Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2143117-2/14E
W239 2189443-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2018 zu den Zahlen 1) XXXX und 2) XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2018 zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX ) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ); beide sind somalische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin stellte im Bundesgebiet am 15.06.2016 für sich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu ihrer Person liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 zu Italien vom 30.05.2016 vor.
2. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag (15.06.2016) gab die Erstbeschwerdeführerin zur Reiseroute an, dass sie sich jeweils zwei Monate im Jemen und in Libyen aufgehalten habe, bevor sie schlepperunterstützt nach Italien gelangt sei. In Italien habe sie sich etwa eine Woche aufgehalten. Sie sei dann durch Österreich durchgereist und nach Deutschland gelangt, dort aber "abgelehnt" worden. Sie habe zuvor nirgends um Asyl angesucht. Ihr Zielland sei ursprünglich Deutschland gewesen, weil andere somalische Flüchtlinge ihr gesagt hätten, dass sie dorthin reisen würden. Nunmehr sei ihr Ziel Österreich, weil es hier sicher sei und sie nicht mehr flüchten könne. Sie wolle nicht zurück nach Italien.
Zu ihrer familiären Situation führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie insgesamt sieben Kinder habe. Vier Kinder seien von ihrem ersten Ehemann und drei Kinder seien von ihrem zweiten Ehemann. Ihr zweiter Ehemann sei etwa 90 Jahre alt. Er habe das Sorgerecht für die Kinder. Die genannten Angehörigen sowie ein Bruder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin seien nach wie vor in Somalia aufhältig.
Anschließend machte die Beschwerdeführerin nähere Angaben zu ihrem Fluchtgrund.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 19.06.2016 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien, dem die italienische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 03.08.2016 gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ausdrücklich zustimmte.
4. Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 31.08.2016 im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA statt.
Zu ihrem Gesundheitszustand führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie zwar nicht krank sei, aber vor kurzem in einem Spital gynäkologisch untersucht worden sei. Sie habe Rippenschmerzen und Schmerzen im Unterleib verspürt, aber die Untersuchung habe ergeben, dass sie gesund sei. Es sei vereinbart worden, dass sie wiederkommen solle, wenn sie wieder Schmerzen habe. Weitere Termine seien nicht vereinbart worden. Es seien ihr auch keine Medikamente verordnet worden. Die medizinischen Unterlagen habe sie in der Unterkunft. Der Beschwerdeführerin wurde aufgetragen, diese ans BFA zu übermitteln.
Die Angaben zu ihrer Person und zum Reiseweg, die die Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung getätigt habe, würden der Wahrheit entsprechen. Sie wisse nicht genau, wann sie geboren worden sei. Sie sei die Einzige ihrer Familie hier in Europa. Sonst wolle sie nichts berichtigen oder ergänzen. Nachgefragt, wann sie in Italien eingereist sei, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie das nicht wisse. Sie glaube, dass sie vier Tage in Italien gewesen sei. Sie habe auf der Straße gelebt und auf Beton geschlafen. Nach Österreich sei sie mit dem Zug gekommen. Wo sie eingestiegen sei, wisse sie nicht.
Der Beschwerdeführerin wurde sodann zur Kenntnis gebracht, dass geplant sei, sie aufgrund der vorliegenden Zustimmung Italiens dorthin außer Landes zu bringen. Dazu führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie nicht nach Italien abgeschoben werden wolle. Der Grund, weshalb sie Italien verlassen habe, sei immer noch aktuell. Als sie auf der Straße gelebt habe, habe eine afrikanische Gruppe versucht, sie festzuhalten und zu vergewaltigen. Sie seien drei Frauen aus Somalia gewesen und seien davongelaufen.
Die Beschwerdeführerin wurde sogleich gefragt, ob sie die Einvernahme abbrechen und mit einer weiblichen Dolmetscherin fortsetzen wolle, was sie jedoch verneinte und angab, mit dem anwesenden männlichen Dolmetscher einverstanden zu sein.
Nachgefragt, ob sie aufgrund des Vorfalls bei der Polizei gewesen sei, erklärte sie, dass sie der Polizei nicht erklären hätte können, was passiert sei, weil sie nur somalisch spreche. Weitere Gründe, die einer Rückkehr nach Italien entgegenstünden, gebe es nicht. Nachdem sie in Italien angekommen sei, habe man ihr nur die Fingerabdrücke abgenommen und ihr gesagt, sie solle weggehen und das Land verlassen.
