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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31996L0071 Entsende-RL Art2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des H N in M, Deutschland, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Spittelwiese 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 14. November 2017, Zl. LVwG- 2016/41/2037-19, betreffend Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes - AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden dem Revisionswerber - insoweit in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der belangten Behörde - Übertretungen der §§ 7b Abs. 3 (Punkt 1.), 7b Abs. 5 (Punkt 2.), 7d Abs. 1 (Punkt 3.) und 7f Abs. 1 Z 3 (Punkt 4.) AVRAG angelastet, weil er es als Geschäftsinhaber einer näher genannten Schischule mit Sitz in Deutschland zu verantworten habe, dass die Beschäftigung näher genannter Arbeitnehmer dieser Schischule, die zumindest für den 20. Februar 2015 zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden seien, nicht spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen gemeldet worden sei (Punkt 1.), dass keine Unterlagen über die Anmeldung dieser Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung EWG Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A1 nach der Verordnung EG Nr. 883/04) bereitgehalten worden seien (Punkt 2.), dass die Lohnunterlagen zur Überprüfung des den Arbeitnehmern für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts nicht bereitgehalten worden seien (Punkt 3.), und dass die von den Organen der Abgabenbehörde verlangten erforderlichen Unterlagen auch nicht bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags übermittelt worden seien (Punkt 4.).
2 Über den Revisionswerber wurden deshalb (vom Verwaltungsgericht der Höhe nach reduzierte) Geldbzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
3 Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht zugelassen.
4 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht - nach Durchführung dreier mündlicher Verhandlungen - zusammengefasst folgenden Sachverhalt zu Grunde:
5 Anlässlich der finanzpolizeilichen Kontrolle am 20. Februar 2015 beim Liftparkplatz F sei der Revisionswerber - Geschäftsinhaber der Schischule N - zusammen mit zehn (namentlich genannten) Schilehrern und etwa 100 deutschen Reisegästen angetroffen worden; die Personen seien mit mehreren Reisebussen mit deutschen Kennzeichen angereist. Die Schilehrer hätten rotschwarze Schianzüge mit der Rückenaufschrift "Schischule N" getragen. Um einen unnötigen Zeitverlust des Schischulbetriebs zu vermeiden (der Revisionswerber habe nach Ankündigung der Kontrolle angegeben, im Moment keine Zeit zu haben), sei vereinbart worden, dass die anwesenden Schilehrer jeweils ein Personenblatt ausfüllen; anschließend hätten sie mit ihren Gruppen auf die Piste gehen können. Dabei hätten neun Schilehrer angegeben, selbständig zu sein, eine Schilehrerin (KS) habe "eine nichtselbständige Tätigkeit mit Euro 60,-- pro Tag" angegeben. Es sei vom Revisionswerber kein Vertrag mit einem inländischen Dienstleistungsempfänger abgeschlossen worden, die angestellten Schilehrer hätten für den Revisionswerber auf Basis eines mit diesem abgeschlossenen Schi- und Snowboardlehrervertrags bzw. Schilehrervertrags ausschließlich mit mitgebrachten deutschen Schigästen gearbeitet. Die Gruppen vor Ort seien vom Revisionswerber eingeteilt worden, mit den Gruppen sei ein bestimmter Tagessatz vereinbart worden.
6 Der Schischulbetrieb des Revisionswerbers sei - vom Einfinden der Gäste auf dem Sammelplatz über die Zuteilung der Schüler, die Einteilung des Schilehrerpersonals, die Übernahme in den Gruppen- bzw. Einzelunterricht, die Führung der betreffenden Listen, die Vereinbarungen mit den Beförderungsunternehmen, die Betreuung durch ein Sekretariat, bis hin zu den regelmäßigen Kurszeiten, den Rückmeldungen der Schilehrer, der Bezahlung und den Verköstigungskosten für die Schilehrer - bis ins Detail organisiert gewesen.
