das BFA zurückverweisen.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.01.2017 vorgelegt. Am 27.06.2018 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Am 19.11.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen wiederholte. Er legte verschiedene ärztliche Bestätigungen vor und erklärte, dass seine im Irak befindliche Ehefrau in der Zwischenzeit verstorben sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Muslim der sunnitischen Glaubensrichtung. Der Beschwerdeführer ist in Bagdad geboren und aufgewachsen. Er hat im Irak einen Universitätsabschluss erworben. Der Beschwerdeführer war im Irak als Mechaniker tätig; ob er bis 2013 auch als Angestellter des Justizministeriums gearbeitet hat, kann nicht abschließend festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verließ den Irak im Oktober 2013 mit dem Ziel, in Australien einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Im Herbst 2014 kehrte er in den Irak zurück, wo er sich im Dezember 2014 einer Herzoperation, im Zuge derer ihm zwei Stents gesetzt wurden, unterzog. Im April 2015 verließ er neuerlich den Irak und gelangte im Mai 2015 nach Österreich.

Der Beschwerdeführer war verheiratet; seine Ehefrau verstarb am 17.04.2017 aufgrund von Nierenproblemen im Irak. Die Geschwister des Beschwerdeführers leben in Australien, Neuseeland und in Dubai. Eine Schwester befindet sich noch im Irak, sie lebt in Bagdad.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und zur medizinischen Versorgung im Irak:

Der Beschwerdeführer leidet unter einer koronaren Herzerkrankung; im Dezember 2014 bekam er im Irak zwei Stents gesetzt. Zudem leidet er an Hypertonie, Hypercholesterinämie, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Diabetes mellitus Typ 2 und an einer Depression.

Dem Beschwerdeführer wurden die folgenden Medikamente verschrieben:

Metroprololsuccinat (Stada 47,5 mg; blutdrucksenkende Wirkung); Synjardy (5mg/850mg; Arzneimittel zur Behandlung der Typ-2-Diabetes); Dancor (wird zur Vermeidung oder Linderung der schmerzhaften und belastenden Symptome einer Herzkrankheit eingesetzt); Pantoprazol (Magenschutz); Foster 100/6 (Sprühdose; erleichtert das Atmen durch die Linderung von Symptomen wie Kurzatmigkeit, pfeifende Atemgeräusche und Husten bei Patienten mit Asthma oder COPD); Thrombo Ass (100mg; zur Verminderung des Herzinfarktrisikos bei Patienten mit Angina pectoris); Lisinopril "1a Pharma" (10mg; blutdrucksenkende Wirkung); Sortis (40mg; reguliert Blutfette); Pramulex (Antidepressiva); Mirtabene (Antidepressiva).

Eine regelmäßige Einnahme dieser Medikamente ist für den Beschwerdeführer notwendig.

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak ist zur medizinischen Versorgung Folgendes zu entnehmen:

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Geschätzte 75 Prozent der Ärzte, Pharmakologen und Krankenpfleger haben seit 2003 ihre Arbeit niedergelegt, wodurch ein massiver Versorgungsmangel entsteht. In Bagdad arbeiten daher viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität.

Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Korruption ist verbreitet. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen. Die Jahre des bewaffneten Konflikts haben das Gesundheitssystem ernsthaft deformiert und im Irak gibt es beträchtliche Lücken bei der Bereitstellung von medizinischen Leistungen, auch wenn es regionale Unterschiede gibt. In Konfliktzonen sind viele Gesundheitseinrichtungen außer Betrieb oder zerstört.

Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich. Das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung die Kosten für die medizinischen Dienstleistungen übernimmt und dem Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung stellt. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak hindert den Staat jedoch daran, die allgemeine Gesundheitsversorgung der Bevölkerung abzudecken. Der private Sektor bietet ebenfalls heilmedizinische Leistungen an, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) für ärmere Familien kostspielig sein.

