TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/6 W117 2200237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2018
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Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a

Spruch

W117 2200237-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018, Zl. 733584802-161430470, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3, AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 9, 46 FPG idgF § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und 2 FPG idgF, § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 idgF sowie § 18 Abs. 1 Z 1, 2 und 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig und seine Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG nach Georgien zulässig waren.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte am 19.11.2003 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes 27.01.2004 in Bezug auf Asyl gemäß § 7 AsylG 1997 und in Bezug auf Refoulement gemäß § 8 AsylG 1997 abgewiesen; eine Ausweisung des Beschwerdeführers erfolgte der damaligen Rechtslage zufolge nicht. Die dagegen erhobene Beschwerde zog der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof am 08.06.2010 teilweise zurück, sodass die erstinstanzliche Entscheidung betreffend Asyl in Rechtskraft erwuchs. Im Übrigen wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.10.2010, Zl. D13 247212-0/2008/30E als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer wurde bereits davor mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 05.08.2010 wegen § 127, § 164/1 U4, § 129/1, § 130 (1.Fall) § 15, § 125, § 229/1, 241E/1 (1.Satz) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 16.12.2010 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zusätzlich (Zusatzstrafe) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat auf eine Probezeit von zunächst 3 Jahren verurteilt, welche wegen einer weiteren Verurteilung dann auf 5 Jahre ausgedehnt wurde.

Weiters wurde er mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 21.02.2011 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitstrafe von 2 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, welche wegen einer weiteren Verurteilung später auf 5 Jahre verlängert wurde, verurteilt.

Am 28.02.2011 reiste der Beschwerdeführer freiwillig in den Herkunftsstaat zurück.

Der Beschwerdeführer wurde am 14.10.2016 erneut im Bundesgebiet straffällig und seitens der Polizei auf seine Ausreiseverpflichtung hingewiesen, worauf er am 17.10.2016 gemeinsam mit seiner Ehefrau (Beschwerdeführerin zu W117 2200234-1) und seinem minderjährigen Sohn (Beschwerdeführer zu W117 2200239-1) einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.10.2016 gab der Beschwerdeführer unter Vorlage eines georgischen Personalausweises an, nunmehr einen geänderten Namen zu tragen. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, als Mitglied der Partei "nationale Bewegung" vor ca. einem Monat von vier schwarz uniformierten Personen in einem Polizeiauto von zu Hause abgeholt worden zu sein. Diese hätten gewollt, dass er bei den Wahlen am 08.10. in einem bestimmten Wahllokal störe und randaliere. Wenn er das gemacht hätte, wäre er verhaftet worden. Anderenfalls hätten er und seine Familie große Probleme bekommen, weshalb sie geflüchtet seien. Im Fall der Rückkehr seien sie in Lebensgefahr. In Österreich befänden sich sein aufenthaltsberechtigter Bruder sowie seine Ehefrau und sein minderjähriger Sohn.

Seine Ehefrau gab im Rahmen ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.10.2016 an, dass sie legal mittels Visum für sich und ihren Sohn ins Bundesgebiet eingereist sei und der Beschwerdeführer ihren Reisepass in Wien zerrissen und weggeworfen habe. Als Fluchtgrund gab sie für sich und ihren Sohn die großen Probleme ihres Ehemannes an. Im Fall der Rückkehr befürchte sie Probleme für sich und mit Sicherheit für den Beschwerdeführer. Sie habe nach ihrer Schuldbildung von 2001 bis 2006 an Universität in XXXX studiert und sei ausgebildete Dirigentin, habe zuletzt jedoch als Verkäuferin gearbeitet. Der georgische, am 12.09.2016 ausgestellte Personalausweis der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde sichergestellt.

Nach den durchgeführten Erhebungen hat die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits am 04.10.2016 ein Visum beim griechischen Konsulat in XXXX beantragt, welches am 07.10.2016 für die Zeit von

11.10. bis 15.11.2016 für die Schengenstaaten erteilt wurde, nachdem der Antrag vom 26.08.2016 auf Erteilung eines Touristenvisums von der österreichischen Botschaft in XXXX am 31.08.2016 abgelehnt worden war.

