Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
IPRG §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Wiener Landesregierung gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Juni 2018, Zl. VGW-152/065/11600/2017-24, betreffend Staatsbürgerschaft (Mitbeteiligter: T A in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angeführte Erkenntnis wird im Umfang des angefochtenen Spruchpunktes II. (Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Vorgeschichte
1 Der Mitbeteiligte, ein (zu diesem Zeitpunkt) ägyptischer Staatsangehöriger, beantragte am 22. Juni 2009 bei der Wiener Landesregierung (Amtsrevisionswerberin; im Folgenden: Behörde) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Zu diesem Zeitpunkt war er seit 4. September 2003 mit der österreichischen Staatsbürgerin C W verheiratet.
2 Mit Bescheid der Behörde vom 23. Februar 2011 wurde dem Mitbeteiligten die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert.
3 Mit Bescheid vom 1. April 2011 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
4 Sowohl vor Zusicherung als auch vor Verleihung der Staatsbürgerschaft hatte der Mitbeteiligte vor der Behörde angegeben, seine persönlichen Verhältnisse (insbesondere der Familienstand) hätten sich nicht geändert, seine Ehe mit (der österreichischen Staatsbürgerin) C W sei nicht aufgelöst und er lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt.
5 Am 12. Oktober 2011 brachten der Mitbeteiligte und C W beim Bezirksgericht F den Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung ein. Die Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes F vom 17. Dezember 2011 im Einvernehmen gemäß § 55a Ehegesetz geschieden.
6 Im Jahr 2014 beantragte der Mitbeteiligte für den minderjährigen X X, geboren am 12. März 2014 in Ägypten, die Ausstellung eines österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweises, worüber die Österreichische Botschaft Kairo die Behörde in Kenntnis setzte. Laut Mitteilung der Botschaft sei die Kindesmutter ägyptische Staatsbürgerin. Die Kindesmutter sei mit dem Mitbeteiligten seit 15. November 2009 verheiratet.
7 Daraufhin wurde mit Bescheid der Behörde vom 14. Juni 2017 das mit (Verleihungs-)Bescheid vom 1. April 2011 abgeschlossene Staatsbürgerschaftsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG zum Zeitpunkt vor Zusicherung der Verleihung wieder aufgenommen (Spruchpunkt 1) und das Ansuchen des Mitbeteiligten auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen (Spruchpunkt 2).
8 Begründend führte die Behörde zur Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens aus, der Mitbeteiligte sei zum Zeitpunkt der Zusicherung als auch zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowohl mit seiner österreichischen Ehegattin als auch mit seiner ägyptischen Ehegattin verheiratet gewesen. Der Mitbeteiligte habe diese Tatsache der Behörde bewusst verschwiegen und sich dadurch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erschlichen. Das Eingehen der Zweitehe sei mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar.
9 Zur Abweisung des Verleihungsantrages führte die Behörde im Wesentlichen aus, das Fehlverhalten des Mitbeteiligten (Bigamie) sei als so schwerwiegend zu beurteilen, dass das Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliege.
10 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht). Angefochtenes Erkenntnis
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens bestätigt (Spruchpunkt I.).
12 Weiters wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Abweisung des Verleihungsantrages gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben und dem Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 38/2011 die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirksamkeit vom 19. Juni 2018 verliehen (Spruchpunkt II.).
13 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (III.).
14 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Feststellung des oben angeführten Sachverhaltes unter Wiedergabe des Verlaufes der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zunächst zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, die Behörde sei richtiger Weise davon ausgegangen, dass der Wiederaufnahmegrund der Erschleichung nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG gegeben sei. Der Mitbeteiligte habe im behördlichen Verfahren wiederholt unrichtige Angaben zu seinem Familienstand getätigt bzw. den relevanten Umstand, dass er während aufrechter Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine weitere Ehe mit einer ägyptischen Staatsbürgerin in Ägypten eingegangen sei, verschwiegen. Sowohl die Motivation des Mitbeteiligten für das Eingehen der zweiten Ehe ("sündenfreier" Geschlechtsverkehr) als auch die vorgebrachten mangelnden Deutschkenntnisse bzw. Uninformiertheit des Mitbeteiligten seien nur als Schutzbehauptungen anzusehen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Mitbeteiligte die "simplen Fragen" zu seinem Familienstand nicht verstanden bzw. missverstanden habe. Der Mitbeteiligte habe auch nicht konkret dargelegt, dass die Entziehung der (erschlichenen) Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig im Sinne der "Rottmann"-Judikatur des EuGH sei. Entgegen der Auffassung des Mitbeteiligten begründe auch der Zeitraum von sechs Jahren zwischen dem Verleihungszeitpunkt und der Erlassung des angefochtenen Bescheides für sich nicht die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme (Hinweis auf VwGH 15.12.2015, Ro 2015/01/0002). Aus diesen Gründen habe die Behörde das Verfahren zu Recht wieder aufgenommen.