1.3. Zu den Fluchtmotiven und zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Irak vom IS, von Milizen oder von staatlichen Behörden verfolgt wird. Sein Vorbringen, wegen seiner Tätigkeit im Gefängnis XXXX verfolgt zu werden, ist nicht glaubhaft, war es doch von Widersprüchen und Unstimmigkeiten geprägt.

Der Beschwerdeführer verfügt, abgesehen von seiner Schwester, deren Aufenthaltsort er nicht kennt, über keine familiären Anknüpfungspunkte im Irak, den er erstmals bereits 2013 verlassen hatte. Während seines mehrmonatigen Aufenthaltes 2014/2015 konnte er keine neue Existenz aufbauen, befand er sich doch aufgrund seiner Herzoperation lange im Krankenhaus und schließlich im Nordirak, für den er aber nur kurzfristige Aufenthaltsberechtigungen für einen Zeitraum von zehn Tagen erhalten hatte.

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund der beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck von einer starken Einschränkung der Leistungsfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers aus. Es ist ferner davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines fehlenden familiären Netzwerkes und der allgemein instabilen Situation im Irak Schwierigkeiten hätte, sich eine grundlegende Existenz zu sichern. Der Beschwerdeführer gab an, 2015 für die Medikamente in Bezug auf seine Herzerkrankung rund 100 USD monatlich bezahlt zu haben. In der Zwischenzeit traten eine Diabeteserkrankung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und eine Depression zu seiner Grunderkrankung hinzu, so dass auch sein Bedarf an Medikamenten gestiegen ist.

Aus den obigen Länderfeststellungen, entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, ergibt sich, dass die medizinische Versorgungssituation im Irak angespannt bleibt und dass in Bagdad viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität arbeiten.

Für das erkennende Gericht ist, ungeachtet der grundsätzlich im Irak, insbesondere in Bagdad, vorhandenen allgemeinen Existenzmöglichkeiten für Rückkehrer, eine allenfalls erzwungene Rückkehr des Beschwerdeführers in die Heimat mittels Abschiebung angesichts der bei ihm ärztlich diagnostizierten physischen und psychischen Erkrankungen, welche zu einer Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit führen, in Verbindung mit der fehlenden familiären Anbindung, davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in eine sehr unsichere wirtschaftliche Situation geraten würde, welche ihm eine weitere Behandlung seiner Erkrankungen verunmöglichen würde. Diese Umstände fügen sich zu einem Bild zusammen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen und sich eine - zumindest grundlegende - Existenz zu sichern.

1.3. Zur allgemeinen Situation im Irak:

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak ist insbesondere Folgendes zu entnehmen:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten (darunter auch bewaffnete Milizen, die Popular Mobilisation Forces (PMF)) und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Nach ersten Erfolgen stand insbesondere der Kampf um Mossul im Vordergrund. Im Juli 2017 war Mossul vom IS befreit; im Dezember 2017 wurde offiziell erklärt, dass der IS besiegt sei. Allerdings gelingt es dem IS aktuell wieder in ländlichen Gebieten verstärkt Fuß zu fassen.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen solle, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden.

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen. Innerhalb der PMF scheinen aber die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte zu sein.

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem Ölschmuggel im großen Stil, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel.

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen.

Die in der Beschwerde zitierten Berichte aus dem Jahr 2014/2015 geben kein aktuelles Bild der Lage mehr wieder; soweit auf einzelne Selbstmordattentate verwiesen wird, ergibt sich daraus kein reales Risiko für den Beschwerdeführer. Es wird auch nicht verkannt, dass UNHCR in einer Position aus dem Jahr 2016 empfahl von Rückführungen in Gebiete, die unter Kontrolle des IS stehen bzw. standen, abzusehen. Dies betrifft aber nicht den aus Bagdad stammenden Beschwerdeführer.