Betreffend die ihr ausgefolgten Länderfeststellungen zu Italien wisse die Beschwerdeführerin nicht, was sie sagen solle, aber vielleicht könne ihr die Rechtsberaterin helfen. Sonst wolle sie nichts mehr vorbringen, aber sie wolle nicht nach Italien zurück. Wenn sie nach Italien müsse, wolle sie lieber sterben.
Über Nachfrage der Rechtsberaterin, weshalb sie in Italien keinen Asylantrag gestellt habe, erklärte die Beschwerdeführerin abermals, dass man ihr die Fingerabdrücke abgenommen habe, als sie angekommen sei. Dann habe man ihr gesagt, dass sie nicht bleiben dürfe und das Land verlassen müsse. Weiters schilderte die Rechtsberaterin, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem letzten Gespräch gesagt habe, sie habe in Österreich einen Freund. Daraufhin bestätigte die Beschwerdeführerin, in Österreich einen Freund gefunden zu haben, den sie sehr liebe. Er lebe in einer anderen Unterkunft. Genaueres wisse sie nicht. Sie kenne nur seien Vornamen.
Per E-Mail vom 07.09.2016 wurden die Kopie einer Ambulanzkarte der Beschwerdeführerin vom 26.08.2016 sowie die Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte des Freundes der Beschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia) übermittelt.
5. Mit Bescheid des BFA vom 12.12.2016 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Erstbeschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Im Bescheid wurde der in Österreich aufhältige Freund der Erstbeschwerdeführerin seitens des BFA mit keinem Wort erwähnt. Eine entsprechende individuelle Güterabwägung hinsichtlich eines allenfalls bestehenden Privatlebens der Erstbeschwerdeführerin im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK fehlte zur Gänze.
6. Mit Schreiben vom 21.12.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin durch ihre nunmehrige Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, wobei der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Vorgebracht wurde unter anderem, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in der neunten Schwangerschaftswoche befinde, was sich den der Beschwerde beigefügten medizinischen Unterlagen entnehmen lasse. Aufgrund ihrer Schwangerschaft benötige die Beschwerdeführerin eine adäquate Unterkunft und medizinische Versorgung, weshalb eine Einzelfallzusicherung von den italienischen Behörden einzuholen sei. Eine Überstellung nach Italien wäre sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für ihr ungeborenes Kind mit großem Stress verbunden. Herr Mohamed ALI sei der Lebensgefährte und Vater des ungeborenen Kindes. Bereits in der Einvernahme habe die Beschwerdeführerin ihren Lebensgefährten erwähnt. Sein Asylverfahren sei in Österreich zugelassen. Entgegen der Ansicht der Behörde liege daher sehr wohl eine enge Beziehung zu einer in Österreich aufhältigen Person vor, zumal sich der Vater des noch ungeborenen Kindes in Österreich befinde. Eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin stelle einen Eingriff in ihr Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK dar. Das gemeinsame Kind des Paares müsste durch eine Außerlandesbringung nach Italien ohne seinen Vater aufwachsen.
7. Die Beschwerdevorlage der Beschwerde vom 21.12.2016 langte am 27.12.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.01.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
8. Am XXXX brachte die Erstbeschwerdeführerin die Zweitbeschwerdeführerin zur Welt. Am 21.07.2017 stellte sie als gesetzliche Vertreterin für ihre Tochter den ebenfalls nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag (21.07.2017) gab sie an, dass ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen habe.
Am 25.07.2017 setzte das BFA die italienischen Dublin-Behörde gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO von der in Österreich geborenen Zweitbeschwerdeführerin in Kenntnis.
9. Am 31.07.2017 sowie am 07.08.2017 langten beim Bundesverwaltungsgericht medizinische Unterlagen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein. Dem ärztlichen Entlassungsbrief vom 14.07.2017 lässt sich entnehmen, dass die Zweitbeschwerdeführerin mit Trisomie 21 (Down Syndrom) zur Welt kam. Im Arztbrief vom 02.08.2017 wurde festgehalten, dass bei der Neugeborenen aufgrund der genetischen Grunderkrankung (Trisomie 21) eine ausgeprägte muskuläre Hypotonie bestehe, weshalb aktuell von längeren Reisen dringend abgeraten werde.
