TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/23 98/20/0344

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Veröffentlicht am 23.07.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des SJ in Wien, geboren am 28. Juli 1973, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Juli 1998, Zl. 200.473/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste am 6. Oktober 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 7. Oktober 1996 Asyl.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab er an, er habe sich in seinem Heimatort in Maryland, Liberia, aufgehalten und sei etwa Mitte bis Ende September mit einem Pkw zur Elfenbeinküste gefahren, von wo aus er mit einem Schiff und in weiterer Folge in einem Lkw versteckt Österreich erreicht habe. Seine Flucht aus Liberia begründete er - zusammengefasst - damit, Soldaten der Ulimo, einer gegen Charles Taylor kämpfenden Gruppierung, seien Weihnachten 1995 in sein Heimatdorf gekommen und hätten die Eltern des Beschwerdeführers und diesen selbst aufgefordert, sich auf eine Rekrutierung vorzubereiten. Diese Ankündigung habe er nicht ernst genommen. Etwa Anfang Februar 1996 seien die Soldaten wiedergekommen und hätten die Eltern des Beschwerdeführers, da diese es abgelehnt hätten, für die Ulimo zu kämpfen, erschossen. Der Beschwerdeführer habe sich bei einem Freund aufgehalten und seine Eltern bei der Rückkehr erschossen vorgefunden, wobei er auf dem Weg nach Hause gesehen habe, dass die Soldaten andere Personen getötet hätten. Ihn hätten sie nicht gesehen. Die Ulimo rekrutiere auch Frauen. Es sei nicht versucht worden, alle Bewohner des Ortes zu rekrutieren. Hiefür seien "die ersten Häuser des Dorfes ausgewählt" worden. Im Bereich des Heimatdorfes des Beschwerdeführers habe es keine Kämpfe gegeben. Der Beschwerdeführer habe nicht rekrutiert werden wollen, weil er nicht habe kämpfen wollen. Er sei aus Angst davor, dass er im Bürgerkrieg getötet werden könnte, aus seinem Heimatland geflüchtet.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, der Behauptung, die Soldaten der Ulimo hätten die Eltern des Beschwerdeführers wegen deren Weigerung, für die Ulimo zu kämpfen, erschossen, sei aus näher dargestellten Gründen kein Glauben zu schenken. Davon abgesehen sei die im Heimatland des Beschwerdeführers herrschende Kriegssituation allein - auch unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer in der von ihm beschriebenen Weise hätte rekrutiert werden sollen - nicht geeignet, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Schließlich sei der Beschwerdeführer schon vor seiner Einreise nach Österreich auch in anderen Staaten im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 AsylG 1991 vor Verfolgung sicher gewesen.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer nur vor, er wolle nochmals bekräftigen, dass alle seine Angaben bei der Einvernahme der Wahrheit entsprächen und er sie in vollem Umfang aufrecht halte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Asylgesetzes 1997 ab. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, schon das Vorbringen des Beschwerdeführers über seinen Fluchtweg lasse an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln. Da der Beschwerdeführer angegeben habe, sich vom Beginn des Bürgerkrieges an in Liberia aufgehalten zu haben, sei aber auch seine Aussage, die erstmalige Rekrutierungsankündigung der Soldaten nicht ernst genommen und sich weiterhin zu Hause aufgehalten zu haben, nicht glaubwürdig. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei wegen der Tötung seiner Eltern geflüchtet, erweise sich "als ebenso ungeeignet dafür, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung darzutun," weil sich dieser Vorfall nach den Angaben des Beschwerdeführers schon Anfang 1996 ereignet habe, sich der Beschwerdeführer aber erst Mitte bis Ende September 1996 zur Flucht entschlossen habe. Angesichts der Länge des dazwischen liegenden Zeitraumes könne die angebliche Erschießung der Eltern nicht als fluchtauslösendes Ereignis gewertet werden, setze "doch der Begriff der Flucht eine spontane Reaktion auf einen bestimmten Vorfall voraus". Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Bürgerkriegssituation in Liberia berufe, werde auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen, wonach ein sich ausschließlich hierauf beziehendes Vorbringen nicht asylrelevant sei. Der Vollständigkeit halber werde angemerkt, dass dem Beschwerdeführer "auch bei gegenteiliger Beweiswürdigung" entgegenzuhalten wäre, dass er keine konkret gegen ihn gerichtete staatliche Verfolgungshandlung behauptet, sondern sich sein Vorbringen ausschließlich auf das angeblich erlittene Schicksal seiner Angehörigen bezogen habe. Mit der Auswahl der "ersten Häuser des Dorfes" hätten die Soldaten auch kein asylrelevantes Auswahlkriterium angewandt. Die Rekrutierungsversuche stellten sich daher als Begleiterscheinungen des Bürgerkrieges dar, und es sei nicht Aufgabe des Asylrechtes, vor allgemeinen Unglücksfolgen aus Krieg, Bürgerkrieg oder sonstigen Unruhen zu bewahren.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im vorliegenden Fall begegnete die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers - für den Fall ihrer von der belangten Behörde nicht angenommenen Glaubwürdigkeit - in rechtlicher Hinsicht mit dem Argument, der "Begriff der Flucht" setze "eine spontane Reaktion auf einen bestimmten Vorfall voraus" und die behauptete Erschießung der Eltern des Beschwerdeführers könne daher nicht "als fluchtauslösendes Ereignis gewertet" werden. Weiters hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer u. a. entgegen, die Rekrutierungsversuche der Soldaten der Ulimo seien eine nicht asylrelevante Begleiterscheinung des Bürgerkrieges, weil das Auswahlkriterium der Soldaten nicht in einem der in der FlKonv genannten Gründe bestanden habe.

