Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J T in W, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 7. Mai 2015, Zl. LVwG-650371/4/Kof, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Ausstellung eines neuen Führerscheins gemäß § 15 Abs. 3 FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmann Linz-Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 16. März 2015 wies die belangte Behörde den "Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheins für die Klassen C und CE sowie die Eintragung des Code 95" vom 12. November 2014 gemäß § 15 Abs. 3 FSG ab und führte begründend aus, der Revisionswerber habe keinen Wohnsitz in Tschechien und daher keine Verlegung seines Wohnsitzes nach Österreich nachweisen können, weshalb eine Umschreibung seines tschechischen Führerscheins ausscheide. Die Eintragung einer in Österreich erworbenen Berufskraftfahrerqualifikation durch eine österreichische Behörde in einen ausländischen Führerschein sei jedenfalls ausgeschlossen, weswegen der Antrag auch in diesem Punkt abzuweisen gewesen sei.
2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht diesen Bescheid mit der Maßgabe, dass der Spruch auf "Zurückweisung wegen entschiedener Sache" laute, und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei. Begründend führte es aus, die Bezirkshauptmannschaft (BH) Linz-Land habe mit Bescheid vom 26. März 2010 den Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines neuen Führerscheins aufgrund einer tschechischen Lenkberechtigung für die Klassen B, C und E gemäß § 15 Abs. 3 FSG abgewiesen. Die LPD Wien habe mit Bescheid vom 11. Jänner 2013 den Antrag des Revisionswerbers auf Austausch des ausländischen EU-Führerscheins gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Seit der Erlassung dieser Bescheide sei weder im Parteibegehren, im Sachverhalt noch in der Rechtslage eine Änderung eingetreten. Die belangte Behörde habe eine Sachentscheidung getroffen, obwohl das Parteianbringen wegen "entschiedener Sache" zurückzuweisen gewesen wäre.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. In der demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der vorliegenden Revision eine grundsätzliche Rechtsfrage zu lösen hätte.
7 2.1. Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zusammengefasst vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen einer entschiedenen Sache ab. Es liege keine Identität der Sache vor, da sich die Rechtslage seit dem Bescheid der BH Linz-Land im Jahr 2010 wesentlich geändert und der Bescheid der LPD Wien aus dem Jahr 2013 mangels Zustellung keine Bindungswirkung entfaltet habe.
8 Seit der Antragstellung 2010 seien mehrfach die Bestimmungen des FSG geändert worden. Es sei das System der Führerscheinklassen neu gestaltet worden und ein Stufenführerschein für Krafträder eingeführt worden. Ebenso seien die Anerkennungsrichtlinien strenger und deutlicher formuliert worden. Die Mitgliedstaaten seien seit 20. März 2014 verpflichtet, entsprechende Äquivalenzen zwischen den vor dem Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie ausgestellten Führerscheinklassen und den Führerscheinklassen im Sinn des Artikels 4 der Richtlinie festzulegen. Inhaber von vor der Umsetzung der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellten Führerscheinen seien demnach berechtigt, ohne Umtausch des Führerscheins Fahrzeuge der entsprechenden Klassen zu führen. Beim Umtausch seien die entsprechenden Fahrerlaubnisse zu erteilen, bei den Codes handle es sich um harmonisierte EU-Codes.
9 Weiter brachte der Revisionswerber vor, auch sein Antrag sei ein anderer als 2010. Er habe die Ausstellung eines neuen Führerscheins gemäß § 15 Abs. 3 FSG sowie die Eintragung von Code 95 im neu ausgestellten Führerscheindokument, in eventu die Zuweisung zu einer Wiederholungsuntersuchung hinsichtlich der Klassen C und CE und Eintragung der aufgrund der Wiederholungsuntersuchung zu berechnenden neuen Befristung beantragt. Der Revisionswerber habe alle weiteren Module für die Eintragung des Code 95 absolviert.
10 2.2. Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne deren sachliche Richtigkeit nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0078, mwN). Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage, die es der Behörde verwehrt, das Neuansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, liegt dann vor, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die frühere Entscheidung gewesen sind, so geändert haben, dass sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anderslautende Entscheidung ermöglicht hätten (VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0061, mwN).
11 § 15 Abs. 3 FSG idF. BGBl. I Nr. 43/2013 normiert - ebenso wie schon § 15 Abs. 3 FSG idF. BGBl. I Nr. 152/2005, welcher dem Bescheid der BH Linz-Land vom 26. März 2010 zugrunde lag -, dass der Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragen kann, wenn er seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach Österreich verlegt hat. Anlässlich dieser Neuausstellung ist jedenfalls die Gültigkeitsdauer gemäß § 17a Abs. 1 FSG vom Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zu berechnen und in den Führerschein einzutragen. Die in § 17a Abs. 2 FSG genannten Klassen dürfen nach Wunsch des Antragstellers entweder bis zu dem im ausländischen Führerschein eingetragenen Zeitpunkt befristet werden (§ 20 Abs. 5) oder gemäß § 17a Abs. 2 FSG aufgrund einer Wiederholungsuntersuchung neu berechnet und eingetragen werden.
12 § 2 Abs. 1 FSG idF. BGBl. I Nr. 31/2008 (maßgebliche Fassung zum Zeitpunkt der Entscheidung der BH Linz-Land am 26. März 2010) lautete auszugsweise:
"(1) Die Lenkberechtigung darf nur für folgende Klassen und Unterklassen von Kraftfahrzeugen gemäß § 2 KFG 1967 erteilt werden:
...