Aus dem ärztlichen Entlassungsbrief vom 17.08.2017 ergibt sich, dass die Zweitbeschwerdeführerin wegen einer "unklaren Atemnotepisode nach dem Füttern" vorstellig wurde und noch am selben Tag im guten Allgemeinzustand entlassen werden konnte.
10. Im damals beim BFA anhängigen Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin fand am 04.10.2017 eine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Funktion als gesetzliche Vertreterin statt. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass die Zweitbeschwerdeführerin krank sei und legte medizinische Unterlagen vor, die in Kopie zum Akt genommen wurden. Der leibliche Vater der Zweitbeschwerdeführerin heiße Mohamed ALI, lebe in einem näher bezeichneten Flüchtlingsheim in XXXX und sei auch Asylwerber. Betreffend Italien machte die Erstbeschwerdeführerin geltend, dass sie insbesondere mit ihrer kleinen kranken Tochter nicht dort leben könne, da sie für ihre Tochter keine Hilfe und Versorgung erhalten werde. Sie selbst habe bei ihrem Voraufenthalt in Italien keine Unterkunft erhalten und habe auf der Straße schlafen müssen; speziell mit ihrer Tochter werde ihr in Italien nicht geholfen werden.
Außerdem gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass bei der Erstbefragung am 21.07.2017 einiges nicht richtig protokolliert worden sei. Ihr zweiter Mann sei 35 Jahre alt und nicht 90 Jahre alt. Ihr erster Mann sei getötet worden; ihr zweiter Mann sei geflüchtete und sie wisse nicht, wo er sei. Nicht ihr Mann passe auf die in Somalia verbliebenen Kinder auf, sondern ihre Mutter. Der Fluchtgrund sei richtig protokolliert worden; sie gehöre zu einem Minderheitenclan. Sie habe seit neun Monaten keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern und wisse nicht, wo sie derzeit seien.
11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.10.2017, Zl. W239 2143117-1/9E, wurde der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Dem BFA wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes aufgetragen, betreffend den Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin, der dem Vorbringen nach der Vater der Zweitbeschwerdeführerin sei, im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich Art. 8 EMRK ergänzende Ermittlungen durchzuführen und ihn allenfalls als Zeugen einzuvernehmen, um die Frage eines bestehenden Privat- und Familienlebens klären und entsprechende Feststellungen treffen zu können, sowie in einem weiteren Schritt gegebenenfalls eine entsprechende Güterabwägung der betroffenen Interessen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmen.
Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die Zweitbeschwerdeführerin - wie aus den medizinischen Unterlagen ersichtlich sei - eine genetische Grunderkrankung (Trisomie 21) aufweise, sowie, dass aufgrund einer ausgeprägten muskulären Hypotonie aktuell von längeren Reisen dringend abgeraten werde. Diese Umstände seien im fortgesetzten Verfahren insofern beachtlich, als gemäß § 34 AsylG 2005 Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen seien und die Frage der Zulassung der Verfahren im gegenständlichen Fall jedenfalls für Mutter und Kind einheitlich zu beantworten sei.
12. Am 02.01.2017 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde im Hinblick auf Art. 29 Dublin-III-VO mit, dass ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorliege.
13. Seitens des BFA wurde für den 02.02.2018 eine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin anberaumt und ein Dolmetscher für die Sprache Somalisch geladen. Zu Beginn der Befragung wies die Erstbeschwerdeführerin darauf hin, dass sie Maay Maay spreche und Somalisch nur wenig verstehe. Sie wolle die Einvernahme in der Sprache Maay Maay durchführen. Angemerkt wurde im Protokoll, dass die Einvernahme aufgrund der Sprachprobleme abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt anberaumt werde.
Tatsächlich fand in weiterer Folge keine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin mehr statt.
14. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheide des BFA vom 13.02.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO bzw. Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO (nachgeborenes Kind) für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Bezüglich der Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin an Trisomie 21 (Down Syndrom) wurde angeführt, dass diese Erkrankung nicht jene besondere Schwere aufweise (wie etwa Aids im letzten Stadium), die erforderlich sei, um die Außerlandesbringung eines Fremden nach der Judikatur des EGMR als in Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend erscheinen zu lassen. In Italien sei die medizinische Grundversorgung - wie in den Länderfeststellungen ersichtlich - auch für Asylwerber ausreichend gegeben.