Am 06.12.2017 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, seinen Namen Ende 2012/2013 wegen Problemen in Georgien geändert zu haben. In Österreich lebten sein Bruder, seine Mutter und seine Tante mit ihrer Familie. Er stehe laufend in Kontakt mit seinen Angehörigen und sein Bruder unterstütze ihn mit 50 bis 100.- Euro monatlich. Sei Bruder habe einen dauernden Aufenthaltstitel, seine Mutter sei Asylwerberin. Der Beschwerdeführer sei seit XXXX verheiratet und habe einen minderjährigen Sohn. In Georgien habe er noch seine verheiratete Schwester, eine Tante sowie Cousins und Cousinen, sein Vater und sein Onkel würden in Moskau leben. Er habe telefonischen Kontakt zur Schwester und zum Vater. Er habe in Georgien die Grundschule und drei Jahre eine technische Schule besucht und eine Ausbildung zum Automechaniker absolviert. Er habe in XXXX von 2011 bis 2015 zwei Lebensmittelgeschäfte betrieben. Davor sei er ab und zu als Bauarbeiter tätig gewesen. Er habe bis zur ersten Ausreise mit den Eltern und der Schwester in XXXX gelebt und nach seiner Rückkehr im Jahr 2011 mit seiner Frau und mit seinem Sohn. Er sei seit 2011 Mitglied der "Nationalen Bewegung" in Georgien, welche seit 2004 existiere. Am 07.10.2016 sei er aus Georgien mit dem Schiff ausgereist während seine Frau dort geblieben sei. Auf Nachfrage brachte er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, von Kriminalbeamten in XXXX seit 2012 wiederholt bedroht worden zu sein, indem von ihm unter der Drohung, ihm ein Delikt anzulasten, Geld verlangt worden sei bzw. er sogar seine Geschäfte habe überschreiben müssen. Deswegen habe er seinen Namen geändert. 2016 sei er aber erneut zu Hause aufgesucht worden und da er kein Geld mehr gehabt habe, sei er aufgefordert worden, bei den Wahlen 2016 in einem Wahllokal zu randalieren und dadurch die Wähler vom Wählen abhalten. Dafür wäre er dann verhaftet worden, weshalb er ausgereist sei. Nach dem Verlust der Geschäfte habe er als Taxifahrer und seine Frau als Verkäuferin gearbeitet. Im Fall der Rückkehr habe er Angst vor diesen Personen, er könne sie nicht einmal anzeigen. Er beziehe in Österreich die staatliche Grundversorgung. Beim AMS habe er keine Arbeitsbewilligung erhalten. Deutsch versuche er im Selbststudium zu lernen. Er habe in Österreich vier Jahre mit einer namentlich genannten Österreicherin zusammengewohnt, das gemeinsame Kind sei bei der Geburt verstorben. Er habe auch österreichische Freunde, sei jedoch im Bundesgebiet nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.

