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72/14 Hochschülerschaft;Norm
HSG 1973 §15 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde der Wahlwerbenden Gruppe "Hier ankreuzen", vertreten durch Mag. M in W, dieser vertreten durch Dr. Herbert Poinstingl, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorferstraße 57, gegen den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Einspruch gegen die Wahl des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Einspruch der Wahlwerbenden Gruppe "Hier ankreuzen" vom 22. Mai 1989 gegen die 1989 durchgeführte Wahl zum Zentralausschuss der Österreichischen Hochschülerschaft wird gemäß § 16 Abs. 12 des Hochschülerschaftsgesetzes 1973, BGBl. Nr. 309, in der Fassung BGBl. Nr. 390/1986, im Zusammenhalt mit § 42 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983, BGBl. Nr. 609/1982, in der Fassung BGBl. Nr. 153/1991, nicht stattgegeben; der Antrag, die Wahl für ungültig zu erklären, wird abgewiesen.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin brachte am 21. April 1987 einen Wahlvorschlag zu den Hochschülerschaftswahlen 1987 an die Wahlkommission bei der österreichischen Hochschülerschaft ein, der die Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe "Hier ankreuzen" trug. Als zustellungsbevollmächtigter Vertreter wurde M. namhaft gemacht. Mit Beschluss der Wahlkommission vom 27. April 1987 wurde der Wahlvorschlag dieser wahlwerbenden Gruppe zugelassen. In ihrer Sitzung vom 7. Mai 1987 beschloss die genannte Wahlkommission, vor die Worte "Hier Ankreuzen", das Wort "Liste" zu setzen.
Für den Zentralausschuss der Österreichischen Hochschülerschaft hat die wahlwerbende Gruppe in ganz Österreich 325 Stimmen erhalten, sodass bei einer Wahlzahl von 838 dieses Ergebnis zu keinem Mandat führte.
Bei der Wiederholungswahl 1989 wurde von der Wahlkommission mit Schreiben vom 2. Mai 1989 der Wahlvorschlag der Beschwerdeführerin wieder mit der Bezeichnung "Liste 'Hier Ankreuzen'" zugelassen. Die wahlwerbende Gruppe erhielt bei dieser Wahl in ganz Österreich 218 Stimmen; auch dieses Ergebnis führte zu keinem Mandatsgewinn.
Wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren bei der Hochschülerschaftswahl vom 9. bis 11. Mai 1989 erhob M. namens der beschwerdeführenden Partei mit Eingabe vom 22. Mai 1989 Einspruch gemäß § 42 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1982 (im Folgenden: HSWO 1983). Darin brachte er vor, die Wahlkommission habe durch ihre Zulassung eines Wahlvorschlages mit der Bezeichnung "Liste 'Hier Ankreuzen'", der von keiner wahlwerbenden Gruppe eingebracht worden sei, wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens der Hochschülerschaftswahlordnung verletzt. Die Beschwerdeführerin führte abschließend aus, sie fechte aus diesen Erwägungen die Hochschülerschaftswahl 1989 an und beantrage, sie für ungültig zu erklären.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. September 1990, Zl. 64 552/5-15/90, wurde wie folgt entschieden:
"1. Die Entscheidung der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft, die wahlwerbende Gruppe "Liste hier ankreuzen" zur Wahl zum Zentralausschuss der Österreichischen Hochschülerschaft 1989 zuzulassen, wird gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1983, aufgehoben.
2. Der Wahlvorschlag der wahlwerbenden Gruppe "hier ankreuzen", für die Hochschülerschaftswahl 1989, ist gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 lit. a der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1983, ungültig."
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Wahlkommission habe ohne gesetzliche Grundlage den Wahlvorschlag "Hier ankreuzen" auf "Liste hier ankreuzen" geändert, ohne die Erfordernisse des § 11 HSWO zu beachten. Diese Entscheidung der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft habe daher aufgehoben werden müssen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG habe die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden und sei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß die angefochtene Entscheidung in jede Richtung abzuändern. Gemäß § 10 Abs. 3 lit. a HSWO habe jeder Wahlvorschlag die Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe zu enthalten. "Hier Ankreuzen" könne aber nicht als Unterscheidungsmerkmal, sondern müsse vielmehr als eine Handlungsanleitung aufgefasst werden, die an die Erfüllung des Tatbestandes des § 263 StGB heranreiche, wonach, wer durch Täuschung über Tatsachen bewirke oder zu bewirken versuche, dass ein anderer bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irre oder gegen seinen Willen eine ungültige Stimme abgebe, zu bestrafen sei. Die Worte "Hier Ankreuzen" könnten zu einer Täuschung oder Verunsicherung der Wähler führen und seien keineswegs als Bezeichnung im Sinne des § 10 Abs. 3 lit. a HSWO anzusehen. Sie bedeuteten ihrem Wortlaut nach, dass der betreffende Wahlberechtigte den amtlichen Stimmzettel an einer bestimmten Stelle ausfüllen solle. Der eingebrachte Wahlvorschlag sei daher gemäß § 19 Abs. 1 HSWO ungültig. Nach § 42 Abs. 3 HSWO sei im Fall der Stattgebung eines Einspruches nach Abs. 1 und 2 leg. cit. eine Neuzuweisung von Mandaten vorzunehmen, was im vorliegenden Fall nicht notwendig sei, weil die wahlwerbende Gruppe "Liste hier ankreuzen" keine Mandate erlangt habe. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung der Art. 18 Abs. 1 und 83 Abs. 2 B-VG liege nicht vor.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zlen. 91/12/0186, 0222, den angefochtenen Bescheid im Umfang der Anfechtung (Spruchabschnitt 2) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die belangte Behörde hat in der Folge über den Einspruch der Beschwerdeführerin vom 22. Mai 1989 sowie über ihren Antrag, die Hochschülerschaftswahl vom 9. bis 11. Mai 1989 für ungültig zu erklären, nicht entschieden, sodass die nun vorliegende Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) zulässig ist.