Zu Art. 8 EMRK wurde unter anderem ausgeführt, dass kein gemeinsamer Wohnsitz der Beschwerdeführerinnen mit Mohamed ALI bestehe und eine besonders enge Beziehung oder Abhängigkeit zu einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person nicht erkannt werden könne. Bislang seien weder Unterlagen über eine erfolgte Eheschließung noch ein Nachweis zur Vaterschaft vorgelegt worden, weshalb weder eine Eheschließung noch eine angebliche Vaterschaft feststellbar seien.
15. Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre Vertretung am 14.03.2018 rechtzeitig die gegenständliche und für beide gleichlautende Beschwerde. Im Wesentlichen wurde gerügt, dass das BFA es verabsäumt habe, den bindenden Ermittlungsaufträgen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechend nachzukommen. Außerdem seien die herangezogenen Länderfeststellungen mangelhaft und es hätte von Italien eine Einzelfallzusicherung eingeholt werden müssen.
16. Die Beschwerdevorlage der Beschwerden vom 14.03.2018 langte am 16.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
17. Am 19.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine umfassende Beschwerdeergänzung ein, in der zusammengefasst abermals gerügt wurde, dass das BFA seinen Ermittlungsaufträgen nicht nachgekommen sei. Die Erstbeschwerdeführerin hätte in der Sprache Maay Maay einvernommen werden müssen, da sie nur diese Sprache ausreichend beherrsche. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten könne man ihr nicht vorwerfen; sie habe im Verfahren immer wieder darauf hingewiesen, dass sie das landesübliche Somalisch (Mahatiri) nicht gleichermaßen verstehe und es sei deshalb auch zu Fehlern im Protokoll gekommen, die die Erstbeschwerdeführerin später korrigiert habe; beispielsweise sei wahrheitswidrig protokolliert worden, dass ihr Ehemann bereits 90 Jahre alt sei. Anstatt eine ordnungsgemäße Einvernahme durchzuführen, habe das BFA umgehend die nunmehr angefochtenen Bescheide erlassen. In diesen Bescheiden habe das BFA zudem das bestehende Familienleben zum Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin bzw. zum Vater der Zweitbeschwerdeführerin nicht berücksichtigt. Der Kindesvater Mohamed ALI habe die Vaterschaft zur Zweitbeschwerdeführerin mittlerweile anerkannt und sei nunmehr in der Geburtsurkunde als Vater ausgewiesen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei als vulnerable Person zu qualifizieren, da sie an Trisomie 21 und an einer muskulären Hypotonie leide; die herangezogenen Länderberichte zu Italien seien mangelhaft und es sei verabsäumt worden, eine Einzelfallzusicherung einzuholen. Rechtlich sei davon auszugehen, dass Österreich vom Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO zwingend Gebrauch machen hätte müssen.
Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:
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Vaterschaftsanerkenntnis vom 14.03.2018
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Geburtsurkunde der Zweitbeschwerdeführerin, ausgestellt am 14.03.2017
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Vereinbarung über die Durchführung einer Frühförderung und Familienbegleitung samt entsprechenden Informationen dazu
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E-Mail-Verkehr zwischen der Vertretung und dem BFA, aus dem sich ergibt, dass die Vertretung die Einvernahme in der Sprache Maay Maay dezidiert beantragt hat.
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Medizinische Unterlagen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vom 29.11.2016, vom 06.12.2016 und vom 10.11.2017 sowie betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 05.02.2018.
18. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
19. Am 29.10.2018 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch-Maay in Anwesenheit der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und deren Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der auch der Vater der Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, als Zeuge einvernommen wurde.
Zum eigenen Gesundheitszustand schilderte die Erstbeschwerdeführerin zu Beginn über Nachfrage, dass sie grundsätzlich gesund sei, aber Tabletten nehme. Ihre Tochter sei mittels Kaiserschnitt zur Welt gekommen und sie selbst habe deshalb nach wie vor immer wieder Unterbauchschmerzen, die sich bis in den Rücken ziehen würden. Das letzte Mal seien die Schmerzen so stark gewesen, dass die Rettung sie ins Krankenhaus gebracht habe. Sie sei oft in der Ambulanz und habe zwei Termine für weitere Untersuchungen, und zwar beim Hausarzt und im Krankenhaus.