Verschiedenen Medienberichten (zB http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/irak-hunderte-gefangene-von-islamistischen-aufstaendischen-befreit-12291162.html;

Zugriff am 16.11.2018) ist zu entnehmen, dass am 23.07.2013 die Haftanstalten in Abu Ghraib und XXXX von einem irakischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida erstürmt wurden; mehr als 500 Gefangene kamen frei und Dutzende Wachleute wurden getötet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Darüber hinaus wurde am 19.11.2018 im Beisein des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Herkunft sowie der Volkszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen diesbezüglich glaubhafte Angaben vor der belangten Behörde (Protokoll vom 18.12.2015). Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid allerdings von einer schiitischen Glaubensrichtung des Beschwerdeführers aus, wobei sie sich dabei auf das Protokoll der Erstbefragung zu stützen scheint (Protokoll vom 17.05.2015). Dabei wird negiert, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem BFA erklärt hatte, dass das Protokoll der Erstbefragung einige Fehler aufwies und dass er tatsächlich sunnitischen Glaubens sei. Diese Angabe wurde vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten und geht das Bundesverwaltungsgericht daher von einer Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft aus. Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten irakischen Reisepasses fest.

Der Familienstand des Beschwerdeführers ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde vom 21.11.2011; der Tod seiner Ehefrau durch die vorgelegte Sterbeurkunde.

Der Universitätsabschluss des Beschwerdeführers konnte aufgrund des vorgelegten Abschlusszeugnisses, ausgestellt von der Al-Mustansarya Universität, festgestellt werden. Dass er als Mechaniker tätig war, ergibt sich aus seiner entsprechenden Aussage vor dem BFA. Ob der Beschwerdeführer zudem für das Justizministerium tätig war, kann nicht abschließend festgestellt werden, es ist aber jedenfalls nicht glaubhaft, dass er im Gefängnis XXXX gearbeitet hat (siehe unten unter Punkt 2.4.).

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer im Irak am Herzen operiert und ihm zwei Stents gesetzt wurden, ergibt sich aus einem Operationsbericht des XXXX Hospital vom 09.12.2014; daneben findet sich im Akt auch eine Medikamenten-Verordnung vom selben Tag.

Die Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den von ihm vorgelegten ärztlichen Befunden.

Die koronare Herzerkrankung verbunden mit Hypertonie und Hypercholesterinämie ergibt sich aus dem Befundbericht eines Facharztes für Innere Medizin vom 02.06.2015, dem Befund des Landeskrankenhauses XXXX vom 01.08.2015, dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 24.04.2018 (nach einer Herzkatheteruntersuchung) und dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 18.08.2018.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nunmehr auch an Diabetes mellitus Typ 2 leidet, ergibt sich aufgrund eines vorgelegten Arztbriefes aus dem LKH XXXX vom 18.05.2017 und aus einer ärztlichen Bestätigung einer Allgemeinmedizinerin vom 15.11.2018.

In der mündlichen Verhandlung litt der Beschwerdeführer erkennbar unter schwerer Atemnot. Aus dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 18.08.2018 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer an COPD leidet, wodurch Lungenfunktion und Leistungsfähigkeit zunehmend eingeschränkt werden.

Einem ärztlichen Bericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 13.11.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an einer mittelgradigen depressiven Episode, basierend auf einer Belastungssituation (ICD-10 F32.1), leidet.

Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Verhandlung, ohne Medikamente nicht leben zu können. Gegen seine Herzprobleme habe er auch im Irak Medikamente verordnet bekommen (dies ergibt sich auch aus der Medikamentenliste aus dem Irak), doch habe er dafür etwa 100 USD im Monat zahlen müssen. Der ärztlichen Bestätigung einer Allgemeinmedizinerin vom 15.11.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine Medikamente regelmäßig einnehme und auf eine ständige medizinische Versorgung angewiesen sei. Dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 24.04.2018 ist unter anderem zu entnehmen, dass die lebenslange Einnahme von Thrombo Ass jedenfalls notwendig ist.