7 Der Revisionswerber habe hinsichtlich der angetroffenen Schilehrer weder ZKO3-Meldungen noch A1-Versicherungsdokumente noch Lohnunterlagen vorlegen können. Der Aufforderung, die nicht vorhandenen Unterlagen der Finanzpolizei nachzureichen, sei vom Revisionswerber nicht fristgerecht bzw. nicht vollständig entsprochen worden. Einsatzort sowie Beginn und Ende des Unterrichtes seien vom Revisionswerber vorgegeben worden. Die Schilehrer hätten bei der Ausfüllung der Personenblätter angegeben, selbständig zu sein (bis auf die Schilehrerin KS, eine Studentin) und pro Tag zwischen Euro 40,00 und Euro 60,00 zu verdienen, nur der Schilehrer TB habe einen Verdienst von Euro 90,00 pro Tag angegeben. Der Revisionswerber habe sich in den mit den Schilehrern abgeschlossenen Schi- und Snowboardlehrerverträgen bzw. Schilehrerverträgen verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, weiters hätten sich einige Schilehrer in den Verträgen verpflichtet, bei vorzeitigem Auflösen ihrer Vertragsverpflichtungen eine adäquate Ersatzperson für die Aufrechterhaltung des Schibetriebes zu stellen. Ein generelles Vertretungsrecht sei in den Verträgen nicht vereinbart worden. Die angetroffenen Schilehrer hätten für die Fahrt nach F einen Beitrag von Euro 10,00 zu bezahlen gehabt, die von ihnen eingesetzten Betriebsmittel, wie Schi, Schikleidung, Anorak etc. seien von ihnen selbst besorgt worden. Die Kursgestaltung und die Kursdurchführung habe den eingesetzten Schilehrern in freier Entscheidung oblegen und sei diese vom Revisionswerber nicht vorgegeben worden. Die Schilehrer seien, teilweise nur mit Zustimmung des Revisionswerbers, berechtigt gewesen, ihre Leistungen auch anderen Schischulen anzubieten. Die eingesetzten Schilehrer hätten über keine entsprechende Infrastruktur verfügt und keine Kostenrechnung, Kalkulation, Buchhaltung oder sonstige unternehmerische Ausprägung gehabt. Sie hätten keinen Betrieb gehabt, keine Werbung in eigener Sache gemacht, gegenüber den Kunden keine Kurse angeboten und "in Wirklichkeit" keine Haftung getragen. Sie seien in keinem Vertragsverhältnis zu den Schitouristen gestanden, die Preisgestaltung sei ausschließlich über die Schischule des Revisionswerbers erfolgt. Die bei der Kontrolle angetroffenen zehn Schilehrer seien somit in F nicht selbständig tätig, sondern als unselbständige Arbeitnehmer in der Schischule N beschäftigt gewesen.
8 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das Verwaltungsgericht hinsichtlich der strittigen Frage, ob die vom Revisionswerber eingesetzten Schilehrer als Arbeitnehmer oder als Selbständige bzw. freie Mitarbeiter seiner Schischule zu beurteilen seien, (auf das Wesentliche zusammengefasst) Folgendes dar:
9 Entsprechend Art. 2 Abs. 2 der Entsenderichtlinie werde der Begriff des Arbeitnehmers in dem Sinn verwendet, in dem er im Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt werde, gebraucht werde.
10 Gemäß § 7i Abs. 10 AVRAG sei für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliege, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.
11 Auszugehen sei dabei vom Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung.
12 Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG sei die persönliche Arbeitspflicht, an der es einerseits bei Bestehen eines generellen Vertretungsrechts, andererseits bei Einräumung eines sanktionslosen Ablehnungsrechts fehle. Ob persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG gegeben sei, hänge - in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis - davon ab, ob die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten weitgehend ausgeschaltet oder bloß beschränkt sei. Unterscheidungskräftige Kriterien seien die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse. Von besonderer Aussagekraft sei, ob der Beschäftigte in einer Weise in die betriebliche Organisation des Beschäftigers eingebunden sei, dass ausdrückliche Weisungen und Kontrollen durch "stille Autorität" substituiert würden. Bei der gebotenen Gesamtabwägung sei auch die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen und ob der Beschäftigte seine Arbeitsleistungen im Wesentlichen ausschließlich für bloß einen Beschäftiger erbringe.
13 Im Revisionsfall sei ein generelles Vertretungsrecht nicht vereinbart worden. Die vom Revisionswerber beschäftigten Schilehrer hätten ihre Tätigkeit in einem vom Revisionswerber im Rahmen seiner Schischule für seine unternehmerischen Zwecke organisierten, in den wesentlichen Grundzügen genau umrissenen Rahmen entfaltet. Der Schischulbetrieb sei vom Revisionswerber bis ins Detail organisiert gewesen. Die Zugehörigkeit der Schilehrer zum Betrieb der Schischule des Revisionswerbers sei durch die einheitliche, wenngleich selbst bezahlte Schibekleidung unterstrichen worden. Ohne Genehmigung der Schischule hätten die Schilehrer keine den Kursablauf beeinträchtigenden Nebentätigkeiten ausüben dürfen; bei vorzeitigem Lösen des Vertragsverhältnisses während eines bereits begonnenen Schikurses hätte laut Vertrag eine adäquate Ersatzperson für die Aufrechterhaltung des Schischulbetriebs gestellt werden müssen. Die Schilehrer seien bei Ausübung ihrer Tätigkeit dem unmittelbaren Weisungsrecht der Schischule unterstanden, zur laufenden Berichterstattung verpflichtet gewesen und hätten der Schischule gegenüber für alle durch Nichteinhaltung deren Anweisungen verursachten Schäden gehaftet. Damit bestehe eine Einbindung in die betriebliche Organisation des Dienstgebers.
14 Die Schilehrer hätten eine durchschnittlich qualifizierte Tätigkeit ausgeübt und über sachliche Entscheidungsspielräume verfügt, die für die erfolgreiche Ausübung der Dienstleistung notwendig gewesen seien, es fehle aber insgesamt an unternehmerähnlichen Dispositionsmöglichkeiten, die es rechtfertigen könnten, die in die betriebliche Organisation Eingebundenen dennoch als persönlich unabhängige freie Dienstnehmer anzusehen. Die Verwendung der eigenen Ausrüstung und der selbst bezahlten Schikleidung stelle kein entscheidendes Kriterium bei Beurteilung der persönlichen Unabhängigkeit dar.
15 Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 als Zeugen vernommenen Schilehrer CL und AN hätten zwar bestätigt, in der Schischule "als Selbständige" beschäftigt gewesen zu sein und keiner persönlichen Kontrolle bzw. Weisungsbefugnis durch den Revisionswerber unterworfen gewesen zu sein, ein sanktionsloses Ablehnungsrecht gehabt zu haben und kein bestimmtes Unternehmerrisiko tragen haben zu müssen. Der Zeuge CL habe allerdings einräumen müssen, in Deutschland als selbständiger Schilehrer mit eigenem Büro nicht aufgetreten zu sein und außer seiner Schiausrüstung über keine eigenen Betriebsmittel bzw. andere Betriebsmittel zu verfügen, auch habe er eine Buchhaltung und das Legen von Bilanzen, wie dies bei einem Betrieb ansonsten üblich sei, nicht gemacht und für sich selber auch keine Werbung betrieben. Die Kursinhalte seien durch den Schilehrplan festgelegt und habe er selber keine Schüler für den Schikurs angeworben bzw. zu keinem der Schischüler ein eigenes Vertragsverhältnis gehabt. Wenn im Schilehrervertrag davon die Rede sei, dass er bei vorzeitigem Lösen seiner Vertragsverpflichtung eine adäquate Ersatzperson für die Aufrechterhaltung des Schikursbetriebes zu stellen hätte, sei dieser Vertragspunkt so nicht praktiziert worden. Er sei auch davon ausgegangen, dass für ihn eine Haftpflichtversicherung im Sinne der vertraglichen Bestimmungen abgeschlossen wurde.
16 Auch der Zeuge AN habe zugestanden, dass er weder über ein eigenes Büro bzw. eine eigene Betriebsstätte noch über weitere Betriebsmittel, außer Skibekleidung oder Ski verfügt habe und auch keine Werbung für sich selbst mache. Die Verträge mit den Schischülern habe die Schischule selbst abgeschlossen und die Haftung, falls etwas passiere, übernommen.
17 Wenn auch die vom Revisionswerber eingesetzten Schilehrer HJ und MW in ihren schriftlichen Stellungnahmen an das Verwaltungsgericht ebenfalls darauf hingewiesen hätten, in der Schischule als selbständige Schilehrer tätig gewesen zu sein und keiner persönlichen Kontroll- bzw. Weisungsbefugnis durch den Revisionswerber unterworfen, in der Einteilung ihrer Arbeitszeiten frei und keinem Konkurrenzverbot unterlegen gewesen zu sein, kein bestimmtes Unternehmerrisiko tragen haben zu müssen und die für den Schikurs notwendigen Betriebsmittel selbst beschafft zu haben, sei in Würdigung der zeugenschaftlichen Angaben von CL und AN im Zusammenhang mit den aktenkundigen Verträgen doch davon auszugehen, dass eine für eine Einbindung in die betriebliche Organisation des Dienstgebers und die Substitution von persönlichen Weisungen und Kontrollen durch "stille Autorität" charakteristische Eingliederung der Arbeitskraft in eine vom Dienstgeber bestimmte Ablauforganisation vorgelegen sei. Daran änderten auch die vom Revisionswerber und von den befragten Schilehrern behaupteten Entscheidungsspielräume in Bezug auf ihre Lehrtätigkeit nichts, weil diese Freiräume nur innerhalb des genannten, vom Dienstgeber vorgegebenen Rahmens betrieblicher Erfordernisse bestanden hätten, sodass sich die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert habe.
18 Die bei der gebotenen Gesamtabwägung ebenfalls zu berücksichtigende längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und die im Wesentlichen ausschließliche Erbringung der Dienstleistungen für die Schischule des Revisionswerbers unterstreiche das Bild einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit. Auch die Höhe und Art der Entlohnung, die im Verhältnis zu den von der Schischule von ihren Kunden verlangten Preisen "jeder Logik eines Unternehmers" entbehre und die in etwa dem entspreche, was österreichische Schilehrer verdienten, weise in diese Richtung.
19 Der Revisionswerber könne auch nicht erfolgreich die vorgelegte Bestätigung der deutschen Rentenversicherung, wonach ausgehend von den vorgelegten Verträgen von einem Überwiegen der Merkmale für das Vorliegen selbständiger Tätigkeiten auszugehen sei, ins Treffen führen, sei diese Bestätigung doch explizit davon abhängig gemacht worden, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeiten den vertraglichen Regelungen nicht widerspreche; eben an dieser Voraussetzung fehle es den Feststellungen nach aber.
20 Zusammengefasst sei also davon auszugehen, dass die für den Revisionswerber tätig gewesenen Schilehrer als dessen Arbeitnehmer zu qualifizieren seien, weshalb den Revisionswerber als Arbeitgeber die in Rede stehenden Verpflichtungen, die er - insoweit unstrittig - nicht erfüllt habe, getroffen hätten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die subjektive Tatseite und die Strafbemessung.
21 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.
22 Die belangte Behörde hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.
23 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
26 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten hätte:
27 Die Revision macht geltend, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob die gegenständlichen Melde- und Bereithalteverpflichtungen den Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere ihrem Art. 16 Abs. 3, genügten.
28 Dem ist zu entgegnen, dass gemäß Art. 1 Abs. 6 der angesprochenen Richtlinie (2006/123/EG) diese "das Arbeitsrecht" nicht berührt. Dass nationale Regelungen wie die auch im Revisionsfall in Rede stehenden - als Maßnahmen zur Durchsetzung von materiellem Arbeitsrecht sowie Vorschriften zur Gewährleistung dessen Wirksamkeit, die zu einem hohen Niveau des Schutzes des im Allgemeininteresse liegenden Ziels der Einhaltung des Arbeitsrechts beitragen - vom Begriff "Arbeitsrecht" iSd Art. 1 Abs. 6 der Dienstleistungsrichtlinie erfasst werden, weshalb diese Richtlinie auf derartige Maßnahmen nicht anwendbar ist, wurde jüngst vom EuGH im Urteil vom 14. November 2018, Rs C-33/17, Cepelnik, klargestellt (vgl. die Rn. 29 bis 36). Eine weitere "Klarstellung" durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs erübrigt sich insofern.
29 Die Revision macht weiter geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Verweis auf VwGH Ra 2016/11/0094, Ra 2015/11/0083 und Ro 2014/11/0100) ab, weil es - ungeachtet des Fehlens eines inländischen Dienstleistungsempfängers - das Vorliegen einer "Entsendung" bejaht habe.