Zum Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin gab sie an, dass diese krank sei. Jetzt sei es schon etwas besser, früher habe sie immer erbrochen, wenn sie etwas gegessen habe. Die Ärzte hätten gesagt, dass die Tochter im Gehirn krank sei und sich anders entwickeln werde. Deswegen habe die Erstbeschwerdeführerin eine spezielle Einrichtung aufgesucht, die sie seit zwei Monaten besuche. Sie meine damit die Frühförderung und Familienbegleitung der Frühförderstelle Innsbruck; dieses Angebot nehme sie in Anspruch. Es gebe dort eine Mitarbeiterin, die sich um sie und die Tochter kümmere. Sie hätten auch immer wieder Arzttermine und die Ärzte hätten ihr erklärt, dass ihre Tochter Probleme mit dem Gehirn habe und sich immer ein bisschen langsamer als andere Kinder entwickeln werde.
Betreffend ein allenfalls in Österreich bestehendes Privat- und Familienleben schilderte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen, dass sie den Kindesvater am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich in einem Flüchtlingslager kenne gelernt habe, als er dort auf Besuch gewesen sei. Er habe als Einziger ihre Sprache verstanden und so hätten sie sich näher kennen gelernt. Sie hätten mittlerweile nach islamischem Recht geheiratet. Derzeit würden sie in verschiedenen Unterbringungseinrichtungen leben, aber er besuche sie und das Kind regelmäßig. Er begleite sie zu Arztterminen und verbringe Zeit mit ihnen, wenn er nicht gerade arbeite. Sie könne sich nicht vorstellen, die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Tochter völlig alleine zu übernehmen und wünsche sich für die Zukunft, als Familie zusammen zu leben. Der Kindesvater sei wichtig für sie; natürlich brauche sie seine Unterstützung. Außerdem machte die Erstbeschwerdeführerin Angaben zum Reiseweg und ihrem Voraufenthalt in Italien, wobei sie betonte, dass sie dort mit ihrer kranken Tochter nicht alleine leben könne.
Der Zeuge gab damit übereinstimmend an, dass er die Erstbeschwerdeführerin nach islamischem Recht geheiratet habe, und zwar im September 2016. Ein Scheich habe in einer türkischen Moschee in Innsbruck beim Freitagsgebet die Trauung vorgenommen. Dokumente dazu gebe es keine. Der Zeuge selbst sei im Juli 2015 nach Österreich gekommen, die Erstbeschwerdeführerin sei seit Juli 2016 hier. Sie hätten sich in einem Flüchtlingslager in Tirol kennen gelernt, wo er zu Besuch gewesen sei. Es habe niemanden gegeben, der ihre Sprache verstanden habe. Er sei der Einzige gewesen, der sie verstehen habe können. Das sei ein wichtiger Punkt gewesen, warum sie zusammengefunden hätten. Sie hätten sich dann ineinander verliebt. Nun hätten sie ein gemeinsames Kind. Die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin würden momentan in einem Frauenheim leben und er selbst wohne in einem Dorf namens XXXX . Sie würden gerne in Zukunft zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen. Er versuche, die beiden zu unterstützen. Seine Tochter sei krank. Er wolle gerne jeden Tag und jede Nacht bei ihr sein. Mit der Erstbeschwerdeführerin führe er eine gute Beziehung. Sie hätten keine Probleme und würden gerne gemeinsam ihre Tochter großziehen. Sie würden sich regelmäßig sehen. Wenn die Tochter Kleidung brauche oder zum Arzt müsse, rufe ihn die Erstbeschwerdeführerin an und er fahre nach Innsbruck. Er gehe mit ihnen einkaufen und zum Arzt. Er habe zwei Monate auf einer Baustelle gearbeitet und habe seine Freizeit dann immer mit den beiden verbracht. Momentan arbeite er nicht, aber er habe wieder einen Termin. Alles, was in seiner Zeit möglich sei, habe er getan und mache er auch jetzt. Beispielsweise habe er beim letzten Arztbesuch seiner Tochter EUR 150,-- aus seiner eigenen Tasche bezahlt, weil diese Leistung nicht von der Krankenkasse gedeckt worden sei. Es gebe auch einen nächsten Termin im Jänner 2019 und er werde wieder etwas zahlen müssen. Das werde er natürlich auch tun. Nachgefragt, wie viel Zeit er pro Woche durchschnittlich mit der Familie verbringe, erklärte der Zeuge, dass er sie regelmäßig besuche, und zwar vier bis fünf Mal pro Woche, von 16:00 Uhr bis 21:00 Uhr. Ab 21:00 Uhr dürfe in der Unterkunft kein Mann mehr sein und er müsse das Haus verlassen. Hinzufügen wolle er noch, dass der Kinderarzt ihm gesagt habe, dass er keinesfalls seine Tochter beschneiden lassen dürfe. Das sei strafbar und zerstöre ihre Zukunft. Der Arzt habe ihm das schriftlich gegeben und er werde sich natürlich daran halten.