Die belangte Behörde hat auch in der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten dreimonatigen Frist diese Entscheidung nicht nachgeholt.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin ist daher auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Beschwerdeberechtigt ist bei der Säumnisbeschwerde auch ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zlen. 91/12/0186, 0222, gestützt auf die Bestimmung des § 15 Abs. 9 HSG 1973 ausgeführt hat, kommt dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei auch nach Ablauf der Funktionsperiode des gewählten Organes der Hochschülerschaft rechtlich aktuelle Bedeutung zu. Danach hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob wegen der von ihr ausgesprochenen Verletzung von Bestimmungen des Wahlverfahrens die Wahl für ungültig zu erklären war oder nicht.
Gemäß § 16 Abs. 12 Hochschülerschaftsgesetz 1973 - HSG, BGBl. Nr. 309, in der Fassung BGBl. Nr. 390/1986, (im Folgenden: HSG 1973) können Einsprüche wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren binnen zwei Wochen nach der Kundmachung des Wahlergebnisses von jeder wahlwerbenden Gruppe beim Vorsitzenden der betreffenden Wahlkommission eingebracht werden. Einsprüche wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren für den Zentralausschuss sowie Berufungen gegen Entscheidungen der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft sind von dieser dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zur Entscheidung vorzulegen. Die Berufungsfrist beträgt zwei Wochen. Einem Einspruch (einer Berufung) ist stattzugeben und die Wahl für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt wurden und hiedurch die Mandatsverteilung beeinflusst werden konnte.
Gemäß § 42 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983, BGBl. Nr. 609/1982, in der Fassung BGBl. Nr. 153/1991, sind Einsprüche wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren für den Zentralausschuss sowie Berufungen gegen Entscheidungen der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft von dieser, nebst einer Stellungnahme hiezu, dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zur Entscheidung vorzulegen. Die Berufungsfrist beträgt zwei Wochen. Einem Einspruch (einer Berufung) ist stattzugeben und die Wahl für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt wurden und hiedurch die Mandatsverteilung beeinflusst werden konnte.
Durch den Spruchpunkt 1 des Bescheides der belangten Behörde vom 11. September 1990 wurde die Entscheidung der Wahlkommission über die Zulassung der Wahlwerbung unter einer von der beschwerdeführenden Partei abweichenden Bezeichnung rechtswirksam aufgehoben. Wie bereits ausgeführt, begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass die Wahlkommission den Wahlvorschlag ohne gesetzliche Grundlage und ohne die Erfordernisse des § 11 HSWO 1983 zu beachten, geändert habe. Da der Verwaltungsgerichtshof im fortgesetzten Verfahren über den Einspruch der Beschwerdeführerin an diese rechtskräftige Entscheidung gebunden ist, bleibt zu prüfen, ob im Sinne des § 16 Abs. 12 HSG 1973 durch die Änderung der Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe auch die Mandatsverteilung beeinflusst wurde.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die geringfügige Änderung der Bezeichnung der Beschwerdeführerin - "Hier ankreuzen" wurde in "Liste 'Hier ankreuzen'" umbenannt - für die potentiellen Wähler keine Situation geschaffen hat, die geeignet gewesen wäre, ihr Wahlverhalten zu beeinflussen. Wenn daher auf den Stimmzetteln ein Wahlvorschlag aufschien, der als Kern der Bezeichnung die wahlwerbende Gruppe "Hier ankreuzen" und als untergeordnete Beifügung das Wort "Liste" aufgewiesen hat, muss angenommen werden, dass bei Fehlen von weiteren wahlwerbenden Gruppen mit dem obigen Namenskern, schon auf Grund der intellektuellen Fähigkeiten der stimmberechtigten Studenten keine Verfälschung des Wahlergebnisses bewirkt werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher - vor allem auch unter Berücksichtigung des Wahlergebnisses - die Meinung der Beschwerdeführerin nicht zu teilen, dass durch die (zu keinen Zweifeln über die Identität der wahlwerbenden Gruppe Anlass gebende) Änderung der Bezeichnung die Mandatsverteilung beeinflusst worden wäre.
Dem vorliegenden Einspruch war daher gemäß § 16 Abs. 12 des Hochschülerschaftsgesetzes 1973, im Zusammenhalt mit § 42 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983, nicht stattzugeben und der Antrag, die Wahl für ungültig zu erklären, abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an die beschwerdeführende Partei stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1993120225.X00Im RIS seit
13.02.2002