Die von ihm benötigten Medikamente ergeben sich aus dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 18.08.2018 bzw. 20.08.2018 (frühere Verschreibungen finden sich im Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 24.04.2018 sowie in Medikamentenverordnungsblättern vom 02.06.2015 und vom 16.12.2015). Vom Facharzt für Psychiatrie und Neurologie wurde ihm am 13.11.2018 zusätzlich Pramulex und Mirtabene verschrieben. Die Wirkung bzw. Einsatzgebiete der ihm verschriebenen Medikamente wurden aus der Medikamenten-Datenbank von Medikamio (abrufbar unter https://medikamio.com/de-at/medikamente; Zugriff am 27.11.2018) entnommen.

2.4. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte erklärt, nach Abschluss seines Studiums im Jahr 2007 begonnen zu haben, für das Justizministerium zu arbeiten. Seit 2011 sei er im Gefängnis XXXX tätig gewesen und habe dort eine Abteilung geleitet. Im Gefängnis seien Anhänger des Islamischen Staates und der Al-Mahdi-Armee inhaftiert gewesen. Am 25.07.2013 sei das Gefängnis vom IS gestürmt worden sei; danach habe er am 27.07.2013 einen Drohbrief des IS und am 29.07.2013 einen Drohbrief der Al-Mahdi-Armee erhalten.

Dieses Vorbringen wurde vom BFA im angefochtenen Bescheid für nicht glaubhaft befunden, und das Bundesverwaltungsgericht muss sich dieser Feststellung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung anschließen.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass im Laufe der Zeit die Erinnerung an konkrete Daten verschwimmen mag und sieht daher den Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung erklärt hatte, das Gefängnis sei am 01.08.2013 (und nicht wie den Medienberichten zu entnehmen ist am 23.07.2013) gestürmt worden, nicht als entscheidungswesentlich an. Allerdings schilderte der Beschwerdeführer den chronologischen Ablauf in der Erstbefragung gänzlich anders, meinte er doch gegenüber der Polizei, dass im Drohbrief gestanden sei, dass das Gefängnis bald gesprengt werde - dagegen hatte er dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht erklärt, dass er die Drohbriefe nach der Stürmung des Gefängnisses erhalten habe.

Auch sonst war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, sein Vorbringen glaubhaft zu machen; dies beginnt schon damit, dass seine Tätigkeit im Gefängnis zweifelhaft erscheint: Der Beschwerdeführer hatte zwar einen Dienstausweis des Justizministeriums, ausgestellt am 15.10.2012, gültig bis 15.10.2017, vorgelegt. Diesbezüglich muss aber einerseits berücksichtigt werden, dass laut Länderinformationsblatt im Irak jedes Dokument käuflich erworben werden kann, so dass nicht automatisch von einer Echtheit des vorgelegten Dokuments bzw. seines Inhalts ausgegangen werden kann. Zudem gab der Beschwerdeführer an, bei seiner Fahrt über das Mittelmeer all seine Dokumente verloren zu haben; in der mündlichen Verhandlung meinte er zunächst, er habe sich die Dokumente von seinen Eltern, bei denen er Kopien zurückgelassen habe, nachschicken lassen. Allerdings hatte der Beschwerdeführer zuvor immer erklärt, dass seine Eltern bereits seit vielen Jahren verstorben waren. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Verhandlung meinte er dann, er habe die Dokumente von einem Anwalt geschickt bekommen. Dies lässt die Darstellung, wie er zu diesen Dokumenten gekommen war, wenig plausibel erscheinen. Außerdem mag der Beschwerdeführer tatsächlich beim Justizministerium angestellt gewesen sein; dass er, wie von ihm behauptet, Abteilungsleiter im Gefängnis XXXX war, ist allerdings unabhängig von einer etwaigen Tätigkeit für das Justizministerium nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer war in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, seine Tätigkeit anschaulich und widerspruchsfrei zu schildern. So erklärte er zunächst, er sei für die Türme Nummer 12 und 13 zuständig gewesen. Eine halbe Stunde später meinte er dann in der Verhandlung, er habe Turm 13 und 14 unter seiner Kontrolle gehabt. Er widersprach sich auch selbst, indem er zuerst meinte, der Gefängnisdirektor habe XXXX geheißen und er wisse dessen Nachnamen nicht und dann - nach Vorhalt, dass es unwahrscheinlich sei, dass er den Nachnamen des Gefängnisdirektors nicht wisse - dass dieser nur stellvertretender Leiter gewesen sei. Auch in diesem Fall erscheint es im Übrigen unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer dessen Nachnamen nicht kennen würde. Zu seiner Tätigkeit vermochte der Beschwerdeführer nur zu sagen, dass er 15 Mitarbeiter gehabt habe und man die Inhaftierten in Empfang genommen und zum Abtransport gebracht habe. Diese Angaben waren sehr vage und entstand in der mündlichen Verhandlung nicht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer seinen früheren Arbeitsalltag beschrieb.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht im Gefängnis XXXX als Abteilungsleiter angestellt war. Die von ihm behauptete Verfolgung als solche ist ebenfalls nicht glaubhaft, dies aus den folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer hatte zwei Schreiben vorgelegt und erklärt, dabei handle es sich um Drohbriefe, die er erhalten habe. Zudem hatte er auch eine Anzeige bei der Polizei vom 05.08.2013 vorgelegt. Wie bereits erwähnt gibt es im Irak generell keine Dokumentensicherheit.