3.1. Klasse C:
a) Kraftwagen mit nicht mehr als acht Plätzen für
beförderte Personen außer dem Lenkerplatz und mit einer höchsten
zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3 500 kg,
b) Sonderkraftfahrzeuge,
c) Fahrzeuge der Klasse D - sofern keine Fahrgäste
befördert werden - innerhalb Österreichs, wenn dem Lenker die
Lenkerberechtigung für die Gruppe C gemäß § 65 KFG 1967 erteilt
wurde oder wenn der Lenker das 21. Lebensjahr vollendet hat und
seit mindestens zwei Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung für
die Klasse C ist und
aa) es sich entweder um Überprüfungs- oder
Begutachtungsfahrten zur Feststellung des technischen Zustandes
des Fahrzeuges handelt oder
bb) zum Entfernen eines Busses aus der Gefahrenzone dient.
3.2. ...
4. Klasse D:
a) Kraftwagen mit mehr als acht Plätzen für beförderte
Personen außer dem Lenkerplatz,
b) Sonderkraftfahrzeuge.
5. Klasse E:
Kraftwagen, mit denen andere als leichte Anhänger gezogen werden; die Klasse E gilt nur in Verbindung mit einer Lenkberechtigung für die betreffende Fahrzeugklasse oder - unterklasse.
6. ..."
§ 2 Abs. 1 FSG idF. BGBl. I Nr. 43/2013 (maßgebliche Fassung im Revisionsfall) lautet auszugsweise:
"(1) Die Lenkberechtigung darf nur für folgende Klassen von Kraftfahrzeugen gemäß § 2 KFG 1967 erteilt werden:
...
9. Klasse C:
a) Kraftwagen, bei denen die höchstzulässige Gesamtmasse
mehr als 3500 kg beträgt und die nicht unter die Klasse D1 oder D
fallen,
b) Sonderkraftfahrzeuge,
c) Fahrzeuge der Klasse D1 oder D - sofern keine Fahrgäste
befördert werden - innerhalb Österreichs, wenn dem Lenker die
Lenkerberechtigung für die Gruppe C gemäß § 65 KFG 1967 erteilt
wurde oder wenn der Lenker das 21. Lebensjahr vollendet hat und
seit mindestens zwei Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung für
die Klasse C ist und
aa) es sich entweder um Überprüfungs- oder
Begutachtungsfahrten zur Feststellung des technischen Zustandes
des Fahrzeuges handelt oder
bb) zum Entfernen eines Busses aus der Gefahrenzone dient;
10. Klasse CE:
falls bei der Genehmigung der Fahrzeuge nichts anderes festgelegt worden ist, ein Zugfahrzeug der Klasse C und einen Anhänger oder Sattelanhänger mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg;
11. Klasse D1: Kraftwagen mit mehr als acht aber nicht mehr als 16 Plätzen für beförderte Personen außer dem Lenkerplatz und mit einer höchsten Gesamtlänge von acht Metern;
12.
...
13.
Klasse D:
a) Kraftwagen mit mehr als acht Plätzen für beförderte
Personen außer dem Lenkerplatz,
b) Sonderkraftfahrzeuge;
14. ..."
13 2.3. Im Revisionsfall lag den Anträgen des Revisionswerbers aus den vergangenen Jahren jeweils dieselbe tschechische Lenkberechtigung zu Grunde. Wie die zitierten Bestimmungen zeigen, haben sich die Anträge des Revisionswerbers auch inhaltlich jeweils auf dieselbe Berechtigung, jedoch mit unterschiedlichen Bezeichnungen bezogen. Die Führerscheinklasse C blieb in den entscheidungswesentlichen Merkmalen gleich. Die Berechtigung, die mit einem Führerschein der alten Klasse E in Verbindung mit Klasse C einhergeht, ist dem Umfang nach die gleiche wie die Berechtigung, Fahrzeuge der Klasse CE (neu) zu lenken. Da sich auch der den Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 2010 tragende § 15 Abs. 3 FSG nicht entscheidungswesentlich geändert hat, liegt keine Änderung der Rechtslage vor, die der Zurückweisung wegen entschiedener Sache entgegensteht (vgl. nochmals VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0061, mwN).
14 Zur vermeintlich fehlenden Antragsidentität aufgrund der begehrten Zusatzeintragung des Code 95 ist auszuführen, dass die Eintragung dieser Zusatzqualifikation nur in einem antragsgemäß ausgestellten Führerschein möglich wäre. Der Antrag auf diese Zusatzeintragung setzt somit die Stattgebung des primär gestellten Antrages auf Ausstellung eines neuen Führerscheins voraus. Er wurde nach seinem Wortlaut, wonach die "Eintragung von Code 95 in diesem neu ausgestellten Führerscheindokument" beantragt wird, auch nur für diesen Fall gestellt. Ein solcher zusätzlicher Antrag ändert den Inhalt des primär gestellten Antrages (auf Neuausstellung eines österreichischen Führerscheines aufgrund einer tschechischen Lenkberechtigung) nicht und kann daher auch nichts daran ändern, dass diesem das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
15 Zum Revisionsvorbringen der mangelnden Zustellung des Bescheides der LPD Wien vom 11. Jänner 2013 ist darauf hinzuweisen, dass bereits aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. März 2010 entschiedene Sache vorlag.
16 3. Das Verwaltungsgericht ist somit nicht von der ständigen hg. Rechtsprechung zu res iudicata abgewichen, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 iVm. Abs. 3 VwGG zurückzuweisen war. Angesichts der mit der hg. Judikatur somit im Einklang stehenden Annahme der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache durch den Bescheid vom 26. März 2010 bleibt im Übrigen kein Raum, um die Versagung der Neuausstellung des Führerscheines inhaltlich zu überprüfen.
Wien, am 13. Dezember 2018
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Zurückweisung wegen entschiedener SacheIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016110065.L00Im RIS seit
29.01.2019Zuletzt aktualisiert am
05.02.2019