Am selben Tag gab die Ehefrau des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt zusammengefasst an, dass sie und ihr Sohn bis auf trockene Haut gesund seien. Von ihrem in Österreich aufenthaltsberechtigten Schwager würden sie finanziell nicht unterstützt, dieser schenke aber dem Kind immer wieder Geld. Der Beschwerdeführer habe 2013 ihren Namen angenommen, wegen seiner politischen Probleme. Er sei mehrmals zu Hause aufgesucht und unter Druck gesetzt worden. Die Eheschließung sei am XXXX in XXXX erfolgt. Ihre Eltern und ihr Bruder würden noch in Georgien leben, auch ihre Schwägerin, die Schwester des Beschwerdeführers; weiters viele Verwandte (fünf Onkel und zwei Tanten). Sie habe 11 Jahre die Schule besucht, dann vier Jahre Klavier und Panduri gelernt und habe danach eine universitäre Ausbildung zur Dirigentin absolviert und an einer Schule als Gesangslehrerin gearbeitet. Sonst habe sie von 2004 bis zur Ausreise als Verkäuferin gearbeitet. Am 17.10.2016 sei sie zuerst in die Ukraine und von dort nach Wien geflogen. Der Beschwerdeführer habe sich zu dieser Zeit bereits in Österreich befunden. Zu den Fluchtgründen gab sie an, dass der Beschwerdeführer am 04.04.2012 in der Nacht von zwei Männern bedroht worden sei, sodass sie eine Fehlgeburt erlitten habe. Diese seien immer wieder gekommen und hätten vom Beschwerdeführer verlangt, dass er seine Pflicht erfülle. Sie seien nicht uniformiert gewesen, obwohl ein Polizeiauto unten gewartet habe. Es seien immer dieselben beiden Personen gekommen, insgesamt ungefähr vier Mal. Dazwischen hätten sie immer am Festnetz angerufen. Auch im November 2014 und am 24.05.2015 seien sie bei ihnen gewesen und hätten dem Beschwerdeführer gedroht, ihm die Kehle durchzuschneiden und dass auch sie Probleme bekommen werde, worauf sie eine Notgeburt mit ihrem Sohn erlitten hätte. Davor habe der Beschwerdeführer sein Geschäft den Männern überschreiben müssen und danach auch das zweite, sodass sie kein Einkommen gehabt hätten. Der Beschwerdeführer habe ein Auto gekauft und als Taxifahrer gearbeitet. Sie selbst habe auch gearbeitet. Sie seien oft am Festnetz angerufen worden, besonders oft Anfang Oktober 2016 vor den Wahlen und am 07.10.2016 hätten sie den Beschwerdeführer aus dem Haus geholt. Er sei nach drei Stunden zurückgekommen und habe ausreisen wollen, sie selbst habe die letzten drei Tage bei ihrer Mutter gewohnt. Der Beschwerdeführer habe ihr Geld gegeben und ihr gesagt, dass sie nachkommen solle. Sie selbst und ihr Sohn seien am 07.10.2017 persönlich bedroht worden: Der Beschwerdeführer hätte einen Auftrag erfüllen sollen, ansonsten würden ihm und auch seiner Ehefrau und seinem Sohn die Kehle durchgeschnitten werden. Dies hätten sie am Telefon so gesagt. Bis dahin sei nur der Beschwerdeführer bedroht worden. Die Polizei hätten sie nicht eingeschaltet, weil diese selbst mit einem Polizeiauto unterwegs gewesen seien. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, dass sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn etwas Schlimmes anstellen würden. Sie wisse nicht genau, ob dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr von staatlicher Seite etwas drohe. Sie lebe in Österreich von der staatlichen Grundversorgung und habe bereits Deutschkurs besucht. Eine Stunde täglich arbeite sie als Putzfrau im Flüchtlingsheim und beschäftige sich sonst mit ihrem Sohn. Sie sei auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation in Österreich. Sie habe mit der österreichischen Köchin im Flüchtlingsheim und dem Koch des Flüchtlingsheimes Kontakt. Die Länderfeststellungen benötige sie nicht.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 16.03.2018 erneut wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen verurteilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018, Zl. 733584802-161430470, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.10.2016 hinsichtlich Asyl gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), hinsichtlich subsidiärem Schutz gemäß § 8 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 ASylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt IV.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.), gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht ab dem 20.03.2018 ex lege verloren habe, (Spruchpunkt VI.) und schließlich gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2 BFA-VG einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer persönlich unglaubwürdig sei, weil er erst anlässlich seiner Antragstellung auf internationalen Schutz seinen geänderten Namen bekanntgegeben und diesen demnach zunächst verschleiert sowie seinen Reisepass nicht vorgelegt habe. Auch habe er fälschlicherweise angegeben, gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn ins Bundesgebiet eingereist zu sein, was nicht den Tatsachen entspreche, weil seine Frau mit seinem Sohn einige Tage später legal mit einem gültigen Visum per Flugzeug nach Österreich eingereist sei, worauf der Beschwerdeführer deren Reisepässe vernichtet habe. Sein Vorbringen zu den Fluchtgründen sei unglaubwürdig, weil dieses Verhalten nur damit zu erklären sei, dass er das bewilligte griechische Visum für seine Ehefrau und seinen Sohn und deren legale Einreise habe verheimlichen wollen, wodurch seine persönliche Glaubwürdigkeit massiv erschüttert worden sei. Sein Vorbringen zu den Fluchtgründen sei von Ungereimtheiten, Unglaubhaftigkeiten und Widersprüchen gekennzeichnet sowie äußerst vage gewesen. Dies habe sich schon darin gezeigt, dass er seine Fluchtgründe in der Erstbefragung und der Einvernahme unterschiedlich dargelegt bzw. massiv gesteigert habe. So habe er schon die Zahl der ihn bedrohenden Polizeibeamten unterschiedlich angegeben und auch sein Vorbringen von einer einmaligen auf eine jahrelange Bedrohung massiv gesteigert. Auch stünde das Datum der Bewilligung der Visaanträge (07.10.2018) seinem Vorbringen entgegen, dass er sich erst an diesem Tag zu Ausreise aus Furcht vor den Verfolgern entschlossen habe. Zudem habe er keine näheren Angaben zu den Polizisten, dem Notar, zu den genauen Zeitpunkten der Vorfälle bzw. seiner Parteimitgliedschaft machen können. Außerdem stünden seine Angaben zum Ablauf der Geschehnisse auch im Widerspruch zu den Angaben seiner Ehefrau bei der Einvernahme am 06.12.2017. Zusammengefasst seien seine Fluchtgründe nicht glaubhaft. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm im Herkunftsland zuletzt oder aktuell aus irgendwelchen Gründen eine asylrelevante Verfolgung gedroht habe oder drohen würde. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-VO gelte die Republik Georgien als sicherer Herkunftsstaat. Auch im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 lägen die Voraussetzungen für Asyl oder subsidiären Schutz nicht vor. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht. Zu seinem in Österreich aufenthaltsberechtigtem Bruder und seiner Mutter, welche als Asylwerberin hier lebe, habe er Kontakt, es bestehe jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis. Sein Vater lebe in Russland, im Herkunftsland lebten seine verheiratete Schwester sowie verschiedene Verwandte, womit er über familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland verfüge. Er habe dort die Schule absolviert und Berufserfahrung als Bauarbeiter und Taxifahrer gesammelt. In Österreich habe er an keinen Aus- und Weiterbildungen teilgenommen, sei nicht Mitglied in einem Verein, gehe keiner Beschäftigung nach und sei nicht integriert. Er spreche nur wenig Deutsch und sei strafgerichtlich einschlägig vorbestraft, reisefähig und gesund. Er habe den größten Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht und sei nur auf Grund eines unberechtigten Asylantrages in Österreich aufenthaltsberechtigt gewesen. Eine Rückkehrentscheidung sei gemäß § 9 BVA-VG nicht auf Dauer unzulässig und daher eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu erlassen. Seine Abschiebung sei mangels Gründen im Sinne des § 50 FPG zulässig. In seinem Fall seien die Voraussetzungen für die Erteilung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 und 2 FPG erfüllt. Seine Straftaten würden die Annahme rechtfertigen, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährde und sei eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zur Verhinderung von weiteren Straftaten dringend geboten. Im Rahmen der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose sei festzuhalten gewesen, dass er offensichtlich aus asylfremden Motiven erneut ins Bundesgebiet eingereist sei und zur Sicherung seines Aufenthalts einen Asylantrag eingebracht habe. Er sei in Österreich einschlägig vorbestraft und bereits vier Mal rechtskräftig verurteilt worden. Seine Straftat unmittelbar nach seiner neuerlichen Einreise zeige deutlich, dass er die österreichischen Gesetze nicht achte. Er missbrauche das Asylrecht und sei vornehmlich zwecks Begehung krimineller Handlungen bzw. aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet aufhältig. Auf Grund der Tatsache, dass er beschäftigungslos sowie einschlägig vorbestraft sei und sich beharrlich weigere, die österreichischen Gesetze zu akzeptieren, gelange die Behörde zur Ansicht, dass bislang keine positive Verhaltens- bzw. Charakterentwicklung stattgefunden habe und in Zukunft auch nicht eintreten werde. Es könne daher keine positive Zukunftsprognose getroffen werden. Zur Dauer des Einreiseverbots sei anzuführen, dass er bereits während seines ersten Aufenthalts wegen des gleichen Delikts eine Haftstrafe verbüßt habe, was ihn nicht davon abgehalten habe, unmittelbar nach seiner neuerlichen Einreise nach Österreich im Jahr 2016 wieder einen Diebstahl zu begehen, sodass eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit gegeben sei. Der Zeitraum (von drei Jahren) sei erforderlich, um beim Beschwerdeführer einen positiven Gesinnungswandel in seiner Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken. Der Beschwerdeführer habe gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 ASylG 2005 ab dem 20.03.2018 sein Aufenthaltsrecht ex lege verloren und verfüge über kein anderes außerhalb des Asylverfahrens. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung habe sich gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2 und 5 BFA-VG als notwendig erwiesen.