Die anwesende Vertretung der Beschwerdeführerinnen erstattete abschließend eine Stellungnahme in der sie unter anderem abermals betonte, dass es gerade für die Zweitbeschwerdeführerin, die an Trisomie 21 leide und daher besondere Bedürfnisse habe, wichtig sei, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen und auch weiterhin die bereits begonnene Frühförderung in Anspruch zu nehmen. Dass derzeit kein gemeinsamer Wohnsitz bestehe, liege daran, dass die Beschwerdeführerinnen in einer Unterkunft für Frauen und Kinder untergebracht seien. Die Trennung vom Kindesvater würde einen massiven Eingriff in das Kindeswohl der Zweitbeschwerdeführerin und in das schützenswerte Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK darstellen.
Vorgelegt wurden medizinische Befunde vom 13.11.2017 (betreffend eine EEG Kontrolle der Zweitbeschwerdeführerin), vom 26.06.2018 (betreffend Unterbauchschmerzen der Erstbeschwerdeführerin), vom 06.07.2018 (betreffend eine entwicklungsneurologische Verlaufskontrolle der Zweitbeschwerdeführerin; Diagnose: "Freie Trisomie 21; (...) Generalisierte Muskelhypotonie im Rahmen der Grunderkrankung, motorische Entwicklungsverzögerung; Intermittierend Stridor, Besserungstendenz; Fehlende eindeutige Hörreaktionen beidseits - HHS-Kontrolle geplant; Allgemeine Entwicklungsverzögerung im Rahmen der Trisomie 21") und vom 02.08.2018 (betreffend Hörprobleme der Zweitbeschwerdeführerin;
Diagnose: "Altersansprechendes peripheres Hörvermögen, Dysgnathie und myofunktionelle Störung im Rahmen des Syndroms Trisomie 21").
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Erstbeschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, reiste illegal von Libyen kommend über Italien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und wurde dort am 30.05.2016 erkennungsdienstlich behandelt. Anschließend begab sie sich in das österreichische Bundesgebiet und stellte hier am 15.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Das BFA richtete am 19.06.2016 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien, dem die italienische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 03.08.2016 gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ausdrücklich zustimmte.
Am 02.01.2017 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde im Hinblick auf Art. 29 Dublin-III-VO mit, dass ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorliege.
Am XXXX brachte die Erstbeschwerdeführerin die Zweitbeschwerdeführerin zur Welt und stellte für sie am 21.07.2017 den ebenfalls gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 25.07.2017 setzte das BFA die italienischen Dublin-Behörde gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO von der in Österreich geborenen Zweitbeschwerdeführerin in Kenntnis.
Die Erstbeschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, hat jedoch seit der Geburt der Zweitbeschwerdeführerin, die mittels Kaiserschnitt erfolgte, gelegentlich Unterbauchschmerzen und nimmt Tabletten ein.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist die gemeinsame Tochter der Erstbeschwerdeführerin und XXXX geb. XXXX , StA. Somalia, welcher in Österreich subsidiär schutzberechtigt ist. Die Zweitbeschwerdeführerin weist eine genetische Grunderkrankung (Trisomie 21) auf, mit der eine ausgeprägte muskulären Hypotonie und Hörprobleme einhergehen. Aufgrund der generellen Entwicklungsverzögerung bei der Zweitbeschwerdeführerin ist die Inanspruchnahme von Frühförderungsmaßnahmen medizinisch indiziert. Von daher nehmen die Erstbeschwerdeführerin und der Kindesvater im Bundesgebiet regelmäßig das Angebot der Frühförderung und Familienbegleitung der Frühförderstelle Innsbruck in Anspruch. Aufgrund der speziellen Bedürfnisse der Zweitbeschwerdeführerin ist diese auf die Pflege und Erziehung beider Elternteile angewiesen. Es liegt ein berücksichtigungswürdiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Kindesvater der Zweitbeschwerdeführerin vor.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus ihrem Vorbringen, das mit dem vorliegenden EURODAC-Treffer zu Italien in Einklang steht.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerinnen seitens Italiens ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes. Diesem lässt sich auch entnehmen, dass die italienische Dublin-Behörde gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO über die Geburt der Zweitbeschwerdeführerin sowie gemäß Art. 29 Dublin-III-VO über das Vorliegen eines ein Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung informiert wurde. Diesbezüglich wird auch auf den unter Punkt I.) ausführlich dargelegten Verfahrensgang verwiesen.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin lässt sich ihrem Vorbringen sowie den vorgelegten Befunden entnehmen.