15 Zu Spruchpunkt II. führte das Verwaltungsgericht aus, beim Fehlverhalten des Mitbeteiligten handle es sich nicht um eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Normen, da der Mitbeteiligte dadurch weder gegen Bundesrecht noch Landesrecht verstoßen habe. Sein Fehlverhalten habe daher weder von ordentlichen Gerichten noch von Verwaltungsbehörden geahndet werden können.
16 Allenfalls mangle es beim Mitbeteiligten durch das gesetzte Fehlverhalten am Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.
17 Der Mitbeteiligte habe glaubhaft angegeben, die Ehe mit der ägyptischen Staatsbürgerin "nur" aus religiösen Gründen eingegangen zu sein. Die Ehe habe zunächst lediglich den Geschlechtsverkehr zwischen den beiden legitimieren sollen. Der Mitbeteiligte habe knapp über zwei Jahre "bigamisch" gelebt. Seit über sechs Jahren sei der Mitbeteiligte von seiner österreichischen Ehegattin geschieden. Zur ägyptischen Ehegattin und zu seinem Sohn pflege er Kontakt. Weder werde ein gemeinsames Familienleben in Österreich geführt noch werde beabsichtigt, ein gemeinsames Familienleben in Österreich aufzubauen. Eine Wiederholungsgefahr werde nicht angenommen.
18 Aus diesen Gründen werde durch das Verwaltungsgericht einzelfallbezogen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit in Österreich nicht angenommen. Daher sei die Heranziehung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG durch die Behörde zu Unrecht erfolgt.
19 Da der Antrag im Jahr 2009 ("Altfall" nach § 64a Abs. 11 StbG) gestellt worden sei, sei von der Überprüfung des gesicherten Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG abzusehen gewesen.
20 Da ansonsten sämtliche Verleihungsvoraussetzungen erfüllt seien, sei dem Antrag des Mitbeteiligten auf Verleihung der Staatsbürgerschaft stattzugeben gewesen.
21 Gegen Spruchpunkt II. (Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft) richtet sich die vorliegende Amtsrevision.
22 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
23 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Spruchpunkt II. des Erkenntnisses in unvertretbarer Weise von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewichen.
24 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtslage
25 In der vorliegenden Rechtssache ist ausgehend von der (rechtskräftigen) Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverfahrens zum Zeitpunkt vor Zusicherung der Verleihung das StbG gemäß dessen § 64a Abs. 11 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden.
26 Die folgenden in der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen Bestimmungen des StbG waren bereits vor dem FrÄG 2011 in Geltung und haben sich im Übrigen auch seither nicht geändert:
27 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
28 Gemäß § 11 StbG ist bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen. Zu dieser zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie das Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.
Bekenntnis zu den Grundwerten (§ 11 StbG)
29 Das Verwaltungsgericht vertritt die Auffassung, dass es dem Mitbeteiligten durch das gesetzte Fehlverhalten "allenfalls" am Bekenntnis an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft mangle.
30 Diese Auffassung besteht bei dem vom Mitbeteiligten gesetzten Fehlverhalten (Eingehen einer mehrfachen Ehe - Bigamie) zu Recht:
31 Die Amtsrevision weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf § 6 IPRG hin.
32 Gemäß § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Schutzobjekt sind primär die "Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" und nicht subjektive Rechtspositionen von Inländern (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094, mwN ua auf VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0025-0026).
33 Zum "ordre public" zählt der "Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechtes (...), also die unverzichtbaren Wertvorstellungen, die die österreichische Rechtsordnung prägen" (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094, mwN auf VfGH 11.10.2012, B 99/12 ua).
34 Nach übereinstimmender Rechtsprechung der Höchstgerichte zählt die Einehe zu den von § 6 IPRG geschützten Grundwerten (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094, mwN, VfGH 11.10.2012, B 99/12 ua, sowie OGH RIS-Justiz RS 0076998). Die Einehe bzw. das Verbot der mehrfachen Ehe (Bigamie) ist somit Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts und damit der unverzichtbaren Wertvorstellungen, die die österreichische Rechtsordnung prägen.
35 Dies macht - worauf die Amtsrevision zutreffend hinweist - auch der gerichtliche Straftatbestand des § 192 StGB deutlich, wonach eine mehrfache Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen ist.
36 Auf die in Österreich eintretenden strafrechtlichen Folgen des Eingehens einer mehrfachen Ehe im Ausland (hier: Ägypten) braucht in der vorliegenden Rechtssache - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes - nicht eingegangen werden. Die Amtsrevision weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine strafrechtliche Verfolgung vorliegend ausbleibe, gründe sich lediglich auf das Territorialitätsprinzip des § 62 StGB.
