TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/23 97/20/0734

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Veröffentlicht am 23.07.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde der ND in Wien, geboren am 15. Februar 1970, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. August 1996, Zl. 4.336.422/37-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, reiste am 13. Mai 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Mai 1992 Asyl.

Bei ihrer Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab sie nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Niederschrift an, der kurdischen Bevölkerungsgruppe und seit 1987 der kurdischen Partei HEP anzugehören. Im Februar 1988 sei es in Istanbul, wo ihr Ehegatte den Militärdienst abgeleistet habe, zu einem Überfall von Kurden auf ein Munitionslager gekommen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei der Mittäterschaft bezichtigt und verhaftet worden. Ende Februar 1988 sei auch die Beschwerdeführerin in ihrer Wohnung in Konya festgenommen und zwei Tage lang auf der Polizeistation festgehalten worden, obwohl sie schwanger gewesen sei. Sie sei zur Frage der Beteiligung ihres Ehegatten an dem Überfall verhört, aber nicht geschlagen worden. 1988 sei sie noch zweimal von der Polizei festgenommen und verhört worden. Danach sei sie in verschiedene Orte verzogen, um sich vor der Polizei zu schützen. 1989 sei ihr Ehegatte frei gelassen worden, woraufhin sie mit ihrem Kind nach Konya zurückgekehrt sei. Ihr Ehegatte sei in der Folgezeit sehr oft von der Polizei einvernommen und andererseits von Kurden, die ihm den Tod einiger Kurden bei dem Überfall vorgeworfen hätten, bedroht worden. Ende 1989 seien die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte nach Urfa geflohen, wo sich die polizeilichen Verhöre und die Bedrohungen durch die bewaffneten Kurden aber fortgesetzt hätten. Festnahmen oder Misshandlungen habe es während dieser Zeit nicht gegeben. Ende 1990 seien sie nach Konya zurückgekehrt, von wo aus der Ehegatte der Beschwerdeführerin nach Deutschland geflohen sei. Im Juni oder Juli 1991 sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin nach Konya zurückgekehrt. Bei der Beschwerdeführerin sei in der Zwischenzeit drei Mal die Polizei erschienen, um ihren Ehegatten zu suchen. Es sei lästig gewesen und die Beschwerdeführerin habe jedes Mal Angst gehabt, wieder mit der Polizei in Kontakt zu kommen. Nach der Rückkehr ihres Ehegatten sei dieser von der Polizei wieder ständig verhört worden. Gegenstand der Verhöre seien nun seine Kontakte mit PKK-Leuten in Deutschland gewesen. Gegen Jahresende 1991 seien die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte wieder nach Urfa verzogen, wo sie bei kurdischen Verwandten gelebt hätten. Da diese jedoch alle Mitglieder der PKK gewesen seien, seien die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte nach Istanbul gegangen, um nicht schon wieder Probleme zu haben und um die zwei kleinen Kinder in Sicherheit zu bringen. Sie hätten am 18. Februar 1992 Urfa verlassen und sich bis zu ihrer Ausreise aus der Türkei in Istanbul aufgehalten. Die Beschwerdeführerin glaube, dass man sie im Falle ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausreise für mehrere Jahre inhaftieren werde.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 16. September 1992 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin u.a. Vorwürfe gegen das Verhalten der Dolmetscherin bei der erstinstanzlichen Einvernahme. Sie machte geltend, die Niederschrift entspreche u.a. insofern nicht den Tatsachen, als die Beschwerdeführerin nicht erst seit 1987 der HEP angehöre; ihre Familie gehöre dieser Partei schon seit 1977 an. Der Überfall auf das Munitionslager sei nicht von "Kurden" schlechthin, sondern von Angehörigen der DEV-SOL verübt worden. Die Verwandten, bei denen sie in Urfa gewohnt habe, seien nicht Mitglieder der PKK, sondern Mitglieder der HEP gewesen. Zum ersten Verhör auf der Polizeistation habe sie - entgegen dem Inhalt der Niederschrift - ausgesagt, sie sei dabei physisch und psychisch gefoltert worden. Im Besonderen seien ihr Ohrfeigen verabreicht worden und sie sei um zwei Uhr oder drei Uhr nachts zum Verhör geholt worden. Die spätere Bedrohung ihres Ehegatten durch "Kurden" sei von Angehörigen der DEV-SOL ausgegangen. Es stimme auch nicht, dass es in Urfa zu keinerlei Festnahmen und Misshandlungen gekommen sei. Auch dort sei es zu Misshandlungen gekommen. Sie sei mindestens drei Mal von zu Hause abgeholt und verschiedentlich für mehrere Stunden, teilweise aber auch über Nacht auf die Polizeistation gebracht worden. Von schwereren Folterungen sei offenbar wegen ihrer (zu ergänzen: neuerlichen) Schwangerschaft abgesehen worden. Ihr Ehegatte sei schon im März 1990 nach Deutschland geflohen und schon im Mai 1991, nicht erst im Juni oder Juli 1991, zurückgekehrt. Es seien Kontakte ihres Ehegatten zur DEV-SOL, nicht zur PKK vermutet worden.