Dass die Zweitbeschwerdeführerin die gemeinsame Tochter der Erstbeschwerdeführerin und XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, ist, ergibt sich aus der nunmehr vorgelegten Geburtsurkunde in Zusammenschau mit dem Vaterschaftsanerkenntnis, beide vom 14.03.2018. Von daher lässt sich die Argumentation des BFA, wonach die Vaterschaft nicht feststehe, nicht mehr aufrechterhalten. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen ist ersichtlich, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine genetische Grunderkrankung (Trisomie 21) aufweist, sowie, dass damit eine ausgeprägte muskuläre Hypotonie und Hörprobleme verbunden sind. Dass die Erstbeschwerdeführerin und der Kindesvater mit der Zweitbeschwerdeführerin Frühfördermaßnahmen in Anspruch nehmen, wurde durchgehend gleichlautend vorgebracht und durch Vorlage entsprechender Unterlagen untermauert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte sich die erkennende Richterin davon überzeugen, dass der Kindesvater regelmäßigen Kontakt zu den Beschwerdeführerinnen pflegt und im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Pflege und Erziehung seiner Tochter mitwirkt. So schilderte er nachvollziehbar die Häufigkeit und Dauer der regelmäßigen Besuche und seine bereits erfolgten Hilfestellungen - auch finanzieller Natur - bei Arztbesuchen bzw. bei der Bewältigung des Alltags. Der Umstand, dass derzeit kein gemeinsamer Wohnsitz besteht, lässt sich daraus erklären, dass die Beschwerdeführerinnen momentan noch in einer Betreuungseinrichtung untergebracht sind, die ausschließlich Frauen und Kinder beherbergt. Übereinstimmend gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Kindesvater aber auch an, dass geplant sei, in Zukunft als Familie zusammen zu leben. Entgegen der Ansicht des BFA kann daher dem fehlenden gemeinsamen Wohnsitz im gegenständlichen Fall kein besonders schweres Gewicht beigemessen werden. Die festgestellte berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Kindesvater der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich für die erkennende Richterin im Rahmen einer zu treffenden Einzelfallentscheidung aus dem Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin als Person mit einer genetischen Grunderkrankung, die eine generelle Entwicklungsverzögerung bedingt, besondere Bedürfnisse aufweist, die - auch unter Beachtung des Kindeswohles - nur durch die Pflege und Erziehung beider Elternteile angemessen befriedigt werden können. Die vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung der Zweitbeschwerdeführerin ist im konkreten Fall in Zusammenhang damit zu sehen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar angab, sich nicht dazu in der Lage zu fühlen, völlig alleine für die Tochter zu sorgen, und wesentlich damit, dass der Kindesvater die Beschwerdeführerinnen im Alltag auch tatsächlich unterstützt, indem er Zeit mit ihnen verbringt und sie beispielsweise zu Arztbesuchen begleitet und dort bei der Verständigung behilflich ist. Dabei kommt ihm nicht zuletzt deshalb eine bedeutende Rolle zu, da er die (Minderheiten-)Muttersprache der Erstbeschwerdeführerin (Somalisch-Maay) beherrscht; sie selbst ist Analphabetin. Insgesamt betrachtet ist daher ein berücksichtigungswürdiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Kindesvater der Zweitbeschwerdeführerin zu erkennen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung der bekämpften Bescheide:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) .....
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 und § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lauten:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) lauten:
"Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Artikel 22
Antwort auf ein Aufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.
(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.
(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
a) Beweismittel:
i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;
ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;
b) Indizien:
i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;
ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.
(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.
(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.
(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.
(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Artikel 29
Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahme