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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §9 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, in der Revisionssache des A B C, vertreten durch Mag.rer.soc.oec.Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2018, W242 2175930-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Afghanistan stammende Revisionswerber stellte am 23. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 28. September 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten ab, sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Erhebung einer Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Mit Beschluss vom 24. September 2018, E 3293/2018-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Beschwerde ab und trat sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit gesondertem Beschluss vom 16. Oktober 2018, E 3293/2018-9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei zu der Frage, wie "mit Asylwerbern in Lehrberufen umzugehen" sei, uneinheitlich. Die politische Diskussion zu diesem Thema sei "hoch emotional und polarisierend". Vor diesem Hintergrund bedürfe es zur Wahrung der Rechtssicherheit und zwecks Rechtsentwicklung klarstellender Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, wie mit Asylwerbern "umzugehen" sei, die - wie der Revisionswerber - in einem Mangelberuf legal eine Lehre absolvierten und in Österreich sehr gut integriert seien.
9 Mit diesem Vorbringen spricht der Revisionswerber die vom Bundesverwaltungsgericht nach § 9 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Beurteilung an. Nach dieser Bestimmung ist, wenn durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
10 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. statt vieler etwa VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031 bis 0034, mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt darauf hingewiesen, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0266 bis 0270; 29.5.2018, Ra 2018/20/0224; 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, jeweils mwN).
12 Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht die in Rede stehende Beurteilung in unvertretbarer Weise vorgenommen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seine den konkreten Einzelfall betreffenden Erwägungen insbesondere auch einbezogen, dass der Revisionswerber eine Lehre begonnen hat. Dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Gewichtung der für die Gesamtbetrachtung maßgeblichen Umstände von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte, ist nicht zu sehen (vgl. dazu, ob mit dem bloßem Vorbringen zum "Gewicht einer angefangenen Lehre" eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden kann, VwGH 29.5.2018, Ra 2018/20/0224).
13 Wenn in der Revision weiters geltend gemacht wird, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei uneinheitlich und dieses Gericht habe in anderen Fällen Fremden, die in einem Lehrberuf tätig seien, Aufenthaltstitel nach dem AsylG 2005 erteilt, ist darauf hinzuweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. VwGH 17.4.2018, Ra 2018/08/0041; 19.7.2017, Ra 2017/01/0182, mwN).
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140037.L00Im RIS seit
31.01.2019Zuletzt aktualisiert am
01.02.2019