TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/12 W158 2195211-1

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
AVG §66 Abs4
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W158 2195211-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX

A) I. beschlossen:

Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 58 Abs. 2 AsylG iVm § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

Der Beschwerde wird hinsichtlich den Spruchpunkten V. und VI. des angefochtenen Bescheids stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG iVm § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am selben Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinem Fluchtgrund führte der BF aus, er sei in Pakistan aufgewachsen. Dort sei sein Leben in Gefahr, da es dort keine Sicherheit gebe. Einige Leute hätten immer die Schiiten umgebracht.

I.3. Am XXXX und XXXX legte der BF mehrere Integrationsunterlagen vor.

I.4. Am XXXX wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und seiner Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, seine Heimat zu verlassen, gab er an, sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr, da er Englischlehrer gewesen sei und mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Er sei deswegen auch von den Taliban bedroht worden.

Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Integrationsunterlagen des BF genommen.

I.5. Am XXXX langte eine Stellungnahme des BF ein, in der ergänzende Berichte zur Lage der Hazara und Rückkehrer vorgelegt wurden.

I.6. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Der BF habe für seinen Herkunftsstaat keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft geltend gemacht. Eine Verfolgung iSd GFK habe nicht festgestellt und dem BF der Status eines Asylberechtigten daher nicht gewährt werden können. Auch liege keine Situation vor, die die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werden würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.8. Am XXXX erhob der BF vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid und beantragte eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, dem BF den Status des Asylberechtigten zu gewähren; in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen; in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei; in eventu die Entscheidung zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Begründend wird zunächst der Beweiswürdigung des BFA entgegengetreten. Zudem zweifle das BFA nicht an, dass der BF als Englischlehrer in Afghanistan gearbeitet habe. Der BF entspreche somit einem Risikoprofil der UNHCR Richtlinien. Das BFA hätte daher sorgfältiger begründen müssen, warum es davon ausgeht, dass dem BF keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan drohe. Aufgrund der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sei ihm jedenfalls subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

Der Beschwerde beigelegt waren mehrere Integrationsunterlagen.

I.9. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.10. Am XXXX legte der BF eine Schulbesuchsbestätigung der HTL XXXX vor.

I.11. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertreterin teilnahmen. Das BFA verzichtete mit der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung. Im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari wurde der BF u. a. zu seinen Familienangehörigen, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen sowie zu seinen Lebensumständen und Zukunftsplänen in Österreich ausführlich befragt.

Als Beilage zur Niederschrift wurden mehrere Integrationsunterlagen genommen.

I.12. Am XXXX zog der BF seine Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle und die Stellungnahme;

-

Befragung des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX ;

-

Einsicht in die im Zuge des Verfahrens vorgelegten Unterlagen des BF;

-

Einsicht in das ZMR, das GVS-System und das Strafregister.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig und gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Er führt den XXXX als Geburtsdatum. Seine Identität kann nicht festgestellt werden. Der BF wurde in der Provinz XXXX geboren und lebte die ersten Lebensjahre dort. Danach lebte er bis auf zwei etwa halbjährige Aufenthalte in Afghanistan in Pakistan mit seiner Familie.

Der BF befindet sich seit dem XXXX durchgehend in Österreich. Er besuchte in Österreich mehrere Deutschkurse bis zum Niveau C1. Am 29.04.2016 absolvierte der BF die Prüfung des ÖIF auf dem Niveau A1 erfolgreich, am 07.11.2016 die Prüfung des "Österreichisches Sprachdiplom Deutsch" auf dem Niveau A2. Vom 11.07.2016 bis zum 05.10.2016 besuchte der BF den Lehrgang "Bildung für junge Flüchtlinge". Am 21.09.2016 nahm der BF freiwillig am "WERTEDIALOG -

Eine Initiative des Frauenreferates des Landes OÖ" teil. Von März bis Juni 2017 besuchte er den Lehrgang "Plus.Mehrsprachigkeit" zur Rollenerklärung und -stärkung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittler in öffentlichen Bildungseinrichtungen und Kommunen. Aufgrund seiner hervorragenden Englischkenntnisse war der BF für seinen Flüchtlingsbetreuer als Dolmetscher tätig. Der BF besuchte seit 09.01.2017 den Pflichtschulabschluss Lehrgang, wobei er sehr aktiv und fleißig am Unterricht teilnahm und seine Kollegen stets unterstützte. Am 13.12.2017 schloss der BF die Pflichtschule erfolgreich ab. Derzeit besucht der BF die erste Klasse der HTBLA XXXX , Abteilung für Informationstechnologie. Er veröffentlichte einen Artikel in den Gemeindenachrichten XXXX , in der er seine Erfahrungen am Fluchtweg schilderte. Er beherrscht Deutsch zumindest auf B2 Niveau, offensichtlich sogar weit darüber, er kann sich problemlos im Alltag verständigen. Der BF bestritt sowohl Teile der Einvernahme vor dem BFA als auch vor dem BVwG in deutscher Sprache.

Der BF hat im Bundesgebiet zahlreiche intensive soziale Kontakte geschlossen und verbringt mit diesen seine Freizeit. Er wohnt seit Oktober 2016 privat bei einer österreichischen Familie.

Der BF ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF, insbesondere zu dessen Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sowie der Umstand, dass er in XXXX geboren wurde, jedoch bis auf zwei kurze Aufenthalte in Pakistan lebte, beruhen auf den glaubhaften Angaben des BF während des gesamten Verfahrens. Diese Feststellungen legte auch bereits das BFA seiner Entscheidung zugrunde, werden in der Beschwerde nicht bestritten und konnten daher auch bedenkenlos der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.

II.2.3. Die Feststellung, dass sich der BF seit dem XXXX durchgehend in Österreich befindet basiert auf dem Akteninhalt. Die weiteren Feststellungen zur Integration des BF in Österreich beruhen auf den glaubhaften Aussagen des BF, die größtenteils auch durch entsprechende Dokumente, an denen kein Grund zu zweifeln besteht, bestätigt werden. Insbesondere konnte die erkennende Richterin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung selbst feststellen, dass der BF bereits sehr gute Deutschkenntnisse erlangt hat, zumal dieser die Fragen zu seiner Integration auf Deutsch beantworten konnte (S. 4f VP). Ebenfalls konnte er bereits vor dem BFA seine Deutschkenntnisse unter Beweis stellen, indem er die Fragen zur Integration ebenfalls auf Deutsch beantwortete (AS 103). Dass der BF über Deutschkenntnisse zumindest auf B2 Niveau verfügt, konnte daher obwohl der BF lediglich ein Prüfungszeugnis über einen A2 Kurs vorlegen konnte, einerseits aufgrund der persönlichen Wahrnehmung der erkennenden Richterin und andererseits auch durch den vom BF in den Gemeindenachrichten XXXX selbst verfassten Text festgestellt werden. Zudem besucht der BF bereits Deutschkurse auf dem Niveau C1, was ebenfalls dafür spricht, dass der BF zumindest über B2 Kenntnisse verfügen muss.

Dass der BF insbesondere durch seinen Schulbesuch und seine sonstigen Kursbesuche bereits zahlreiche soziale Kontakte geschlossen hat und mit diesen seine Freizeit verbringt, konnte der BF nachvollziehbar und glaubhaft schildern. Weiters verfestigte sich im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht der Eindruck, dass der BF im Bundesgebiet mittlerweile tief verwurzelt ist. Das zeigt sich insbesondere daran, dass - wie sich aus der Aussage des BF (S. 5 VP) in Zusammenhalt mit Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungssystem ergibt - der BF bereits seit mittlerweile zwei Jahren bei einer österreichischen Familie wohnt. Ebenso spricht die große Anzahl an Begleitern (S. 4 VP) zur Beschwerdeverhandlung für die Verwurzelung des BF im Bundesgebiet.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug, der Bezug der Grundversorgung aus einem aktuellen Auszug aus dem GVS System.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Zu Spruchpunkt I und II.

Hinsichtlich der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides war das Verfahren infolge der unmissverständlichen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Zu Spruchpunkt III und IV.

II.3.2.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

Der BF hielt seine Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG) aufrecht, es ist daher gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG amtswegig zu prüfen. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit XXXX im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet worden ist.

II.3.2.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der BF verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich. Eine Rückkehrentscheidung stellt daher keinen Eingriff in sein Familienleben dar.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0122).

Der BF befindet sich seit XXXX und somit etwas mehr als drei Jahre im Bundesgebiet. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist. Allerdings hat er auch betont, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Eine den Schutz auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Asylwerber in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzusetzen ist. Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Herkunftsland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). Aus folgenden Gründen handelt es sich um einen unzulässigen Eingriff in das schützenswerte Privatleben des BF:

Zugunsten des BF ist sein hervorragender Grad an Integration zu berücksichtigen. So hat er bereits mehrere Deutschkurse absolviert, spricht Deutsch zumindest auf B2 Niveau und kann sich problemlos im Alltag verständigen. Durch seine Leistungen als freiwilliger Dolmetscher zeigte der BF seinen Integrationswillen und sein soziales Engagement. Auch schulisch integrierte sich der BF hervorragend, indem er in kurzer Zeit den Pflichtschulabschluss bestand und nunmehr die HTL XXXX besucht. Ebenso hat der BF bereits klare Pläne welchen Beruf er erlernen möchte. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass der BF in Zukunft selbsterhaltungsfähig ist, zumal er offensichtlich sehr zielstrebig ist, was sich an seinem raschen schulischen Erfolg zeigt. Der momentane Bezug der Grundversorgung und die damit einhergehende momentan fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit kann dem BF daher vor diesem Hintergrund, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf sein jugendliches Alter, nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Der BF verfügt über keine beziehungsweise kaum eine Bindung zu seinem Heimatstaat Afghanistan, hat er doch dort nur kurzzeitig gelebt und auch derzeit keinen Kontakt dorthin. Der Aufenthalt im Drittstaat Pakistan kann keine Bindung zu seinem Heimatstaat Afghanistan begründen, vielmehr ist durch diesen Aufenthalt in Pakistan die Bindung zu seinem Heimatland im Wesentlichen abgebrochen (vgl. auch VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070). Dagegen verfügt der BF bedingt durch seinen dreijährigen Aufenthalt und seine sozialen Kontakte zu Österreichern über eine wesentlich größere Bindung zu Österreich. Der BF verbringt seinen Alltag im Umfeld von Österreichern und lebt bereits seit beinahe zwei Jahren bei einer österreichischen Familie. Sein Alltag unterscheidet sich somit nicht wesentlich von einem jungen Österreicher in seinem Alter. Seine Bindungen zu Österreich überwiegen daher die Bindungen zu seinem Herkunftsstaat Afghanistan bei weitem, zumal ihm mit diesem im Wesentlichen nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet.

Wesentlich zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass die lange Aufenthaltsdauer des BF auf überlange Verzögerungen zurückzuführen ist, die dem BFA zuzurechnen sind. So fand die Einvernahme erst mehr als zwei Jahre nach der Erstbefragung statt, ohne dass dazwischen irgendwelche erkennbaren Schritte seitens der Behörde gesetzt wurden, obwohl der BF mehrere Urkunden vorlegte und auch bereits um einen Termin zur Einvernahme ansuchte. Nach der Einvernahme dauerte es wiederum vier Monate bis der erstinstanzliche Bescheid erlassen wurde. Der BF blieb in dieser Zeit jedoch nicht untätig, sondern bemühte sich mit besonderem Engagement um seine Integration, insbesondere um das Erlernen der deutschen Sprache und den Schulbesuch. Das erstinstanzliche Verfahren dauerte etwa zweieinhalb Jahre, ohne dass erkennbar wäre, dass der BF diese Verzögerungen verursacht hat. Vielmehr war das BFA ohne erkennbaren Grund mehrere Monate hindurch völlig untätig. Damit hat das BFA aber die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist von 15 Monaten, die überdies erst im Juni 2016 von sechs auf 15 Monate verlängert wurde, um das Doppelte überschritten. Selbst wenn man nunmehr die hohen Antragszahlen in diesen Jahren mitberücksichtigt, ist kein Grund für eine derartige Überschreitung der Entscheidungsfrist zu erkennen, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals festgehalten hat, dass eine mögliche Überlastung keinesfalls als geeignet angesehen werden kann, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0236).

Ein weiterer Umstand, der gegen eine Rückkehrentscheidung spricht, ist, dass der BF, der bisher nur kurz in Afghanistan war, dort aufgrund seines langen Auslandsaufenthalts mit Problemen bei der Schaffung einer Existenzgrundlage konfrontiert wäre. Auch dieser Umstand ist bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Klarstellend ist festzuhalten, dass diese Probleme bei der Schaffung einer Existenzgrundlage nicht so weit reichend sind, dass sie bereits die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden oder alleine dieser Umstand ausschlaggebend gegen eine Rückkehrentscheidung spricht, sondern nur ein weiterer Umstand ist, der für einen Verbleib des BF im Bundesgebiet spricht.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nun nicht, dass grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen besteht (VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023), dass das Privatleben während des unsicheren Aufenthaltsstatus entstand, dessen sich der BF auch bewusst sein musste und der Umstand, dass der BF nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit der persönlichen Interessen des BF bewirkt (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112), doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des BF in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung.

Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

II.3.2.4. Es ist daher nach § 58 Abs. 2 AsylG von Amts wegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist nach § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen

Der BF übt keine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, sodass die zweite Alternative des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht vorliegt. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist nach § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1); einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen (Z 5).

Gegenständlich kommen nur Z 1 oder 2 in Frage. Nach § 11 Abs. 2 umfasst die Prüfung des Moduls 1 Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Ein solcher Nachweis wurde vom BF nicht dargelegt.

Nach § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung war gemäß § 14a Abs. 4 NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt (Z 1), einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3) oder einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4).

Das Modul 1 diente gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG (in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017) dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 hatte gemäß § 14 Abs. 3 leg. cit. der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen. Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) war gemäß § 7 Abs. 1 IV-V, BGBl. II Nr. 449/2005 idF BGBl. II Nr. 205/2011, die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben. Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildete gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 NAG galten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 IV-V allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von Österreichisches Sprachdiplom Deutsch.

Der BF hat im Verfahren ein Prüfungszeugnis des "Österreichisches Sprachdiplom Deutsch" auf dem Niveau A2 vom 08.11.2016 vorgelegt (AS 79). Das BGBl. I Nr. 68/2017 wurde am 08.06.2017 kundgemacht und trat daher nach Art. 49 Abs. 1 B-VG am 09.06.2017 in Kraft. Der BF hat somit die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens, erfüllt. Der BF erfüllt somit auch trotz Nichtvorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich nur mittels Vorlage eines Zeugnisses über Deutschkenntnisse des Niveaus A2 die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG. Es ist ihm daher der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Aufgrund der auf Dauer unzulässigen Rückkehrentscheidung und dem erteilten Aufenthaltstitel liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und eine Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht mehr vor. Die Spruchpunkte V. und VI. war daher aufzuheben.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Interessenabwägung, Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig,
Verfahrensdauer, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W158.2195211.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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