In der dagegen vom bevollmächtigten Rechtsberater für die Beschwerdeführer erhobenen vollumfänglichen Beschwerde wurde ua. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Der angefochtene Bescheid werde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts bekämpft; es bestehe ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer befürchte Verfolgung seitens der Sicherheitsbehörden in XXXX , welche ihn auf Grund seiner Parteimitgliedschaft bei der Vereinten Nationalen Bewegung dazu hätten zwingen wollen, im Rahmen der Wahlen 2016 die Stimmabgabe in einem Wahllokal zu blockieren. Bereits davor sei der Beschwerdeführer von diesen Personen öfters aufgesucht und zu Geldzahlungen erpresst worden. Die Beschwerdeführer hätten damals Drohanrufe bekommen. Da er sich weiteren Erpressungsversuchen entzogen habe, befürchte er Repressalien durch diese. Nach der Staatendokumentation seien den georgischen Sicherheitsbehörden zahlreiche korrupte Vorfälle vorzuwerfen, sodass eine Gelderpressung mit sonstiger Festnahme als durchaus wahrscheinlich anzusehen sei. Die Vereinte Nationale Bewegung sei derzeit eine Oppositionspartei, welche drastische Reformen gegen Korruption sowie einer stärkeren Transparenz und der öffentlichen Kontrolle der Regierung verlange. Im Fall der Rückkehr hätten alle Beschwerdeführer wegen einer ihnen unterstellten politischen Gesinnung Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 3 EMRK zu erwarten. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit werde eine mündliche Verhandlung beantragt. Das von der Erstbehörde erlassene Einreiseverbot werde als zu hoch bemessen erachtet. Auch wenn das Zusammentreffen mehrerer Vergehen vorliege, sie zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer teilweise geständig gezeigt habe und zu einem großen Teil nur bedingt verurteilt worden sei. Auch bereue er seine Straftaten zutiefst und habe sich in der Haft vorbildlich verhalten. Seit 25.06.2018 lebe er wieder bei seiner Familie, zeige sich arbeits- und integrationswillig und könne ein nachhaltiger Gesinnungswandel angenommen werden. Eine Aufhebung oder zumindest eine Herabsetzung des Einreiseverbotes erscheine angebracht. Das Bundesverwaltungsgericht habe der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil eine Verfolgung des Beschwerdeführers auf Grund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung als wahrscheinlich und daher eine reale Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK anzunehmen sei. In der Beilage wurde eine Bestätigung darüber übermittelt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers mehrere Alphabetisierungskurse besucht habe.