Diesen Ausführungen ist insofern nicht beizupflichten, als eine "Flucht" im Sinne der von der belangten Behörde angenommenen Bedeutung dieses Begriffes ("spontane Reaktion auf einen bestimmten Vorfall") nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Asylgewährung gehört. Die Voraussetzung "wohlbegründeter Furcht" wird in der Regel allerdings nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. zur dabei notwendigen Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus der jüngeren Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0793).

In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang geltend gemacht, es sei aktenwidrig, dass sich der Beschwerdeführer erst im September 1996 zur Flucht entschlossen habe. Richtig sei, dass er sich nach der Tötung seiner Eltern noch ein halbes Jahr in Liberia aufgehalten habe, dies aber deshalb, weil er in dieser Zeit untergetaucht sei und seine Flucht vorbereitet habe. Die Erschießung seiner Eltern sei fluchtauslösend und der Grund für "die ersten Schritte zu einer möglichen Flucht" gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich entgegen der Annahme der belangten Behörde auch nicht auf die herrschende Bürgerkriegssituation berufen, sondern die Zwangsrekrutierung in Liberia als Grund für seine Flucht angegeben.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei den Bezugnahmen auf seinen bis zur Flucht andauernden Aufenthalt in seinem Heimatort im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, er habe sich dort vor seiner Ausreise wegen der Gefahr weiterer Zwangsrekrutierungen versteckt gehalten und die Flucht vorbereitet. Diese Behauptung hat er erst in der Beschwerde aufgestellt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren enthielt aber auch keinen Hinweis darauf, dass seitens der zwangsrekrutierenden Gruppierung - wie im Fall des in der Beschwerde zitierten Erkenntnisses vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0077 - ein Grund dafür bestanden hätte, ihm wegen seines Verhaltens im Zusammenhang mit dem von ihm beschriebenen Vorfall, bei dem er von den Soldaten gar nicht gesehen wurde, eine feindliche politische Gesinnung zu unterstellen.

Die Eventualbegründung der belangten Behörde, es fehle am erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen der behaupteten Tötung der Eltern des Beschwerdeführers und dessen Ausreise, und das vom Beschwerdeführer beschriebene Vorgehen bei der Zwangsrekrutierung lasse auch keinen Zusammenhang mit einem der in der FlKonv genannten Verfolgungsgründe erkennen, ist daher im Ergebnis richtig.

Die Beschwerde war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zu den zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.

Wien, am 23. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200344.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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