TE Vwgh Beschluss 2018/12/17 Ra 2018/05/0264

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Veröffentlicht am 17.12.2018
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z2;
BauO OÖ 1994 §49 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/05/0265

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. J S und 2. U S, beide in W, beide vertreten durch Dr. Witt & Partner Rechtsanwalt KG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20A/2A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. September 2018, Zl. LVwG-AV-690/001-2018, betreffend Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeindevorstand der Marktgemeinde H; weitere Partei:

Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5 Im gegenständlichen Fall geht es darum, ob ein vermuteter Konsens gegeben ist. In den Revisionszulässigkeitsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, es stelle sich die Rechtsfrage, ob ein Konsens zwingend zu vermuten sei, wenn die Behörde nachweislich eine amtliche Verfügung getroffen habe, die als Vorfrage das Bestehen einer Baubewilligung voraussetze. Diese Verfügung betreffe im gegenständlichen Fall die Zuweisung einer Hausnummer für das Objekt auf dem Grundstück der Revisionswerber. Entscheidend seien die vorgebrachten und offensichtlichen Indizien dafür, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen sei.

6 Neben einem erfolgten Kanalanschluss und einem gemeldeten Wohnsitz der Revisionswerber samt Führung in der Wählerevidenz führten weitere, besonders augenscheinliche Indizien zur zwingenden Annahme eines vermuteten Konsenses. Dies sei zunächst die Vergabe von Ordnungsnummern (Hausadressen) für das gegenständliche Wohnobjekt. Gemäß "§ 31 NÖ BO" habe die Baubehörde einem Gebäude eine Hausnummer zuzuweisen, wenn die Fertigstellung eines neuen Gebäudes angezeigt worden sei. In weiterer Folge seien das Vermessungsamt und das Grundbuchsgericht von der Gemeinde zu verständigen, wenn eine Hausnummer zugewiesen worden sei. Die Entgegennahme und Durchführung der Wohnsitzmeldung mit Angabe der Hausnummer/Adresse sowie die Anführung der Hausnummer sowohl in den erstinstanzlichen Bescheiden als auch in den Folgeentscheidungen mit dem Ausweis der Hausnummer/Adresse im Grundbuch belegten die Tatsache, dass eine Baubewilligung erteilt worden sei und die Fertigstellung des Gebäudes durch die Voreigentümer der Revisionswerber ordnungsgemäß angezeigt worden sei.

7 Auch die Tatsache, dass die Gemeinde H nachweislich im Zuge eines Liegenschaftsteilungsverfahrens durch einen Teilungsplan, in dem alle auf der gegenständlichen Liegenschaft errichteten Gebäude planlich ausgewiesen seien, von diesen Gebäuden im Zeitraum 1998/1999 Kenntnis erlangt habe, sei als Indiz zu beurteilen und so zu würdigen, dass die gegenständlichen Gebäude rechtmäßig und bauordnungsgemäß errichtet worden seien.

8 Das Verwaltungsgericht habe die Prüfung und Würdigung der zwingenden Indizien für die Erteilung einer Baubewilligung nicht geprüft. Verfahrensrechtlich stelle sich die Frage, wie weit unbegründet auf die Durchführung von Beweisen in Verfahren zu einem vermuteten Konsens verzichtet werden könne. Die Revisionswerber bestritten, dass ein rechtmäßiges Verfahren stattgefunden habe. Keinesfalls sei jedoch ein besonders sorgfältiges Ermittlungsverfahren durchgeführt worden.

9 Es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob von der Vermutung einer erteilten Baubewilligung eines Objektes trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen auszugehen sei, wenn nachfolgende Behördenentscheidungen das Vorliegen eines Konsenses als Vorfrage voraussetzten. Weiters sei es fraglich, ob bei Vorliegen eines derartigen Sachverhaltes zwingend der Konsens zu vermuten und der Entscheidung der Behörde zugrundezulegen sei. Im konkreten Fall stelle sich die Rechtsfrage besonders im Hinblick auf die erfolgte Vergabe bzw. Zuweisung einer Ordnungsnummer/Hausadresse für das gegenständliche Wohnobjekt gemäß "§ 31 NÖ BO".

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit einer alten Baulichkeit nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Erbauung so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich erscheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes ist nur dann zu vermuten, wenn der Zeitpunkt der Herstellung desselben so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht. Ein Anfang der 1960er Jahre errichtetes Gebäude ist nicht als alter Bestand im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen. Darüber hinaus vermögen weder die Tatsache, dass die Baubehörde nach Errichtung des Gebäudes keinen baupolizeilichen Auftrag erlassen hat, noch der Umstand, dass auf den umliegenden Grundstücken Gebäude errichtet wurden, für die gleichfalls keine Baubewilligungen vorliegen, die Konsensmäßigkeit des Gebäudes zu begründen. Wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der Archive vorliegen, besteht keine weitere Ermittlungspflicht der Behörde (vgl. zu all dem z.B. das auch in den Revisionszulässigkeitsgründen zitierte hg. Erkenntnis vom 29.9.2016, 2013/05/0058, mwN).

11 Nach den in den Revisionszulässigkeitsgründen unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich der Errichtungszeitpunkt jedenfalls hinsichtlich eines Objektes auf dem Grundstück auf zwischen 1964 und 1972 datieren. Damit ist nicht von einem alten Bestand auszugehen, für den ein vermuteter Konsens in Frage käme (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 29.9.2016, 2013/05/0058). Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht geprüft, ob nicht bei der Gemeindezusammenlegung 1974 ein Verlust von Akten aufgetreten sein könnte. Es kam zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall war und die Archive vollständig sind.

12 In Bezug auf den Errichtungszeitpunkt und die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zum Stand der behördlichen Archive wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nichts vorgebracht. Angesichts dessen waren weitere Ermittlungen nicht mehr erforderlich (vgl. nochmals VwGH 29.9.2016, 2013/05/0058). Wenn im Übrigen nicht einmal eine Benützungsbewilligung, bei der es in der Sache um die Frage der konsensgemäßen Bauherstellung geht, und ebenso nicht das Wissen der Behörde über den baulichen Istzustand einen erforderlichen Baukonsens zu ersetzen vermögen (vgl. VwGH 31.3.2005, 2004/05/0014, mwN; VwGH 8.4.2014, 2011/05/0078, mwN - und insofern in der Judikatur auch nicht als Indizien für einen solchen gewertet wurden), scheidet es aus, dass anderen behördlichen Akten, wie sie in den Revisionszulässigkeitsgründen geltend gemacht werden, eine solche Wirkung zukommt.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2018

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050264.L00

Im RIS seit

25.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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