Nach Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt wurde nach einer Grobprüfung am 11.07.2018 vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerde seitens des Bundesverwaltungsgerichts aufschiebende Wirkung ausdrücklich nicht zuerkannt.

Am 24.08.2018 wurden der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und sein Sohn in den Herkunftsstaat abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger stellte am 19.11.2003 seinen ersten Asylantrag im Bundesgebiet, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.01.2004 in Bezug auf Asyl und Refoulementschutz abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde zog er am 08.06.2010 in der mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof hinsichtlich Asyl zurück und wurde diese im Übrigen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.10.2010, Zl. D13 247212-0/2008/30E, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer wurde bereits davor mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 05.08.2010 wegen § 127, § 164/1 U4, § 129/1, § 130 (1.Fall) § 15, § 125, § 229/1, 241E/1 (1.Satz) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 16.12.2010 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zusätzlich (Zusatzstrafe) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat auf eine Probezeit von zunächst 3 Jahren verurteilt, welche wegen einer weiteren Verurteilung dann auf 5 Jahre ausgedehnt wurde.

Weiters wurde er mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 21.02.2011 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitstrafe von 2 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, welche wegen einer weiteren Verurteilung später auf 5 Jahre verlängert wurde, verurteilt.

Am 28.02.2011 reiste der Beschwerdeführer freiwillig in den Herkunftsstaat zurück.

Er wurde nach illegaler Einreise am 14.10.2016 erneut im Bundesgebiet straffällig und seitens der Polizei auf seine Ausreiseverpflichtung hingewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte am 17.10.2016 gemeinsam mit seiner am selben Tag legal samt Sohn eingereisten Ehefrau einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seit 2012 von korrupten Kriminalpolizisten der Stadt XXXX erpresst und bedroht wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen oder wegen des Bestehens einer sonstigen Gefährdungslage verlassen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine GFK-relevante Verfolgungssituation oder sonstige Gefährdungslage geraten würde.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 16.03.2018 erneut wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen verurteilt.

