RS Vfgh 2016/10/5 G435/2015, V124/2015

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Veröffentlicht am 05.10.2016
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z4
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ASVG §84, §153 Abs3
Satzung 2011 der Nö Gebietskrankenkasse idF der 8. und 9. Änderung §31 Abs3
VfGG §57 Abs1
VfGG §62 Abs2

Leitsatz

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG über einzuhebende Kostenbeiträge der Versicherten für im Gesamtvertrag nicht enthaltene, in Zahnambulatorien erbrachte Leistungen, zB Zahnbehandlung in Vollnarkose; Aufnahme der Leistung in die Satzung allein zur Vermeidung der Kostenbeitragspflicht nicht ausreichend; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich von Bestimmungen der Satzung 2011 der Nö Gebietskrankenkasse mangels Darlegung von Bedenken im Einzelnen sowie des Antrags betr eine Regelung des ASVG über den Unterstützungsfonds mangels Präjudizialität

Rechtssatz

Zurückweisung des Parteiantrags von (Zahn-)Ärzten auf Aufhebung des §31 Abs3 der Satzung 2011 der Nö Gebietskrankenkasse idF der 8. Änderung und 9. Änderung sowie des Anhanges 3, in eventu dessen Wortfolge "14. Narkose/1 Stunde und 15. Narkose/weitere Stunde", mangels Darlegung von Bedenken im Einzelnen.

In welchem Umfang und aus welchen Gründen die angegriffenen Satzungsbestimmungen gesetzwidrig sein sollen, geht aus dem Antrag nicht hervor, der es auch unterlässt, konkrete verfassungsrechtliche Bedenken einzelnen Satzungsbestimmungen oder Teilen davon nachvollziehbar zuzuordnen.

Zurückweisung des Antrags, soweit er sich auf §84 ASVG bezieht, mangels Präjudizialität.

Das Landesgericht St. Pölten weist in seinem Urteil lediglich darauf hin, dass es grundsätzlich die Möglichkeit für Patienten gibt, Mittel aus dem Unterstützungsfonds nach §84 ASVG zu erhalten.

Das Gericht hatte §84 ASVG nicht unmittelbar anzuwenden. Vor dem rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund kann der VfGH auch nicht finden, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung für die Entscheidung über die Berufung bilden kann.

Abweisung des - zulässigen - Parteiantrags auf Aufhebung der Wortfolge ", die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren", in eventu der Wortfolge "oder der Satzung", in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015.

§153 Abs3 ASVG wurde mit der Novelle BGBl I 118/2015 weder geändert noch stand er zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesgerichtes St. Pölten am 14.08.2015 überhaupt in Geltung (Kundmachung am 14.08.2015, Inkrafttreten am 15.08.2015).

Die Antragsteller geben jedoch in ihrem Antrag auch den Wortlaut der angefochtenen Teile des §153 Abs3 ASVG wieder, woraus deutlich wird, dass §153 Abs3 ASVG in der Fassung der letzten Änderung dieser Bestimmung durch das Sozialversicherungs-ÄnderungsG 2012 - SVÄG 2012, BGBl I 123/2012, in Geltung seit 01.01.2013, angefochten werden soll. Damit ist dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG entsprochen.

§153 Abs3 ASVG hat nicht den von den Antragstellern behaupteten Inhalt, von dem sie die Behauptung der Verfassungswidrigkeit ableiten. Mit der Änderung des §153 Abs3 ASVG durch das SVÄG 2012 wurde der Konkurrenzschutz zugunsten der niedergelassenen Zahnärzte beseitigt: Seither dürfen auch Leistungen in Ambulatorien der Versicherungsträger erbracht werden, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind.

Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut führt schon der Umstand, dass eine Leistung nicht Gegenstand des Gesamtvertrages ist, im kasseneigenen Ambulatorium zur Verpflichtung der Einhebung von Kostenbeiträgen. Das Entstehen dieser Verpflichtung setzt hingegen nicht voraus, dass die Leistung (gleichsam kumulativ) "nicht Inhalt des Gesamtvertrages und nicht Inhalt der Satzung" ist. Nur in diesem Fall würde die Aufnahme der Leistung in die Satzung allein zur Vermeidung der Kostenbeitragspflicht ausreichen. Es verhält sich aber (arg des Wortlautes "oder der Satzung") gerade nicht so: Zur Sachleistungsgewährung durch Einrichtungen des Versicherungsträgers ohne Kostenbeitrag wäre vielmehr erforderlich, dass die Leistung Inhalt des Gesamtvertrages und der Satzung geworden wäre.

Gegen diese am Wortlaut des §153 Abs3 ASVG orientierte Auslegung spricht auch nicht die von der beteiligten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse dargelegte Entstehungsgeschichte des §153 Abs3 ASVG.

Im Übrigen sprechen auch die Materialien (RV 2001 BlgNR 24. GP, 5) dagegen, dass es der Gesetzgeber aus Anlass der Aufgabe des bisherigen Konkurrenzschutzes nunmehr in das Belieben des satzungsgebenden Organs der Krankenversicherungsträger hätte stellen wollen, allein durch Aufnahme einer zahnmedizinischen Leistung in den Leistungskatalog der Satzung die Befugnis der Krankenversicherungsträger zur Erbringung von Sachleistungen zahnmedizinischer Art ohne Einhebung kostendeckender Kostenbeiträge zuzulassen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Krankenversicherung, Zahnbehandlung, Auslegung eines Gesetzes, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:G435.2015

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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