Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §1 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/04/0102Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revisionen 1. des MMag. R K und 2. des Vereins F, beide in W, beide vertreten durch Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/I/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Juli 2017, Zl. VGW- 021/014/9963/2016-22, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. Juni 2016 wurde der Erstrevisionswerber schuldig erkannt, es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ des zweitrevisionswerbenden Vereins zu verantworten, dass dieser Verein mit der Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, durch die Organisation des
"29. A-Marktes" in der Zeit von 20. November 2015 bis 23. Dezember 2015 an einem näher bezeichneten Ort das Gewerbe "Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen (Eventmanagement)" ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt habe, und über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 510,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 6 Stunden) verhängt. Ferner wurde der zweitrevisionswerbende Verein gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung für die über den Erstrevisionswerber verhängte Geldstrafe, die Verfahrenskosten und für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen das Straferkenntnis gerichtete Beschwerde des Erstrevisionswerbers als unbegründet ab, legte ihm die näher bestimmten Kosten des Beschwerdeverfahrens auf, erhöhte den Haftungsausspruch gegenüber dem zweitrevisionswerbenden Verein um die Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde:
Der zweitrevisionswerbende Verein, dessen Obmann der Erstrevisionswerber sei, habe vom 20. November 2015 bis 23. Dezember 2015 den 29. A-Markt, der alljährlich vom Verein am selben Ort zur Adventzeit organisiert und veranstaltet werde, organisiert. A.H., die Finanzreferentin des Vereines und eines weiteren Vereines, bei dem sie als Angestellte beschäftigt sei, sei das ganze Jahr über mit der Organisation des A-Marktes befasst gewesen. Für diese Tätigkeit und für die Organisation eines O-Marktes beziehe A.H. monatlich ein Gehalt von EUR 3.200,-- brutto (14-mal im Jahr) plus Fahrtspesen.
Die näher bezeichneten Einnahmen des 29. A-Marktes 2015 setzten sich aus Kostenbeiträgen der Aussteller, Inseraten und Werbung, Spenden für die Benefizaktion sowie Bankzinsen zusammen.
Ausgaben seien in näher bezeichneter Höhe für Hüttenmieten, Werbung, Kulturprogramme, Magistratsgebühren, Organisation/Material/Strom, Büroaufwendungen/Spesen, Organisationskosten/Aushilfen (wovon EUR 40.000,-- an den Verein bezahlt worden seien, der dafür die Arbeitskraft seiner Angestellten A.H. für Organisationsarbeiten zur Verfügung gestellt habe), Benefizaktion sowie Bankspesen getätigt worden.
Die Einnahmen hätten die Ausgaben um EUR 6.142,41 überstiegen und zufolge der vorgelegten Einnahmen- und Ausgabenrechnung sowie dem Vorbringen des Erstrevisionswerbers als Rücklagen für den A-Markt 2016 gedient.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Verein habe diese Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt. Regelmäßigkeit sei jedenfalls gegeben, weil der jährlich ca. einen Monat durchgehend jeden Tag stattfindende A-Markt, dessen Vorbereitung das ganze Jahr in Anspruch nehme, keinesfalls eine einmalige Handlung darstelle. Die Tätigkeit erfordere eine längere Zeit und wiederhole sich in gleichmäßiger Aufeinanderfolge.
Die Tätigkeit sei mit der Absicht betrieben worden, einen Ertrag zu erzielen, der den mit der Organisation des 29. A-Marktes im Zusammenhang stehenden Aufwand übersteigt. Die Einnahmen für die Organisation des A-Marktes 2015 hätten dessen Ausgaben um ca. EUR 6.000,-- überstiegen. Der Verein habe beabsichtigt, diesen Überschuss für die Organisation des A-Marktes 2016 (z.B. Produktion und Ankauf neuer Werbetragetaschen) zu verwenden, somit zur Finanzierung einer anderen Aktivität als der Organisation des betreffenden A-Marktes 2015.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GewO 1994 seien daher erfüllt, sodass nicht auf die Sondernorm des § 1 Abs. 6 GewO 1994 zurückgegriffen werden müsse.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
6 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung in eventu Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zulässigkeit
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht gehe im vorliegenden Fall davon aus, dass die erzielten Überschüsse für die Organisation des A-Marktes 2016 verwendet worden seien; somit zur Finanzierung einer anderen Aktivität als der Organisation des betreffenden A-Marktes 2015 gedient hätten. Demgegenüber vertrete der Erstrevisionswerber die Auffassung, dass der Verein lediglich in Kostendeckungsabsicht gehandelt habe. Daher stelle sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wie die Bildung von (kaufmännisch notwendigen) Rücklagen zu beurteilen sei, wenn diese Rücklagen für dieselbe Tätigkeit (hier das Organisieren eines Anlassmarktes), welche auch den ideellen Vereinszweck darstelle und im Rahmen welcher die Einnahmen erwirtschaftet worden seien, gebildet würden. Als weitere Rechtsfrage stelle sich, ob eine kaufmännische Gebarung, nämlich die Miteinkalkulierung allfälliger Mehrkosten und/oder Ausfälle von Einnahmen und die beabsichtigte und geplante Kostendeckung bereits eine Gewinnerzielungsabsicht oder lediglich eine Kostendeckungsabsicht indiziere.
8 Die Revision ist aus den dargelegten Gründen zulässig. Sie
ist auch berechtigt.
Rechtslage
9 Gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,00 zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
10 Nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.
11 Nach § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, bei Vereinen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist.
Verhältnis von § 1 Abs. 6 GewO 1994 zu § 1 Abs. 2 GewO 1994 12 Soweit die Revision zum Verhältnis von § 1 Abs. 6
GewO 1994 zu § 1 Abs. 2 GewO 1994 vermeint, § 1 Abs. 6 leg. cit. stelle eine lex specialis dar, weshalb die Tätigkeit eines Vereins nur unter den dort normierten Voraussetzungen als gewerbsmäßig ausgeübt qualifiziert werden dürfe, ist dem entgegnen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass durch § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 das Merkmal der Ertragsabsicht gegenüber der allgemeinen Grundregel des § 1 Abs. 2 GewO 1994 weiter gefasst (vgl. RV 341 BlgNR 17. GP 31 f) wird, wobei die allgemeine Bestimmung des § 1 Abs. 2 GewO 1994 daneben weiterhin anwendbar ist (vgl. zuletzt VwGH jeweils 29.1.2018, Ra 2016/04/0058, Rn. 11; Ra 2017/04/0088, Rn. 21, mwN).
Ertragsabsicht nach § 1 Abs. 2 GewO 1994
13 Im Zusammenhang mit der Ertragsabsicht nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, ob die von einem nach dem Vereinsgesetz 2002 konstituierten Verein entfaltete Tätigkeit der GewO 1994 unterliegt, nicht darauf an, ob der Verein tatsächlich Gewinn erzielt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Absicht besteht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Ist die Gebarung eines derartigen Vereins mit dem Bemühen verbunden, Auslagen gering zu halten oder unter Umständen zu vermeiden, und im Übrigen dahin ausgerichtet, Einnahmen lediglich in der Höhe der aus der Verwirklichung der ideellen Vereinszwecke zwangsläufig erwachsenden Auslagen zu erzielen, so liegt eine solche Ertragserzielungsabsicht nicht vor. Umgekehrt mangelt es aber nicht jeder Vereinstätigkeit, deren Erträgnisse der Verminderung des Gesamtaufwandes eines Vereines dienen, schon allein im Hinblick auf diese Eigenschaft an Gewerbsmäßigkeit. Entscheidend ist vielmehr, ob jene Vereinstätigkeit, in deren Rahmen Einkünfte erzielt werden, in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag zu erzielen, der den mit dieser Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwand übersteigt. Eine Ertragserzielungsabsicht ist gegeben, wenn die einer gewerblichen Tätigkeit entsprechenden Geschäfte "in einer Weise abgeschlossen werden, welche die Möglichkeit der Erzielung eines Gewinnes offen lässt, und welche eben charakteristisch ist für den auf einen Gewinn abzielenden Betrieb einer Unternehmung" (vgl. zuletzt VwGH 29.1.2018, Ra 2016/04/0058, Rn. 15, mwN, betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 iZm der Organisation des "28. A-Marktes").
14 Sollen mit den für die Leistungen des Vereins eingehobenen Entgelten auch Kosten des Vereins im Zusammenhang mit anderen Vereinstätigkeiten abgedeckt werden, so liegt die Ertragsabsicht vor. In Fällen, in denen Vereine durch die Entfaltung einer (wirtschaftlichen) Tätigkeit Einnahmenüberschüsse erzielen wollen, die dann zur Finanzierung anderer - rein ideeller - Aktivitäten verwendet werden sollen, bedarf es dementsprechend einer Gewerbeberechtigung (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2017/04/0088, Rn. 23, mwN).
15 Für die Beurteilung der Frage, wann eine getrennt zu beurteilende Tätigkeit vorliegt, deren Gewerbsmäßigkeit nach den oben angeführten Grundsätzen isoliert zu beurteilen ist, kann nach der Rechtsprechung darauf abgestellt werden, ob die Tätigkeit in Form einer selbständigen Unternehmung ausgeübt wird. Dies ist nach dem Gesamtbild der festgestellten wirtschaftlichen Momente zu beurteilen (vgl. VwGH jeweils 29.1.2018, Ra 2016/04/0058, Rn. 16; sowie Ra 2017/04/0088, Rn. 23, jeweils mwN).
Einzelfallbezogene Anwendung
16 Das Verwaltungsgericht erachtete die Ertragsabsicht als gegeben, weil die Einnahmen für die Organisation des 29. A-Marktes 2015 dessen Ausgaben um ca. EUR 6.000,-- überstiegen hätten und der zweitrevisionswerbende Verein beabsichtigt habe, diesen Überschuss für die Organisation des 30. A-Marktes 2016 (zB Produktion und Ankauf neuer Werbetragetaschen), somit zur Finanzierung einer anderen Aktivität, zu verwenden.
17 Diese Auffassung widerspricht der oben angeführten Rechtsprechung, wonach es für das Vorliegen einer Ertragsabsicht nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 nicht darauf ankommt, ob der Verein tatsächlich Gewinn erzielt, sondern vielmehr wesentlich ist, ob die Gebarung des Vereins dahin ausgerichtet ist, Einnahmen zu erzielen, die die aus der Verwirklichung der ideellen Vereinszwecke (im vorliegenden Fall der jährlichen Organisation eines traditionellen Adventmarktes) zwangsläufig erwachsenden Auslagen übersteigen. Allein aus dem Umstand, dass der zweitrevisionswerbende Verein durch die Organisation des 29. A-Marktes einen finanziellen Überschuss erzielt hat, kann nicht zwingend auf eine Ertragserzielungsabsicht in dem Sinn geschlossen werden, dass die einer gewerblichen Tätigkeit entsprechende Organisation des konkreten Marktes in einer Weise erfolgte, welche die Möglichkeit der Erzielung eines Gewinns offen lässt, und welche charakteristisch ist für einen auf einen Gewinn abzielenden Betrieb einer Unternehmung.
18 Da der zweitrevisionswerbende Verein den A-Markt alljährlich am selben Ort zur Adventzeit organisiert und dies für sich eine einheitliche Vereinstätigkeit darstellt, ist die Organisation des Marktes in einem bestimmten Jahr - konkret im Jahr 2015 - in Bezug auf die Organisation des Marktes im darauf folgenden Jahr nicht als davon getrennt zu beurteilende Vereinstätigkeit zu betrachten. Allein die Absicht, den durch die Organisation des 29. A-Marktes erzielten Überschuss als Rücklage zur Finanzierung des im darauf folgenden Jahr 2016 wiederum organisierten Marktes zu verwenden, vermag eine Ertragsabsicht in Bezug auf die Organisation des 29. A-Marktes 2015 daher nicht zu begründen.
19 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es schon aus diesem Grund das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Ergebnis
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Dezember 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040101.L00Im RIS seit
31.01.2019Zuletzt aktualisiert am
27.03.2019