Der Beschwerdeführer gab auch unterschiedliche Erklärungen dazu ab, warum er verfolgt worden sein sollte. In beiden vorgelegten Drohbriefen wird der Beschwerdeführer - einmal vom Islamischen Staat, einmal von der Al-Mahdi Armee - aufgefordert, seine Arbeitsstelle zu verlassen, da er die Gefangenen gefoltert bzw. gedemütigt habe. In der Beschwerde wurde dies noch stärker betont:

"Hätte die Behörde hierbei weiter nachgefragt, hätte der BF erklären können, dass er gezwungen war, die Häftlinge schlecht zu behandeln und auch zu foltern, weshalb diese nun Rache übern würden, insbesondere da sie seit dem Angriff auf das Gefängnis frei sind. Hätte er diese Befehle nicht ausgeführt, hätte er seinen Arbeitsplatz verloren. Es war ein Befehl seines Vorgesetzten." Die Verfolgung wäre daher als Rache der aus dem Gefängnis entflohenen Inhaftierten, die vom Beschwerdeführer gefoltert worden waren, zu verstehen. In der mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 erklärte der Beschwerdeführer dagegen, dass es im Gefängnis XXXX keinerlei Folter gegeben habe, die Inhaftierten seien nur "Gäste" gewesen und es habe auch Menschenrechtsorganisationen im Gefängnis gegeben. Er habe nie jemanden gefoltert. In diesen Darstellungen liegt ein unauflöslicher Widerspruch. In der mündlichen Verhandlung legte er dann erstmals dar, dass er bedroht sei, weil er über viele Geheiminformationen verfügen würde. Der Justizminister stecke hinter dem Angriff auf das Gefängnis; der Gefängnisdirektor und die anderen Abteilungsleiter würden den IS-Angriff als Ablenkungsmanöver geplant haben, um die Gefangenen zu befreien. Abgesehen davon, dass es unwahrscheinlich erschiene, dass in den Besprechungen derart offen ein Gefängnisausbruch kommuniziert wurde, wurde dies vom Beschwerdeführer vorher nie erwähnt. Insgesamt konnte der Beschwerdeführer daher nicht konsistent und glaubhaft darlegen, was das Motiv seiner Verfolgung sein soll.

Der Beschwerdeführer blieb auch vor dem BFA sehr vage, wenn es um die Frage einer konkreten Verfolgung in der Zukunft ging, wie der Ausschnitt aus dem Einvernahmeprotokoll vom 18.12.2015 zeigt:

"F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Ja, ich habe meine Arbeit verlassen, deswegen werde ich von der Regierung gesucht.