30 Die damit behauptete Judikaturdiskrepanz liegt insofern nicht vor, als die angesprochenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 ergangen sind, während auf den Revisionsfall (die inkriminierte Tätigkeit erfolgte im Februar 2015) das AVRAG in der mit der genannten Novelle geänderten Fassung anzuwenden ist. Mit dieser erfolgte aber insoweit eine Erweiterung des Entsendebegriffs, als seither auch ohne Abschluss eines Dienstleistungsvertrags mit einem inländischen Dienstleistungsempfänger eine Entsendung vorliegt, sofern die vom "entsandten" Arbeitnehmer erbrachten Dienstleistungen über die in § 7b Abs. 1a Z 1 bis 6 AVRAG genannten kurzfristigen Arbeiten geringen Umfangs hinausgehen. Dass ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, wird von der Revision gar nicht behauptet.
31 Mit dem weiteren - pauschal ohne jede Konkretisierung und ohne Hinweis auf allfällige Besonderheiten des zu beurteilenden Einzelfalls gehaltenen - Vorbringen der Revision, es stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, ob "die Melde- und Bereithaltepflichten des AVRAG überhaupt mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar (unverhältnismäßiger Aufwand, ungerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit)" seien, wird die Zulässigkeit der Revision ebensowenig dargelegt, zumal unionsrechtliche Vorbehalte gegen die nationalen Regelungen lediglich angedeutet werden (vgl. VwGH 5.11.2018, Ra 2018/11/0121, 20.9.2018, Ra 2018/11/0118, je mit Hinweisen auf Vorjudikatur).
32 Die Revision macht schließlich geltend, der Arbeitnehmerbegriff des § 4 ASVG und jener der §§ 1151 ff ABGB, auf den § 1 AVRAG abstelle, stimmten nicht notwendig überein und wichen vor allem in Problemfällen nicht selten voneinander ab. Die Umschreibung des Dienstnehmers iSd ASVG entspreche zwar im Wesentlichen dem vertragsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, insbesondere in Bezug auf die persönliche Abhängigkeit, allerdings verlange das ASVG keinen gültigen Vertrag, wohl aber das Bestehen eines Entgeltanspruchs, während beim vertragsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff die Entgeltlichkeit kein zentrales Kriterium darstelle. Dieser Unterscheidung komme grundsätzliche Bedeutung zu und bestehe auch zu dieser Rechtsfrage keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.
33 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht dargetan, weil nicht zu erkennen ist, inwieweit bei Entscheidung über die vorliegende Revision die Relevanz der beiden hervorgehobenen Kriterien für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft der Schilehrer zu prüfen wäre, zumal das Bestehen eines gültigen Vertrags wie auch eines Entgeltanspruchs vom Verwaltungsgericht wie auch von der Revision nicht bezweifelt werden.
34 Nur der Vollständigkeit halber: Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft von grenzüberschreitend nach Österreich Entsandten ist entsprechend Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 96/71/EG nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats und damit gemäß § 7i Abs. 10 AVRAG nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des jeweiligen Sachverhalts zu beurteilen (vgl. VwGH 15.1.2018, Ra 2017/11/0304). Dies erfordert eine Prüfung des Gesamtbilds der den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände (vgl. nur etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2016/11/0177, und - insbesondere zur Abgrenzung zwischen echtem und freiem Dienstvertrag - VwGH 31.8.2015, 2013/11/0130). Eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung ist im Regelfall (wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde) nicht revisibel (vgl. nur etwa VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033, 28.4.2016, Ro 2015/07/0041, 20.9.2017, Ra 2017/11/0024, 13.12.2018, Ra 2017/11/0301). Die gegenständliche Beurteilung dieser Frage ist weder mit einem Verfahrensfehler behaftet (insbesondere hat das Verwaltungsgericht mehrere mündliche Verhandlungen durchgeführt) noch als unvertretbar zu erkennen.
35 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
36 Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil der Inhalt des als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatzes nicht über einen Verweis auf das angefochtene Erkenntnis und das behördliche Straferkenntnis hinausgeht und kein sonstiges auf die Revision Bezug habendes Vorbringen enthält (vgl. VwGH 30.6.2016, Ro 2015/16/0033).
Wien, am 28. Dezember 2018
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110030.L00.1Im RIS seit
31.01.2019Zuletzt aktualisiert am
05.02.2019