37 Wesentlich ist vielmehr, dass das Eingehen einer mehrfachen Ehe (Bigamie) - wie dargestellt - die geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts verletzt und somit von einem fehlenden Bekenntnis des Mitbeteiligten nach § 11 StbG zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft auszugehen ist.
38 Das vom Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung erstattete Vorbringen, die während eines Kurzurlaubes aus religiösen Gründen und unter dem Versprechen der Geheimhaltung zustande gekommene Eheschließung habe nach ägyptisch-islamischen Recht keine Rechtsgültigkeit entfaltet, stellt eine nach § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Der Mitbeteiligte entfernt sich mit diesem Vorbringen von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt, ohne einen Verfahrensfehler aufzuzeigen.
39 Mit der Staatsbürgerschaftsrecht-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, wurde § 11 StbG "neu formuliert, um einerseits den überkommenen Begriff des ¿freien Ermessens' zu beseitigen und andererseits auch auf Verfahren ohne Ermessensspielraum anwendbar zu sein. Die Regelung versteht sich vor allem als Interpretationsmaxime für § 10 Abs. 1 und 2."
(vgl. RV 1189 BlgNR 22. GP, 7).
40 Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (FrÄG 2009), BGBl. I Nr. 122, wurde § 11 insofern adaptiert, "als dabei die schon jetzt im Rahmen der Beurteilung der Integration zu berücksichtigende Orientierung des Fremden an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft, zu einem Bekenntnis aufgewertet und damit stärker betont werden soll" (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP, 56).
41 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Person des Verleihungswerbers gesondert zu prüfen, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG erfüllt sind und ob gegebenenfalls eine positive Ermessensübung nach § 11 StbG in Frage kommt (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0122).
42 Nach der Staatsbürgerschaftsrecht-Novelle 2005 ist § 11 StbG auch auf Verfahren ohne Ermessensspielraum anwendbar und dient als Interpretationsmaxime für § 10 Abs. 1 und 2 StbG (vgl. auch Fessler/Fessler/Pfandner, Staatsbürgerschaftsrecht (2018), 68, Anm. 1 zu § 11 StbG).
Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG
43 Wie angeführt, dient § 11 StbG als Interpretationsmaxime
für § 10 Abs. 1 und 2 StbG, somit auch für § 10 Abs. 1 Z 6 StbG.
44 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt
das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine gerichtliche Beurteilung wegen einer als erwiesen angesehenen Straftat nicht voraus. Vielmehr knüpft § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht an eine gerichtliche Verurteilung sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an. Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, mwN).
45 So hat der Verwaltungsgerichtshof die vorsätzliche Verwendung einer falschen Identität sowohl im Asylverfahren als auch im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verfahren als Verhalten gewertet, welches das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verwirklicht (vgl. wiederum VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417).
46 Daher ist es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes - für die Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG unerheblich, ob die vom Mitbeteiligten (in Ägypten) eingegangene mehrfache Ehe (Bigamie) in Österreich von ordentlichen Gerichten oder Verwaltungsbehörden geahndet wurde bzw. werden konnte.
47 Auch die vorliegend vom Verwaltungsgericht tragend herangezogene fehlende Wiederholungsgefahr im Hinblick auf das nochmalige Eingehen einer mehrfachen Ehe durch den Mitbeteiligten ist rechtlich unerheblich.
48 Ein längeres Wohlverhalten des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten kann für eine negative Prognose nach dieser Bestimmung von Bedeutung sein (vgl. VwGH 18.6.2014, 2013/01/0120).
49 Will man die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur fehlenden Wiederholungsgefahr dahin verstehen, dass der Mitbeteiligte seit über sechs Jahren von seiner österreichischen Ehegattin geschieden ist und in diesem Zeitraum keine Mehrfachehe geführt hat, so zeigt dieses Verhalten für sich nicht auf, dass sich der Mitbeteiligte nunmehr zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft bekennt.
50 Vielmehr dokumentieren die vom Mitbeteiligten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgebrachten Gründe für das Eingehen einer mehrfachen Ehe, insbesondere die Rechtfertigung, er sei die zweite Ehe "nur" aus religiösen Gründen eingegangen, dass weiterhin von einem fehlenden Bekenntnis des Mitbeteiligten nach § 11 StbG zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft auszugehen ist.
51 Somit ist das vom Mitbeteiligte vorgenommene Eingehen einer mehrfachen Ehe (Bigamie) samt seiner im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Ausdruck gekommenen Einstellung hiezu als Verhalten zu qualifizieren, welches das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verwirklicht.
52 Auch aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Ergebnis
53 Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis im Umfang des angefochtenen Spruchpunktes II. (Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
54 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl dazu das hg. Erkenntnis vom 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwN).
Wien, am 14. Dezember 2018
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010406.L00Im RIS seit
25.01.2019Zuletzt aktualisiert am
21.03.2019