Vorhalt: Sie sind freiwillig zurückgekehrt.

A: Ich bin doch nicht gesucht."

In der Beschwerde wurde nochmals behauptet, dass der Beschwerdeführer durch seine Flucht den weiteren Dienst in der Haftanstalt verweigert habe und ihm daher eine Gefängnisstrafe drohe. Dem steht erstens entgegen, dass der Beschwerdeführer selbst gemeint hatte, dass er doch nicht gesucht werde und zweitens dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr von Australien (bzw. von Manus Island, da ihm die Einreise nach Australien verweigert worden war) fünf Monate im Irak aufhielt; er hatte dem BFA erklärt, dass es in dieser Zeit keine Übergriffe gegen seine Person gegeben habe. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er sich versteckt hielt, wurde er doch in einem öffentlichen Krankenhaus am Herzen operiert. In der Beschwerde wurde erklärt, der Beschwerdeführer habe sich bei seiner Schwester versteckt gehalten, weswegen diese Probleme mit der Al Mahdi Armee bekommen habe. Dagegen sagte er in der mündlichen Verhandlung, dass er bei einem Freund in der Umgebung von Bagdad gewesen sei; dann sei er zwei Monate in einem Krankenhaus gewesen, ehe er sich - mit einem immer nur für zehn Tage ausgestellten Visum - in Erbil aufgehalten habe. Erst nachdem er von der erkennenden Richterin darauf angesprochen wurde, dass er Fotos eines abgebrannten Hauses vorgelegt hatte, meinte er dann, er sei im April 2015 mehrfach bei seiner Schwester gewesen, deren Haus aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ihm niedergebrannt worden sei.

In der Beschwerde wurde dann noch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer die Todesstrafe drohen könnte, da die Regierung ihm eine Zusammenarbeit mit dem IS unterstellen könnte, "da er des Öfteren von diesen angesprochen worden ist." Ein Kontakt mit dem IS - abgesehen von seiner (nicht glaubhaften) Rolle als Gefängniswärter und dem Drohbrief - wurde vom Beschwerdeführer aber nie behauptet. In der mündlichen Verhandlung meinte er zwar einmal, dass man ihm vorwerfen würde, dass er die Gefangenen freigelassen habe, was aber vollkommen unsubstantiiert ist, nachdem der Beschwerdeführer seinen Angaben nach zum Zeitpunkt des Überfalls auf das Gefängnis XXXX auf Urlaub war und eine Anzeige in Bezug auf die Drohbriefe bei der Polizei erstattete. Insgesamt erscheint es nicht glaubhaft, dass man ihm eine Beteiligung an dem Sturm auf das Gefängnis vorwerfen würde. Eine Verfolgung durch die staatlichen Behörden ist daher nicht glaubhaft.

In der Beschwerde wurde dann noch eine versuchte Zwangsrekrutierung durch die Al-Mahdi Armee behauptet. Diesbezüglich wurde aber nie ein konkretes Vorbringen erstattet. In Hinblick auf die Widersprüche, in die sich der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens verstrickte, stellt sich das gesamte Vorbringen zu den Fluchtgründen als unglaubhaft dar.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist der Beschwerdeführer aber als eine besonders vulnerable Person einzuschätzen und besteht die reale Gefahr, dass er im Falle einer Rückkehr in den Irak in eine Notlage geraten würde. Der Beschwerdeführer verließ den Irak bereits 2013 und war seither nur für einige Monate im Irak, in denen er aber keine gefestigte Existenz aufbauen konnte. Von einer familiären Unterstützung im Fall der Rückkehr kann nicht ausgegangen werden, gibt er doch an, den Kontakt zu seiner Schwester verloren zu haben. Der Beschwerdeführer hat zwar in der Vergangenheit unter anderem als Mechaniker gearbeitet, doch ist er aufgrund seiner psychischen und gesundheitlichen Situation nur eingeschränkt erwerbsfähig.