Der Beschwerdeführer ist nach jeweils illegaler Einreise im Bundesgebiet einschlägig vorbestraft. Es liegen bereits vier rechtskräftige Verurteilungen vor. Sein Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung nach seiner Wiedereinreise zeigt deutlich, dass er die österreichischen Gesetze nicht respektiert. Er missbraucht die Bestimmungen des Asylrechts vornehmlich zur Begehung krimineller Handlungen bzw. aus wirtschaftlichen Gründen. Demnach - wegen seiner einschlägigen Vorstrafen und da er beschäftigungslos ist - hat bislang eine Verhaltens- bzw. Charakterentwicklung nicht stattgefunden bzw. ist eine solche auch in Zukunft nicht zu erwarten. Sein Verhalten stellt somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar.

Daher war seine sofortige Ausreise erforderlich und seine in der Zwischenzeit nach seiner Entlassung aus der Strafhaft nach Georgien erfolgte Abschiebung rechtmäßig. Georgien stellte zum Zeitpunkt der Abschiebung - für den konkreten Beschwerdeführer - keinen solchen Herkunftsstaat dar, in welchem sein Leben oder körperliche Unversehrtheit aus welchen Gründen auch immer gefährdet gewesen wäre. Georgien ist ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftssaaten-VO gemäß § 19 BFA-VG.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und gesund. Er hat im Herkunftsstaat die Schule besucht und ausgebildeter Automechaniker. Zudem hat er Berufserfahrung als Bauarbeiter und Taxilenker. Er beherrscht Georgisch als Muttersprache. Bisher ist er im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern hat die staatliche Grundversorgung bezogen. Im Bundesgebiet leben sein aufenthaltsberechtigter Bruder, seine Mutter als Asylwerberin und seine Tante, zu welchen der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt hat. Sein Vater und ein Onkel leben in XXXX . Im Herkunftsstaat leben noch seine Schwester und weitere Verwandte sowie die Familie und zahlreichen Verwandten seiner Ehefrau. Seine Ehefrau ist ausgebildete Dirigentin und war im Herkunftsstaat als Gesangslehrerin in einer Privatschule sowie als Verkäuferin erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und sein Sohn wurden am 24.08.2018 in den Herkunftsstaat abgeschoben.

Zur Situation im Herkunftsstaat:

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Georgien, Gesamtaktualisierung am 07.06.2018)

1. Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

? Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians

In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

? Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

? Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südossetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018

? Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018

? GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018

? Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018

? Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018

? Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,

https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018

2.1.Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in denen sich ein de-facto politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur zu sehr geringem Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Passdokumenten und damit Freizügigkeit, Ausübung des Stimmrechts bei de facto-Präsidentschaftswahlen 2014, Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge, Ermöglichung von "Grenz"-Übertritten nach Georgien, Arbeitserlaubnis). Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Von Abchasien aus war es bislang gängige Praxis, dass Kinder ethnischer Georgier die Administrative Boundary Line (ABL) zum Schulbesuch auf dem georgischen Hauptterritorium regelmäßig überqueren konnten. Nach der Schließung von mittlerweile drei der fünf offiziellen Übergangsstellen verlängert sich der tägliche Schulweg aber so sehr (z.T. ca. 100 km einfach), dass diese Möglichkeit inzwischen kaum noch genutzt wird (AA 11.12.2017).

Die abchasische Regierung ist finanziell von Russland abhängig, das eine militärische Präsenz auf dem Territorium unterhält und zu den wenigen Staaten gehört, die die Unabhängigkeit Abchasiens anerkennen. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf, und die meisten Einwohner sind Berichten zufolge gegen eine formelle Annexion durch Russland. Während die lokalen Rundfunkmedien weitgehend von der Regierung kontrolliert werden, gibt es einige unabhängige Print- und Online-Medien. Die Versammlungsfreiheit wird in der Regel respektiert. Zu den anhaltenden Problemen gehören ein zutiefst mangelhaftes Strafrechtssystem und die Diskriminierung von ethnischen Georgiern (FH 1.2017).

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 20.4.2018).