Nach der Aufhebung des Berufungsbescheides vom 29. Dezember 1993 mit dem Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0707, wurde die Beschwerdeführerin am 23. Mai 1996 und am 7. August 1996 ergänzend einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab, weil die Beschwerdeführerin keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, sie befinde sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes.

Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat auf den vorliegenden Fall - nach § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zu Recht - das Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, (im Folgenden: AsylG 1968) angewendet, weshalb der angefochtene Bescheid nicht gemäß § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, außer Kraft getreten und nicht gemäß dem dritten Absatz dieser Bestimmung vorzugehen ist.

Nach § 1 AsylG 1968 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974) ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, dass er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) erfüllt, und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im vorliegenden Fall wird der Standpunkt, die Beschwerdeführerin habe ihr Heimatland aufgrund der zeitweisen Bedrohung ihres Ehegatten durch militante Kurden verlassen müssen, in der Beschwerde nicht vertreten. Geltend gemacht wird - in großteils sehr allgemein gehaltenen Ausführungen - die direkte Verfolgung der Beschwerdeführerin durch den türkischen Staat.

Diese Verfolgung der Beschwerdeführerin soll nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren - unter Zugrundelegung der jeweils am Weitesten reichenden Behauptungen - in polizeilichen Verhören und Befragungen bestanden haben, wobei das erste dieser Verhöre, im Februar 1988, mit einer zweitägigen Anhaltung und Misshandlungen (Ohrfeigen, nächtliches Verhör trotz Schwangerschaft, Stoss gegen eine Wand) verbunden gewesen sein und es auch 1990 in Urfa zu nicht näher beschriebenen Misshandlungen im Zuge polizeilicher Verhöre gekommen sein soll. Für die Zeit während und nach dem Deutschlandaufenthalt ihres Ehegatten hat die Beschwerdeführerin zwar weitere polizeiliche Befragungen, aber keine Anhaltungen oder Misshandlungen mehr behauptet. Beeinträchtigungen von asylrelevanter Intensität in der Zeit vor ihrer Ausreise oder Umstände, aus denen auf die Gefahr des Bevorstehens derartiger Beeinträchtigungen zu schließen gewesen wäre, enthielt ihr Vorbringen nicht.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin - dessen zur hg. Zl. 97/20/0735 protokollierte Beschwerde im Juli 1998 zurückgezogen wurde - behauptete im Verfahren über seinen Asylantrag, sowohl er als auch die Beschwerdeführerin und die gemeinsame Tochter hätten sich Anfang 1992 vier Wochen lang in Haft befunden, bis sie am 17. Februar 1992 mittels einer durch Zettel in einer Zündholzschachtel angekündigten Befreiungsaktion aus dem Gebäude einer Militärkommandantur befreit worden seien. Zum Vorhalt dieser Darstellung wollte die Beschwerdeführerin am 23. Mai 1996 nicht Stellung nehmen, während sie auf denselben Vorhalt am 7. August 1996 mit vagen Angaben über ihre Verbringung in einen geschlossenen Raum reagierte und ihre Unfähigkeit, die Frage nach der Dauer dieser Anhaltung zu beantworten, mit dem Hinweis darauf erklärte, dass sie auch den Geburtstag ihres Kindes nicht wisse.

Wenn die belangte Behörde dies nicht als ausreichend erachtete, um entgegen den Angaben der Beschwerdeführerin während des gesamten vorausgegangenen Verfahrens festzustellen, sie sei vor ihrer Ausreise aus der Türkei aus einer mehrwöchigen Anhaltung in einer Militärkommandantur befreit worden, so ist darin keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erkennen. In der Beschwerde wird dies auch nicht behauptet und auf die Frage einer Inhaftierung der Beschwerdeführerin in den Wochen vor ihrer Ausreise in keiner Weise Bezug genommen. Insoweit die Beschwerdeausführungen auf die "Möglichkeit einer psychischen Erkrankung als Ursache" für die "widersprüchlichen Aussagen" der Beschwerdeführerin verweisen, dient dies der Widerlegung der Ansicht der belangten Behörde, den Angaben der Beschwerdeführerin sei insgesamt nicht zu folgen. Hierauf kommt es angesichts der mangelnden Asylrelevanz ihres Vorbringens nicht an. Da dies auch unter Einbeziehung der späteren Angaben der Beschwerdeführerin und nicht nur hinsichtlich des Inhalts der Niederschrift über ihre erstinstanzliche Einvernahme gilt, kommt auch der in der Beschwerde wiederholten Kritik an den Umständen der erstinstanzlichen Einvernahme, im Besonderen am Verhalten der Dolmetscherin, und der in der Beschwerde geübten Kritik an den Ausführungen der belangten Behörde zu diesem Thema keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997200734.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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