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die gesundheitliche und medikamentöse Versorgung in Bagdad, wie auch im Rest des Landes stark eingeschränkt ist. In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer glaubhaft dar, dass er auf die Medikamente angewiesen sei. Selbst wenn im Irak eine Medikation gegen die organischen und psychischen Erkrankungen des Beschwerdeführers erhältlich wäre, ist zweifelhaft, dass diese für den Beschwerdeführer finanziell zugänglich wäre. Aufgrund der Erkrankungen des Beschwerdeführers, verbunden mit einer Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit, dem Verlust der Bindungen an seinen Herkunftsstaat und seiner mehrjährigen Abwesenheit ist angesichts der unzureichenden medizinischen Versorgung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in eine aussichtlose Situation im Sinne einer Existenzbedrohung geraten würde.

Diese Umstände fügen sich zu einem Bild zusammen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak kaum in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen und sich eine grundlegende Existenz zu sichern.

2.5. Zu den Länderfeststellungen:

Für die oben getroffenen Feststellungen zur medizinischen Versorgung bzw. zur allgemeinen Lage im Irak wurde auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zurückgegriffen; den Feststellungen wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.

Bei den für das Länderinformationsblatt ausgewählten Quellen handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Irak zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material.

Darüber hinaus wurden auch die mit der Beschwerde vorgelegten Berichte und öffentlich zugängliche Medienberichte zum Sturm der Gefängnisse im Irak im Jahr 2013 berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie in der Beweiswürdigung bereits dargestellt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner Tätigkeit im Gefängnis XXXX im Falle einer Rückkehr von Mitgliedern des Islamischen Staates, der Miliz Al Mahdi-Armee oder dem Staat Irak verfolgt werden würde. Sein entsprechendes Vorbringen war widersprüchlich und nicht plausibel. Eine konkrete Verfolgung seiner Person aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe konnte für den Fall der Rückkehr in den Irak nicht glaubhaft gemacht werden.

Daher ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Irak keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017) lautet:

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 21.02.2017, Ro 2017/18/005). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien, C-542/13, klargestellt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht automatisch zur Gewährung des Status von subsidiärem Schutz nach Art 15 der Status-Richtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) führt. Konkret führt er in Rz 40 aus: "Der Umstand, dass ein an einer schweren Krankheit leidender Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in absoluten Ausnahmefällen nicht in ein Land abgeschoben werden kann, in dem keine angemessene Behandlung vorhanden ist, bedeutet deswegen aber nicht, dass es ihm erlaubt werden muss, sich auf der Grundlage des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten." Subsidiärer Schutz nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten verursacht werden muss und nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist. Zugleich hielt der EuGH in dieser Entscheidung auch fest, dass es unionsrechtlich unzulässig sei, den in der Statusrichtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen.

Die in dem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien vom EuGH entwickelten Grundsätze wurden im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 aufgenommen und festgestellt, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH umgesetzt habe.

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspriche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

Zur Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts hat der EuGH zuletzt in der Rechtssache C-384/17 vom 04.10.2018 (Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic M&N gegen Budapest Rendorfokapitanya) festgelegt, dass von Gerichten alles zu tun sei, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wobei dies seine Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen finde und nicht als Grundlage einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe. Wenn eine konforme Auslegung nicht möglich sei, sei das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lasse, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führe.

Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist daher nach den Kriterien des Art. 15 der Statusrichtlinie zu prüfen.

Artikel 15 der Statusrichtlinie, der die Voraussetzung für die Vergabe des Status eines subsidiär Schutzberechtigten festlegt, lautet:

Als ernsthafter Schaden gilt

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer weder durch die Todesstrafe noch durch einen bewaffneten Konflikt bedroht. In Bagdad herrscht kein Bürgerkrieg und keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Art 15 lit. a bzw. c der Statusrichtlinie sind nicht erfüllt.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist, ist es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht wird. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzungen von Art. 3 EMRK.

Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status des Asylberechtigten festgestellt wurde, ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer von Milizen, dem Islamischen Staat oder der Regierung bedroht wäre. Eine Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung durch das konkrete Handeln (auch im Sinne von Unterlassungshandlungen) dritter Personen kann daher gegenständlich nicht festgestellt werden.

Der Europäische Gerichtshof stellte in seinem Urteil vom 24.04.2018 in der Rs C-353/16, MP fest, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung absichtlich verweigert würde, keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein könne, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Beschwerdeführer brachte nie vor, dass gerade ihm aus einem bestimmten Grund eine medizinische Versorgung verweigert werden würde, vielmehr ergibt sich eine Gefährdung seiner Person aufgrund der aktuell allgemeinen Unzulänglichkeiten des irakischen Gesundheitssystems und seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit und der damit einhergehenden finanziellen Beschränkung.

Dem Beschwerdeführer war daher angesichts der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes und der jüngst dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 57 und 55 AsylG (erster Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind gegenständlich nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichthof hat in seinem Erkenntnis vom 15.03.2016, Ra 2015/21/0174, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen. Da (siehe Punkt 3.4.) gegenständlich eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, war der Spruchpunkt III. entsprechend abzuändern.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. - im Umfang des ersten Spruchteiles - des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen, allerdings mit der Maßgabe, dass keine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005" zuzuerkennen war und § 55 AsylG 2005 keine Erwähnung mehr findet.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (zweiter Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich.

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von dreieinhalb Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; der Beschwerdeführer hat zwar begonnen Deutsch zu lernen, doch kann insbesondere angesichts des Fehlens eines Familienlebens in Österreich und der erst dreieinhalbjährigen Aufenthaltsdauer nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Beim Beschwerdeführer liegt eine besondere Vulnerabilität vor; er leidet an verschiedenen Erkrankungen, die seine Erwerbsfähigkeit nachhaltig mindern, und verfügt über kein stabiles familiäres Netzwerk im Irak. Es ist daher durchaus mit existentiellen Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang und einer unzureichenden medizinischen Versorgung zu rechnen. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und der fehlenden familiären Anbindung im Bundesgebiet vermag dieser Aspekt aber keine entscheidende Verschiebung zugunsten seiner privaten Interessen zu bewirken. Die "unmenschliche Behandlung" einer Person, welche aus einer aussichtslosen existenzbedrohenden Lage resultiert, wird in der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Art. 3 geschützt. Im Rahmen der Prüfung der durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte sind das Interesse an der Fortführung einer Therapie und medizinischen Behandlung bzw. das Interesse an einer sozialen Absicherung zwar in der Abwägung zugunsten des Fremden zu berücksichtigen, doch vermögen sie nicht für sich genommen die Interessensabwägung des § 9 Abs. 2 BFA-VG, die ja auch die Aspekte der Aufenthaltsdauer, des Familienlebens und des Grades der Integration im Bundesgebiet umfasst, zugunsten des privaten Interesses des Drittstaatsangehörigen zu entscheiden. Im Falle des Beschwerdeführers, der kein Familienleben in Österreich führt, hier erst seit dreieinhalb Jahren aufhältig ist und auch kein besonders schützenswertes Privatleben entwickelt hat, ist daher trotz der zu erwartenden Schwierigkeiten für den Fall einer Rückkehr in den Irak von keinem Überwiegen seiner privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung auszugehen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des zweiten Spruchteiles des Spruchpunktes III. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.5. Zur (Un)Zulässigkeit der Abschiebung (dritter Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides):

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz (FPG) festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak zulässig ist.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH, 24.05.2016, Ra 2016/21/0101 oder 04.08.2016, Ra 2016/21/0209), wonach die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in der Regel zu unterbleiben hat, auf die frühere Rechtslage (vor der Änderung des § 52 Abs. 9 FPG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017) bezog.

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

§ 50 FPG lautet:

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Proto

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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