Die Behörden in Abchasien lehnen weiterhin die Rückkehr von ethnischen georgischen Binnenvertriebenen an Orte ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts mit Ausnahme der Distrikte Gali, Ochamchira und Tkvarcheli ab. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat die Behörden wiederholt um Zusicherungen in Bezug auf die Rechte der Rückkehrer hinsichtlich des Daueraufenthalts, Freizügigkeit, Geburtenregistrierung und Eigentumsrechte gebeten. Generell haben die Vereinten Nationen gefordert, den Zugang der Rückkehrer zu politischen Rechten, gleichen Schutz vor dem Gesetz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und kulturelles Leben zu gewährleisten. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über die Rechtsstellung von Ausländern in Abchasien" geändert, um die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" zu ermöglichen, die den in Abchasien lebenden ethnischen Georgiern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern würde (UN-GA 3.5.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/abkhazia, Zugriff 13.4.2018

* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 6.6.2018

2.2.Regionale Problemzone: Südossetien

Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig (90% seines Budgets für 2016), und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus. Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Die Justiz unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 1.2017).

Russische Streitkräfte und De-facto-Behörden in Südossetien haben die Bewegungsfreiheit über die De-facto-Grenze weiter eingeschränkt und Dutzende von Menschen wegen "illegalen" Grenzübertritts kurzzeitig festgenommen und bestraft. Die zunehmende Umzäunung entlang der Verwaltungsgrenzen beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Anwohner, einschließlich des Rechts auf Arbeit, Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard, da der Zugang zu ihren Obstgärten, Weiden und Ackerland verloren ging (AI 22.2.2018).

In Südossetien leben kaum noch ethnische Georgier. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Als Ausnahme ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 11.12.2017).

Die südossetischen Behörden haben gegenüber UN-Vertretern ihre Offenheit für die Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Südossetien bekundet, allerdings hauptsächlich in den Bezirk Akhalgori und unter der Voraussetzung, dass sich die Personen nur dort aufhalten werden. Besuche im Bezirk Akhalgori scheinen für die Vertriebenen und ihre Angehörigen möglich zu sein. Die zuständigen südossetischen Behörden haben rund 4.300 neue Grenzübertrittsdokumente ("propusk") ausgestellt, die neben rund 1.000 südossetischen sogenannten "Pässen" auch das Überschreiten der Verwaltungsgrenze ermöglichen (UN-GA 3.5.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen in Südossetien am 9.4.2017 gewann der bisherige Parlamentsvorsitzende, Anatoly Bibilov mit 54,8% Prozent (PEC 12.4.2017). Der bisherige Amtsinhaber, Leonid Tibilov, der seitens Moskau unterstützt wurde, erhielt nur 30% (RFE/RL 11.4.2017; vgl. EN 12.4.2017). Analysten sahen nebst der schlechten Wirtschaftslage die Parteinahme des Kremls und die wachsende Präsenz russischer Offizieller im südossetischen Staatsapparat als Hauptursache für die Niederlage Tibilovs (EN 12.4.2017). Gleichwohl verfolgt der Sieger Bibilov im Unterschied zu Tibilov, der seine Politik der Interessenslage Russlands anpasste, eine möglichst schnelle Aufnahme in den russischen Staatsverband und folglich die Vereinigung mit Nordossetien. Hierfür schlug er bereits ein Referendum bis Ende 2017 vor (RFE/RL 11.4.2017). Die Europäische Union und USA verurteilten die Wahlen als unzulässig (EN 12.4.2017).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 13.4.2018

? EN - EurasiaNet.org (12.4.2017): South Ossetia: Voters Opt Against the Kremlin Favorite, http://www.eurasianet.org/node/83221, Zugriff 13.4.2018

? FH - Freedom House (1.2017): FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - South Ossetia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/south-ossetia, Zugriff 13.4.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (11.4.2017): South Ossetia's Bibilov Wins Election, Puts Moscow In A Bind, http://www.rferl.org/a/south-ossetia-bibilov-victory-presidential-election/28424108.html, Zugriff 13.4.2018

? PEC - ??????????????? ?????????????? ????????? "???" [südossetische Nachrichtenagentur]: Anatoly Bibilov won the presidential election with 54.8% of votes - the CEC, http://cominf.org/en/node/1166511548, Zugriff 13.4.2018

? UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).

Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).

Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders " Rustavi 2 " an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018

? Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018

? Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018

? JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018

4. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).

Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).

Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. (USDOS 20.4.2018).

Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).

Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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